BT-Drucksache 17/14298

Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand

Vom 27. Juni 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/14298
17. Wahlperiode 27. 06. 2013

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus,
Dr. Gerhard Schick, Birgitt Bender, Sven-Christian Kindler, Oliver Krischer,
Dr. Tobias Lindner, Brigitte Pothmer, Elisabeth Scharfenberg und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand

Der Bundesfinanzhof und der Europäische Gerichtshof haben in jüngeren
Urteilen zur Umsatzsteuerpflicht den Bereich der umsatzsteuerlich relevanten
Tätigkeiten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erheblich ausge-
weitet. In drei grundlegenden Entscheidungen (Urteil vom 10. November 2011,
VR 41/10, Urteil vom 1. Dezember 2011, VR 1/11 und Urteil vom 14. März
2012, XI R 8/10) hat der Bundesfinanzhof die Auffassung vertreten, dass die
überwiegende umsatzsteuerliche Nichtbesteuerung von interkommunalen Ko-
operationen mit dem Europarecht nicht vereinbar ist. Die bisherige umsatzsteu-
erliche Freiheit des hoheitlichen Handelns soll zukünftig nur noch in einem
sehr engen und begrenzten Umfeld gelten.

Vielfältige Formen der Verwaltungszusammenarbeit zwischen Bund, Ländern
und Kommunen und innerhalb einer Ebene werden durch eine Belastung mit
der Umsatzsteuer grundlegend in Frage gestellt. Positive finanzielle Effekte
durch verstärkte Verwaltungszusammenarbeit werden konterkariert. Besonders
betroffen sind die Kommunen mit ihrer interkommunalen Zusammenarbeit. Im
Dezember 2012 hat die Finanzministerkonferenz (FMK) eine länderoffene Ar-
beitsgruppe auf Staatsekretärsebene eingerichtet, die Vorschläge zur Reaktion
auf diese Urteile erarbeiten soll.

Außerdem plant die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf für die
Besteuerung der öffentlichen Hand. Die Kommission hat dabei mehrfach be-
tont, dass sie die Befreiung von öffentlichen Aufgaben in der jetzigen Form in
Frage stellt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche organisatorischen und pekuniären Auswirkungen hat aus Sicht der
Bundesregierung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auf die Verwal-
tungszusammenarbeit
• zwischen dem Bund und seinen verselbstständigten Einrichtungen und
Beteiligungen,

• zwischen Bund und Ländern,

• zwischen Bund und Kommunen,

• zwischen den Ländern,

• zwischen Ländern und Kommunen,

Drucksache 17/14298 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

• zwischen Kommunen,

• bzw. zwischen Kommunen und ihren verselbstständigten Einrichtun-
gen?

2. Unter welchen Bedingungen unterliegt aus Sicht der Bundesregierung das
hoheitliche Handeln der Umsatzsteuer?

3. Welche Kategorien der interkommunalen Zusammenarbeit sind aus Sicht
der Bundesregierung von der verschärften Rechtsprechung nicht betroffen?

4. Welche Sachverhaltsgestaltungen sind aus Sicht der Bundesregierung vor-
handen, um eine Umsatzbesteuerung gerade bei der interkommunalen Zu-
sammenarbeit zu vermeiden?

5. Welche zusätzlichen Möglichkeiten existieren aus Sicht der Bundesregie-
rung, um auf diesem Weg die bisherigen Vorteile der interkommunalen Zu-
sammenarbeit zu erhalten?

6. Ist es aus Sicht der Bundesregierung möglich, über Synergieeffekte durch
innovative und engagierte Zusammenarbeit öffentlicher Verwaltungen aller
Staatsebenen Kosteneinsparungen von mehr als 19 Prozent zu erwirtschaf-
ten?

7. Wie hoch ist aus Sicht der Bundesregierung der insgesamt zu erwartende
Steuermehraufwand aus der neuen Abgrenzung der Unternehmereigen-
schaft der öffentlichen Hand (bitte nach Bund, Ländern und Kommunen
aufschlüsseln)?

8. Welche Möglichkeiten existieren aus Sicht der Bundesregierung, die poten-
tielle Umsatzsteuerbelastungen den Gebietskörperschaften wiederzugeben
und welche Verteilungswirkungen gehen damit jeweils einher?

9. Wie bewertet die Bundesregierung die Einführung eines Umsatzsteuer-
Refund-Systems, und in welchen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
existieren nach Kenntnis der Bundesregierung solche Systeme?

10. Wie viel Zeit vergeht aus Sicht der Bundesregierung, bis die Entscheidun-
gen des Bundesfinanzhofs veröffentlicht und somit von der Finanzverwal-
tung angewendet werden?

11. Sollte aus Sicht der Bundesregierung der Rechtsrahmen geändert werden,
um die Umsatzbesteuerung zu vermeiden, und ist eine solche realistischer-
weise erreichbar?

12. Hält die Bundesregierung die Auslegung der europäischen Richtlinie durch
den Bundesfinanzhof für richtig, oder gedenkt sie eine Gesetzesänderung
anzustreben, um eine richtlinienkonforme Rechtslage zu schaffen?

13. Welche Zielsetzung verfolgt die Bundesregierung bei der Neuordnung der
Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand in der von der FMK eingerichte-
ten Arbeitsgruppe?

14. Wann ist mit einem Ergebnis der von der FMK eingerichteten Arbeits-
gruppe zu rechnen?

15. Gibt es Zwischenergebnisse der von der FMK eingerichteten Arbeits-
gruppe zur Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand?

16. Hält es die Bundesregierung für angemessen, dass die Überlassung einer
Sport- oder Schwimmhalle zum Zwecke des Schul- oder Vereinssports von
einer Kommune an eine andere umsatzsteuerpflichtig wird?

17. Hält es die Bundesregierung für angemessen, dass Konzessionsabgaben
mit Umsatzsteuer belegt werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/14298

18. Bei welchen kommunalen Beistandsleistungen hält es die Bundesregierung
für angemessen, dass diese mit Umsatzsteuer belegt werden?

19. Bei welchen Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge hält es die Bun-
desregierung für angemessen, dass diese mit Umsatzsteuer belegt werden?

20. Welche Folgen erwartet die Bundesregierung bei einer Umsatzbesteuerung
interkommunaler Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger?

21. Trägt die Bundesregierung ihre Position bezüglich der Umsatzbesteuerung
der öffentlichen Daseinsvorsorge und interkommunaler Beistandsleistun-
gen der Europäischen Kommission vor?

22. Wird die Bundesregierung europäischen Richtlinien zustimmen, die zu
einer Besteuerung der öffentlichen Daseinsvorsorge und interkommunaler
Beistandsleistungen führen?

Berlin, den 27. Juni 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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