BT-Drucksache 17/4197

Entwurf eines Gesetzes für ein erweitertes Rückkehrrecht im Aufenthaltsgesetz

Vom 15. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4197
17. Wahlperiode 15. 12. 2010

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Rüdiger Veit, Daniela Kolbe (Leipzig), Gabriele Fograscher,
Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Wolfgang Gunkel, Michael Hartmann
(Wackernheim), Frank Hofmann (Volkach), Christel Humme, Ute Kumpf, Kirsten
Lühmann, Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann, Gerold Reichenbach, Olaf Scholz,
Dr. Dieter Wiefelspütz, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Entwurf eines Gesetzes für ein erweitertes Rückkehrrecht im Aufenthaltsgesetz

A. Problem

Zwangsverheiratung ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Sie verstößt
gegen Artikel 16 Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, ge-
gen Artikel 23 Absatz 3 des Internationalen Paktes über bürgerliche und poli-
tische Rechte, gegen Artikel 12 der Europäischen Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie gegen die aus Artikel 6 Absatz 1
des Grundgesetzes folgende Freiheit der Eheschließung. Sie kommt in den
unterschiedlichsten ethnischen und religiösen Gruppen vor und betrifft ins-
besondere Frauen und Mädchen.

Zwangsverheiratung wurde 2005 als besonders schwerer Fall der Nötigung in
§ 240 Absatz 4 Nummer 1, zweite Alternative des Strafgesetzbuchs (StGB) auf-
genommen. Die strafrechtliche Bekämpfung der Zwangsheirat ist insbesondere
zu generalpräventiven Zwecken erforderlich.

Die Praxis zeigt aber, dass dies unter dem Aspekt des Opferschutzes nicht aus-
reicht. Sofern ausländische Personen betroffen sind, muss ihnen aufenthalts-
rechtlich die Möglichkeit gegeben werden, sich aus der Zwangsehe zu befreien.
Nach bisheriger Rechtslage ist dies jedoch nicht ausreichend gewährleistet.
Allein in Bezug auf das eigenständige Aufenthaltsrecht von Ehegatten nach
Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft gibt es eine Ausnahme. Nach
§ 31 Absatz 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) können unter ande-
rem Opfer von Zwangsehe sich vor Ablauf der regelmäßigen Voraufenthaltszeit
von zwei Jahren aus der Zwangsehe befreien und ein eigenständiges Aufent-
haltsrecht erhalten. Ungelöst sind aber Konstellationen, in denen ein Ausländer
im Ausland zur Eingehung der Ehe genötigt oder zwecks Fortsetzung einer
bereits bestehenden Ehe unter Einsatz von Nötigung an der Rückkehr nach
Deutschland gehindert wird. In diesen Fällen sind die Betroffenen an der

Wiedereinreise gehindert. Der Aufenthaltstitel erlischt deshalb entweder durch
Befristung, spätestens aber nach sechs Monaten oder einer anderweitig indivi-
duell von der Ausländerbehörde gesetzten Frist.

Drucksache 17/4197 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

B. Lösung

Ausländern, die zuvor rechtmäßig in Deutschland gelebt haben und deren
Aufenthaltstitel während eines Auslandsaufenthaltes durch Ablauf der Gel-
tungsdauer oder wegen Verstreichens der Frist nach § 51 Absatz 1 Nummer 7
AufenthG erloschen ist, wird durch ein eigenständiges Rückkehrrecht die Mög-
lichkeit eröffnet, rechtmäßig nach Deutschland zurückzukehren, wenn sie im
Ausland zur Eingehung der Ehe genötigt wurden oder durch Nötigung von der
Rückkehr in das Bundesgebiet abgehalten wurden, um eine bereits bestehende
eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland fortzusetzen.

C. Alternativen

Keine.

D. Finanzielle Auswirkungen und Bürokratiekosten

Nennenswerte Mehrkosten sind nicht zu erwarten. Die finanziellen Auswirkun-
gen durch den möglichen Verzicht auf das Erfordernis der Lebensunterhal-
tungssicherung im Falle des § 37a AufenthG werden angesichts der geringen
Zahl der zu erwartenden Fälle gering ausfallen.

ausgereist ist und sein Aufenthaltstitel gemäß § 51
Absatz 1 Nummer 1 erloschen ist und er nicht innerhalb

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 15. Dezember 2010

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/4197

Entwurf eines Gesetzes für ein erweitertes Rückkehrrecht im Aufenthaltsgesetz

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geän-
dert durch Artikel 4 Absatz 5 des Gesetzes vom 30. Juli
2009 (BGBl. I S. 2437), wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

Nach § 37 wird folgende Angabe eingefügt:

„§ 37a Erweitertes Rückkehrrecht“.

2. Nach § 37 wird folgender § 37a eingefügt:

㤠37a
Erweitertes Rückkehrrecht

(1) Einem Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhn-
lichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte, kann eine Auf-
enthaltserlaubnis erteilt werden, wenn der Ausländer

des Gültigkeitszeitraumes wieder einreisen konnte, weil
er

1. zur Eingehung der Ehe im Ausland genötigt wurde
oder

2. durch Nötigung von der Rückkehr in das Bundes-
gebiet abgehalten wurde, um eine bereits bestehende
eheliche Lebensgemeinschaft im Ausland fortzuset-
zen

und er innerhalb von drei Monaten nach dem Aufhören
der Zwangslage ein Visum beantragt hat. Die Aufent-
haltserlaubnis kann abweichend von § 5 Absatz 1 Num-
mer 1 erteilt werden.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn der Ausländer
ausgereist ist und sein Aufenthaltstitel gemäß § 51
Absatz 1 Nummer 7 erloschen ist und er nicht innerhalb
von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde
bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Drucksache 17/4197 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Die gegenwärtige Rechtslage bietet ehemals legal in
Deutschland lebenden Ausländern, die in einer Zwangsehe
im Ausland leben, keine ausreichenden Möglichkeiten, um
sich durch Rückkehr nach Deutschland aus der Zwangsehe
zu befreien. Dem wird mit dem vorliegenden Gesetz abge-
holfen.

Satz 2 Nummer 2 kann auch dann angenommen werden,
wenn ein Ehegatte in Deutschland unter Nötigung davon ab-
gehalten wird, sich aus einer ehelichen Lebensgemeinschaft
zu lösen.

Für den Begriff der Nötigung ist auf Einsatz von Gewalt
oder Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne von
§ 240 StGB abzustellen.
B. Besonderer Teil

Zu Nummer 1

Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an die
Einfügung von § 37a.

Zu Nummer 2

Absatz 1 bezieht sich auf Fälle, in denen die Geltungsdauer
des Aufenthaltstitels während des Auslandsaufenthaltes ge-
mäß § 51 Absatz 1 endet, bevor das Erlöschen nach § 51
Absatz 1 eintreten kann. Diese Fallkonstellation kommt we-
gen der Bezugnahme auf die Befristung nur für Inhaber einer
Aufenthaltserlaubnis, nicht aber einer Niederlassungserlaub-
nis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG zur Anwen-
dung.

In diesen Fällen soll die Vorschrift Ausländern, die zuvor
rechtmäßig in Deutschland gelebt haben, die Möglichkeit
geben, sich durch die Rückkehr nach Deutschland aus einer
unter Nötigung eingegangenen oder fortgeführten Ehe zu
befreien. Diesbezüglich werden mehrere Fallkonstellatio-
nen erfasst.

Unter Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 fallen Fälle, in denen der
Betroffene ins Ausland reist und dort, sei es spontan oder
ohne Wissen des Betroffenen von der Familie vorbereitet,
zur Eingehung der Ehe genötigt wird.

In Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 werden Fälle erfasst, in denen
die Ehe bereits vor der Ausreise bestanden hat oder im Aus-
land freiwillig geschlossen worden ist, der Betroffene aber
im Ausland durch Nötigung davon abgehalten wird, in das
Bundesgebiet zurückzukehren. Ein systematischer Wider-
spruch zu in Deutschland lebenden Ausländern besteht hier
nicht. Denn eine besondere Härte i. S. v. § 31 Absatz 2

In beiden Fällen muss das Visum innerhalb von drei Mona-
ten nach Aufhören der Zwangslage beantragt werden. So
wird sichergestellt, dass die Vorschrift nur dann angewandt
wird, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Be-
freiung aus der Zwangslage und der vom Ausländer begehr-
ten Einreise nach Deutschland besteht.

Der Aufenthaltstitel ist als Ermessensnorm ausgestaltet, um
der Ausländerbehörde insbesondere in Bezug auf die seit
der Ausreise verstrichene Zeit eine flexible Handhabe zu er-
möglichen.

Nach Absatz 1 Satz 2 kann die Aufenthaltserlaubnis auch
dann erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt des Auslän-
ders nicht gesichert ist. So wird sichergestellt, dass die unter
menschenrechtlichen Gesichtspunkten gebotene Befreiung
aus einer Zwangsehe nicht daran scheitert, dass der Aus-
länder seinen Lebensunterhalt in Deutschland nicht eigen-
ständig sichern kann. Andernfalls könnte die Regelung ins
Leere laufen. Denn gerade nach länger andauernder Zwangs-
ehe im Ausland, die insbesondere Frauen oftmals in die tra-
ditionelle Hausfrauenrolle drängt, dürfte der Einstieg oder
die Rückkehr in das Berufsleben angesichts eventuell fehlen-
der Ausbildung oder Berufserfahrung schwierig sein. Aller-
dings ist die Vorschrift als Ermessensnorm ausgestaltet. So
wird eventueller Missbrauchsgefahr, die mit einer Anspruchs-
norm entstehen könnte, begegnet.

Absatz 2 erfasst Ausländer, die rechtmäßig in Deutschland
gelebt haben, aber nicht vor Ablauf der in § 51 Absatz 1
Nummer 7 genannten Frist – sei es die Sechsmonatsfrist
oder eine von der Ausländerbehörde gesetzte längere Frist –
wieder einreisen konnten. Die Vorschrift kommt für Inhaber
einer Aufenthaltserlaubnis ebenso wie für Inhaber einer
Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufent-
halt-EG zur Anwendung. Im Übrigen gilt das zu Absatz 1
Gesagte entsprechend.

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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