BT-Drucksache 17/3866

Für einen nachhaltigen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems in Afghanistan

Vom 23. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3866
17. Wahlperiode 23. 11. 2010

Antrag
der Abgeordneten Tom Koenigs, Ute Koczy, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian
Ströbele, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Kai Gehring, Priska Hinz
(Herborn), Ingrid Hönlinger, Agnes Malczak, Omid Nouripour, Claudia Roth
(Augsburg), Krista Sager, Viola von Cramon-Taubadel, Ekin Deligöz, Ulrike Höfken,
Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Agnes Krumwiede, Kerstin Müller (Köln),
Tabea Rößner, Manuel Sarrazin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für einen nachhaltigen Ausbau des Bildungs- und Hochschulsystems
in Afghanistan

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bildung ist ein Menschenrecht und ein absolutes Grundbedürfnis. Die Hälfte
der afghanischen Bevölkerung ist jünger als 18 Jahre. Diese circa 15 Millionen
Afghaninnen und Afghanen brauchen jetzt eine Grund- und Ausbildung. Sie
können nicht darauf warten, bis der afghanische Staat ausreichend Kapazitäten
entwickelt hat, um die Bildungssysteme zu reformieren und zu verwalten.
Deutschland muss Afghanistan in den Bereichen Grundschulbildung, beruf-
liche Ausbildung sowie Hochschulbildung stärker unterstützen.

Die mangelnde Grundbildung und der Analphabetismus sind weiterhin die vor-
dringlichen und drängendsten Bildungsprobleme Afghanistans. Das deutsche
Engagement im diesem Bereich setzt richtige Schwerpunkte: Verbesserung der
Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, Sicherung der Gehaltszahlungen und
Ausbau schulischer Infrastruktur. Es muss aber vor allem quantitativ erheblich
ausgeweitet werden. Im Bereich der Hochschulbildung muss Deutschland viel
stärker bildungspolitische Expertise bereitstellen und seine Förderpolitik präzi-
sieren und ausbauen. Verstärkte Unterstützung muss zudem beim Aufbau eines
Berufsbildungssystems geleistet werden. In diesen beiden Bereichen ist
Deutschland aufgrund seiner reichhaltigen Erfahrungen besonders geeignet, der
afghanischen Regierung sein Know-how zur Verfügung zu stellen und sich
stärker zu engagieren. Hier setzt das deutsche Engagement in Absprache mit
den internationalen Partnern Schwerpunkte.

Ein Bildungssystem sollte neben der Vermittlung und Zertifizierung von
Bildungserfolgen vor allem auch eine Erziehung zum friedlichen und demo-
kratischen Verhalten bieten. Neben der dafür erforderlichen flächendeckenden

Schaffung von Grund- und Schulausbildung für Afghaninnen und Afghanen
braucht das Land generell mehr Hochqualifizierte und eine eigene Bildungs-
elite, die in der Lage ist, zukünftige Justiz- und Verwaltungsangestellte sowie
Ministerinnen und Minister zu stellen.

Gute Bildung ist eine Grundvoraussetzung, um Fundamentalismus entgegen-
zuwirken und demokratische Institutionen zu etablieren. Ohne junge gebildete

Drucksache 17/3866 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Afghaninnen und Afghanen wird ein demokratischer Staatsaufbau nicht funk-
tionieren. Mit dem Ziel, eine freie und friedliche Entwicklung der afghanischen
Gesellschaft zu garantieren, muss es darum gehen, einer der jüngsten Bevölke-
rungen der Welt eine soziale und wirtschaftliche Perspektive zu geben.

Im Bildungsbereich ist der Bedarf an Leistungen derart groß und unaufschieb-
bar, dass das deutsche Engagement hier in Absprache mit der afghanischen
Regierung verstärkt lokale Projekte fördern und sich unmittelbar an den Be-
dürfnissen der Bevölkerung vor Ort ausrichten muss. Im Bereich der Berufs-
schulen gibt es weiterhin einen Mangel an Ausbildungsprofilen, die am Bedarf
der lokalen und regionalen Wirtschaft ausgerichtet sind.

Nach den Erfahrungen der zivilen Aufbauhelferinnen und Aufbauhelfer in Af-
ghanistan sind kleine Projekte, die fest in der lokalen Bevölkerung verankert
sind und mit geringerem Geldvolumen arbeiten, weniger korruptionsanfällig. Für
die Verankerung in der Bevölkerung ist es ebenso wichtig, dass die Bildungs-
maßnahmen die lokale Kultur und den Islam als Teil der Lebenswirklichkeit der
Afghaninnen und Afghanen respektieren und aufnehmen.

Vor dem Hintergrund der Abzugsdiskussion muss jedes Aufbauvorhaben
daraufhin überprüft werden, ob die geplanten Institutionen – Schulen, Hoch-
schulen, Wohnheime, Serviceeinrichtungen im Bildungssektor – durch afghani-
sche Sicherheitskräfte geschützt werden können.

Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung haben die Bedeutung von
Bildung in Afghanistan mehrfach betont. Das deutsche Engagement in der
Bildungsförderung sollte in Absprache mit der afghanischen Regierung ent-
sprechend erheblich verstärkt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1. ein schlüssiges Konzept mit einem transparenten Mittelverwendungsplan
vorzulegen, das darlegt, welchen Beitrag Deutschland zur Unterstützung
und Modernisierung des afghanischen Bildungssystems leisten kann und da-
bei insbesondere Partnerschaften zwischen deutschen und afghanischen Be-
rufs- und Hochschulen fördert und im Bereich der beruflichen Bildung den
Ausbau von Kooperationen zwischen afghanischen Unternehmen und Be-
rufsschulen vor Ort verstärkt zu unterstützen, um die Curricula der Berufs-
schulen vor Ort an den Bedarf der regionalen Wirtschaft zu koppeln;

2. die Mittel aus dem Einzelplan 23 für Bildungsprojekte in Afghanistan von
30 Mio. Euro auf 60 Mio. Euro zu verdoppeln, wovon je die Hälfte für
Grundbildung und für Berufs- und Hochschulbildung verwendet werden
soll;

3. ähnlich dem Abkommen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung mit dem afghanischen Bildungsministe-
rium, das eine Förderung der Berufsschulausbildung in Nordafghanistan in
der Höhe von 19 Mio. Euro vorsieht, ein Abkommen für die Förderung der
Hochschulbildung in mindestens gleichem finanziellen Umfang dem afgha-
nischen Ministerium für Hochschulbildung durch das im Hochschulbereich
federführende Auswärtige Amt anzubieten;

4. deutlich zu machen, dass die Förderung der afghanischen Hochschulen ein
wichtiges Anliegen des deutschen Engagements in Afghanistan ist und das
aktuelle Afghanistankonzept der Bundesregierung entsprechend zu über-
arbeiten;

5. alle Bildungsmaßnahmen genderspezifisch und an den Leitbildern einer
gewaltfreien Erziehung und individuellen Förderung auszurichten;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3866

6. die bestmögliche Verankerung aller Fördermaßnahmen im Bildungsbereich
in der lokalen Bevölkerung sicherzustellen, indem bereits für die Bedarfs-
analyse lokale und möglichst demokratisch legitimierte Repräsentantinnen
und Repräsentanten einbezogen werden;

7. in Abstimmung mit den afghanischen und internationalen Partnern und in
Bezug auf die jeweiligen Bedürfnisse vor Ort Maßnahmen zur Förderung
der afghanischen Bildungseinrichtungen – insbesondere im Bereich der
Berufs- und Hochschulen – nicht auf die neuen Kernprovinzen des deut-
schen Engagements in Afghanistan zu begrenzen;

8. die bereits laufende Unterstützung von Schulen und Bildungsinstitutionen,
die außerhalb der neuen Kernprovinzen des deutschen Engagements liegen,
nicht zu reduzieren oder gar einzustellen;

9. die zuständigen deutschen Behörden anzuweisen, Austauschprogramme
mit Afghanistan und Besuchergruppen von Nichtregierungsorganisationen
(NROs) nicht durch eine restriktive Visumvergabe zu gefährden;

10. den afghanischen Staat in seiner Aufgabe zu unterstützen, die langfristigen
Kosten wie die Bezahlung und Weiterbildung der Lehrkräfte zu garantie-
ren, sowohl finanziell wie auch organisatorisch, auch indem der Aufbau
einer transparenten Verwaltungsinfrastruktur durch Deutschland maß-
geblich unterstützt wird;

11. sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen der Förderung des Bildungs-
systems und insbesondere Berufs- und Hochschulen die Ausstattung der
Institutionen mit hinreichender Infrastruktur, insbesondere Lehrgebäuden,
Wohnheimen und Bibliotheken, bedarfsgerecht gefördert wird, wobei auch
der langfristige Unterhalt der geförderten Maßnahmen systematisch be-
rücksichtig werden sollte;

12. bei der Ausbildung von afghanischen Lehrkräften die Unterstützung
Deutschlands in einem größeren Umfang anzubieten und darauf hinzu-
wirken, dass für die Lehre und Ausbildung an afghanischen Schulen und
Hochschulen qualifiziertes Personal ausreichend zur Verfügung steht;

13. unverzüglich die Gelder für einen Neubau des Goethe-Instituts Kabul
bereitzustellen;

14. die Mittelkürzungen und die Reduzierung von entsandten Deutschlehr-
kräften an die Amani-Oberrealschule, die Aische-i-Durani-Schule und das
Lycée Jamhuriat zurückzunehmen;

15. den Bau und Betrieb einer Frauenuniversität in Kabul zu unterstützen, um
eine Möglichkeit zu bieten, dass Frauen aus dem ganzen Land studieren
können, und zu prüfen, in welcher Höhe er von Bundesregierung mitfinan-
ziert werden kann;

16. sich dafür einzusetzen, dass die afghanische Regierung in Abstimmung mit
der UNESCO unabhängige Expertinnen und Experten damit beauftragt, die
größten Universitäten und Berufsschulen zu besuchen, um den jeweiligen
Bedarf an Unterstützung festzustellen;

17. sich dafür einzusetzen, dass die afghanische Regierung in Abstimmung mit
der UNESCO möglichst bald alle Bildungseinrichtungen von unabhängi-
gen Expertinnen und Experten evaluieren lässt und die Ergebnisse vollstän-
dig veröffentlicht;

18. die Anzahl der z. B. durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst
e. V. (DAAD) geleisteten Personenförderungen in Afghanistan durch mehr-
jährige Stipendien deutlich zu erhöhen und dabei auch die Weiterquali-

fizierung afghanischer administrativer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so-
wie Führungskräfte deutlich auszuweiten;

Drucksache 17/3866 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

19. die Anzahl der Master- und Promotionsstipendien für Afghaninnen und
Afghanen, die an Hochschulen in Deutschland studieren wollen, deutlich
zu erhöhen und spezielle Förderprogramme nach dem Vorbild der DAAD-
Masterstipendien im Bereich „Public Policy and Good Governance“ aus-
zubauen;

20. die personelle und materielle Ausstattung von Durchführungsorganisatio-
nen wie dem DAAD derart anzuheben, dass sie der großen Aufgabe der
Unterstützung der Reform des afghanischen Hochschulsystems besser ent-
sprechen können;

21. Maßnahmen zur Förderung des Hochschulbereichs (insbesondere Einrich-
tung und Implementierung von Curricula, akademische Weiterqualifizie-
rungen, Stipendien, institutionelle Aufbauprozesse) des Auswärtigen Amts
künftig im Rahmen angemessener mehrjähriger Bewilligungen zu finanzie-
ren, um Planungssicherheit, stringente Durchführung und Wirtschaftlich-
keit des Mitteleinsatzes zu erhöhen;

22. sich gegenüber der afghanischen Regierung dafür einzusetzen, dass das
afghanische Bildungsministerium und das afghanische Ministerium für
Hochschulbildung geeignete und transparente Auswahlmechanismen für
den Hochschulzugang implementieren, die sich einzig an den Anforde-
rungsprofilen der einzelnen Studienprogramme entsprechend der Qualifi-
kation der Bewerberinnen und Bewerber orientieren;

23. sich gegenüber der afghanischen Regierung dafür einzusetzen, dass die
afghanischen Ministerien diejenigen Lehrkräfte konsequent unterstützen,
die sich gegen Korruptionsversuche und Einschüchterung vonseiten der
Studentinnen und Studenten zur Wehr setzen;

24. ein Programm aufzulegen, das die Sprachkompetenz für Englisch der
Dozentinnen und Dozenten, Institutionsangestellten, Studentinnen und
Studenten fördert, und das als Übergangslösung Lehrbücher, die den
höchsten internationalen Standards entsprechen, in Dari und Paschtu über-
setzt;

25. die Autonomie afghanischer Hochschulen zu fördern und dafür die Ein-
richtung und Institutionalisierung einer nationalen Hochschulrektoren-
konferenz zu unterstützen und sich gegenüber der afghanischen Regierung
dafür einzusetzen, dass den Studierenden an ihren Universitäten möglichst
viel Mitbestimmung gewährt wird;

26. den deutlichen Wunsch in Afghanistan, die Ausbildung religiöser Würden-
träger wieder an afghanischen Bildungseinrichtungen abzuhalten, zu unter-
stützen, den Fachbereich Islamische Studien nicht von Förderung aus-
zuschließen und ein Bildungssystem zu fördern, das allen Fachrichtungen
und Inhalten, einschließlich der religiösen, – im Rahmen der Verfassung
Afghanistans – Raum bietet.

Berlin, den 22. November 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/3866

Begründung

Die afghanischen Behörden und Sicherheitskräfte sollen ab Mitte 2011 schritt-
weise in einer Provinz nach der anderen die alleinige Verantwortung für die
Sicherheit übernehmen. Darauf muss sich die deutsche Afghanistanpolitik auch
hinsichtlich der zivilen Maßnahmen einstellen und jene Bereiche des sozialen
Systems stärken, ohne die eine funktionierende friedliche und zivile afghani-
sche Gesellschaft nicht entstehen kann. Einer dieser Bereiche ist ein effektives
und diskriminierungsfreies Bildungssystem, das neben einer flächendeckenden
Grundausbildung auch ausreichend viele Berufsschulen und Universitäten be-
inhaltet und sich an internationalen Standards in jedem dieser Bildungsfelder
orientiert.

Das bisherige deutsche Engagement im Bereich des zivilen Aufbaus ist keines-
wegs nur von Misserfolgen geprägt, stellt aber auch keine durchgängige Er-
folgsgeschichte dar. Die deutsche Förderung der afghanischen Bildungssysteme
hat eine lange Tradition und wird von den Afghaninnen und Afghanen sehr
geschätzt. Nach dem Ende des Talibanregimes erwarten deswegen die Afgha-
ninnen und Afghanen einen besonderen Beitrag Deutschlands beim Wiederauf-
bau des afghanischen Bildungssystems. Bislang war dieser Beitrag zwar von
hoher Qualität, hatte aber einen viel zu geringen Umfang. Zu den erfolgreichen
Ansätzen im bisherigen deutschen Engagement zählen u. a auch die vom DAAD
durchgeführten und koordinierten Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität
der Lehre an afghanischen Hochschulen. Im Interesse einer nachhaltigen Stär-
kung des afghanischen Hochschulsektors ist es nötig, diese fortzusetzenden
Maßnahmen stärker als bisher in einen Kontext umfassender Aufbaumaßnah-
men zu stellen, wobei auch infrastrukturelle Bedürfnisse ein größeres Engage-
ment erfordern und bisherige Rahmenbedingungen wie z. B. der jährige Finan-
zierungsmodus bedarfsgerecht zu modifizieren sind.

Wir müssen jetzt unsere Anstrengungen in der Bildungsförderung verstärken
und an einigen Stellen verbessern. Dem tatsächlichen afghanischen Bedarf im
Bildungssektor wäre nicht gedient, wenn die deutsche Unterstützung vorrangig
auf die Errichtung medienwirksamer Groß- oder Leuchtturmprojekte konzen-
triert wäre oder bliebe. In Afghanistan gibt es viele Probleme, die teilweise
durch mehr Ressourcen relativ einfach zu lösen wären: Zum Beispiel beträgt
die tägliche Unterrichtsdauer an staatlichen Schulen gerade einmal drei bis vier
Stunden täglich, wohingegen an privaten Schulen sieben bis acht Stunden täg-
lich gelehrt und gelernt wird. Viele NROs beklagen ebenso die mangelnde
staatliche Bezahlung und fehlende Weiterbildung der Lehrkräfte. Um aus-
bleibende Gehaltszahlungen für Lehrerinnen und Lehrer zu kompensieren,
müssen NROs in einigen entlegenen Gebieten durch Essensgutscheine und
Aufwandsentschädigungen die Lehrkräfte entlohnen, damit diese weiter unter-
richten (können). Neben Schulgebäuden fehlt es besonders an der Lehrmittel-
ausstattung.

Das Hauptaugenmerk muss auf die Entwicklung qualitativ hochwertiger und
nachhaltiger Strukturen gerichtet sein. Diese Notwendigkeit wird durch eine
Erhebung des afghanischen Bildungsministeriums verdeutlicht, der zufolge
z. B. die Mehrheit der Lehrenden ihre Schülerinnen und Schüler regelmäßig
schlägt und nur jeder zehnte Lehrende die afghanische Abschlussprüfung selbst
bestehen würde. Neben der Quantität muss daher auch die Qualität des
bildungsbezogenen Engagements viel stärker beachtet werden.

Zugleich muss auch bei den bisher geförderten Projekten auf eine nachhaltige
Qualitätssicherung geachtet werden. Der Zustand der ZfA-Schulen (ZfA:
Zentralstelle für das Auslandsschulwesen) – Amani-Oberrealschule, Aische-i-
Durani-Schule und Lycée Jamhuriat – in Kabul hat sich nach der Übergabe an

die afghanische Regierung verschlechtert, die bauliche und sachliche Ausstat-
tung ist erneut mangelhaft. Mit der Kürzung der deutschen Mittelzuwendungen

Drucksache 17/3866 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

an diese Schulen und der Reduzierung der entsandten Deutschlehrerinnen und
-lehrer hat die Bundesregierung daran einen Anteil. Auch die Förderung des
Goethe-Instituts in Kabul bleibt weit hinter dem Notwendigen zurück. Das
Institut ist in einem baulich extrem schlechten Zustand. Das Gebäude müsste
nach europäischer Norm aufgrund der fehlenden Erdbebensicherheit geräumt
werden. Zusätzlich zur mangelnden Erdbebensicherheit sind die Haus- und
Betriebstechnik sowie die Substanz des Gebäudes derart mangelhaft, dass eine
Ertüchtigung nicht wirtschaftlich ist. Zugleich fehlt es an einem eigenen Ver-
anstaltungsraum. Trotz dieser Mängel verzögert sich bisher der dringend not-
wendige Neubau.

Die Menschen in Afghanistan brauchen grundlegende institutionelle Basis-
voraussetzungen zum Lernen. Die Rahmenbedingungen für das Lernen und
Lehren sind (mit Ausnahmen) auch heute noch in einem beklagenswerten
Zustand. Insbesondere im Hochschulbereich könnte Deutschland mit ver-
gleichsweise geringen Mitteln viel erreichen und einen bleibenden Eindruck
hinterlassen. Der Hochschulbereich ist lange vernachlässigt worden, dabei ist
er für die Zukunftsaussichten der einzelnen Afghanen und den Staatsaufbau
Afghanistans von großer Bedeutung. In diese Lücke drängen nun mitunter
Staaten, die nicht an internationalen Bildungsstandards orientiert sind. Das ist
nicht im Interesse einer nachhaltigen Förderung Afghanistans.

Die Erfahrung im Aufbau der Bildungssysteme Afghanistans hat verdeutlicht,
dass es an einem funktionierenden Austausch zwischen den verschiedenen
deutschen und internationalen Akteuren mangelt. Die Unterstützungsmission
der Vereinten Nationen in Afghanistan konnte ihre Koordinationsrolle nicht
ausfüllen, weil es ihr an personellen und materiellen Ressourcen mangelt. Eine
Lehre aus der Afghanistanmission ist, dass unter der Federführung der Verein-
ten Nationen ein verbindliches Programm für die Bildungsförderung formuliert
werden sollte und die Ausführungsorganisationen der Vereinten Nationen noch
mehr Gewicht erhalten sollten. Bis das der Fall ist, muss Deutschland auch
seine bilateralen Maßnahmen intensivieren.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.