BT-Drucksache 17/4036

Streichung des Begriffes "Rasse" aus der deutschen Rechtsordnung und internationalen Dokumenten

Vom 1. Dezember 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/4036
17. Wahlperiode 01. 12. 2010

Antrag
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Dr. Martina Bunge,
Wolfgang Gehrcke, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Thomas Nord, Petra Pau, Jens Petermann,
Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, Frank Tempel, Kathrin Vogler,
Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Streichung des Begriffes „Rasse“ aus der deutschen Rechtsordnung
und internationalen Dokumenten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Begriff „Rasse“ ist wissenschaftlich widerlegt sowie historisch und ideolo-
gisch extrem belastet. Deshalb haben bereits andere Staaten sowohl grund-
sätzlich als auch bei der Umsetzung der Anti-Rassismus-Richtlinie 2000/43/EG
in nationales Recht auf den Begriff „Rasse“ verzichtet. Aufgrund der wissen-
schaftlichen Haltlosigkeit des Rassebegriffs hat auch das Deutsche Institut für
Menschenrechte die Empfehlung abgegeben, den Begriff „Rasse“ aus Rechts-
texten zu tilgen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich zusammen mit anderen Staatsregierungen bei der Ausarbeitung inter-
nationaler Dokumente dafür einzusetzen, dass der Begriff „Rasse“ keine
Aufnahme mehr findet und stattdessen die Formulierung „ethnische, soziale
und territoriale Herkunft“ verwendet wird;

2. sich zusammen mit anderen Staatsregierungen und internationalen Organi-
sationen dafür einzusetzen, dass der Begriff „Rasse“ sukzessive aus inter-
nationalen Dokumenten entfernt wird und durch die unter Nummer 1 be-
nannte Formulierung ersetzt wird;

3. einen Gesetzentwurf vorzulegen zur Änderung des Artikels 3 des Grundge-
setzes (GG), mit dem Inhalt, den Begriff „Rasse“ zu streichen und durch die
unter Nummer 1 benannte Formulierung zu ersetzen;

4. einen Gesetzentwurf zur Änderung des Allgemeinen Gleichbehandlungs-
gesetzes (AGG) zu erarbeiten mit dem Inhalt, den Begriff „Rasse“ zu strei-
chen und durch die unter Nummer 1 benannte Formulierung zu ersetzen;
5. auf die Gesetzgeber in Bund, Land und Kommunen einzuwirken, den Be-
griff „Rasse“ nicht mehr zu verwenden und darauf hinzuwirken, dass der
Begriff „Rasse“ sukzessive in bestehenden Gesetzen gestrichen und durch
die unter Nummer 1 benannte Formulierung ersetzt wird;

Drucksache 17/4036 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
6. in untergesetzlichen Vorschriften den Begriff „Rasse“ sukzessive zu strei-
chen und durch die unter Nummer 1 benannte Formulierung zu ersetzen.

Berlin, 1. Dezember 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Für die modernen Anthropologinnen/Anthropologen, Biologinnen/Biologen
und Genetikerinnen/Genetiker ist der Rassebegriff kein wissenschaftlicher Be-
griff. So wurde auf Initiative der UNESCO 1995 von Anthropologinnen/An-
thropologen und Biologinnen/Biologen eine Erklärung beschlossen, sich ganz
vom Rassebegriff zu verabschieden (Deklaration von Schlaining gegen Rassis-
mus, Gewalt und Diskriminierung. Hrsg. Österreichische UNESCO Kommis-
sion und Europäisches Universitätszentrum für Friedensstudien – EPU –, Stadt-
schlaining, S. 25, 1995).

In der Erklärung heißt es unter anderem: „Die neuen wissenschaftlichen Be-
funde stützen nicht die frühere Auffassung, dass menschliche Populationen in
getrennte „Rassen“ wie „Afrikaner“, „Eurasier“ oder irgendeine größere An-
zahl von Untergruppen klassifiziert werden könnten. Es gibt keinen wissen-
schaftlichen Grund, den Begriff „Rasse“ weiter zu verwenden.“

Vor dem Hintergrund des wissenschaftlichen Forschungsstandes heißt das, den
Rassebegriff aufzugeben. Sein Einsatz in Rechtstexten könnte den Anschein er-
wecken, der Gesetzgeber billige einen ideologiegeladenen Kampfbegriff.

In vielen Ländern und Sprachen – insbesondere im kontinentaleuropäischen
Raum – gibt es die klare Tendenz, den Begriff „Rasse“ in Bezug auf Menschen
zu meiden. Letztendlich sollte der Begriff „Rasse“ in nationalen wie internatio-
nalen Rechtstexten nicht mehr verwendet werden, da er selbst rassistische Imp-
likationen mit sich führt. Auch in der deutschen Rechtsordnung sollte der Be-
griff „Rasse“ in Zukunft keine Verwendung mehr finden. Deshalb sollten das
Grundgesetz und das AGG entsprechend verändert werden.

In der deutschen Rechtsordnung findet sich der Begriff „Rasse“ in vielen bun-
desrechtlichen oder auch landesrechtlichen Reglungen – auch im Grundgesetz
ist er erhalten. Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG lautet: „Niemand darf wegen …
seiner Rasse … benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Im deutschen AGG aus
2006, welches unter anderem die Anti-Rassismus-Richtlinie 2000/43/EG um-
setzt, heißt es in § 1 AGG: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Grün-
den der Rasse … zu verhindern oder zu beseitigen.“

Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung zum
AGG implizit annimmt, dass das Grundgesetz (Artikel 3) vom Vorhandensein
verschiedener menschlicher „Rassen“ ausgehe. Abgesehen davon, macht auch
die Gesetzesbegründung zum AGG deutlich, dass es keine befriedigenden Lö-
sungen gibt, solange der Begriff „Rasse“ verwendet wird.

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