BT-Drucksache 17/12393

Rente für Dopingopfer in der DDR

Vom 20. Februar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12393
17. Wahlperiode 20. 02. 2013

Antrag
der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Wolfgang Wieland, Daniela Wagner,
Maria Klein-Schmeink, Claudia Roth (Augsburg), Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Jerzy Montag, Dr. Konstantin
von Notz, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rente für Dopingopfer in der DDR

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In der DDR wurden bis 1989 Sportlerinnen und Sportler systematisch und
flächendeckend von staatlichen Stellen gedopt.

Viele der Sportlerinnen und Sportler, die damals – oft ohne ihr Wissen –
leistungssteigernde Mittel einnahmen, leiden heute unter körperlichen und
psychischen Langzeitfolgen. Schon damals war den Verantwortlichen klar, dass
Doping gesundheitliche Schäden nach sich ziehen würde. Nach DDR-internen
Schätzungen wurden bei 10 bis 15 Prozent der Sportlerinnen und Sportler
leichte Schäden erwartet, bei 5 Prozent schwere Schäden. Dies hielt die Sport-
funktionärinnen und -funktionäre keineswegs von ihrem verantwortungslosen
Handeln ab.

So leben heute viele Menschen mit einer Schwerbehinderung. Teilweise kommt
es zu Persönlichkeitsveränderungen bis hin zur Notwendigkeit von Ge-
schlechtsumwandlungen. Nicht nur die ehemaligen Sportlerinnen und Sportler
sind von Gesundheitsschäden betroffen, sondern vielfach auch ihre Kinder.

Rechtlich begründete Ersatzansprüche der ehemaligen Sportlerinnen und Sport-
ler bestehen bisher nicht. Klagen von zahlreichen ehemaligen Athletinnen und
Athleten gegen den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB – Rechtsnach-
folger des Nationalen Olympischen Komitees der DDR) und gegen Jenapharm
GmbH & Co. KG (Rechtsnachfolger des Produzenten der Dopingsubstanzen)
wurde vergleichsweise gegen Zahlung von jeweils 9 250 Euro an 167 bzw. 184
Betroffene beigelegt. Die Bundesrepublik Deutschland hat im Jahr 2002 ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht aus moralischen Gründen mit dem Doping-
opfer-Hilfegesetz (DOHG) Verantwortung übernommen. Dazu wurde ein
bundeseigener Fonds mit einem Umfang von 2 Mio. Euro eingerichtet, aus dem
insgesamt 194 Anspruchsberechtigte einmalig knapp 10 500 Euro erhielten.
Anträge hatten insgesamt 308 Betroffene gestellt.
Weiterhin befinden sich viele Dopingopfer in einer sozialen Notlage, da weder
im Rechts-, Sozial- noch Gesundheitssystem Regelungen zur Verfügung ste-
hen, die den Sachverhalt des staatlich organisierten Dopings ausdrücklich er-
fassen. Die Einmalzahlung aus dem DOHG hat die Situation der Betroffenen
zeitweise verbessert. Da es sich bei den Folgen des Dopings jedoch um dauer-
hafte Gesundheitsschäden handelt und die Beschwerden mit steigendem Alter
zunehmen, kann eine Einmalzahlung nicht als dauerhaft ausreichende Unter-

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stützung betrachtet werden. Bleibende Schäden verlangen bleibende Hilfe. Ins-
besondere kann die Erwerbstätigkeit und damit auch der Erwerb von Renten-
ansprüchen stark eingeschränkt sein. Daher käme die Gewährung der Rente als
zusätzliche Leistung erst ab Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters für
viele Betroffene zu spät.

Viele Betroffene benötigen zudem eine Beratungsmöglichkeit. Beim Kreis
der Betroffenen, die dringend auf Hilfe angewiesen sind, handelt es sich um
schätzungsweise 500 Personen. Auf eine aktuelle Umfrage der Doping-Opfer-
Hilfe e. V. hatten 88 Betroffene geantwortet. Die Anspruchsberechtigung soll
auf Personen beschränkt werden, die bei der Verabreichung der Doping-
substanz noch nicht die Volljährigkeit erreicht hatten.

Die Aufarbeitung des DDR-Dopings fand seit 1990 schwerpunktmäßig aus
juristischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive statt. Im Rahmen von For-
schungsprojekten unter Beteiligung des Bundesinstituts für Sportwissenschaft,
der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur sowie der Humboldt-
Universität zu Berlin wurden umfangreiche Darstellungen des DDR-Dopings
vorgelegt. Eine medizinische Studie, die systematisch wissenschaftliche Belege
für die gesundheitlichen Langzeitschäden des Dopings zusammenträgt, gibt es
jedoch bisher nicht. Eine medizinische Langzeitstudie mit den Opfern wäre
jedoch vor allem auch wichtig für deren Behandlung selbst sowie für die wei-
tere Arbeit im Rahmen der Dopingprävention.

Die Vergabe von Dopingmitteln wurde in der DDR systematisch dokumentiert.
Um die medizinischen Langzeitfolgen angemessen zu behandeln, ist ein umfas-
sendes Wissen über Art und Dosis der damals verabreichten Präparate von
größter Wichtigkeit. Vielen Berichten der Dopingopfer ist zu entnehmen, dass
sie keinen oder keinen ausreichenden Zugang zu derartigen Unterlagen erhal-
ten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine angemessene laufende Leistung
für die Opfer des DDR-Dopings vorsieht, um erhebliche gesundheitliche
Schäden zu kompensieren;

2. zu diesem Zweck das Dopingopfer-Hilfegesetz wieder zu öffnen, da sich die
Kriterien für ein Hilfeleisten bereits bei der Auszahlung aus dem Fonds be-
währt haben;

3. den anspruchsberechtigten Personenkreis aus dem Dopingoper-Hilfegesetz
dahingehend zu beschränken, dass die erstmalige Verabreichung der Doping-
substanz vor Eintritt der Volljährigkeit erfolgt sein muss;

4. eine Leistung in Höhe von wenigstens 200 Euro monatlich zu gewähren;

5. die Gewährung der Leistung nicht von der Inanspruchnahme der Einmal-
zahlung nach dem Dopingopfer-Hilfegesetz abhängig zu machen;

6. die Gewährung der Leistung an eine besondere Beeinträchtigung der wirt-
schaftlichen Lage zu knüpfen;

7. die Antragsmöglichkeit ab dem Inkrafttreten der Regelung dauerhaft zu
gewährleisten und nicht zeitlich einzugrenzen;

8. zu gewährleisten, dass Antragstellerinnen und Antragsteller bei der Erstel-
lung der für den Leistungsbezug erforderlichen ärztlichen Gutachten auf
speziell qualifizierte und sensibilisierte Ärztinnen und Ärzte zurückgreifen
können, und sich dabei an Best-Practice-Beispielen aus dem Bereich der
Entschädigung von DDR-Haftopfern zu orientieren;
9. für die Einrichtung und den Betrieb einer unabhängigen Beratungsstelle für
Dopingopfer zeitlich begrenzt Finanzmittel bereitzustellen;

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10. alle notwendigen Schritte zu ergreifen, um einen Zugang für Dopingopfer
zu den noch vorhandenen Aktenbeständen, die das DDR-Doping doku-
mentieren, zu erleichtern und insbesondere den Aufbau und den Unterhalt
eines Dopingopfer-Archivs finanziell und inhaltlich zu unterstützen;

11. Finanzmittel für die Durchführung einer medizinischen Studie bereitzustel-
len, die systematisch wissenschaftliche Belege für die gesundheitlichen
Langzeitschäden des Dopings zusammentragen soll, um Behandlungs- und
Hilfsmöglichkeiten für Dopingopfer zu verbessern und gleichzeitig die
heutige Dopingpräventionsarbeit zu untermauern.

Berlin, den 20. Februar 2013

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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