BT-Drucksache 17/1431

Wehrpflicht beenden

Vom 21. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1431
17. Wahlperiode 21. 04. 2010

Antrag
der Abgeordneten Agnes Malczak, Omid Nouripour, Kai Gehring, Marieluise Beck
(Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von Cramon-Taubadel, Ulrike Höfken, Thilo
Hoppe, Uwe Kekeritz, Katja Keul, Ute Koczy, Tom Koenigs, Agnes Krumwiede,
Monika Lazar, Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln), Tabea Rößner, Claudia Roth
(Augsburg), Krista Sager, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Christian
Ströbele und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wehrpflicht beenden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Eine weitere Verkürzung der Wehrdienst- und Zivildienstdauer ist nach Ein-
schätzung aller Betroffenen nicht zielführend. Die Wehrpflicht muss beendet
werden. Die Allgemeine Wehrpflicht ist sicherheitspolitisch nicht mehr be-
gründbar. Sie widerspricht in ihrer heutigen Umsetzung dem verfassungsrecht-
lich gebotenen Gleichheitsgrundsatz. Eine Verkürzung der Wehrpflicht ändert
daran nichts. Die Wehrpflichtoption des Grundgesetzes muss ausgesetzt und der
Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee muss zügig vorangetrieben
werden. Analog muss die Konversion des Zivildienstes in die Wege geleitet wer-
den. Wir brauchen eine Offensive für sozialversicherungspflichtige Arbeits-
plätze und parallel hierzu den Ausbau von Freiwilligendienstplätzen sowie eine
verbesserte Förderung des bürgerschaftlichen Engagements.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. von den Plänen zur Verkürzung der Wehrpflichtdauer Abstand zu nehmen
und stattdessen zügig und mit einem klaren Zeitplan ein Konzept zur Ausset-
zung der Wehrpflicht und zum Umbau der Bundeswehr zu einer Freiwilligen-
armee vorzulegen,

2. einhergehend mit der Aussetzung der Wehrpflicht die Konversion des Zivil-
dienstes einzuleiten mit Maßnahmen zur Schaffung und Besetzung sozialver-
sicherungspflichtiger Arbeitsplätze und dem Ausbau und der qualitativen
Stärkung der Freiwilligendienste.
Berlin, den 20. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Drucksache 17/1431 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Begründung

Die Wehrpflicht ist ungerecht und sicherheitspolitisch nicht notwendig. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tritt daher für die Abschaffung der
Wehrpflicht ein. Als einen ersten Schritt fordert sie ihre Aussetzung und kon-
krete Pläne zur Schaffung einer Freiwilligenarmee. So schnell wie möglich will
sie aus dieser unzeitgemäßen Wehrform endgültig aussteigen.

Von einer Allgemeinen Wehrpflicht kann in Deutschland faktisch nicht mehr die
Rede sein. Nicht mal die Hälfte der jungen Männer eines Jahrgangs wird zum
Wehr- oder Zivildienst eingezogen. Hierdurch sind sie gegenüber gleichaltrigen
Männern und Frauen – beispielsweise durch Verzögerungen bei Ausbildung und
Studium – deutlich benachteiligt. Dieses Gerechtigkeitsproblem könnte auch
durch die zu erwartenden höheren Einberufungszahlen im Zuge der Wehrdienst-
verkürzung auf sechs Monate nicht ausgeräumt werden.

Auch sicherheitspolitisch ist die Wehrpflicht nicht zu rechtfertigen. Die Auf-
gabenschwerpunkte der Bundeswehr haben sich in den vergangenen Jahren
deutlich verschoben. Nicht mehr die territoriale Landesverteidigung, sondern
die Teilnahme an UN-mandatierter multilateraler Krisenbewältigung ist für die
Bundeswehr heute strukturbestimmend. Es ist klar, dass hierbei Grundwehr-
dienstleistende nicht eingesetzt werden. Auch für die spezialisierten Tätigkeiten
in Deutschland reichen die Qualifikationen nach der kurzen Grundausbildung
nicht aus, so dass den Grundwehrdienstleistenden nur wenig attraktive und
sinnvolle Aufgaben übertragen werden können. Demgegenüber stehen die
erheblichen Ressourcen, die durch die Ausbildung der Grundwehrdienstleisten-
den und durch die Wehrerfassungs-, Musterungs- und Einberufungsverwaltung
gebunden werden. Dieser Ressourcenaufwand ist unverhältnismäßig. Die meis-
ten europäischen Länder haben aus dieser veränderten sicherheitspolitischen
Situation längst die Konsequenzen gezogen und ihre Streitkräfte inzwischen zu
Freiwilligenarmeen umgebaut.

Es wäre verfassungsrechtlich bedenklich, würde man die Beibehaltung der
Wehrpflicht vorrangig mit dem Ziel der Nachwuchsgewinnung begründen.
Unter Effizienzgesichtspunkten handelt es sich bei der Wehrpflicht außerdem
um ein unverhältnismäßig teures Nachwuchsgewinnungsprogramm.

Die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft gelingt auch ohne die Wehr-
pflicht. Es wäre eine Überforderung der Wehrdienstleistenden, ihnen die Verant-
wortung für die Integration und Verzahnung von Bundeswehr und Gesellschaft
aufzubürden. Die gesellschaftliche Integration ist stattdessen durch die konse-
quente Umsetzung und Weiterentwicklung der Prinzipien der Inneren Führung
in allen Bereichen der Bundeswehr zu gewährleisten.

Der Zivildienst begründet sich als Ersatzdienst zum Wehrdienst. Dass – ent-
gegen dem Gebot der Arbeitsmarktneutralität des Zivildienstes – Einrichtungen
im sozialen und pflegerischen Bereich eine Abhängigkeit von Zivildienstleisten-
den sehen, kann nicht als Begründung für den Erhalt der Wehrpflicht dienen.
Alternativen müssen durch eine Schaffung sozialversicherungspflichtiger
Arbeitsplätze und der gezielten Förderung freiwilligen Engagements entwickelt
werden.

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