BT-Drucksache 17/12560

Gleiche Arbeit - Gleiches Geld in der Leiharbeit

Vom 27. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12560
17. Wahlperiode 27. 02. 2013

Antrag
der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, Matthias
W. Birkwald, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, Katja Kipping, Cornelia Möhring,
Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Gleiche Arbeit – Gleiches Geld in der Leiharbeit

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter werden schlechter bezahlt als Stamm-
beschäftigte und sind wesentlich häufiger von Niedriglöhnen betroffen. Im
Jahr 2010 erhielten sieben von zehn Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern einen
Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von 10,36 Euro pro Stunde. Der durch-
schnittliche Bruttomonatsverdienst lag in der Leiharbeit bei nur 55 Prozent des
entsprechenden Verdienstes in der Gesamtwirtschaft. Leiharbeiterinnen und
Leiharbeiter haben zudem unsichere Perspektiven, ein erhöhtes Erwerbslosig-
keitsrisiko und werden in der Krise als erste entlassen. Sie arbeiten unter
schlechteren Bedingungen und haben ein höheres Unfallrisiko. Sie sind immer
noch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zweiter Klasse. Dies ist nicht hin-
zunehmen.

Die Tarifparteien haben in einzelnen Branchen begonnen, tarifliche Regelungen
für Leiharbeitskräfte auszuhandeln. Dies entbindet die Politik jedoch nicht von
ihrer Verantwortung, auf gesetzlichem Wege das Prinzip „Gleiche Arbeit –
Gleiches Geld“ zu verankern. Denn zum einen erfassen die tariflichen Branchen-
zuschläge nicht alle Branchen bzw. Leiharbeitskräfte und zum anderen ersetzen
Branchenzuschläge keine Equal-Pay-Regelung. Sie sehen lediglich eine An-
näherung der Entlohnung an die der Stammbeschäftigten vor, aber keine Gleich-
stellung. Zudem werden die neuen tariflichen Regelungen in der Praxis häufig
unterlaufen. Das Prinzip „Gleiche Arbeit – Gleiches Geld“ muss ab dem ersten
Einsatztag gelten. Hierfür Sorge zu tragen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Wenn
der Gleichbezahlungsgrundsatz ab dem ersten Tag gilt, entfällt der Anreiz für
Unternehmen, Leiharbeitskräfte zur Kosteneinsparung einzusetzen. Die sofor-
tige gleiche Bezahlung ist auch deswegen notwendig, weil rund die Hälfte der
Arbeitsverhältnisse in der Leiharbeit nicht einmal drei Monate dauern.

Gleichbehandlung ist aber nicht nur hinsichtlich des Arbeitsentgelts, sondern
auch bei der Arbeitszeit, den Urlaubsansprüchen, dem Arbeits- und Gesund-

heitsschutz, den konkreten Arbeitsbedingungen, der Weiterbildung sowie der
Mitbestimmung und Beteiligung wichtig. Gleiche Bezahlung (Equal Pay) und
gleiche Behandlung (Equal Treatment) sind notwendig. Daher ist der soge-
nannte Tarifvorbehalt zu streichen und es muss gesetzlich klargestellt werden,
dass Leiharbeitskräfte in allen relevanten Bereichen gleich zu behandeln sind.
Es darf keine ungleiche Behandlung von Stammbeschäftigten und Leiharbeits-
kräften geben.

Drucksache 17/12560 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Darüber hinaus besteht dringender Regulierungsbedarf hinsichtlich der Über-
lassungsdauer. Derzeit ist im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nur geregelt,
dass Leiharbeit einen vorübergehenden Charakter haben muss, wie von der
EU-Leiharbeitsrichtlinie vorgegeben. Die Regierungskoalition (CDU, CSU und
FDP) weigert sich allerdings, die Überlassungsdauer zeitlich zu begrenzen und
den Begriff „vorübergehend“ zu konkretisieren. Diese Frage beschäftigt mit-
tlerweile die Arbeitsgerichte. Um zu definieren, was unter „vorübergehend“ zu
verstehen ist, und um eine dauerhafte Ersetzung von Stammbeschäftigten sowie
den längeren Einsatz von Leiharbeitskräften zu verhindern, muss gesetzlich
eine Überlassungshöchstdauer festgeschrieben werden.

Auch im Bereich der Mitbestimmung muss der Gesetzgeber tätig werden und
Lücken schließen. In den Einsatzbetrieben müssen Betriebs- und Personalräte
umfassend und zwingend über den Einsatz von Leiharbeit mitbestimmen kön-
nen. Dies gilt auch für den Einsatz von Werkverträgen, die zunehmend miss-
bräuchlich als Alternative für Leiharbeit genutzt werden.

Die Verwerfungen, die durch Leiharbeit auf dem Arbeitsmarkt hervorgerufen
werden, erfordern unverzüglich eine strikte Regulierung. Die im Jahr 2011 vor-
genommenen gesetzlichen Änderungen in der Arbeitnehmerüberlassung haben
die Probleme in keinster Weise gelöst. Als Sofortmaßnahme müssen mindes-
tens die nachfolgend benannten Punkte umgesetzt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der folgende Maßnahmen um-
fasst:

1. Der Tarifvorbehalt im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist zu streichen,
damit „Equal Pay“ und „Equal-Treatment“ ab dem ersten Einsatztag gelten.
Hinsichtlich des „Equal Treatment“-Anspruches sind gesetzliche Konkreti-
sierungen vorzunehmen, mit denen klargestellt wird, dass auch Qualifizie-
rungsmaßnahmen, Mitbestimmung und Beteiligung sowie der Arbeits- und
Gesundheitsschutz darunter fallen.

2. Es wird eine Flexibilitätsprämie in Höhe von 10 Prozent vom Bruttolohn
eingeführt.

3. Die Überlassungsdauer ist zu begrenzen, so dass der Begriff „vorüber-
gehend“ gesetzlich definiert und eine Verdrängung von Stammbeschäftigung
verhindert wird.

4. Im Betriebsverfassungsgesetz und im Personalvertretungsgesetz sind um-
fassende und zwingende Mitbestimmungsrechte im Falle des Einsatzes von
Leiharbeit und Werkverträgen festzuschreiben.

Berlin, den 27. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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