BT-Drucksache 17/12436

Riester-Förderung in die gesetzliche Rente überführen

Vom 21. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12436
17. Wahlperiode 21. 02. 2013

Antrag
der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, Heidrun
Dittrich, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Yvonne
Ploetz, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Riester-Förderung in die gesetzliche Rente überführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Vor mehr als zehn Jahren haben SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrer
Regierungszeit mit den so genannten Riester- und weiteren Reformen das Ren-
tenniveau politisch willkürlich abgesenkt. Damit war es zudem möglich, die
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu senken. Um die politisch
gerissene Altersvorsorgelücke zu schließen, können Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer seitdem freiwillig in eine so genannte Riester-Rente einzahlen.
Die Beiträge zu Riester-Produkten werden steuerlich gefördert.

Der rot-grüne Paradigmenwechsel in der Rentenpolitik zu Anfang der 2000er-
Jahre hat zu einer dreifach falschen Rentenpolitik geführt. Erstens: Das Ziel der
Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung ist auf-
gegeben und auf drei Säulen verteilt worden. Zweitens: Das Rentenniveau ist
deutlich abgesenkt worden und drittens ist damit die paritätische Finanzierung
der Altersvorsorge ausgehebelt worden. Die paritätische Finanzierung der
Alterssicherung durch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitge-
berinnen und Arbeitgeber ist nur für die gesetzliche, nunmehr nicht mehr den
Lebensstandard sichernde Rente geblieben. Die notwendige betriebliche und
private Altersvorsorge muss zunehmend (bei der betrieblichen) oder immer
schon vollständig (bei der privaten) allein von den Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern geleistet werden.

Dass die Riester-Rente die Vorsorgelücke nicht zu schließen imstande ist, war zu
erwarten. Zu unsicher sind die Entwicklungen an den Finanzmärkten. Zu
intransparent und kostenträchtig haben die Versicherungsunternehmen die Vor-
sorgeprodukte gestaltet. Von Anfang an war ebenfalls zu vermuten, dass das
sozialpolitische Ziel, die politisch gerissene Vorsorgelücke zu schließen, nicht
erreicht werden wird.
Altersvorsorge im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung ist effektiver
und sicherer. Die staatliche Förderung im Rahmen der Riester-Rente kann und
muss eingestellt werden. Gleichzeitig muss die gesetzliche Rente wieder so
ausgestaltet werden, dass sie den Lebensstandard sichert und vor Altersarmut
schützt.

Drucksache 17/12436 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem

1. das Ziel der Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung in der gesetz-
lichen Rentenversicherung verankert wird, indem das Sicherungsniveau vor
Steuern auf mindestens 53 Prozent festgelegt, der Solidarausgleich ausgebaut
und eine Solidarische Mindestrente eingeführt werden,

2. die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge eingestellt wird und
die frei werdenden Steuermittel, mit denen bisher Riester-Produkte gefördert
worden sind, für Leistungsverbesserungen in die gesetzliche Rentenversiche-
rung geleitet werden,

3. die Sparerinnen und Sparer mit bis dahin steuerlich geförderten privaten
Altersvorsorgeverträgen das gesetzliche Recht erhalten, freiwillig das bisher
im Verfahren der Kapitaldeckung angesparte Kapital (Beiträge, staatliche
Zuschüsse und Zinsen) in die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversiche-
rung in Anwartschaften auf dem persönlichen Rentenkonto umzuwandeln,
wobei die Stornokosten des Riester-Vertrags auf 50 Euro begrenzt und von
der gesetzlichen Rentenversicherung keine Überführungsgebühren erhoben
werden.

Berlin, den 21. Februar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Mit der Riester-Rente sollte die politisch gerissene Versorgungslücke in der
Alterssicherung geschlossen werden. Das ist jedoch aufgrund der bisher vorlie-
genden Ergebnisse dieser privaten Altersvorsorge mehr als unwahrscheinlich.
Die Mehrheit der von der Vorsorgelücke betroffenen Menschen „riestern“ gar
nicht erst. Das trifft vor allem auf die am stärksten Betroffenen, nämlich jene
mit Niedriglöhnen, zu (Johannes Geyer: Riester-Rente: Rezept gegen Alters-
armut?, in: DIW-Wochenbericht, 78. Jg., H. 45/2011, S. 16 bis 21). Nur wer die
volle Zulagenförderung erhält, hat eine theoretische Chance, die Vorsorgelücke
zu schließen. Das traf im Jahr 2010 gerade mal auf 5,4 Millionen Personen,
also auf 13 bis 14 Prozent der potenziellen Sparerinnen und Sparer, zu. Dass
die theoretische Chance Wirklichkeit wird, ist unwahrscheinlich. Denn bei
realistischer Betrachtung sind die erwartbaren Erträge viel zu gering, um die
Vorsorgelücke schließen zu können. Sozialpolitisch – und das heißt: vor allem
für die Versicherten – ist die Riester-Rente ein Flop (Ernst Niemeier: Die
Notwendigkeit einer Reform der Riesterrenten-Reform. Der Irrweg der Euro-
päischen Kommission auf den Spuren Riesters, in: Wirtschaftsdienst, 92. Jg.,
H. 5/2012, S. 314 bis 318; Joebges, Heike/Meinhardt, Volker/Rietzler, Katja/
Zwiener, Rudolf: Auf dem Weg in die Altersarmut. Bilanz der Einführung der
kapitalgedeckten Riester-Rente, IMK-Report 73, September 2012). In der
Konsequenz heißt das, dass die Riester-Renten- und die nachfolgenden Refor-
men zurückgenommen werden müssen. Das gesetzliche Rentenniveau muss
wieder so angehoben werden, dass mit der gesetzlichen Rente ein einmal
erreichter Lebensstandard im Alter wieder gesichert werden kann und damit
die Altersvorsorgelücke gar nicht mehr entstünde. Die für die Lebensstandard-
sicherung und Armutsvermeidung notwendige Beitragserhöhung wird zu glei-

chen Teilen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gemeinsam mit Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern getragen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/12436

Bereits heute besteht für Riester-Sparerinnen und -Sparer die Möglichkeit, den
Anbieter zu wechseln und das bisher angesparte Kapital inklusive Förder-
zulagen neu anzulegen. Das gilt jedoch nur für einen Wechsel von dem einen zu
einem anderen nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz aner-
kannten Altersvorsorgevertrag (§ 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 10 Buchstabe b
AltZertG) oder für einen Wechsel zum sogenannten Wohnungs-Riester. Entspre-
chende Regelungen müssen angepasst werden.

Bei einem Vertragswechsel entstehen üblicherweise Stornokosten bei der Kün-
digung und Abschlusskosten für einen Neuvertrag. Wirklich verbraucherfreund-
lich ist es, auf die Stornokosten gänzlich zu verzichten oder sie auf maximal
50 Euro zu begrenzen. Der freiwillige Wechsel in die gesetzliche Rentenver-
sicherung bleibt kostenlos.

Nach geltender Rechtslage des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)
sind bei bestehender Versicherungspflicht keine freiwilligen Zusatzbeiträge
möglich. Einmalzahlungen sind als Nachzahlungen für Zeiten bekannt, die nicht
anderweitig als rentenrechtliche Zeiten anerkannt sind – zum Beispiel für
Ausbildungszeiten wie das Studium an einer Hochschule (§ 207 SGB VI). Des
Weiteren besteht aktuell die Möglichkeit, das Riester-Kapital dafür einzusetzen,
um die Abschläge, die bei einem vorzeitigen Bezug der Erwerbsminderungs-
rente oder einer Altersrente entstehen, durch eine Einmalzahlung „zurückzu-
kaufen“ (§ 187a SGB VI). Das wäre jedoch dann nicht nötig, wenn die frei
werdenden Steuermittel, die bisher für die Steuerförderung vorgesehen waren,
für Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung eingesetzt
würden. Wichtige Leistungsverbesserung wären zum Beispiel die Angleichung
der Leistungen für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Auswei-
tung der Rente nach Mindestentgeltpunkten und Rentenbeiträge für Hartz-IV-
Betroffene.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.