BT-Drucksache 17/2078

Weiterentwicklung der Gewerbesteuer durch die Gemeindefinanzkommission

Vom 11. Juni 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/2078
17. Wahlperiode 11. 06. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Britta Haßelmann, Dr. Thomas Gambke, Lisa Paus, Dr. Gerhard
Schick, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, Alexander Bonde, Katrin Göring-Eckardt,
Maria Klein-Schmeink, Stephan Kühn, Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke,
Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Dr. Harald Terpe und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Weiterentwicklung der Gewerbesteuer durch die Gemeindefinanzkommission

Am 24. Februar 2010 beschloss die Bundesregierung eine Kommission zur Er-
arbeitung von Vorschlägen zur Neuordnung der Gemeindefinanzen einzurichten.
Diese Kommission prüft Modelle zur Reform der Gewerbesteuer sowie eines
aufkommensneutralen Ersatzes der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil
an der Umsatzsteuer und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommen- und
Körperschaftsteuer mit eigenem Hebesatzrecht.

In der Kommission werden auch die finanziellen Wirkungen des bereits in der Ge-
meindekommission 2002/2003 vorgeschlagenen Modells geprüft. Dieses wird
auch von den kommunalen Spitzenverbänden favorisiert und ist in Teilen bereits
durch Gewerbesteuerreformen zuletzt durch die Unternehmenssteuerreform 2008
umgesetzt worden. Das Kommunalmodell beinhaltet eine stärkere Berücksich-
tigung von Finanzierungsanteilen an Fremdkapitalfinanzierungen (wie z. B. der
Zinsen) und den Einbezug von Freiberuflern in die Gewerbesteuerpflicht.

Das Bundesministerium der Finanzen hat die Frage der Berücksichtigung von
Finanzierungsanteilen bereits modelliert und zwar für einen gewerbesteuerlichen
Hinzurechnungsanteil von 25 Prozent, wie er mit der Unternehmenssteuerreform
2008 eingeführt wurde. Die finanziellen Wirkungen dieser Gesetzänderungen
wurden bisher jedoch nicht evaluiert.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie haben sich die geschätzten finanziellen Auswirkungen bei der Gewerbe-
steuer innerhalb der Unternehmenssteuerreform 2008 (vgl. BMF-Finanz-
bericht 2008, Anlage 13.7) inzwischen realisiert, und bei welchen Positionen
kam es auf Basis der tatsächlich bereits vereinnahmten Steuern zu Anpassun-
gen bei den Schätzungen, und in welcher Höhe jeweils?

2. Wie würde sich ausgehend vom diesem Finanztableau (Position 11), oder von
inzwischen aktualisierten Berechnungen, eine Erhöhung des Hinzurech-

nungsfaktors auf 50, 75 oder 100 Prozent auf die Steuereinnahmen auswir-
ken?

3. Wie erklärt sich die Bundesregierung den starken Einbruch der Körperschaft-
steuer von über 50 Prozent in 2009 im Vergleich zu dem geringeren Absinken
der Gewerbesteuer um 19 Prozent, und sieht sie einen Zusammenhang zur
Berücksichtigung von Hinzurechnungen in der Gewerbesteuer?

Drucksache 17/2078 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Welcher Anteil der Unternehmen zahlt in den unterschiedlichen Betriebs-
größenklassen, gegliedert nach Umsatz und Beschäftigten und Branchen,
jeweils Gewerbesteuer, und welcher Körperschaftsteuer bzw. Einkommen-
steuer?

5. Welcher Anteil der in Frage 4 genannten Unternehmen zahlt deswegen keine
Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer, weil Verluste
vorlagen, und bei welchem Anteil der Verlustfälle in Körperschaftsteuer
bzw. Einkommensteuer treten Gewerbesteuerzahlungen auf?

6. Inwieweit leitet die Bundesregierung eine Rechtfertigung bzw. Verpflich-
tung zur Berücksichtigung von Hinzurechnungen und Kürzungen aus dem
Charakter der Gewerbesteuer als Realsteuer ab, und inwieweit ergibt sich für
die Bundesregierung eine Rechtfertigung für Hinzurechnungen von Fremd-
kapitalfinanzierungen aus dem internationalen Steuerwettbewerb und der
Verlagerung von Steuersubstrat in Niedrigsteuerländer?

7. Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, ob die Unterneh-
menssteuerreform 2008 zu der erhofften Rückverlagerung von Steuer-
substrat nach Deutschland beigetragen hat, und wie schätzt die Bundesregie-
rung diesen Effekt heute quantitativ ein, und welche Berechnungen liegen
dem zugrunde?

8. Welche weiteren Maßnahmen zur Sicherung von Steuersubstrat plant die Bun-
desregierung derzeit, und wann sollen diese auf den Weg gebracht werden?

9. Wie verteilt sich die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer regional auf
die Bundesländer, und wie die tatsächlichen Gewerbesteuerzahlungen?

10. Wie verteilt sich die Bemessungsgrundlage und die gezahlte Gewerbesteuer
auf Kommunen unterschiedlicher Größe, jeweils auch pro Einwohner?

11. Wie hoch ist der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz, bezogen auf die
gesamte Bemessungsgrundlage derzeit, und reicht der Anrechnungsfaktor
von 3,8 bei der Einkommensteuer aus, um die Anrechnung dieser durch-
schnittlichen Gewerbesteuer zu erreichen; falls nein, welche Steuerausfälle
bei der Einkommensteuer wären durch eine Erhöhung der Anrechnungszahl
zu erwarten?

12. Welche Steuermehreinnahmen würde eine Erhöhung der gewerbesteuer-
lichen Hinzurechnungen nur der Fremdkapitalzinsen von 25 Prozent auf
100 Prozent erbringen?

13. Welche Steuermehreinnahmen würde eine gestaffelte volle Hinzurechnung
der Finanzierungsanteile in Höhe von

– 25 Prozent bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens,

– 75 Prozent bei Immobilien des Anlagevermögens,

– 100 Prozent bei sonstigen Wirtschaftsgütern

erbringen?

14. Welcher Anteil der in den Fragen 2, 12 und 13 genannten Mehreinnahmen
könnte auf die Einkommensteuer angerechnet werden, und welcher nicht
(weil Körperschaften oder Verlustfälle)?

15. Welche Steuermehreinnahmen würden bei einer Einbeziehung der Freibe-
rufler in die Gewerbesteuerpflicht zu erwarten sein und gegebenenfalls auch
ohne Berücksichtigung von Hinzurechnungen und Kürzungen (Einkünfte
nach § 18 des Einkommensteuergesetzes)?

Berlin, den 11. Juni 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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