BT-Drucksache 17/2429

zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus (Ratsdokument 11172/10) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 9 EUZBBG Finanzdaten der Bürgerinnen und Bürger Europas schützen - SWIFT ablehnen

Vom 7. Juli 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2429
17. Wahlperiode 07. 07. 2010

Antrag
der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Volker Beck (Köln), Alexander Bonde,
Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic,
Jerzy Montag, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu einem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des
Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von
Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren
Übermittlung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die
Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus
(Ratsdok. 11172/10)

hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3
des Grundgesetzes in Verbindung mit § 9 EUZBBG

Finanzdaten der Bürgerinnen und Bürger Europas schützen – SWIFT ablehnen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Europäische Parlament hatte Februar dieses Jahres einem ersten Entwurf
eines Abkommens zwischen der EU mit den USA über die Übermittlung von
Finanztransaktionsdaten seine Zustimmung verweigert. Das Abkommen sah
keine nach dem europäischen Grundrechtsvorgaben hinreichenden Schutzvor-
kehrungen für die Datenschutzrechte der potentiell betroffenen Bürgerinnen und
Bürger vor, so etwa zur Sicherstellung kurzer Löschfristen für die übermittelten
Daten, zu Beschränkungen hinsichtlich des Umfangs zu übermittelnder Daten,
zu Absicherungen hinsichtlich des Individualrechtschutzes und für eine ausrei-
chende unabhängige Kontrolle der Anfragen der USA. Zudem war es in großer
Eile und unter Nichtbeachtung der Änderungswünsche des Europäischen Parla-
ments abgeschlossen worden.

Bei den erneuten Verhandlungen bezüglich eines neuen Abkommens zwischen
der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Ver-
arbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Europäi-

schen Union an die Vereinigten Staaten für die Zwecke des Programms zum Auf-
spüren der Finanzierung des Terrorismus (SWIFT-Abkommen) ist es am 24. Juni
2010 zu einer Verständigung zwischen Rat und Europäischen Parlament gekom-
men. Im Anschluss an eine Sitzung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten,
Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments (LIBE) signalisierten die Frak-
tionen von EVP, S&D und ALDE ihre Bereitschaft, dem Abkommen in seiner
nun ausgehandelten Form zuzustimmen und so den Weg für ein Plenarvotum am

Drucksache 17/2429 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Donnerstag, den 8. Juli 2010 frei machen zu wollen. Nach Verlautbarungen von
Vertreterinnen und Vertretern der einzelnen Fraktionen, scheint eine Mehrheit für
das von der Europäischen Kommission mit den Vereinigten Staaten von Amerika
ausgehandelte Abkommen nunmehr sicher zu sein.

Zwar konnten während den Verhandlungen, vergleicht man das nun ausgehan-
delte Abkommen mit dem bei der letzten Abstimmung im Europäischen Parla-
ment abgelehnten Entwurf, gewisse Verbesserungen hinsichtlich der Daten- und
Rechtsschutzstandards erzielt werden. So wurde die Übermittlung von rein euro-
päischen Banküberweisungen (SEPA) ausgeschlossen, eine engere Zweckbin-
dung erreicht und die Anwesenheit von EU-Beamten bei der Datenextraktion in
den USA hineinverhandelt. Dennoch enthält auch das nun ausgehandelte Ab-
kommen nach wie vor Regelungen, die mit zentralen rechtsstaatlichen, verfas-
sungsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Grundsätzen brechen. Hier sind
vor allem die Tatsache, dass nach wie vor ganze Datenpakete an die USA über-
mittelt werden, den Betroffenen nach wie vor ein unzureichender Rechtsschutz
gewährt wird, es zu befürchten steht, dass durch eine völlig unzureichende
Zweckbindung auch die Daten gänzlich Unbeteiligter ins Visier der Fahnder ge-
raten werden, sowie die fünfjährige Speicherfrist der übermittelten Daten zu nen-
nen. Auch ist vor dem Hintergrund, dass EUROPOL selbst von einem möglichst
weitgehenden Datenaustausch zwischen der EU und den USA profitieren würde,
zu bezweifeln, dass eine Übertragung der Rechtmäßigkeitskontrolle der US-
amerikanischen Datenanforderungen an EUROPOL tatsächlich zu mehr Rechts-
staatlichkeit des Verfahrens führen würde. So ist es mehr als fraglich, ob eine von
einer unzureichenden Datenkontrolle de facto profitierende Partei des Verfah-
rens als Kontrollinstanz tatsächlich geeignet ist. Von einer nach allen Grund-
rechtsmaßstäben zu fordernden unabhängigen Kontrolle jedenfalls kann nicht
die Rede sein.

Auch der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx, hat in einer Stel-
lungnahme vom 22. Juni 2010 erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
vorgesehenen Übertragung großer Datenmengen und der fünfjährigen Speicher-
dauer geäußert. Zudem ist stark zu bezweifeln, ob eine Übermittlung ganzer
Datenpakete an die USA sowie eine fünfjährige Speicherfrist mit europäischem
Recht und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspei-
cherung in Einklang zu bringen ist. So hatte das Bundesverfassungsgericht in
seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung für den Fall der Telekommunikations-
datenspeicherung bereits die gesetzliche Festlegung einer sechsmonatigen Spei-
cherfrist für unzulässig erklärt.

Insgesamt muss konstatiert werden, dass das nun ausgehandelte Abkommen weit
hinter den im Verhandlungsmandat (Ratsdok. 7936/10 vom 24. März 2010) auf-
gestellten Grundsätzen zurückbleibt und gleich eine Vielzahl der Argumente, die
zur Ablehnung des ersten Abkommensentwurfs durch das Europäische Parla-
ment im Februar 2010 geführt haben, dem nun vorliegenden Abkommensent-
wurf erneut entgegengehalten werden müssen. Vor diesem Hintergrund sind die
Äußerungen des liberalen Berichterstatters des Europäischen Parlaments zum
SWIFT-Abkommen, Alexander Alvaro, die jetzigen Regelungen würden nicht
nur die Rechtsverbindlichkeit des Abkommens garantieren, sondern auch für
eine zukünftige EU-Gesetzgebung neue Maßstäbe setzen, sowie die Äußerung
seines Kollegen der S&D-Fraktion, Claude Moraes, der die von Seiten der US-
amerikanischen Verhandlungspartner gemachten Zugeständnisse als „historisch“
bezeichnet, unverständlich und mit bundesdeutschen als auch europäischen
Rechtsgrundsätzen nicht zu vereinbaren.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/2429

II. In Ausübung seiner Rechte nach Artikel 23 Absatz 3 Satz 1 des Grundgeset-
zes fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf,

im Rat gegen den Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft (Artikel 218
Absatz 6 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union) über das
Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von
Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermitt-
lung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die Zwecke des
Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus zu stimmen.

Berlin, den 6. Juli 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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