BT-Drucksache 17/5204

Genehmigung für Waffenexporte bei Unzuverlässigkeit konsequent aussetzen

Vom 23. März 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/5204
17. Wahlperiode 23. 03. 2011

Antrag
der Abgeordneten Katja Keul, Hans-Christian Ströbele, Agnes Malczak,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel,
Katrin Göring-Eckardt, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Maria
Klein-Schmeink, Ute Koczy, Tom Koenigs, Kerstin Müller (Köln), Ingrid Nestle,
Omid Nouripour, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Genehmigung für Waffenexporte bei Unzuverlässigkeit konsequent aussetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland ist gerade als weltweit drittgrößer Waffenexporteur bestätigt wor-
den (vgl. SIPRI Yearbook 2011) und zählt zu den bedeutendsten Exporteuren
von Klein- und Leichtwaffen (vgl. Small Arms Survey 2010), vor allem durch
das Unternehmen Heckler & Koch GmbH.

In den letzten Jahren sind immer wieder deutsche Rüstungsgüter in Krisenge-
bieten und in Herrschaftsgebieten von Despoten aufgetaucht. Sie kamen und
kommen in Bürgerkriegen und zur Unterdrückung der Bevölkerung zur An-
wendung. Dies gilt insbesondere für Sturmgewehre des Typs G36 der Firma
Heckler & Koch GmbH mit Firmensitz in Oberndorf. Deutsche Medien berich-
ten mit Fotos über G36-Sturmgewehre im kriegerischen Einsatz in Georgien,
im Irak, in Mexiko und in Libyen noch in diesen Tagen. Zuletzt wurde ein Sohn
Muammar al-Gaddafis in Heldenpose mit einem G36-Gewehr in der hochge-
reckten Faust in der ARD-Sendung „Tagesthemen“ am 9. März 2011 gezeigt.

Die Staatsanwaltschaften Stuttgart und Hamburg führen derzeit, auf Grund
einer Strafanzeige vom 19. Oktober 2010 wegen ungenehmigten Waffen-
exports, Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der Firma Heckler & Koch
GmbH. Am 21. Dezember 2010 wurde der Oberndorfer Firmensitz durchsucht.

Das Unternehmen soll mit Wissen seiner Geschäftsleitung ab 2006 verbotener-
weise G36-Sturmgewehre und -Ersatzteile in vier mexikanische Unruheprovin-
zen (Chiapas, Jalisco, Guerrero und Chihuahua) exportiert und die Schießaus-
bildung dortiger Polizisten mit eigenem Personal durchgeführt haben (vgl.
SWR-Report vom 13. Dezember 2010). Damit hätte das Unternehmen hoch-

wirksame Kriegswaffen in Bundesstaaten Mexikos geliefert, obwohl sein eige-
ner Exportantrag und die daraufhin erteilte Ausfuhrgenehmigung die Lieferung
in gerade diese Bundesstaaten ausschloss. Grund waren die dort herrschenden
gewaltsamen Auseinandersetzungen und eklatanten, auch durch staatliche
Sicherheitskräfte verübten, Menschenrechtsverletzungen.

Laut der mexikanischen Rüstungsbeschaffungsbehörde haben weder das Unter-
nehmen Heckler & Koch GmbH, noch deutsche Regierungsstellen mitgeteilt,

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dass der Export der Waffen nur mit der Auflage genehmigt worden war, dass
diese nicht in die vier Provinzen gelangen dürften, der Import dorthin und der
Einsatz dort also nicht stattfinden dürfe.

Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe, Markus Löning, forderte am 2. März 2011 einen Stopp jeglicher Waffen-
exporte nach Mexiko.

Die Bundesregierung hat entschieden, bis auf Weiteres keinerlei Anträge von
der Firma Heckler & Koch GmbH auf Waffenexporte zu bearbeiten, allerdings
beschränkt auf das Zielland Mexiko (vgl. Antwort der Bundesregierung vom
4. Januar 2011 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundes-
tagsdrucksache 17/4383, Seite 3).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte der Firma Heckler
& Koch GmbH bis zum rechtskräftigen Abschluss sämtlicher Strafverfahren
auszusetzen;

2. in Zukunft sicherzustellen, dass Umfang, Bedingungen sowie Einschränkun-
gen von Waffenexportgenehmigungen dem Empfänger in geeigneter Weise
mitgeteilt werden und die Einhaltung dieser Konditionen wirksam überprüft
wird.

Berlin, den 23. März 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Die im Raum stehenden Vorwürfe gegen die Heckler & Koch GmbH wiegen
schwer. Dem Rüstungsunternehmen werden Verstöße gegen das Außenwirt-
schafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Im Raum stehen die
bewusste Missachtung von Auflagen sowie die Täuschung der Bundesregierung.

Immer wieder waren Rüstungsexporte dieses Unternehmens Gegenstand parla-
mentarischer Fragen einzelner Abgeordneter oder Kleiner Anfragen und von
Anträgen von Fraktionen. Der Weg der Lieferungen dieser Waffen in Krisen-
gebiete, Bürgerkriege oder an Despoten blieb bis heute weitgehend ungeklärt.
Weder die Bundesregierung noch das Unternehmen Heckler & Koch GmbH
konnten oder wollten mitteilen, wie diese Sturmgewehre nach Georgien oder an
das US- Sicherheitsunternehmen Blackwater, das diese im Irak und in Afghanis-
tan eingesetzt haben soll, gelangt sind. Auf dieser Grundlage konnte bislang die
Einhaltung der „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export
von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ nicht sichergestellt werden.

Die Antwort der Bundesregierung vom 21. Dezember 2010 auf die Frage des
Abgeordneten Hans-Christian Ströbele nach Erkenntnissen über die Lieferung
von G36-Sturmgewehren entgegen ihrem Verbot aus 2007 in vier südmexika-
nische Bundesstaaten mit Menschenrechtsverletzungen lautete: „Der Bundes-
regierung liegen keine eigenen Erkenntnisse zu den behaupteten Umwegliefe-
rungen vor. Der Bundesregierung ist bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Stutt-
gart seit einigen Monaten ein Ermittlungsverfahren […] führt. Die Bundes-
regierung wird im Lichte dieses Ermittlungsverfahrens prüfen, ob wegen

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/5204

mangelnder Zuverlässigkeit des Unternehmens Genehmigungsverfahren auszu-
setzen oder erteilte Genehmigungen zurückzunehmen sind.“

Gemäß Nummer 3 der „Grundsätze der Bundesregierung zur Prüfung der Zuver-
lässigkeit von Exporteuren von Kriegswaffen und rüstungsrelevanten Gütern
vom 21. Juli 2001“ dürfen Rüstungsexporte nicht genehmigt werden, solange
ein Exporteur – wie hier – im Verdacht steht, gegen Vorschriften z. B. des Ge-
werbe-, Waffen- oder Strafrechts verstoßen zu haben. Gemäß Nummer IV.1. der
„Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen
und sonstigen Rüstungsgütern“ werden Genehmigungen nur erteilt, wenn zuvor
der Endverbleib dieser Güter im Endempfängerstaat sichergestellt ist. Voraus-
setzung der Genehmigung ist damit die Vorlage einer Endverbleibserklärung.
Der tatsächliche Endverbleib wird allerdings von deutscher Seite nicht über-
prüft. Das deutsche Rüstungsexportregime hat damit zwar einen hohen An-
spruch, ist aber derzeit allein auf die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit
der Exportunternehmen angewiesen. Letzteres ist bei der Heckler & Koch GmbH
derzeit nicht mehr gegeben.

Durch dieses strafrechtlich relevante Verhalten der Heckler & Koch GmbH ist
auch dessen gewerberechtliche Zuverlässigkeit erheblich in Frage gestellt. Dies
hätte die am Sitz des Unternehmens zuständige Behörde von Amts wegen weiter
zu überprüfen.

Die Einschätzung der Bundesregierung, dass die erforderliche Zuverlässigkeit
für die Genehmigung von Waffenexporten durch diese Firma nicht mehr voraus-
gesetzt werden kann, ist nach alledem zutreffend. Das Kriterium der Zuverläs-
sigkeit bezieht sich allerdings auf den Absender und nicht auf das Empfänger-
land. Sollten sich die Vorwürfe also bestätigen, wären aufgrund der erwiesenen
Unzuverlässigkeit keine Waffenexporte mehr zu genehmigen. Nicht nach
Mexiko und nicht sonst irgendwo in die Welt.

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