BT-Drucksache 17/1833

Positionierung der Bundesregierung gegenüber dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 479/2009 im Hinblick auf die Qualität der statistischen Daten im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (KOM (2010) 53 endg.)

Vom 25. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1833
17. Wahlperiode 25. 05. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Manuel Sarrazin, Kerstin Andreae, Alexander Bonde,
Priska Hinz (Herborn), Maria Klein-Schmeink, Sven-Christian Kindler,
Beate Müller-Gemmeke, Omid Nouripour, Lisa Paus, Christine Scheel,
Dr. Gerhard Schick, Dr. Harald Terpe der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Positionierung der Bundesregierung gegenüber dem Vorschlag
der EU-Kommission für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung
(EG) Nr. 479/2009 im Hinblick auf die Qualität der statistischen Daten im Rahmen
des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (KOM(2010) 53 endg.)

Die im Oktober 2009 von der griechischen Statistikbehörde übermittelten Daten
über das öffentliche Defizit und den öffentlichen Schuldenstand haben verdeut-
licht, dass mit dem derzeit auf EU-Ebene etablierten System die Überlieferung
falscher oder ungenauer Daten an die Europäische Statistikbehörde eurostat
nicht verhindert werden kann.

Die EU-Kommission hat am 15. Februar 2010 einen Vorschlag für eine Verord-
nung des Rates (KOM(2010) 53) vorgelegt, auf den wir uns in den nachfolgen-
den Fragen beziehen. Dieser Vorschlag zielt darauf ab, die Zusammenarbeit zwi-
schen eurostat und den nationalen Statistikbehörden effizienter zu gestalten und
demzufolge die Qualität und Zuverlässigkeit der Statistiken zu öffentlichen
Finanzen zu verbessern. Dieses Ziel soll durch einen auf zwei Säulen beruhen-
den Ansatz erreicht werden. Erstens schlägt die EU-Kommission vor, dass häu-
figere und umfassendere Besuche im Kontext des standardmäßigen Verfahrens
bei einem übermäßigen Defizit (VÜD) stattfinden sollen. Zweitens empfiehlt sie
zudem zusätzliche methodenbezogene Besuche von eurostat, sobald bei der
Risikobewertung spezifische und bedeutende Probleme festgestellt werden.

In der Ratsarbeitsgruppe „Statistik“ verhandeln derzeit Vertreterinnen und Ver-
treter der nationalen Regierungen der 27 EU-Mitgliedstaaten über etwaige Än-
derungen an dem von der EU-Kommission vorgelegten Verordnungsvorschlag.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie positioniert sich die Bundesregierung gegenüber der Idee, dass regu-
läre und umfassende Besuche seitens der Europäischen Statistikbehörde
eurostat grundsätzlich, unabhängig von dem Verfahren bei einem übermä-

ßigem Defizit, stattfinden?

2. Teilt die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission, „Zugang“ als
Möglichkeit zu bezeichnen, alle einschlägigen Unterlagen entweder als
Kopie, falls verfügbar, auch in elektronischer Form oder vor Ort einsehen zu
können, und wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/1833 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die angeforderten Unterlagen
und Informationen unverzüglich und ungehindert zu liefern sind und diese
aus vorhandenen Unterlagen oder Quellen direkt entnehmbar sein müssten?

4. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission,
eurostat so rasch wie möglich Zugang zu allen für die Bewertung der Daten-
qualität erforderlichen Informationen (u. a. statistische Informationen wie
Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, Aufstellungen, Tabel-
len zur Übermittlung von Daten für das Verfahren bei einem übermäßigen
Defizit, zusätzliche Fragebogen und Präzisierungen im Zusammenhang mit
der Datenübermittlung) zu gewähren, und wenn nein, warum nicht?

5. Dürfen sich nach Auffassung der Bundesregierung die methodenbezogenen
Besuche auch künftig nur auf rein statistische Fragen beziehen, und wenn ja,
warum?

6. Sollen nach Meinung der Bundesregierung die methodenbezogenen Besu-
che künftig dazu dienen, die den gemeldeten tatsächlichen Daten zugrunde
liegenden Verfahren und Haushaltsdaten zu überprüfen und eine detaillierte
Bewertung der Qualität der gemeldeten Daten vorzunehmen?

7. Wie positioniert sich die Bundesregierung gegenüber dem Vorschlag der
EU-Kommission, dass die methodenbezogenen Besuche nur in Ausnahme-
fällen stattfinden, in denen eindeutige Hinweise auf erhebliche Risiken und
Probleme bei der Datenqualität vorliegen?

8. Setzt sich die Bundesregierung in den Verhandlungen im Rat dafür ein, dass
vor anstehenden Methodenbesuchen von eurostat entweder der Rat oder ein
anderes technisches Gremium einbezogen werden muss, und wenn ja,
warum möchte sie die alleinige Entscheidungskompetenz der EU-Kommis-
sion einschränken?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der EU-Kommission, dass die
Mitgliedstaaten auf Verlangen der EU-Kommission (eurostat) für die Unter-
stützung durch Sachverständige für Volkswirtschaftliche Gesamtrech-
nungen auch bei der Vorbereitung und Durchführung methodenbezogener
Besuche sorgen muss, und wenn nein, warum nicht?

10. Inwiefern teilt die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission,
dass die EU-Kommission die Regeln und Verfahren zur Auswahl der Sach-
verständigen sowie deren Arbeitsbedingungen festlegt?

11. Soll nach Auffassung der Bundesregierung die EU-Kommission (eurostat)
im Rahmen der methodenbezogenen Besuche das Recht erhalten, auf die
Daten staatlicher Einheiten auf Bundes- bzw. zentralstaatlicher, Landes-
und Gemeindeebene sowie auf die Daten der Sozialversicherung zuzugrei-
fen und diese zu prüfen, und wenn nein, warum nicht?

12. Befürwortet die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission,
eurostat ausführliche Angaben über die zugrunde liegende Rechnungslegung
wie finanzielle Transaktionen und Vermögensbilanzen, die einschlägigen
Erhebungen und Fragebogen sowie sonstige sachdienliche Informationen
wie Analysen und die Daten anderer öffentlicher Einrichtungen zur Ver-
fügung zu stellen?

13. Sollen nach Auffassung der Bundesregierung die methodenbezogenen Be-
suche bei den nationalen Stellen, die an den Meldungen im Rahmen des Ver-
fahrens bei einem übermäßigem Defizit beteiligt sind, sowie bei allen direkt
oder indirekt mit der Erstellung der Haushaltsdaten und der Daten zum
öffentlichen Schuldenstand befassten Stellen stattfinden, und wenn nein,
warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1833

14. Teilt die Bundesregierung die Position der EU-Kommission, dass die
Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass diese nationalen Behörden und
Stellen sowie erforderlichenfalls ihre nationalen Behörden, zu deren Auf-
gaben die Überwachung des Haushalts gehört, den Beamten der EU-Kom-
mission oder den genannten Sachverständigen die Unterstützung gewähren,
die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen und ihnen unter anderem
Unterlagen zugänglich machen, die zum Nachweis der gemeldeten tatsäch-
lichen Defizit- und Schuldenstandszahlen und der ihnen zugrunde liegenden
Haushaltsdaten herangezogen werden?

15. Wird sich die Bundesregierung in den Verhandlungen im Rat dafür einset-
zen, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen müs-
sen, um sicherzustellen, dass die für die Meldung der tatsächlichen Daten an
die EU-Kommission (eurostat) und der zugrunde liegenden Haushaltsdaten
verantwortlichen Beamten rechenschaftspflichtig sind?

16. Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass die verantwortlichen
Beamten nach den in Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 223/2009 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über europäi-
sche Statistiken festgelegten Grundsätzen handeln?

17. Wird die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission unterstützen,
dass die in Frage 14 erwähnten Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und
abschreckend sein müssen?

18. Befürwortet die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission, bis
spätestens Ende 2011 diese durchgeführten Maßnahmen an die EU-Kom-
mission melden zu müssen und die EU-Kommission von nachfolgenden
Veränderungen unverzüglich in Kenntnis zu setzen?

19. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Zentral-
bank (Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 31. März 2010,
CON/2010/28), die im Verordnungsvorschlag der EU-Kommission vorgese-
hene Liste in Artikel 8 Absatz 2 um die Punkte „Informationen des Rech-
nungshofs/Finanzministeriums der betreffenden regionalen Behörden zum
Vollzug von Staats- und regionalen Haushalten“, „Konten von Stellen
außerhalb des Haushaltsplans/privaten Organisationen ohne Erwerbszweck
und ähnlichen Stellen, die Teil des Sektors Staat in Volkswirtschaftlichen
Gesamtrechnungen sind“, „Konten der Sozialversicherung“, „Erhebungen
durch Gemeinden“ zu erweitern, und wenn nein, warum nicht?

20. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Zentral-
bank in Artikel 11 Absatz 3 des EU-Kommissionsvorschlags zu konkretisie-
ren, wann methodenbezogene Besuche erforderlich sind, und würde sie sich
für die Nennung von Beispielen wie regelmäßige und umfassende Daten-
revisionen, anhaltende nicht erklärte Bestandsanpassungen und ungelöste
Probleme methodenbezogener Natur, als Rechtfertigungen für einen metho-
denbezogenen Besuch, einsetzen?

21. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Zentral-
bank, die Definition des Begriffs „das öffentliche Defizit (der öffentliche
Überschuss)“ in der VÜD das Defizit aus den Volkswirtschaftlichen Ge-
samtrechnungen für dieses Verfahren zu verwenden und dadurch aufgrund
des Ausschlusses von Abwicklungen aus Swapgeschäften und Zinstermin-
kontakten aus dem für das VÜD verwendete Defizit die Defizitangaben
weniger anfällig für Manipulation durch komplexe Finanztransaktionen zu
machen?

Drucksache 17/1833 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
22. Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Zentral-
bank, dass auch die Qualität der Soll-Daten untersucht werden müsste, um
sicherzustellen, dass diese Daten auf den aktuellsten verfügbaren Infor-
mationen unter Verwendung monatlicher und vierteljährlicher Ergebnisse
beruhen?

Berlin, den 21. Mai 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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