BT-Drucksache 17/2929

Reformpläne der Bundesregierung im Gesundheitssystem

Vom 14. September 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2929
17. Wahlperiode 14. 09. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Harald Weinberg, Matthias W. Birkwald,
HeidrunDittrich,WernerDreibus,KlausErnst, KatjaKipping,Dr. Ilja Seifert, Kathrin
Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Reformpläne der Bundesregierung im Gesundheitssystem

Am 6. Juli 2010 hat der Bundesminister für Gesundheit, Dr. Philipp Rösler, die
Eckpunkte für eine Reform des Gesundheitssystems bekannt gegeben. In dem
Papier wird neben der Einführung unbegrenzter pauschaler Zusatzbeiträge und
der Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge bei 7,3 Prozent auch auf die Auswei-
tung der Kostenerstattung, die Entwicklung einer Präventionsstrategie und eine
Reform der Selbstverwaltungsorgane verwiesen. Anfang August 2010 sind
durch die Presse einige Informationen aus einem sogenannten Diskussionspapier
des Bundesgesundheitsministeriums bekannt geworden und werden seither ohne
Beteiligung des Parlaments diskutiert. Gleiches gilt für den in der 34. Kalender-
woche lancierten Referentenentwurf. Darüber hinaus existieren nach Pressemel-
dungen innerhalb der Koalition Überlegungen, die Möglichkeit der Wahltarife
für die gesetzliche Krankenversicherung einzuschränken (Rheinische Post,
19. August 2010).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist die Kommission zur Reform der Krankenkassenfinanzierung weiter tätig
(Bezug nehmend auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage zur Zukunft der landwirtschaftlichen Krankenversicherung auf Bundes-
tagsdrucksache 17/2231, Vorbemerkung und Antworten), und wann hat die
Kommission mit welchen Teilnehmerinnen und Teilnehmern getagt?

Welche weiteren Sitzungstermine sind bisher geplant?

2. Wie viele Arbeitsplätze würden gefährdet, wenn die Kaufkraft der Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer und Rentnerinnen und Rentner um 1 Prozent-
punkt sinkt (bitte Studien benennen)?

3. Welche Studien, die nicht von arbeitgeber- oder industrienahen Einrichtungen
in Auftrag gegeben wurden, liegen der Bundesregierung vor, die darlegen,
dass mehr Arbeitsplätze durch eine paritätische Finanzierung der Kranken-
versicherungskosten verloren gehen als durch die einseitige Verschiebung der
Kosten zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Rentnerinnen und
Rentnern bedingt durch den einhergehenden Kaufkraftverlust (bitte Studien
benennen)?

4. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Studie des
Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, wonach die Lohnzu-
rückhaltung durch die Verminderung der Binnennachfrage mehr Arbeits-
plätze gefährdet hat, als der Wettbewerbsvorteil im Export dadurch erbracht

Drucksache 17/2929 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

hat (Joebges, Heike/Schmalzbauer, Andreas/Zwiener, Rudolf, Der Preis für
den Exportweltmeister Deutschland: Reallohnrückgang und geringes Wirt-
schaftswachstum, 4/2009)?

5. Auf welche Prognosen stützt die Bundesregierung ihre Behauptung, dass ein
steigender Anteil älterer Menschen und die Möglichkeiten des medizini-
schen Fortschritts zu Kostensteigerungen führen wird (bitte Studien oder
Gutachten benennen)?

6. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, damit ein steigender An-
teil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung nicht zu steigenden Ge-
sundheitsausgaben führt?

Wie trägt die Bundesregierung zur dazu notwendigen Verlängerung der ge-
sunden Lebensjahre der Bevölkerung bei?

Sind solche Maßnahmen bereits in die Prognosen steigender Kosten einge-
flossen?

Wenn nein, warum nicht?

7. Welche Gutachten oder Studien liegen der Bundesregierung vor, die bele-
gen, dass die vorgenommenen Ausgabenkürzungen nicht zu Leistungskür-
zungen führen werden (bitte Gutachten oder Studien benennen)?

8. Auf welche wissenschaftlichen Studien stützt die Bundesregierung ihren
Ansatz, dass eine nachhaltige Finanzierung nur in einem System mit einem
funktionierenden Wettbewerb gelingen kann (bitte Studien oder Gutachten
benennen)?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, dass vor allem Gesunde und Mobile ihre
Kasse wegen Kosten wechseln und Kranke vermehrt bei ihrer Kasse bleiben
(sowohl nach Aussagen des Gesundheitsökonomen Günter Neubauer, Süd-
deutsche Zeitung vom 30. März 2010, als auch nach Aussagen der DAK
über ihre Abwanderungen nach Erhebung der Zusatzbeiträge, 7. September
2010, persönliche Auskunft)?

Wie bewertet die Bundesregierung diesen Umstand (vor allem, wenn er wis-
senschaftlich gesichert wird)?

10. Inwiefern kann ein Wettbewerb unter den Krankenkassen um die Versicher-
ten zu einer Verbesserung der Leistungen führen, wenn der Großteil der Ver-
sicherten nicht krank ist und vor allem Interesse an niedrigen Kosten hat
bzw. zudem vorwiegend gesunde Versicherte ihre Versicherung aus Kosten-
gründen wechseln?

11. Besteht nach Ansicht der Bundesregierung die Gefahr, dass gerade, weil die
Zusatzbeiträge keinen morbiditätsorientierten Ausgleich erfahren, ein ver-
stärkter Wettbewerb unter den Kassen um die gesunden Versicherten ent-
steht, und welche Auswirkungen hat ein solcher Wettbewerb um die Gesun-
den für die Qualität der Leistungen?

12. Welchen Sinn erfüllt nach Ansicht der Bundesregierung eine Belastungs-
grenze bei Zuzahlungen bzw. den Zusatzbeiträgen?

Trägt die Einführung einer weiteren Belastungsgrenze, die zu einer beste-
henden Belastungsgrenze addiert wird, dem Sinn und Zweck einer Belas-
tungsgrenze Rechnung?

Ist es also möglich, immer weitere Belastungsgrenzen einzuführen, die sich
addieren?

Ist es richtig, dass sich die Überforderungsgrenzen bei den Zuzahlungen
bzw. bei der Praxisgebühr und bei den Zusatzbeiträgen addieren?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2929

13. Hält die Bundesregierung eine Belastungsgrenze von 4 Prozent (bzw. 3 Pro-
zent für chronisch Kranke) des Einkommens für vertretbar, die sich aus der
Addition der Belastungsgrenze bei den Zusatzbeiträgen und bei den Zuzah-
lungen ergibt, und woran macht die Bundesregierung diese 3 bzw. 4 Prozent
fest?

14. Bei wie viel Prozent des Einkommens für Gesundheitskosten ist nach An-
sicht der Bundesregierung eine Überlastung der gesetzlich Versicherten ge-
geben, und warum beantwortet die Bundesregierung diese Frage anders als
die Bundesregierung, welche die Belastungsgrenze in § 62 des Fünften Bu-
ches Sozialgesetzbuch (SGB V) auf maximal 1 bzw. 2 Prozent des Einkom-
mens festlegte?

15. Müssen die Zusatzbeiträge, die nicht über einen Sozialausgleich ausgegli-
chen werden sollen, weil der durchschnittliche vom Bundesversicherungs-
amt (BVA) berechnete Zusatzbeitrag 2 Prozent des Einkommens nicht über-
steigt, aus dem Existenzminimum erbracht werden oder berechtigt ein Ab-
sinken des Einkommens durch die real aufzubringenden Zusatzbeiträge zur
Beantragung von Hilfen zum Lebensunterhalt nach ALG II oder Grundsi-
cherung?

Wie verhält es sich, wenn die realen Zusatzbeiträge die berechneten durch-
schnittlichen Zusatzbeiträge überschreiten?

Werden die Betroffenen zum Wechsel in eine günstigere Kasse angehalten?

16. Wie viele Menschen könnten derzeit zusätzlich Hilfe zum Lebensunterhalt
nach ALG II oder Grundsicherung erhalten, wenn sie 2 Prozent ihres Ein-
kommens als Zusatzbeiträge zu entrichten hätten, und welche Summe ergä-
ben die daraus resultierenden Transferleistungen?

Wie hoch ist der Verwaltungsaufwand für die Beantragung und Bereitstel-
lung dieser Transferleistungen?

17. Wie soll der Sozialausgleich genau vonstatten gehen, wenn die Arbeitneh-
merinnen oder Arbeitnehmer zwei oder mehr Arbeitsstellen nachgehen oder
wenn Rentnerinnen oder Rentner zwei oder mehr Altersbezüge von ver-
schiedenen Trägern erhalten?

18. Wie wird der Sozialausgleich von Selbstständigen, die freiwillig gesetzlich
versichert sind, berechnet und durchgeführt?

19. Wie verhält es sich mit der Berechnung des Sozialausgleichs, wenn Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer unterjährig schwankende Einkommen er-
zielen?

20. Wie hoch veranschlagt die Bundesregierung die Verwaltungskosten für die
gesetzliche Krankenversicherung, wenn die Organisation des Sozialaus-
gleichs in obigen Fällen von den gesetzlichen Krankenkassen geleistet bzw.
gelenkt werden muss?

21. Wann sind welche Mittel in die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds ge-
flossen, und wie ist die geplante Entwicklung bis 2014 (bitte quartalsweise,
ersatzweise jährlich angeben)?

22. Ist es richtig, dass die Bundesregierung vorsieht, dass der Sozialausgleich
bis 2014 aus der Liquiditätsreserve gedeckt werden soll?

23. Ist es zudem richtig, dass die Bundesregierung vorsieht, bei der Berechnung
des durchschnittlichen Zusatzbeitrags die in die Liquiditätsreserve fließen-
den Mittel nicht aus den für Gesundheitsausgaben zur Verfügung stehenden
Einnahmen des Gesundheitsfonds heraus zu rechnen?

Wird durch eine solche Rechnung – möglicherweise unbeabsichtigt – der
durchschnittliche Zusatzbeitrag nach § 242a SGB V niedriger ausfallen als

Drucksache 17/2929 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

der tatsächliche Durchschnitt der Zusatzbeiträge, was einen niedrigeren So-
zialausgleich zur Folge hätte?

24. Sind die Krankenkassen künftig vollkommen frei, die Höhe der Zusatzbei-
träge festzulegen?

Besteht die Gefahr, dass der vom BVA errechnete durchschnittliche Zusatz-
beitrag vom tatsächlichen durchschnittlichen Zusatzbeitrag abweicht, weil
z. B. die Krankenkassen im Durchschnitt deutlich höhere Zusatzbeiträge er-
heben, als das BVA errechnet hat?

Berechnet sich der Sozialausgleich dann aufgrund des tatsächlichen durch-
schnittlichen Zusatzbeitrags oder aufgrund des vom BVA berechneten
durchschnittlichen Zusatzbeitrags?

Kann die Bundesregierung garantieren, dass der geringste Zusatzbeitrag ei-
ner Krankenkasse, der ein beliebiger Versicherter beitreten kann (berück-
sichtigend, dass nicht jeder Versicherte jeder Krankenkasse beitreten kann,
z. B. ein Berliner in der Regel nicht der AOK Bayern), unter dem vom BVA
errechneten durchschnittlichen Zusatzbeitrag liegt?

25. Wird der Sozialausgleich bis 2014 letztlich auch durch Zusatzbeiträge finan-
ziert und nicht – wie zuerst von der Bundesregierung beabsichtigt – durch
einen Steuerausgleich?

26. Weshalb ist die Bundesregierung von ihrem ursprünglichen Ziel eines steu-
erfinanzierten Sozialausgleichs abgerückt und lässt diesen nun durch die
Einnahmen des Gesundheitsfonds, also im Wesentlichen durch Beitragsmit-
tel, finanzieren?

27. Werden künftig Zusatzbeiträge von selbstversicherten Kindern (z. B. Halb-
waisen) erhoben?

Werden diese in irgendeiner Weise sozial ausgeglichen, und wie bemisst sich
dann der Sozialausgleich genau?

28. Welchen Anteil an den Verwaltungskosten der Krankenkassen machen Per-
sonalkosten aus?

Wie haben sich diese in den letzten zehn Jahren entwickelt?

29. Wie verhalten sich die Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen
im Verhältnis zu denen der privaten Krankenversicherungen?

30. In welchen Bereichen (Personal, Sachkosten etc.) und Aufgabengebieten
(Kundenbetreuung, Finanzabwicklung etc.) sieht die Bundesregierung in
welchen Größenordnungen bei den Krankenkassen Einsparmöglichkeiten
angesichts dessen, dass auf die Kassen zusätzliche Aufgaben beim Sozial-
ausgleich und der Erhebung von Zusatzbeiträgen ebenso zukommen wie
vermutlich steigende Löhne, und die Bundesregierung Leistungseinschrän-
kungen und Qualitätsverluste ausschließt?

31. Wie hoch sind nach Schätzungen der Bundesregierung die Aufwendungen
für die künftigen zusätzlichen Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen
durch

– die Umsetzung des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes –
AMNOG (u. a. Vereinbarungen nach § 130b SGB V),

– Aufgaben des Risikomanagements infolge der Änderungen durch das
Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetz-
lichen Krankenversicherung – GKV-OrgWG (Einrichtung von Frühwarn-
systemen nach den §§ 265a und b SGB V),

– Ausgaben wegen der Erhebung von Zusatzbeiträgen (Inkasso, Mahnun-
gen etc.),

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/2929

– notwendige sächliche IT-Investitionen durch fortschreitende Technisie-
rung,

– den Aufbau von Rückstellungen für bis zum 31. Dezember 2009 entstan-
dene Wertguthaben aus Altersteilzeit sukzessive bis 1. Januar 2015,
freiwillige Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen gemäß
§ 171e SGB V,

– die Einrichtung von Weiterleitungsstellen und

– die im Jahr 2011 stattfindenden Sozialversicherungswahlen

(bitte in Euro angeben)?

32. Kann es nach Ansicht der Bundesregierung infolge der Sparbemühungen der
gesetzlichen Krankenkassen dazu kommen, dass Krankenkassen im Bereich
des Service Einsparungen vornehmen, z. B. Filialen schließen, weniger per-
sönliche Kundenberatung anbieten etc.?

33. Sieht die Bundesregierung Serviceleistungen, wie z. B. persönliche Bera-
tung, Filialen etc. als freiwillige Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen
an, die gegebenenfalls entsprechend von den Versicherten über ihre Beiträge
finanziert werden müssen und damit als Leistungselement in den Wettbe-
werb der Krankenkassen einfließen sollen?

34. Liegen der Bundesregierung Studien und Daten darüber vor, welcher Perso-
nenkreis insbesondere auf persönliche Beratung angewiesen ist (bitte Stu-
dien vorlegen)?

Wie bewertet die Bundesregierung Einschätzungen, nach denen vor allem
sozial Benachteiligte, alte Menschen und Migranten und Migrantinnen auf
persönliche Beratung angewiesen sind?

Wie bewertet die Bundesregierung die für diesen Personenkreis zu erwarten-
den, höheren künftigen Versicherungskosten gegenüber Versicherten, die
sogenannte Direktversicherungen oder servicearme Krankenversicherungen
wählen können (vgl. Studie des RWI, Einsparpotenziale bei den Verwal-
tungskosten gesetzlicher Krankenversicherungen, Forschungsprojekt für die
„BIG direkt gesund“, 2010)?

35. Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, dass die gesetzlichen Kranken-
kassen aufgrund des Sparzwangs weniger Ausbildungsplätze anbieten?

36. Welche Kostensteigerungen bei den Personalkosten erwartet die Bundesre-
gierung im stationären Bereich jeweils für 2011 und 2012, wenn der Be-
schäftigungsumfang konstant bleibt (bitte in Euro angeben)?

37. Welche zusätzlichen Personalkosten kommen auf die psychiatrischen Fach-
krankenhäuser zu, wenn sie die Qualitätsstandards der Psychiatrie-Personal-
verordnung bis Ende 2012 uneingeschränkt umsetzen (bitte in Euro ange-
ben)?

Welche Auswirkungen haben die angekündigten Kürzungen auf die Einfüh-
rung eines neuen Entgeltsystems ab 2013?

38. Wie hoch sind die zu erwartenden Budgetzuwächse der Krankenhäuser nach
dem Referentenentwurf jeweils für 2011 und 2012 (bitte in Euro angeben)?

39. In welchen Kostenstellen, Bereichen oder Abteilungen und aufgrund wel-
cher Studien oder Gutachten sieht die Bundesregierung Einsparmöglich-
keiten bei der stationären Versorgung, ohne die Qualität der Versorgung ein-
zuschränken (bitte Studien oder Gutachten angeben)?

40. Warum gilt bei der Krankenhausfinanzierung der Mehrleistungsabschlag
nicht für zusätzlich vereinbarte Entgelte mit einem Sachkostenanteil von

Drucksache 17/2929 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

mehr als zwei Dritteln (Artikel 5 im Referentenentwurf vom 25. August
2010)?

Bringt die Bundesregierung damit zum Ausdruck, dass Personalkosten
leichter einzusparen sind als Sachkosten?

41. Welchen Nutzen für die Gesamtgesellschaft hat die Beschleunigung der
Wechselmöglichkeit in die private Krankenversicherung bei Überschreiten
der Jahresentgeltgrenze?

Wer profitiert von der Beschleunigung der Wechselmöglichkeit bei Über-
schreiten der Jahresentgeltgrenze?

42. Wie viele zusätzliche Versicherte werden nach Einschätzung der Bundes-
regierung dadurch in die Privatversicherung gehen?

43. Wie viele Beiträge gehen der gesetzlichen Krankenkasse durch diese er-
leichterte Wechselmöglichkeit bzw. sofortige Eintrittsmöglichkeit gut ver-
dienender Versicherter (nach § 9 SGB V) verloren (bitte belegen, jeweils für
2011 bis 2015)?

Welche Auswirkungen auf die Grundlohnsumme und damit mittelbar auf die
GKV-Einnahmen der Leistungserbringer (Krankenhäuser, Zahnärzte etc.)
hat dies?

44. Wie viel Nettoverlust machen die gesetzlichen Krankenkassen durch die
erleichterte Wechselmöglichkeit in die Privatversicherung, wenn man von
260 Euro Ausgaben pro Versicherten im Monat ausgeht (jeweils für 2011 bis
2015)?

45. Wie hoch müssen nach Ansicht der Bundesregierung Sicherstellungszu-
schläge sein, um tatsächlich in sogenannten unterversorgten Gebieten zu
einer Ansiedlung von Vertragsärztinnen und -ärzten zu führen (angesichts
der sogenannten Leipziger Studie, The Role of Monetary and Nonmonetary
Incentives on the Choice of Practice Establishment: A Stated Preference
Study of Young Physicians in Germany, 2009)?

Hält die Bundesregierung angesichts der in der Studie ermittelten Zahlen Si-
cherstellungszuschläge für eine geeignete Maßnahme, Vertragsärztinnen
und -ärzte in sogenannte unterversorgte Gebiete zu einer Ansiedlung zu be-
wegen?

46. Ist nach Ansicht der Bundesregierung die Morbiditätsentwicklung in allen
Bundesländern bzw. Bereichen der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigun-
gen gleich?

Aus welchen Gründen soll, wie aus der Presse bekannt geworden ist, der
Anstieg des Behandlungsbedarfs von 0,75 Prozent pro Versicherten ohne
Berücksichtigung der Morbidität ausgezahlt werden?

47. Zielt die Reform der Bundesregierung darauf ab, ein zunehmend steuerfi-
nanziertes Gesundheitssystem zu errichten angesichts dessen, dass mit dem
Ansteigen der Zusatzbeiträge zunehmend das Gesundheitssystem aus Steu-
ermitteln finanziert wird und bei Überschreiten des durchschnittlichen Zu-
satzbeitrags über 2 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze jede weitere
Kostensteigerung im Gesundheitswesen durch den Staatshaushalt finanziert
wird?

Wenn nein, wie will die Bundesregierung eine zunehmende Staatsfinanzie-
rung verhindern?

48. Welche genauen Pläne verfolgt die Bundesregierung bei der angekündigten
Ausweitung der Kostenerstattung?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/2929

49. Welche Vorteile für die Versicherten bietet die Kostenerstattung über mögli-
che Kostenersparnis hinaus?

50. Welche Gefahren und Aufwendungen können mit der Kostenerstattung für
die Versicherten einhergehen?

51. Welche ordnungspolitischen und versicherungsrechtlichen Folgen hat eine
Ausweitung der Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung?

52. Welcher Aufwand entsteht durch die Kostenerstattung bei den Leistungser-
bringern?

53. Sollen die Leistungserbringer die Liquidierung ihrer Rechnungen künftig
selbst durchführen oder veranlassen?

54. Welche Vorteile bieten Kostenerstattungstarife für die Leistungserbringer?

55. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung aus dem Antrag der Frak-
tion der FDP aus der 16. Legislaturperiode auf Bundestagsdrucksache 16/6794
zur Streichung des § 53 Absatz 4 SGB V allgemein?

Wie bewertet die Bundesregierung im Besonderen die in der Begründung
dieses Antrags geäußerte Befürchtung: „Im Übrigen besteht ein unkalku-
lierbares Risiko, ob auf diesem Feld tätige Krankenkassen ihren Status als
Sozialversicherung europarechtlich überhaupt halten können.“?

56. In welchem Umfang nehmen Versicherte die Möglichkeit zum Abschließen
eines Wahltarifes mit Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung derzeit war?

57. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, welche Einkom-
mensgruppen vorwiegend Wahltarife zur Kostenerstattung abschließen?

58. Ist es richtig, dass im Bundesministerium für Gesundheit derzeit ein Ent-
wurf des Hartmannbundes zur Einführung der Kostenerstattung diskutiert
wird und Grundlage der derzeitigen politischen Überlegungen ist, wie im
Magazin des Hartmannbundes Landesverband Westfalen-Lippe (August
2010) dargelegt wird?

59. Trifft es zu, dass im Bundesgesundheitsministerium darüber nachgedacht
wird, Wahltarife für gesetzliche Krankenversicherungen einzuschränken
oder ganz auszuschließen?

Berlin, den 13. September 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.