BT-Drucksache 17/14759

Geheime Kooperationsprojekte zwischen deutschen und US-Geheimdiensten

Vom 16. September 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14759
17. Wahlperiode 16. 09. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic,
Hans-Christian Ströbele, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Geheime Kooperationsprojekte zwischen deutschen und US-Geheimdiensten

Der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz
(BfV) und der Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten (CIA) sollen in ei-
nem gemeinsamen Projekt mit dem Namen „PX“ zusammengearbeitet haben
(DER SPIEGEL, Heft 37/2013, S. 44 f.; SPIEGEL ONLINE vom 8. September
2013; tagesthemen.de vom 9. September 2013). Das Projekt, das im Zeitraum
von 2005 bis 2010 durchgeführt wurde, soll im Schwerpunkt die gemeinsame
Führung einer Datenbank beinhaltet haben, in welcher die Namen von mutmaß-
lichen Dschihadisten und Terrorunterstützern gesammelt wurden. Ziel sei es ge-
wesen, mehr über das Umfeld der Verdächtigen zu erfahren und Informanten zu
finden, die man anwerben wollte. Den Medienberichten nach gehörte zu den in
der Datenbank eingemeldeten Personen auch der NDR-Journalist Stefan
Buchen. Eine geheime US-Anfrage an das „Projekt 6“ (P6) nenne neben seinem
Namen die Passnummer und das Geburtsdatum. Stefan Buchen habe sich auf
„investigativen Journalismus“ spezialisiert und einen islamistischen Prediger im
Jemen angerufen. Außerdem habe er mehrfach Afghanistan besucht, habe die
CIA berichtet. Der Bundesnachrichtendienst soll bestätigt haben, dass es die
Einheit „Projekt 6“ sowie eine Datenbank mit dem Namen „PX“ gab. Die Ko-
operation sei nach Angaben des BND aber 2010 beendet worden. Das BfV soll
mitgeteilt haben, man habe bei diesem Projekt „ausschließlich auf Grundlage
der deutschen Rechtsbestimmungen“ gehandelt. Zu Einzelfällen in der interna-
tionalen Zusammenarbeit wollte das BfV keine Auskunft geben. In einer Erklä-
rung teilte das BfV zudem mit, das Parlamentarische Kontrollgremium des
Deutschen Bundestages sei über das Projekt informiert worden; dies jedoch ver-
neinten mehrere im Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ erwähnte „lang-
jährige“ Mitglieder. Das Projekt habe von 2005 bis 2010 bestanden und sei eine
Kooperation von Verfassungsschutz, BND und CIA gewesen. Die Behörde des
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)
kannte dieses Projekt nach eigenen Angaben bisher nicht und kritisiert die man-
gelnde Transparenz. Er wird im Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ mit den
Sätzen zitiert: „Wer ein solches Projekt betreibt, müsste auf jeden Fall gewähr-
leisten, dass sämtliche Aktivitäten vollständig protokolliert werden und einer
datenschutzrechtlichen Kontrolle unterworfen sind.“
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Auf welcher Rechtsgrundlage wurde die gemeinsam mit der CIA betriebene
Gruppe Einheit „Projekt 6“ nach Auffassung der Bundesregierung betrieben?

Drucksache 17/14759 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

2. a) Wer (USA oder Bundesrepublik Deutschland) schlug solche Koopera-
tion in solcher gemeinsamen Gruppe vor?

b) Wann?

c) Was war konkret der Hintergrund dieser Kooperation?

3. a) Wie viele Mitarbeiter des CIA, des BfV und des BND waren mit „P6“
jeweils befasst (bitte aufschlüsseln)?

b) Gegebenenfalls welche weiteren Dienststellen?

c) Wie lange jeweils?

d) Welche davon nur zeitanteilig neben anderen Aufgaben?

e) Jeweils in welchem inhaltlichen Umfang?

4. Welchen Abteilungen und Referaten gehörten die an „P6“ beteiligten Mit-
arbeiter des BND und des BfV je an?

5. a) Wer entschied über die Gründung von „P6“?

b) Wann?

c) Ab wann arbeitete „P6“?

d) Wie votierten Bundeskanzleramt und Bundesministerium des Innern
jeweils?

e) Jeweils durch wen (bitte zu vorstehenden Fragen je alle in- und aus-
ländischen beteiligten Personen mit genauer Ressort- bzw. Abteilungs-
zugehörigkeit konkret benennen)?

6. Wie lautete die genaue Aufgabenbeschreibung der beteiligten deutschen
Mitarbeiter, und welche der drei Behörden hatte die Führung inne bzw. trug
die maßgebliche Verantwortung für die zu treffenden Entscheidungen?

7. a) Nach welchen konkreten Verfahren und Kriterien übten die beteiligten
Dienststellen und Mitarbeiter je ihre Führungsverantwortung aus?

b) Wer entschied z. B., ob Personendaten in die Datenbank „PX“ aufge-
nommen werden durften?

8. a) Über welche konkreten Befugnisse verfügten die deutschen Mitarbeiter
der Einheit zur Ausführung ihrer Aufgaben?

b) Von welchen machten sie Gebrauch?

9. Wie viele Mitarbeiter des CIA operierten während des Projektes (bitte im
Einzelnen aufschlüsseln) auf deutschem Boden, und auf welcher Rechts-
grundlage handelten sie nach Auffassung der Bundesregierung?

10. Welchen aufenthaltsrechtlichen Status hatten die im Rahmen des Projektes
tätigen CIA-Beamten, bzw. auf welche Weise wurden sie gegenüber den
deutschen Behörden gemeldet?

11. a) Aus welchem Grund bezog die Einheit zunächst Räumlichkeiten in der
Neusser Innenstadt?

b) Wie lange blieb sie dort?

c) Warum zog „P6“ dann ins BfV?

12. a) Auf welcher Rechtsgrundlage errichtete „P6“ die Datenbank „PX“?

b) Wann?

13. Worauf beruhte die Erforderlichkeit der Führung einer gesonderten Daten-
bank neben den zum damaligen Zeitpunkt bereits errichteten Datenbanken
der beteiligten Behörden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14759

14. Inwieweit trifft es zu, dass 2010

a) die Einheit „P6“ aufgelöst wurde,

b) die diesbezügliche Kooperation der beteiligten Behörden beendet wurde,

c) die Datenbank „PX“ geschlossen wurde

(bitte jeweils genaue Enddaten angeben)?

15. Aus welchen Gründen wurde die „P6“-Kooperationseinheit eingestellt und
die Datenbank außer Betrieb genommen, und wer trug dafür die politische
Verantwortung?

16. Wurde die Entscheidung im Einvernehmen mit der CIA bzw. mit der US-
Regierung getroffen, und wenn nein, weshalb nicht?

17. a) Gab es Widerstände der CIA bzw. der US-Regierung gegen die Beendi-
gung der Kooperation in „P6“ und/oder gegen die Außerbetriebnahme
der Datei?

b) Wenn ja, welche?

18. Wo wurde die Datenbank konkret gehostet, und verfügte die CIA über einen
Onlinevollzugriff auf die Datenbank?

19. Nach welchen besonderen Verfahren bzw. wie wurde technisch konkret si-
chergestellt, dass die CIA keinen Zugriff auf Daten von Grundrechtsträgern
bzw. Datensätzen erhält, für die keine Rechtsgrundlage für die Übermittlung
in die USA vorlag, bzw. wo wurde intern die Grenze der zulässigen Über-
mittlung gezogen?

20. a) Welches Reglement galt für die Einmeldung sowie die weitere Verarbei-
tung der dort eingemeldeten Daten?

b) Welche Behörde erstellte diese Regeln?

21. Welche Definitionen wurden für Terrorverdächtige und welche für Kontakt-
personen jeweils zugrunde gelegt?

22. Erfolgte die Speicherung in Gestalt einer durchgehenden Referenzdatei
oder als Volldatei mit Freitextfunktionalitäten?

23. Gab es zur datenschutzrechtlichen Nachvollziehbarkeit der Datenverarbei-
tung eine Protokollierung der Datenbankeingaben, und wenn nein, weshalb
nicht?

24. a) Wie viele Personendatensätze enthielt „PX“ während des Betriebs insge-
samt jemals (bitte nach Jahren aufschlüsseln)?

b) Wie viele davon je

aa) Fotos,

bb) Kfz-Kennzeichen,

cc) Internetrecherchen,

dd) Telekommunikationsverbindungsdaten,

ee) Telekommunikationsinhaltsdaten?

c) Welche sonstige Datenkategorien?

d) Wie viele Datensätze dieser Kategorien jeweils?

25. Wurden sämtliche Daten der in die Datenbank „PX“ eingemeldeten Perso-
nen zwischenzeitlich gelöscht, und wenn nein, warum nicht?

26. a) Welchen Empfängern wurden Datensätze aus „PX“ übermittelt?

b) Je wie viele?

c) An welche Datenbanken der Empfänger?

Drucksache 17/14759 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

d) Wie viele dieser Daten sind bei jeweils welchen Empfängern noch gespei-
chert?

27. a) Welche Behörden hatten während der Betriebszeit Zugriff auf die Daten-
bank?

b) Mit jeweils welchen Zugriffsrechten?

28. a) Wer trug die datenschutzrechtliche Verantwortung für „PX“?

b) Wer gewährleistete eine unabhängige Aufsicht darüber?

c) Sofern die Bundesregierung keine entsprechende Aufsicht für erforder-
lich hielt und hält, wie begründet sie diese Auffassung?

29. Wie viele Datensätze stellten die beteiligten Dienststellen jeweils in „PX“
ein?

30. Wer prüfte wie bzw. in welchem Verfahren, ob Einmeldungen der CIA zu-
lässig seien?

31. a) Nach welchen Gruppen und Kriterien (z. B. Terrorverdächtige, Terror-
unterstützer, Kontaktpersonen, mögliche Informanten etc.) wurden die
einzumeldenden Personen bzw. die über sie einzumeldenden Tatsachen
unterschieden?

b) Jeweils wie viele Personen wurden zu den angewendeten Kriterien in
„PX“ erfasst?

c) Welcher Nationalität waren diese Personen jeweils?

32. a) Auf welche Weise wurde sichergestellt, dass keine willkürlichen Einmel-
dungen erfolgten?

b) Welche Kriterien wurden für die Zulässigkeit der Einmeldung in die
gebildeten Kategorien etwa als Tatverdächtiger, Unterstützer oder z. B.
potentieller Informant jeweils festgelegt?

33. a) Wie viele Personen durften Daten in „PX“ eingeben?

b) Jeweils welcher Behörden?

c) Wonach wurden diese festgelegt?

34. a) Welchen Nutzen erbrachten „P6“ und „PX“ konkret?

b) Wieviel kostete dies die beteiligten Stellen jeweils (bitte nach Jahren und
Kostenarten aufschlüsseln)?

c) Welche Misserfolge und Schäden traten ein?

35. Wann genau und unter Zugrundelegung welcher konkreten gesetzlichen
Norm wurden die Einheit „Projekt 6“ und die Existenz der Datenbank „PX“
an das Parlamentarische Kontrollgremium gemeldet?

36. a) Aufgrund welcher konkreten rechtlichen Bewertung wurde von einer In-
formation des BfDI über die Errichtung der genannten Datenbank „PX“
abgesehen?

b) Von wann datiert die Dateianordnung für „PX“?

c) Wer erließ diese?

d) Warum wurde – entgegen § 19 des Bundesverfassungsschutzgesetzes –
vor deren Inkrafttreten der BfDI nicht angehört?

e) Welche disziplinarischen Konsequenzen hat dieses Unterlassen?

37. Welche Rolle kam der Einheit „Projekt 6“ im Rahmen der Ermittlungen ge-
gen die sog. Sauerlandgruppe zu?
38. a) Waren die Namen der später als Sauerlandgruppe angeklagten und ver-
urteilten Personen in die Datenbank eingemeldet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/14759

b) Wenn nein, warum nicht?

39. a) Hat die Bundesregierung auf die Nachfrage des CIA hin Informationen
über den öffentlich bekannten Journalisten und Nahostexperten Stefan
Buchen weitergegeben?

b) Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage meinte sie, dies tun zu können?

40. Über wie viele weitere Journalisten enthielt „PX“ Daten?

41. Inwieweit trifft die Schilderung des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“
a. a. O. jeweils zu, wonach

a) die CIA am 6. Mai 2010 durch „P6“ 17 deutsche Telefonnummern über-
prüfen ließ und deutsche Behörden Auskünfte dazu lieferten,

b) das BfV 2012 an CIA, NSA und sieben weitere US-Dienste 864 Perso-
nendatensätze übermittelte,

c) diese US-Dienste (teils über den BND) 2012 dem BfV 1830 Personenda-
tensätze lieferten,

d) das BfV so erhaltene Telekommunikationsdaten seit Juni 2012 in das IT-
System „NADIS WN“ einspeist, zu dem auch 16 Landesverfassungs-
schutzämter und weitere Behörden Zugriff haben,

e) in dieses IT-System auch Funktionen der von „P6“ verwendeten „PX“-
Software integriert sind?

42. Wie lauten zu vorstehenden Teilfragen jeweils die Details?

43. Auf welche Rechtsgrundlagen wurden diese Übermittlungen sowie Entge-
gennahmen von Daten jeweils gestützt?

44. Inwieweit treffen Kenntnisse der Fragesteller zu, dass

a) der BND u. a. von US-amerikanischen und britischen Geheimdiensten
Personendaten anforderte und/oder erhielt, weil der BND diese nicht
selbst erheben darf,

b) die langjährige stellvertretende Abteilungsleiterin der ehemaligen Abtei-
lung 8 (nun „SI“) des BND, Dr. Melanie R., den ihrer Rechtsmeinung
nach rechtswidrigen Datenübermittlungen an ausländische Dienststellen
wiederholt nachdrücklich widersprach,

c) BND-Präsident Gerhard Schindler sie daher versetzen ließ,

d) die aufsichtsführende Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes – und insbe-
sondere der dortige Abteilungsleiter sowie der vormalige dortige Refe-
ratsleiter G. M. – die in Buchstabe a genannte Praxis viele Jahre billigte,

e) die Beförderung von G. M. zum BND-Vizepräsidenten 2013 im Zusam-
menhang mit seiner Billigung jener Praxis stehe?

45. Wie lauten die Details der in Frage 44 erfragten Umstände?

46. a) Welchen ausländischen Nachrichtendiensten übermittelten BND und
BfV seit 2009 jährlich jeweils wie viele Personendatensätze, v. a. Kom-
munikationsdaten?

b) Wie viele Datensätze waren jeweils darunter, welche die Empfänger
nicht selbst hätten erheben dürfen?

c) Von welchen ausländischen Nachrichtendiensten – z. B. dem schwedi-
schen FRA – erhielten BND und BfV seit 2009 jährlich jeweils wie viele
Personendatensätze übermittelt, v. a. Kommunikationsdaten?

d) Wie viele Datensätze über wie viele Personen waren jährlich darunter,

welche BND und BfV nicht selbst hätten erheben dürfen?

Drucksache 17/14759 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

e) Wie viele Datensätze über jeweils wie viele deutsche Bürger sowie in
Deutschland länger als drei Monate aufhältige Personen waren jährlich
darunter?

47. a) Wie viele aufgrund des § 12 des BND-Gesetzes (BNDG) vom BND
erhaltene Personendatensätze haben Bundeskanzleramt sowie welche
anderen Bundesministerien selbst oder durch nachgeordnete Behörden
seit 2009 jeweils an ausländische Empfänger weiter übermittelt (bitte
nach Jahren sowie übermittelnden und empfangenden Dienststellen auf-
schlüsseln)?

b) Wie viele personenbezogene Daten befanden sich jeweils darunter?

c) Wie viele G 10-Daten befanden sich darunter?

d) Wie viele vom BND durch strategische Fernmeldeüberwachung im Aus-
land (etwa in Afghanistan) erhobene Kommunikationsdaten befanden
sich darunter, die nach Auffassung des BND nur dem BNDG statt dem
G 10-Gesetz unterfallen?

Berlin, den 16. September 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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