BT-Drucksache 17/13104

Lohndumping im Einzelhandel stoppen - Tarifverträge stärken, Entgelte und Arbeitsbedingungen verbessern

Vom 17. April 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/13104
17. Wahlperiode 17. 04. 2013

Antrag
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Diana Golze, Matthias
W. Birkwald, Dr. Martina Bunge, Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Cornelia Möhring,
Yvonne Ploetz, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Harald
Weinberg, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Lohndumping im Einzelhandel stoppen – Tarifverträge stärken, Entgelte und
Arbeitsbedingungen verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Fast drei Millionen Beschäftigte im Einzelhandel, mehrheitlich Frauen,
brauchen Unterstützung. Die Arbeitgeber haben die Entgelt- und Mantel-
tarifverträge gekündigt. Alles wird zur Disposition gestellt: Eingruppierun-
gen, Zuschläge für Nacht- und Mehrarbeit, Arbeitszeitregelungen, Urlaubs-
tage sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die Gewerkschaft ver.di spricht
von einem Generalangriff auf die Tarifverträge. Dieses unverfrorene Vor-
gehen der Arbeitgeberverbände muss für die Politik ein Alarmsignal sein,
um endlich gesetzliche Haltelinien für die Entlohnung einzuziehen, ins-
besondere in Branchen, in denen mehrheitlich Frauen tätig sind.

2. Die Situation der Beschäftigten im Einzelhandel ist bereits schwierig. Nach
Angaben des Statistischen Bundesamtes sank der durchschnittliche Stunden-
verdienst von 13,05 Euro im Jahr 2006 auf 12,43 Euro im Jahr 2010. Der
Anteil der Niedriglohnbeschäftigten liegt inzwischen bei 38 Prozent und ist
damit fast doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. Prekäre Beschäfti-
gung wie Minijobs, Befristungen, Leiharbeit und Werkverträge haben sich
rasant ausgebreitet. Über 150 000 Einzelhandelsbeschäftigte stocken nach
Angaben der Bundesagentur für Arbeit ihren Lohn durch Hartz-IV-Leistun-
gen auf.

3. Seit Jahren sieht der Gesetzgeber zu, wie Unternehmen im Einzelhandel
Tarifflucht begehen und einen Wettbewerb über die geringsten Löhne und
schlechtesten Arbeitsbedingungen austragen. Nur noch vier von zehn
Beschäftigten im Einzelhandel werden nach einem Branchentarifvertrag
bezahlt. Um geltende tarifliche Standards für alle Beschäftigten und Unter-
nehmen einer Branche verbindlich festzuschreiben, sind die bestehenden
Hürden für eine allgemeinverbindliche Festschreibung von Branchenmindest-

löhnen und -tarifverträgen zu beseitigen. Die sogenannte Allgemeinverbind-
licherklärung ist zu erleichtern. Änderungen sind insbesondere nötig bei der
Beschränkung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf einige Branchen, der
Definition der Repräsentativität der Tarifverträge sowie dem Vetorecht der
Arbeitgeber.

Drucksache 17/13104 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

Maßnahmen zur Bekämpfung des Lohndumpings und der Tarifflucht im
Einzelhandel und in anderen Branchen zu ergreifen.

Hierzu ist unverzüglich die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen
zu erleichtern. Hindernisse, die den allgemeinverbindlichen Festlegungen von
Branchentarifverträgen entgegenstehen, sind abzubauen. Insbesondere darf ein
Branchenmindestlohn nicht mehr daran scheitern, dass weniger als 50 Prozent
der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen arbeiten.

Wird ein Tarifvertrag mit einem geringeren als dem einzuführenden gesetz-
lichen Mindestlohn für allgemeinverbindlich erklärt, gilt dennoch der gesetz-
liche Mindestlohn.

Berlin, den 17. April 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Gesetzliche Maßnahmen, die eine Stärkung der Flächentarifverträge und eine
Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Entgelte zum Ziel haben, sind nicht
nur im Interesse der Beschäftigten im Einzelhandel und anderen Branchen
nötig. Es gibt ein gesellschaftliches Interesse, den Lohnsenkungswettbewerb zu
stoppen und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Denn während auf Kos-
ten der Beschäftigten im Einzelhandel Gewinne in zweistelliger Milliardenhöhe
erwirtschaftet werden und das Vermögen einiger weniger Eigentümerfamilien
der Handelsketten wächst, subventioniert die Gesellschaft den Billiglohnsektor
durch Steuergelder. Im Gesamtumfang von jährlich 1,5 Mrd. Euro werden im
Handel die Löhne durch ergänzendes Arbeitslosengeld II aufgestockt. Drei-
viertel der Aufstocker im Handel kommen dabei aus dem Einzelhandel.

Konkrete Vorschläge zur erleichterten Allgemeinverbindlicherklärung von
Tarifverträgen hat die Fraktion DIE LINKE. bereits in dem Antrag „Tarifsystem
stabilisieren“ (Bundestagsdrucksache 17/8148) vorgelegt. Der Anwendungs-
bereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes muss auf alle Branchen ausgeweitet
werden. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist zudem dahingehend zu reformie-
ren, dass Tarifverträge vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für all-
gemeinverbindlich zu erklären sind, wenn sie das Kriterium der Repräsentativität
erfüllen. Tarifverträge, die höhere Entgelte beinhalten, bleiben weiterhin gültig.

Eine erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen muss
begleitetet werden von der Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen
Mindestlohns als untere Haltelinie für das Lohngefüge. Damit können nur
Tarifverträge allgemeinverbindlich erklärt werden, die oberhalb eines existenz-
sichernden Mindestlohns liegen.

Die Politik trägt für die aktuelle Auseinandersetzung im Einzelhandel eine be-
sondere Verantwortung, denn sie hat prekäre Beschäftigung wie Minijobs,
Befristungen, Leiharbeit und Werkverträge gefördert und damit die Arbeitgeber
zum Lohndumping ermuntert. Auch in diesem Bereich ist ein Kurswechsel
nötig. Prekäre Beschäftigung muss eingedämmt werden. Der allgemein erhobe-
nen Forderung nach gleicher Bezahlung für gleiche und gleichwertige Arbeit
müssen konkrete politische Handlungen folgen, soll dem Lohndumping in so

genannten typischen Frauenerwerbsbereichen endlich ein Ende gemacht werden.

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