BT-Drucksache 17/2565

Hypo Real Estate - Ursachen für Verluste und Stützungsmaßnahmen sowie Perspektiven für die Zukunft

Vom 9. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2565
17. Wahlperiode 09. 07. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann,
Lisa Paus, Birgitt Bender, Sven-Christian Kindler, Christine Scheel, Dr. Wolfgang
Strengmann-Kuhn, Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hypo Real Estate – Ursachen für Verluste und Stützungsmaßnahmen sowie
Perspektiven für die Zukunft

Die Hypo Real Estate Holding AG (HRE), die sich zu 100 Prozent in Bundes-
besitz befindet, wurde bislang mit 7,7 Mrd. Euro an Kapitalzuführungen und
103,5 Mrd. Euro an Garantien staatlich unterstützt. Allein im Jahr 2010 wurden
bisher rd. 1,9 Mrd. Euro an Kapital und 10 Mrd. Euro an Garantien an staat-
lichen Hilfen gewährt. Im Jahr 2009 erwirtschaftete die HRE einen Verlust von
2,2 Mrd. Euro. Über die konkreten Ursachen und Hintergründe für die Verluste
des Jahres 2009 und staatliche Stützungsmaßnahmen des Jahres 2010 besteht
genauso Unklarheit wie über die Umstände für den Rücktritt des ehemaligen
HRE-Vorstandsvorsitzenden Dr. Axel Wieandt und über die geplante strate-
gische künftige Ausrichtung des Instituts.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welche jeweiligen genauen Ursachen und Hintergründe sind die jüngsten
staatlichen Stützungsleistungen (Kapitalerhöhung in Höhe von 1,85 Mrd.
Euro, vgl. „Frisches Geld für die Hypo Real Estate“, www.sueddeutsche.de,
3. Mai 2010; Ausweitung des Garantierahmens um 10 Mrd. Euro auf
103,5 Mrd. Euro, vgl. Pressenotiz des Sonderfonds Finanzmarktstabilisie-
rung – SoFFin – vom 28. Mai 2010) zurückzuführen?

Welche Rolle spielen dabei Bonitätsverschlechterungen oder Ausfälle wel-
cher Aktiva bzw. Aktivaklassen, beispielsweise von griechischen oder spani-
schen Staatsanleihen oder Immobilienfinanzierungen?

2. Auf welche genauen Ursachen und Hintergründe ist der Verlust in Höhe von
2,2 Mrd. Euro für das Jahr 2009 zurückzuführen?

Aus welchen Gründen wurde damit der noch im April 2009 angenommene
Jahresverlust für das Jahr 2009 von 949 Mio. Euro mehr als zweifach
übertroffen (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union vom 21. Januar 2010, Ab-
satz 60 – ABl. C 13 vom 20.1.2010 HRE)?

3. Auf welche genauen Ursachen und Hintergründe ist der Beteiligungsverlust
des SoFFin für das Jahr 2009 an der HRE um insgesamt 4,75 Mrd. Euro (vgl.

Pressenotiz des SoFFin vom 21. Mai 2010) zurückzuführen?

Welche Rolle spielen dabei Bonitätsverschlechterungen oder Ausfälle wel-
cher Aktiva bzw. Aktivaklassen, beispielsweise von griechischen oder spani-
schen Staatsanleihen oder Immobilienfinanzierungen?

4. Wie hoch werden nach derzeitiger Schätzung die Kosten der Rettung und
Stützung der HRE für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ausfallen?

Drucksache 17/2565 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wie hoch fielen diese Kosten bei einer Opportunitätskostenbetrachtung aus
(Annahme: Investition der für die Rettung und Stützung aufgebrachten Mit-
tel in deutsche Staatsanleihen mit drei Jahren Laufzeit)?

5. In welcher Höhe würde nach den derzeitigen Planungen der Bundesregie-
rung die HRE mit der Einführung einer Bankenabgabe belastet, und in-
wiefern und in welcher Höhe erwartet die Bundesregierung infolgedessen
weitere staatliche Stützungsmaßnahmen?

6. Wie groß ist das Gesamtexposure der HRE gegenüber Griechenland?

Welchen Anteil daran hat die HRE abgesichert?

Wie ist die Aufteilung des Engagements gegenüber staatlichen Schuldnern
einerseits sowie gegenüber privaten Schuldnern andererseits?

7. Wie bewertet die Bundesregierung ein Szenario, in dem eine deutliche Ab-
wertung von Eurozonen-Staatsanleihen am Markt stattfindet?

Was würde dies für die HRE bedeuten?

8. Aus welchen Gründen wurde die Öffentlichkeit über die Kapitalerhöhung
gemäß Frage 1 und den Beteiligungsverlust des SoFFin gemäß Frage 3 je-
weils Freitagnachmittag nach Redaktionsschluss von Printmedien infor-
miert?

Aus welchen Gründen wurde die Öffentlichkeit über den genauen Jahres-
fehlbetrag des SoFFin für das Jahr 2009 erst Ende Mai 2010 informiert?

9. Wie vertragen sich nach Auffassung der Bundesregierung die jüngsten
staatlichen Stützungsmaßnahmen und Verluste sowie die entsprechenden
Hintergründe gemäß den Fragen 1 und 2 mit Aussagen der Bundesregierung
der 16. Legislaturperiode sowie der Deutschen Bundesbank, wonach die
existenzbedrohliche Schieflage der HRE im Herbst 2008 allein auf Ver-
werfungen am Interbankenmarkt in Folge der Lehman-Insolvenz (vgl. bei-
spielsweise die Aussagen des Staatssekretärs im Bundesministerium der
Finanzen, Jörg Asmussen, und des Abteilungsleiters im Bundeskanzleramt,
Dr. Jens Weidmann, im 2. Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundes-
tages; Finanzstabilitätsbericht 2009 der Deutschen Bundesbank: Der Fall
HRE), nicht aber auf problematische Aktiva im Bestand der HRE zurückge-
führt wurden?

Führt die Bundesregierung auch heute die Ursachen für die Schieflage der
HRE ausschließlich auf die fehlende Verfügbarkeit von Liquidität infolge
der Lehman-Insolvenz zurück?

Welche Rolle spielen aus Sicht der Bundesregierung die Qualität von Aktiva
im Bestand der HRE für die Notwendigkeit geleisteter staatlicher Stüt-
zungsmaßnahmen und die realisierten Verluste im Jahr 2009?

10. Seit wann wusste die deutsche Bankenaufsicht von Überkreuzgeschäften
zwischen HRE und HSH Nordbank AG, um Kreditrisiken aus den Bilanzen
auszulagern (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 4. Februar 2010: „Brisanter
Deal – Codename ,St. Pancras‘“)?

Seit wann wusste die Bundesregierung Bescheid?

Wie hat die Bankenaufsicht von diesen Transaktionen Kenntnis erlangt, wie
die Bundesregierung?

11. Inwiefern verfügt mit Stand April 2010 die HRE (Deutsche Pfandbriefbank
AG) über Kreditausfallversicherungen (CDS) für in ihrem Besitz befind-
liche Staatsanleihen (mit der Bitte um jeweils länderspezifische Angaben),

und wenn nein, warum nicht (wenn ja, bitte Aufschlüsselung nach Ländern
und Sektoren – staatlich, privat)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2565

12. Was waren die genauen Ursachen für den Rücktritt von Dr. Axel Wieandt
vom Vorsitz des Vorstands der HRE im März 2010?

Welche Rolle spielten unterschiedliche Vorstellungen zwischen dem Bund
als Eigentümer und Dr. Axel Wieandt hinsichtlich der künftigen strate-
gischen Ausrichtung der Bank?

Falls es solche Differenzen gab, worin genau bestanden diese?

Inwiefern sind Medienberichte korrekt, nach denen Dr. Axel Wieandt mehr
unternehmerische Freiheit für die Bank einforderte, der Bund hingegen um-
fassende Informationspflichten in kurzen Intervallen durchsetzen wollte
(vgl. DER SPIEGEL 13/2010, S. 72)?

Welche Rolle spielte das von Dr. Axel Wieandt entwickelte Vergütungs-
modell, das für das Jahr 2009 Boni in Höhe von 25 Mio. Euro vorgesehen
haben soll?

Inwiefern hätte Dr. Axel Wieandt selbst sowie der Vorstand von diesen Boni
profitiert?

13. Sind Berichte zutreffend, nach denen der Arbeitsvertrag des ehemaligen
HRE-Vorstandsvorsitzenden Dr. Axel Wieandt eine Altersversorgungsrege-
lung enthält, nach der er ab seinem 60. Lebensjahr jährlich rd. 240 000 Euro
erhält (vgl. www.stern.de)?

Wie hieß der damalige Vorsitzende des Aufsichtsrats, der den Vertrag in
Vertretung des Aufsichtsrats unterzeichnet hat, und wie hießen die damali-
gen Mitglieder des Aufsichtsrats, die Kenntnis vom Inhalt des Vertrags
hatten (vgl. Bundestagsdrucksache 17/1812, Antwort auf die Schriftliche
Frage 43)?

Waren Mitglieder der damaligen Bundesregierung, Vorstände oder Mitar-
beiter der Deutschen Bundesbank oder der Bundesanstalt für Finanzdienst-
leistungsaufsicht über die Altersvorsorgeregelung informiert, und wenn ja,
welche Personen waren dies?

Haben diese Personen die genannte Regelung gebilligt?

14. Gibt es nach der Auflösung des Vertrages mit dem Vorstandsvorsitzenden
Dr. Axel Wieandt Erkenntnisse über steigende Personalfluktuation im Vor-
standsbereich bzw. nachgeordneten Ebenen?

15. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den weiteren staatlichen Kapital- und
Garantiebedarf der HRE für die Jahre 2010 und 2011, und wann sollen nach
derzeitigen Planungen jeweils weitere Kapital- und Garantiezuführungen
erfolgen?

Auf welche genauen Ursachen und Hintergründe sind etwaige weitere staat-
liche Stützungen zurückzuführen?

Welche Rolle spielt dabei die Qualität von Aktiva im HRE-Bestand?

16. Aus wie vielen juristischen Gesellschaften besteht die Hypo Real Estate
Holding AG heute, wie heißen sie, in welchen Ländern haben sie jeweils
ihren Sitz, und wie hoch sind die jeweiligen Bilanzvolumina (einschließlich
etwaiger außerbilanzieller Engagements)?

An wie vielen juristischen Gesellschaften ist die Hypo Real Estate Holding
AG mittelbar oder unmittelbar zu welchen jeweiligen Anteilen beteiligt, wie
heißen sie, in welchen Ländern haben diese Beteiligungen jeweils ihren
Sitz, und wie hoch sind die jeweiligen Bilanzvolumina (einschließlich etwa-
iger außerbilanzieller Engagements)?

17. Wie stellt sich die geplante künftige strategische Ausrichtung der HRE jen-
seits der bekannten Konzentration auf die Geschäftsfelder Staats- und Ge-

werbeimmobilienfinanzierung in den Ländern Deutschland, Frankreich und
Deutschland dar?

Drucksache 17/2565 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Inwiefern und mit welchem Ergebnis wurde bei der Entwicklung des neuen
Geschäftsmodelles auch eine vollständige Abwicklung der Bank geprüft?

Welche Bilanzsummen sind jeweils für das Ende der Jahre 2010 bis 2014
vorgesehen?

Inwiefern und für welchen künftigen Zeitraum gelten noch die im vorge-
nannten Amtsblatt der Europäischen Union vom 21. Januar 2010 genannten
Zielangaben hinsichtlich des künftigen Geschäftsmodells mit Bezug auf die
Refinanzierung von 65 Prozent über Pfandbriefe (vgl. Fußnote 19), eine
durchschnittliche Marge von 0,65 bis 0,75 Prozent über dem Interbanken-
satz (vgl. Absatz 62) sowie ein geplantes jährliches Neugeschäft von 1 bis
2 Mrd. Euro (vgl. Absatz 62)?

Ab wann sollen diese Zielvorgaben erreicht sein?

Sollten sie bereits für das erste Halbjahr 2010 gelten, und falls ja, inwiefern
konnten sie erreicht bzw. nicht erreicht werden?

18. Ist bereits ein Zeitpunkt für die Reprivatisierung absehbar oder geplant?

19. Welche beihilferechtlichen Einschränkungen sieht die Bundesregierung bei
weitergehendem Rekapitalisierungsbedarf der Hypo Real Estate?

20. Inwiefern und mit welchen konkreten Maßnahmen sollen die wiederholt
vorgebrachten Zweifel der EU-Kommission an der Überlebensfähigkeit der
HRE ausgeräumt werden (vgl. Amtsblatt der EU vom 20. Januar 2010: Ver-
fahren bezüglich der Durchführung der Wettbewerbspolitik, Absatz 58 ff.)?

21. Welchen Anteil ihrer Refinanzierung wickelte die HRE zum 1. Juni 2010
über die Europäische Zentralbank ab?

Wie entwickelte sich dieser Wert auf Halbjahresbasis seit Juni 2008?

22. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung durch die Stresstests
der EU-Kommission auf die HRE, Commerzbank Aktiengesellschaft und
WestLB AG?

Sind unter Umständen neue Maßnahmen zur Rekapitalisierung und/oder
Garantiegewährung geplant, und wie schätzt die Bundesregierung die
Wahrscheinlichkeit ein, dass dann beihilferechtliche Verfahren der EU-
Kommission drohen?

23. Welche Planung verfolgt die Bundesregierung hinsichtlich des Rankings der
HRE bei den drei oder einer der drei internationalen Ratingagenturen?

Bis wann soll welches Ranking erreicht werden?

Sollte das angestrebte Rating nicht erreicht werden, welche Auswirkungen
hätte das auf die Situation der HRE besonders hinsichtlich ihrer Refinanzie-
rungskosten und der Reprivatisierungsstrategie?

24. Welche Szenarien hat die Bundesregierung bezüglich des Verkaufs der
Westdeutschen Immobilienbank entwickelt?

Schließt die Bundesregierung aus, dass die Westdeutsche ImmobilienBank
AG beispielsweise an die KfW Bankengruppe verkauft werden soll?

Berlin, den 9. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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