BT-Drucksache 17/13453

Vertrauensschutz bei Rentenleistungen für alle aus der DDR Geflüchteten, Abgeschobenen und Ausgereisten gewähren

Vom 13. Mai 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13453
17. Wahlperiode 13. 05. 2013

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Heidrun
Dittrich, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Yvonne Ploetz, Ingrid
Remmers, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Vertrauensschutz bei Rentenleistungen für alle aus der DDR Geflüchteten,
Abgeschobenen und Ausgereisten gewähren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Für diejenigen, die aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland
geflüchtet oder von den Behörden abgeschoben oder anderweitig ausgereist
waren, gab es vor der Einheit Deutschlands eine klare rentenrechtliche Situa-
tion. Das in der DDR gelebte Leben wurde für die Rente so bewertet, als wäre
die berufliche Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland absolviert worden.
Die Anwartschaften wurden nach dem Fremdrentenrecht nachträglich auf dem
jeweilig persönlichen Rentenkonto gutgeschrieben.

Mit dem Rentenüberleitungsgesetz vom 25. Juli 1991, das die DDR-Ansprüche
der Alterssicherung derjenigen, die in der DDR geblieben waren, überleitete,
wurden diese Regelungen – von vielen (auch im politischen Raum) unbemerkt –
lediglich bis 31. Dezember 1995 unter Bestandsschutz gestellt. Es deutete sich
folglich an, dass sich ab 1996 etwas ändern könnte. Mit dem Rentenüber-
leitungsergänzungsgesetz vom 24. Juni 1993 wurde dann der Bestandsschutz
auf die Geburtsjahrgänge vor 1937 begrenzt.

Diejenigen, die vor 1989 nach persönlichem Bruch mit dem DDR-System,
nach Diskriminierungen, Schikanen und teilweise Gefängnisaufenthalten in die
Bundesrepublik Deutschland gekommen waren, ahnten überwiegend nichts
von diesen Veränderungen, da sie eine Rentenauskunft nach Fremdrentenrecht
in den Händen hielten. Erst seit die Jahrgänge ab 1937 in Rente gehen oder zur
Kontenklärung aufgerufen werden, wird ihnen der Vertrauensbruch deutlich.
Das ist nicht hinnehmbar, zumal es dadurch bei den meisten dieser Personen-
gruppe zu geringeren Rentenzahlbeträgen kommt. Der Vertrauensschutz muss
wieder hergestellt und gewährleistet werden.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich eine Gesetzesänderung vorzulegen, die den Vertrauensschutz ge-
währleistet, indem all diejenigen, die nach 1936 geboren sind und bis zum Tag
des Mauerfalls, dem 9. November 1989, die DDR verlassen haben, für ihre

Drucksache 17/13453 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

DDR-Erwerbsbiografie wieder rentenrechtliche Ansprüche gemäß dem damals
gültigen Fremdrentengesetz (FRG) zuerkannt bekommen.

Berlin, den 13. Mai 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Zahlreiche Petitionen zeugen von der Empörung über den Vertrauensbruch ge-
genüber Personen, die die DDR vor dem Mauerfall unter widrigen Bedingun-
gen verlassen haben. Es ist beschämend, gerade bei dieser Personengruppe den
Vertrauensschutz aufzuheben. So empfinden es auch die Betroffenen als zu-
tiefst demütigend, nach dem vollzogenen Bruch in ihrem Leben im Zusammen-
hang mit ihrer Altersversorgung nachträglich de facto wieder zu DDR-Bürgern
gemacht zu werden.

Es ist notwendig, die von der Politik der Bundesrepublik Deutschland (alt)
gegenüber übertrittswilligen DDR-Bürgerinnen und -Bürgern gegebenen und
seinerzeit von den verantwortlichen Stellen umgesetzten Versprechen einzuhal-
ten und das Fremdrentenrecht wieder anzuwenden. Dabei sollen diejenigen
Konditionen des Fremdrentengesetzes gelten, die bei den vor 1937 Geborenen
angewandt werden. Mit Hilfe von Tabellen wird dadurch – abhängig von Quali-
fikation, ausgeübter Tätigkeit und Branche – ein fiktiver Verdienst ermittelt,
der unterstellt, dass das in der DDR absolvierte Erwerbsleben unter bundes-
republikanischen Verhältnissen stattgefunden hat. Späterer Fassungen des
Fremdrentengesetzes minimieren die Ansprüche durch eine Kürzung auf
60 Prozent und eine Begrenzung der Entgeltpunkte auf 25 bzw. auf 40 bei Ver-
heirateten.

Der Deutsche Bundestag folgte einstimmig ähnlichen Überlegungen hinsicht-
lich der Situation der Betroffenen, als er am 28. Juni 2012 einem Votum des
Petitionsausschusses in dieser Sache zustimmte und die Petition der Bundes-
regierung zur Erwägung überwies sowie den Fraktionen des Deutschen Bundes-
tages zur Kenntnis gab (Bundestagsdrucksache 17/10137). In der Beschluss-
empfehlung des Petitionsausschusses zur Petition 3-16-11-8222-015348 war
festgestellt worden: „Es bleibt aber offen, ob die durch das RÜG erfolgte Ab-
lösung des FRG für Übersiedler im Sinne eines für seine Versicherten verläss-
lichen Rentenversicherungssystems zielführend war. Auch wird ein überschau-
barer Personenkreis neben den für alle Versicherten in den letzten Jahren ein-
geführten Einschränkungen in der gesetzlichen Rentenversicherung besonders
getroffen.“

Beispielgebend für die Einhaltung des Vertrauensschutzes ist das deutsch-
polnischen Sozialversicherungsabkommen von 1975. Dieses gewährt u. a.
deutschstämmigen Aussiedlerinnen und Aussiedlern, die vor 1991 aus Polen
nach Deutschland übergesiedelt sind, den Vertrauensschutz für die Anwendung
des günstigeren Fremdrentenrechts.

Bei den vor 1937 Geborenen soll für den Vertrauensschutz der Stichtag 18. Mai
1990 nach § 259a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch maßgeblich bleiben.
Bei den nach 1936 Geborenen wurde als neuer Stichtag der 9. November 1989
gewählt, um so den Vertrauensschutz für diejenigen zu wahren, die beim Ver-
lassen der DDR nicht mit der Wiedervereinigung rechnen konnten.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/13453

Häufig wird bei der Bearbeitung der Petitionen argumentiert, dass sich die An-
wendung des FRG auch ungünstiger auf die Rentenzahlbeträge auswirken kann
als die Berechnung der DDR-Erwerbsbiografie nach den Vorschriften des
Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG). Um eine Schlechterstellung zu vermeiden,
sollte auf Antrag eine Vergleichsberechnung möglich sein und ein Wahlrecht
eingeräumt werden.

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