BT-Drucksache 17/12549

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/9666, 17/12525 - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG)

Vom 27. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12549
17. Wahlperiode 27. 02. 2013

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Dr. Anton Hofreiter, Volker Beck (Köln),
Memet Kilic, Jerzy Montag, Dr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/9666, 17/12525 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung
und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die rigorose Durchsetzung von „Stuttgart 21“ führte zu einem Dammbruch.
Bundesweit fordern Bürgerinnen und Bürger mehr Beteiligungsrechte in
Planungsverfahren ein. Die teilweise skandalösen Vorgänge rund um die Groß-
vorhaben in Stuttgart, Berlin und anderenorts bringen diesen Wunsch zum Aus-
druck.

Dieses Anliegen nimmt der Deutsche Bundestag auf. Denn die Erfahrungen
zeigen: Projekte werden mit Bürgerbeteiligung ausgewogener. Bürgerinnen und
Bürger kennen sich vor Ort aus. Das ist eine Chance für eine bessere und am
Ende auch schnellere Planung. Eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung
setzt darüber hinaus nicht nur positive Impulse für eine demokratische Gesell-
schaft. Es fördert auch die Akzeptanz für Entscheidungen, wenn sich Bürgerin-
nen und Bürger auf Augenhöhe mit den planenden Behörden begegnen und alle
Argumente sorgsam geprüft und abgewogen werden. Das gilt ebenso in den
Fällen, in denen am Ende eines Planungsverfahrens eine Konsenslösung nicht
gefunden werden kann. Dabei sind Transparenz und eine neue moderne Ver-
waltungskultur Voraussetzung für eine gelungene Öffentlichkeitsbeteiligung.
Moderne Planung im 21. Jahrhundert ist transparent, bürgernah und arbeitet mit
moderner sowie effektiver Konfliktlösung.

Ein neuartiges dreistufiges Planungsrecht für Infrastrukturgroßprojekte soll da-
für sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger, aber auch Umwelt- und Naturschutz-

verbände auf jeder Stufe einbezogen werden. Auf der ersten geht es darum,
festzustellen, ob es für ein angedachtes Projekt überhaupt einen Bedarf gibt.
Die Definition von Bedarf geht dabei weiter, als es aktuell der Fall ist, denn sie
bezieht die Frage der Umwelt- und Klimaverträglichkeit mit ein. Auf der zwei-
ten Stufe wird geprüft, wie ein Vorhaben umgesetzt werden soll. Dazu werden
die bisherigen Raumordnungs- und Linienbestimmungsverfahren zu einer ver-
bindlichen Trassen- und Standortbestimmung zusammengezogen. Die dritte

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Stufe umfasst schließlich die Detailplanung, die wegen der bereits in den ersten
beiden Stufen getroffenen Entscheidungen im Vergleich zur heute üblichen Pra-
xis langwieriger Planfeststellungsverfahren zeitlich deutlich gestrafft ist.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Verbesserung der
Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren
nimmt den Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Bürgerbeteiligungs-
rechten nicht auf. Die Öffentlichkeitsbeteiligung wird in dem Gesetzentwurf zu
einem großen Teil in das Belieben des Vorhabenträgers gestellt. Weder sieht der
Gesetzentwurf eine Verpflichtung zur Unterrichtung und Anhörung der Öffent-
lichkeit vor, noch werden Qualitätsstandards für die Öffentlichkeitsbeteiligung
geregelt. Darüber hinaus wird nicht geregelt, wie ein etwaiges Ergebnis der
„frühen Öffentlichkeitsbeteiligung“ nach dem neu zu schaffenden § 25 Absatz 3
des Verwaltungsverfahrensgesetzes in das sich anschließende Genehmigungs-
verfahren einfließen soll. Der Gesetzentwurf greift mit Blick auf die Verbesse-
rung der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur zu kurz, er zementiert auch den un-
zulänglichen Status quo. Deutlich wird dies an der Regelung im Gesetzentwurf
zum fakultativen Erörterungstermin in § 17a des Bundesfernstraßengesetzes,
§ 18a des Allgemeinen Eisenbahngesetzes. Die Planungsbehörden können da-
nach im Regelfall weiterhin von einem Erörterungstermin absehen, beispiels-
weise wenn ihnen der Verwaltungsaufwand zu hoch erscheint. Die Erfahrung
lehrt, dass Behörden nicht selten von ihrem Ermessen zu Lasten der Erörterung
und damit zu Lasten der Öffentlichkeitsbeteiligung Gebrauch machen. Gänzlich
unberücksichtigt bleiben Regelungen zu etwaigen neutralen Mittlern, der alter-
nativen Streitbeilegung und direktdemokratischen Elementen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

1. eine obligatorische Öffentlichkeitsbeteiligung zu Beginn des jeweiligen
Planungsverfahrens vorsieht, notwendige Qualitätsstandards für diese setzt
und zugleich gewährleistet, dass dessen Ergebnisse in das Genehmigungs-
verfahren einfließen;

2. die Möglichkeit von direktdemokratischen Entscheidungen im Planungsver-
fahren implementiert;

3. Regelungen zur Einführung einer grundsätzlichen Verpflichtung der Behör-
den beziehungsweise Vorhabenträger, alle planungsrelevanten Daten und
Dokumente im Original im Internet zu veröffentlichen, vorsieht (open data).
Ausnahmen von diesem Grundsatz soll es nur geben, wenn überwiegende
private oder öffentliche Belange wie etwa der Datenschutz entgegenstehen;

4. Regelungen trifft, die eine Verpflichtung der Behörden beziehungsweise
Vorhabenträger vorsieht, komplexe Verfahren, Sachverhalte und Pläne im
Internet einschließlich der Möglichkeiten der Öffentlichkeitsbeteiligung
bürgernah und allgemeinverständlich aufzubereiten;

5. vorsieht, das Informationsfreiheitsgesetz so zu reformieren, dass Informatio-
nen nur noch in eng begründeten Ausnahmefällen verweigert werden dürfen
und eine Einzelfallabwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinte-
resse und insbesondere den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der am
Bau beteiligten Unternehmen stattfindet;

6. vorsieht, dass Eingaben von Bürgerinnen und Bürgern, Umwelt- und Natur-
schutzverbänden und ggf. kommunalen Gebietskörperschaften aus Beteili-
gungsverfahren in einem Bericht zu dokumentieren und zu veröffentlichen
sind, damit diese nicht verloren gehen;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12549

7. eine qualifizierte Begründungs- und Berücksichtigungspflicht der Planungs-
behörde einführt, um sicherzustellen, dass im weiteren Verfahren eine Be-
rücksichtigung der Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet;

8. regelt, dass gewichtige Verstöße gegen Vorschriften zur Öffentlichkeitsbe-
teiligung beachtliche Verfahrensfehler darstellen, die von den Klagebefugten
in späteren Gerichtsverfahren geltend gemacht werden können, etwa wenn
sich die Verwaltung mit den Argumenten und Vorschlägen aus der Öffent-
lichkeit nicht angemessen auseinandergesetzt hat;

9. ein Verfahren einführt, in dem die Verwaltung aus eigener Initiative oder
auf Antrag prüft, ob sich ein Planungsverfahren für eine Mediation eignet;

10. es ermöglicht, dass die Verwaltung ein Verwaltungsverfahren bis zum Ab-
schluss eines laufenden Mediationsverfahrens aussetzen kann;

11. die Schaffung von Rahmenregelungen und Qualitätsstandards für die
Mediation und andere alternative Konfliktlösungsmethoden in Verwaltungs-
verfahren festlegt, soweit nicht im Mediationsgesetz geregelt;

12. die Verwaltung verpflichtet, die transparent gemachten Ergebnisse und das
Vorbringen aus dem Mediationsverfahren im Verwaltungsverfahren zu be-
rücksichtigen.

Berlin, den 26. Februar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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