BT-Drucksache 17/4750

Grünbuch der Europäischen Kommission zur Reform der Mehrwertsteuer

Vom 10. Februar 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4750
17. Wahlperiode 10. 02. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, Dr. Gerhard
Schick, Fritz Kuhn, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Katrin Göring-Eckardt, Priska
Hinz (Herborn), Beate Müller-Gemmeke, Ingrid Nestle, Christine Scheel und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Grünbuch der Europäischen Kommission zur Reform der Mehrwertsteuer

Am 1. Dezember 2010 hat die Europäische Kommission ein Grünbuch „Über
die Zukunft der Mehrwertsteuer – Wege zu einem einfacheren, robusteren und
effizienteren MwSt.-System“ veröffentlicht. Darin bemängelt die EU-Kommis-
sion besonders die Komplexität des bestehenden Systems, die hohen Be-
folgungskosten für Unternehmen und die Betrugsanfälligkeit des aktuellen Sys-
tems. Die Kommission regt eine Diskussion über die zukünftige Ausgestaltung
des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems an und fordert im Zuge dessen eine
Grundsatzdebatte über die Ausgestaltung des gesamten Mehrwertsteuersystems
sowie eine Debatte über Einzel- und Detailaspekte des aktuellen Systems.

Während auf europäischer Ebene damit der Anstoß für eine Weiterentwicklung
des europäischen Mehrwertsteuersystems gegeben wurde, hat die Bundesregie-
rung im November 2010 die Einsetzung einer Kommission zur Überprüfung
der deutschen Umsatzsteuer, insbesondere ihres ermäßigten Satzes beschlossen.
Die Reform der Umsatzsteuer wurde auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU,
CSU und FDP für diese Legislaturperiode angekündigt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung das Grünbuch der Europäischen Kom-
mission im Hinblick auf die Problemanalyse des bestehenden Mehrwert-
steuersystems innerhalb der EU?

2. Wie bewertet die Bundesregierung das bestehende Mehrwertsteuersystem
der EU im Hinblick auf Komplexität?

3. Wie bewertet die Bundesregierung das bestehende Mehrwertsteuersystem
der EU im Hinblick auf bürokratischen Aufwand für Unternehmen und
Verwaltungen?

4. Wie bewertet die Bundesregierung das bestehende Mehrwertsteuersystem
der EU im Hinblick auf Betrugsanfälligkeit?
5. Wie bewertet die Bundesregierung ein mögliches gemeinsames Mehrwert-
steuersystem, das bei grenzüberschreitenden Umsätzen die Besteuerung im
Ursprungsland der Ware oder Dienstleistung vorsieht?

Drucksache 17/4750 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

6. Welche Vor- und welche Nachteile sieht die Bundesregierung bei einem
gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, das bei grenzüberschreitenden Um-
sätzen die Besteuerung im Ursprungsland der Ware oder Dienstleistung
vorsieht, für die einheimische Wirtschaft und Verwaltung?

7. Wie bewertet die Bundesregierung das aktuelle Mehrwertsteuersystem,
das bei grenzüberschreitenden B2B-Umsätzen die Besteuerung im Be-
stimmungsland der Ware oder Dienstleistung vorsieht, während für B2C-
Umsätze andere Reglungen gelten?

8. Welche Vor- und welche Nachteile sieht die Bundesregierung beim
gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, das bei grenzüberschreitenden B2B-
Umsätzen die Besteuerung im Bestimmungsland der Ware oder Dienst-
leistung vorsieht, für B2C-Umsätze aber andere Regelungen vorsieht, für
die einheimische Wirtschaft und Verwaltung?

9. Wie bewertet die Bundesregierung ein mögliches gemeinsames Mehrwert-
steuersystem, das bei grenzüberschreitenden Umsätzen die generelle An-
wendung des Reverse-Charge-Verfahrens vorsieht?

10. Welche Vor- und welche Nachteile für einheimische Unternehmen und
Verwaltungen sieht die Bundesregierung bei einem gemeinsamen Mehr-
wertsteuersystem, das bei grenzüberschreitenden Umsätzen die generelle
Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens vorsieht?

11. Wird es nach Einschätzung der Bundesregierung mittelfristig einen
Systemwechsel des europäischen Mehrwertsteuersystems geben, oder wird
das bisherige System über einen längeren Zeitraum weiter Bestand haben?

12. Hält die Bundesregierung einen Systemwechsel des europäischen Mehr-
wertsteuersystems für sinnvoll, oder bevorzugt sie das bisherige System?

13. Welche Begründung hat die Bundesregierung für ihre Position bezüglich
Frage 12?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Europäischen Kommis-
sion, dass das bisherige europäische Mehrwertsteuersystems das Funktio-
nieren des Binnenmarktes beeinträchtigt (vgl. KOM(2010) 695 endgültig,
S. 5)?

15. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen deutsche Unternehmen
ihren Vorsteuerabzug in EU-Mitgliedstaaten trotz Rechtmäßigkeit nicht
geltend machen konnten, und wenn ja, in welchen Mitgliedstaaten der EU
sind der Bundesregierung Probleme bei der Erstattung der Vorsteuer be-
kannt?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass es innerhalb der EU
keine einheitlichen Formulare für die Umsatzsteuervoranmeldung oder zur
Mehrwertsteuererklärung gibt?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen
Kommission, eine EU-weit einheitliche Mehrwertsteuererklärung aus-
zuarbeiten und für die Mitgliedstaaten für verbindlich zu erklären (vgl.
KOM(2010) 695 endgültig, S. 18)?

18. Welche konkreten Zahlen liegen der Bundesregierung im Hinblick auf die
Befolgungs- und Bürokratiekosten für Unternehmen in Zusammenhang mit
der Erhebung und dem Vollzug der Mehrwertsteuer vor?

19. Wie bewertet die Bundesregierung das aktuelle Mehrwertsteuersystem im
Hinblick auf den Grundsatz der Unmerklichkeit der Mehrwertsteuer?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4750

20. Wie bewertet die Bundesregierung den Vereinfachungsvorschlag der
Europäischen Kommission zur Schaffung einer einzigen Anlaufstelle für
Unternehmen bei B2C-Umsätzen (vgl. KOM(2010) 695 endgültig, S. 20,
KOM(2004) 728?

21. Wie bewertet die Bundesregierung den Vereinfachungsvorschlag der Euro-
päischen Kommission zur Schaffung verbindlicher Online-Datenbanken
mit Gegenständen und Dienstleistungen, für die ermäßigte Steuersätze
gelten (vgl. KOM(2010) 695 endgültig, S. 17)?

22. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf für eine Neufassung der
umsatz- bzw. mehrwertsteuerlichen Organschaft, und wenn ja, welche
Ziele sollen durch eine Neufassung nach Meinung der Bundesregierung er-
reicht werden, und sollte hier eine gemeinsame europäische Lösung ange-
strebt werden?

23. Hält die Bundesregierung die Maßnahmen zur Bekämpfung des Mehrwert-
steuerbetrugs auf europäischer Ebene für ausreichend, und wenn nein, wo
sieht die Bundesregierung verstärkten Handlungsbedarf?

24. Hält die Bundesregierung einen Ausbau der gemeinschaftlichen Daten-
banken mit Informationen über Mehrwertsteuerpflichtige und ihre inner-
gemeinschaftlichen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen
für sinnvoll, und wenn ja, in welcher Form sollte dieser Ausbau betrieben
werden?

25. Wäre es nach Meinung der Bundesregierung sinnvoll, wenn die Kleinunter-
nehmerregelungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU stärker
harmonisiert würden?

26. Wie beurteilt die Bundesregierung die wettbewerbsverzerrende Wirkung
des ermäßigten Umsatz- bzw. Mehrwertsteuersatzes?

27. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kom-
mission, Änderungen des europäischen Mehrwertsteuerrechts auf dem
Wege einer Verordnung des Europäischen Rates zu verabschieden (vgl.
KOM(2010) 695 endgültig, S. 15)?

28. Wie beurteilt die Bundesregierung die Neutralität des bestehenden Mehr-
wertsteuersystems, insbesondere im Hinblick auf die Besteuerung öffent-
licher Einrichtungen?

29. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf im Hinblick auf die Schaffung
einer stärkeren Neutralität der Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer?

30. Befürwortet die Bundesregierung eine Reform bzw. Überprüfung der
Mehrwertsteuerbefreiungen auf Ebene der EU?

31. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf bei den nationalen Rege-
lungen für Mehrwertsteuerbefreiungen?

32. In welchem Turnus wird die Kommission der Bundesregierung zur Über-
arbeitung der ermäßigten Umsatzsteuersätze in der Bundesrepublik
Deutschland tagen?

33. Gibt es konkrete Modelle oder Vorlagen, die in der Regierungskommis-
sion zur Überarbeitung der ermäßigten Umsatzsteuersätze thematisiert
werden, und wenn ja, welche (vgl. www.bz-berlin.de/aktuell/deutschland/
mehrwertsteuer- kommt-die-reform-article1040098.html)?

34. Inwiefern berücksichtigt die Regierungskommission zur Überarbeitung der
ermäßigten Umsatzsteuersätze die aktuelle Diskussion auf Ebene der EU
zur Reform des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems?

Drucksache 17/4750 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
35. Befasst sich die Regierungskommission zur Überarbeitung der ermäßigten
Umsatzsteuersätze auch mit den nicht europarechtskonformen Ermäßigun-
gen des deutschen Umsatzsteuergesetzes (Beispiel Renn- und Dressur-
pferde), und strebt die Regierungskommission hier Änderungen an, damit
das deutsche Umsatzsteuergesetz den europarechtlichen Vorgaben ent-
spricht (sollte die Bundesregierung hier keine Änderungen planen, begrün-
den Sie bitte, warum eine nicht europarechtskonforme Ermäßigung weiter
beibehalten werden soll)?

36. Wann wird die Regierungskommission zur Überarbeitung der ermäßigten
Umsatzsteuersätze eine abschließende Empfehlung an die Bundesregierung
abgeben?

37. Wann wird es einen Zwischenbericht der Regierungskommission zur Über-
arbeitung der ermäßigten Umsatzsteuersätze geben?

38. Wann plant die Bundesregierung die Reform der Umsatzsteuer gesetz-
geberisch umzusetzen?

Berlin, den 10. Februar 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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