BT-Drucksache 17/1391

Europäische Beweisanordnungen

Vom 16. April 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1391
17. Wahlperiode 16.04.2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jerzy Montag, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Monika Lazar,
Dr. Konstantin von Notz, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Europäische Beweisanordnungen

Der Bereich der Beweiserhebung und des Beweistransfers im Rahmen der jus-
tiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen auf europäischer Ebene wurde bisher
überwiegend mit den Instrumenten der Rechtshilfe geregelt. Mit den Schlussfol-
gerungen von Tampere 1999 beschloss der Europäische Rat, den Grundsatz der
gegenseitigen Anerkennung, der eigentlich zur Herstellung des Binnenmarkts
entwickelt wurde, im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und
Strafsachen einzuführen. Als erster Rechtsakt, der auf dem Grundsatz der gegen-
seitigen Anerkennung beruht, wurde der Rahmenbeschluss des Rates über den
Europäischen Haftbefehl beschlossen. Im Bereich des Beweistransfers wurde
nach langjährigem Rechtsetzungsprozess der Rahmenbeschluss des Rates über
die Europäische Beweisanordnung erlassen.

Der Deutsche Bundestag hatte bereits zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens
mit Beschluss vom 30. September 2004 (auf Bundestagsdrucksache 15/3831)
zum Vorschlag für eine Europäische Beweisanordnung Stellung genommen. Da-
rin stellte er fest, dass „im Bereich des Strafrechts noch erhebliche Unterschiede
[der nationalen Strafrechtsordnungen] bestehen“, so dass der „Grundsatz der ge-
genseitigen Anerkennung nicht automatisch und ohne Einschränkungen in jeden
Rechtsakt aufgenommen werden“ könne. Er forderte, dass die Deliktsgruppen
präziser gefasst werden sollten und dass Verweigerungsgründe vorgesehen wer-
den müssten, wenn die „Maßnahme gegen die gemeinsamen Grundsätze und
Grundrechte verstieße, insbesondere die Mindestgarantien der Europäischen
Menschenrechtskonvention“. Auch müssten „effektive Rechtsschutzmöglich-
keiten der Betroffenen“ gegeben sein.

Der Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung (EBA) trat An-
fang 2009 in Kraft und ist bis Januar 2011 umzusetzen. Noch vor Umsetzungs-
frist der Europäischen Beweisanordnung (EBA I), zeichnet sich jedoch auf
europäischer Ebene bereits eine neue Rechtsinitiative ab, die in Umfang und
Tragweite weit über die Europäische Beweisordnung hinausgeht und diese er-
setzen soll (Europäische Beweisanordnung II).
Wie viele andere Mitgliedstaaten auch, hat Deutschland aber noch nicht einmal
mit der Umsetzung der EBA I begonnen und bislang auch noch keinen Termin
nennen können, zu dem ein Referentenentwurf vorgelegt werden soll.

Drucksache 17/1391 –2– Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:
1. Welchen Zeitraum erachtet die Bundesregierung als notwendig bzw. aus-

reichend, um den Rahmenbeschluss 200 8/978/JI vom 18. Dezember 2008
über die Europäische Beweisanordnung zur Erlangung von Sachen, Schrift-
stücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen (EBA I) auf ange-
messene, die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages wahrende,
Weise ins deutsche Recht umzusetzen?

2. Wann wird daher die Bundesregierung spätestens einen Referentenentwurf
zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über die EBA I vorlegen, um die
Umsetzungsfrist im Januar 2011 noch einhalten zu können?

3. Inwieweitund inwelchem Umfangsiehtdie BundesregierungUmsetzungs-
bedarf bezüglich des Rahmenbeschlusses über die EBA I?

4. Inwieweit ist die Umsetzung der EBA I in deutsches Recht von den Entwick-
lungen auf europäischer Ebene abhängig, wonach noch vor Umsetzungsfrist
der EBA I ein neuer Rechtsakt (EBA II) geschaffen werden soll, der in Um-
fang und Tragweite weit über die EBA I hinausgehen und diese ersetzen
soll?

5. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass der oben genannte Rahmen-
beschluss über die EBA I aufgrund eines Rechtsakts zur EBA II nicht mehr
umzusetzen ist?

6. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass eine EBA II, wenn sie entspre-
chend den im Grünbuch der Kommission zum Ausdruck gebrachten Vor-
schlägen umgesetzt wird, in die Rechtstraditionen der deutschen Strafrechts-
und Strafprozessordnung eingreift?

7. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass der Richtervorbehalt, der
eine zentrale Rolle im deutschen Rechtssystem einnimmt, nicht ausgehöhlt
wird?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Artikel 82 Absatz 2 Buch-
stabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
als Rechtsgrundlage für die Einführung gemeinsamer Normen für die Be-
weiserhebung ausreichend ist?

9. Falls nein, sieht sie andere Normen, die die Harmonisierungder Beweis-
erhebung ermöglichen oder erfordern?

10.Wird sich die Bundesregierung – wie schon im Rahmen der Verhandlungen
zum Rahmenbeschluss über die EBA I – dafür einsetzen, dass es auch im
Rahmen der EBA II Versagensgründe gibt, und wird sie auf eine Präzisie-
rung der Deliktsgruppen hinwirken?

11.Wird die Bundesregierung für den Fall, dass der Richtervorbehalt oder die
effektive Mitwirkung der Strafverteidigung bei der Beweiserhebung und
ihrer Anwesenheitsrechte bei der Beschuldigtenvernehmung durch eine
EBA II unterlaufen würden, vom Notbremsemechanismus des Artikels 82
Absatz 3 AEUV Gebrauch machen?

12.Sieht die Bundesregierung Verbündete auf europäischer Ebene, die in
diesem Bereich ihre Ansicht teilen und sie unterstützen?

Berlin, den 16. April 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

GmbH & Co., Buch-und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91,12103 Berlin
anzeigerVerlagsgesellschaft mbH, Postfach 1005 34,50445 Köln, Telefon (0221)97668340, Fax (0221)976683 44, www.betrifft-gesetze.de

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