BT-Drucksache 17/1576

Verbraucherinformationsgesetz jetzt verbraucherfreundlich ausgestalten

Vom 4. Mai 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1576
17. Wahlperiode 04. 05. 2010

Antrag
der Abgeordneten Caren Lay, Karin Binder, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar
Bartsch, Herbert Behrens, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Roland Claus,
Katrin Kunert, Sabine Leidig, Michael Leutert, Thomas Lutze, Kornelia Möller,
Ingrid Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kersten Steinke, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten
Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Verbraucherinformationsgesetz jetzt verbraucherfreundlich ausgestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) ist am 1. Mai 2010 seit zwei Jahren
in Kraft und versprach neue Maßstäbe für mehr Transparenz. Mit Hilfe des
VIG sollten Allergiker darüber Klarheit bekommen, was in ihren Lebensmitteln
steckt, Eltern in Erfahrung bringen, woher das Spielzeug ihrer Kinder kommt
und die Verbraucherinnen und Verbraucher Informationen darüber erhalten, wie
Produkte hergestellt, behandelt und weiterverarbeitet werden. Verbraucherorga-
nisationen haben jedoch in Praxistests bewiesen, dass das Gesetz deutliche
Mängel aufweist.

Danach haben die meisten Behörden wenig Interesse, sachgerecht zu informie-
ren. Bürgerinnen und Bürger werden bei Anfragen meist mit pauschalen und
unkonkreten Antworten abgespeist. Selbst wenn es um gesundheitsschädigende
Lebensmittel geht, werden die Namen von Herstellern oder Händlern ver-
schwiegen. Kosten von zum Teil mehreren Hundert, im Einzelfall von über
1 000 Euro, sowie Bearbeitungszeiträume von mehreren Monaten entfalten
eine erhebliche Abschreckungswirkung. Haushalte mit kleinem Geldbeutel
werden dadurch von ihrem Informationsrecht abgehalten.

Kritik, die bereits bei der Beschlussfassung des Gesetzes angemerkt wurde, hat
sich bestätigt. So hat das Gesetz viele Schlupflöcher, insbesondere bei der Aus-
kunftspflicht der Unternehmen gegenüber Behörden sowie bei der von dem
damaligen Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucher-
schutz, Horst Seehofer (CSU) versprochenen Veröffentlichung der Namen der
Unternehmen, die gegen das Lebensmittelrecht verstoßen haben.

Das derzeitige VIG widerspricht dem Anspruch auf mehr Bürgerfreundlichkeit.

Die bisherigen Erfahrungen mit dem Gesetz zeigen: Es gibt dringenden Hand-
lungsbedarf, um das Gesetz verbraucherfreundlich auszugestalten.

Eine zügige Überarbeitung des VIG muss z. B. sicherstellen, dass der Aus-
kunftsanspruch nicht wie bisher, auf das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz-
buch beschränkt ist, sondern für alle Produkte und Dienstleistungen gelten
muss, die Verbraucherinnen und Verbrauchern angeboten werden. Zudem müs-
sen die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam gestärkt, die

Drucksache 17/1576 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schwächeren gegenüber stärkeren Marktteilnehmern geschützt und das Jeder-
manns-Recht auf umfassende Informationen und Transparenz umgesetzt wer-
den.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Ergebnisse der Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes umge-
hend zu veröffentlichen und

2. dem Parlament einen Gesetzentwurf mit folgenden Veränderungen vorzu-
legen:

a) Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor unlauteren, irre-
führenden und gesundheitsbeeinträchtigenden Methoden von Herstellern
und Händlern bei Produkten und Dienstleistungen sind als ausdrücklicher
Gesetzeszweck im VIG zu verankern.

b) Der Geltungsbereich des Gesetzes muss für ein wirksames Informations-
recht auf alle Produkte, Erzeugnisse und Dienstleistungen ausgeweitet
werden. Zudem muss der Auskunftsanspruch auch direkt gegenüber
privatwirtschaftlichen Unternehmen gelten.

c) Der Rechtsbegriff der wettbewerbsrelevanten Informationen ist zu strei-
chen. Die Namen von Herstellern, Lieferanten bzw. Händlern sind in Be-
zug auf den Anfragegegenstand zu nennen. Ausnahmen vom Auskunfts-
anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher sind eindeutig zu
beschreiben, auf ein Minimum zu begrenzen und zu begründen. Dies gilt
für Behörden gleichermaßen wie für Unternehmen. Wenn das Informa-
tionsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt, müssen auch Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse veröffentlicht werden.

d) Behörden müssen weitreichender als bisher zur aktiven Information der
Öffentlichkeit sowie zur Hilfe bei der Informationsbeschaffung verpflich-
tet werden. Insbesondere wenn Lebensmittel- oder Hygienevorschriften
nicht beachtet werden, müssen dies die öffentlichen Stellen unverzüglich
von sich aus bekannt machen. Gleiches gilt für das Vorliegen hinreichen-
der Anhaltspunkte, dass von einem Produkt, Erzeugnis oder einer Dienst-
leistung ein Risiko für die Gesundheit, die Sicherheit oder schützens-
werte Verbraucherinteressen ausgeht. Das gilt auch, wenn über das
Risiko auf Grund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse oder
aus sonstigen Gründen Unsicherheit besteht und diese nicht innerhalb
kurzer Zeit ausgeräumt werden kann.

e) Es ist eine Regelung in Abstimmung mit den Ländern zu schaffen,
welche die Kenntlichmachung der Qualität der Lebensmittelhygiene in
Gaststätten, Restaurants und Lebensmittelbetrieben verpflichtend ein-
führt. Dazu sollen die Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen in
den Betrieben nach dem Vorbild des dänischen „Smiley-Systems“ veröf-
fentlicht werden.

f) Die Anspruchsgrundlagen aus dem Informationsfreiheitsgesetz, dem
Umweltinformationsgesetz und dem VIG sind nebeneinander anwendbar
auszugestalten, so dass das Antragsverfahren für die Verbraucherinnen
und Verbraucher vereinfacht wird. Damit können sie mit einem Antrag
z. B. Informationen über Umweltstandards bei Herstellung und Vertrieb,
die CO2-Emissionen in der Prozesskette, den Energie- und Ressourcen-
verbrauch sowie auch Informationen über die Herkunft, Beschaffenheit
und Behandlung des Produktes selbst erfahren.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1576

g) Die zentralen Begriffe „Verstöße“ und „Betroffenheit“ sind eindeutig zu
definieren. Eine Anhörung betroffener Unternehmen darf nicht der
Regelfall sein, sondern muss im ausdrücklichen Ermessen der Behörden
liegen. Dabei ist eine Entscheidung unter Abwägung der Interessen des
Unternehmens mit dem vorrangigen Interesse der Öffentlichkeit an zügi-
gen Informationen zu treffen und zu begründen.

h) Die Anonymität des Antragstellers ist sicherzustellen. Sofern Dritte ange-
hört werden müssen, ist für den Schutz des Antragstellers dessen Identität
gegenüber Dritten zu verschweigen.

i) Das Antragsverfahren ist zu verbessern: Es darf nicht an die Schriftform
gebunden sein, ist zweckmäßig und zügig durchzuführen und muss die
Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Auskunfts-
bescheides beinhalten.

j) Das Verfahren ist im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher abzu-
kürzen. Die Fristen sind als Maximalfristen auszugestalten. Die Formu-
lierung „in der Regel“ ist zu streichen. Für die zügige Durchführbarkeit
ist für die Behörden eine klare Zuständigkeit zu regeln.

k) Informationszugänge für Verbraucherinnen und Verbraucher müssen ge-
genüber Behörden kostenfrei und gegenüber Unternehmen kostenfrei
bzw. sozialverträglich ausgestaltet werden. Nach dem Verursacherprinzip
müssen diejenigen zu den Kosten der Auskunft herangezogen werden,
die gegen Verbraucherschutzvorschriften verstoßen oder Risiken schaf-
fen, über die sich Verbraucherinnen und Verbraucher informieren wollen.
Sofern Kosten erhoben werden, müssen die Bürgerinnen und Bürger
noch vor Antragsbearbeitung verbindliche Klarheit über die Höhe der
Kosten bekommen.

Berlin, den 4. Mai 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.