BT-Drucksache 17/12095

Bessere Krankenhauspflege durch Mindestpersonalabmessung

Vom 16. Januar 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 17/12095
17. Wahlperiode 16. 01. 2013

Antrag
der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Senger-Schäfer, Diana Golze,
Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, Katja Kipping,
Jutta Krellmann, Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Vogler,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Bessere Krankenhauspflege durch Mindestpersonalbemessung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In den letzten Jahren fand für Pflegekräfte in Krankenhäusern eine enorme
Arbeitsverdichtung statt: Nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes ist
die Zahl der Patientinnen und Patienten (Fallzahl) von 2003 bis 2011 von
17,30 Millionen auf 18,34 Millionen gestiegen, während die Zahl der Pflege-
kräfte (Vollzeitäquivalente) von 2003 bis 2011 von 320 158 auf 310 817 zurück-
gegangen ist. Die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus sinkt seit
Jahrzehnten stetig, die Patientinnen und Patienten, die auf den Stationen liegen,
bedürfen also einer umso intensiveren Pflege. Das Pflegestellenförderprogramm
der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 hat die Erwartungen leider nur zum Teil
erfüllt.

Nicht zuletzt durch die Einführung der diagnosebezogenen fallgruppenbasierten
Vergütung, bei der jeder Behandlungsfall durch eine Vergütungspauschale abge-
rechnet wird, lastet auf den Krankenhäusern ein enormer wirtschaftlicher Druck,
möglichst viele Behandlungsfälle abzurechnen. Um die zusätzlichen Behand-
lungen durchzuführen, musste der ärztliche Dienst enorm aufgestockt werden.
Da aber die Pflege und insbesondere eine hohe Qualität in der Pflege nicht
gesondert vergütet wird und sich bisher nicht adäquat in den Fallpauschalen dar-
stellen lässt, ergibt sich für die Kliniken ein wirtschaftlicher Anreiz, im Pflege-
bereich zu sparen.

Vor diesem Hintergrund existiert keine bundesgesetzliche Regelung, welche die
Anzahl der Pflegekräfte – etwa in Relation zu den Betten- und/oder Patienten-
zahlen – für Krankenhäuser einheitlich und verbindlich festlegt.

Viele der Pflegekräfte, die in Krankenhäusern beschäftigt sind, berichten mitt-
lerweile über teils unhaltbare Zustände auf den Stationen. Häufig arbeitet auf
einer Station nur eine Pflegekraft allein im Nachtdienst; in den Tagdiensten ist
an Gespräche mit Patientinnen und Patienten kaum zu denken. Fällt eine Pflege-

kraft krankheitsbedingt aus, klafft eine spürbare Lücke im Dienstplan, während
die verbleibenden Pflegekräfte massiv Überstunden anhäufen. Inzwischen wird
sogar von Pflegekräften aufgrund der derzeitigen Zustände von tendenziell
gefährlicher Pflege berichtet, also dass veranlasst durch eine unzureichende
Pflegepersonalausstattung für Patientinnen und Patienten lebensbedrohliche
Situationen entstünden. Leiharbeit ist zur Behebung der Defizite nicht geeignet,
da sie Diskontinuitäten im Stationsablauf aufgrund unnötig wechselnden Per-
sonals verursacht.

Drucksache 17/12095 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Am Charité-Universitätsklinikum in Berlin gibt es in diesem Zusammenhang
derzeit eine Tarifbewegung, die nicht etwa Lohnsteigerungen fordert, sondern
eine betriebsweite Mindestpersonalbemessung in einem Tarifvertrag verbind-
lich regeln will. So sehr dieses Anliegen, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen,
die eine gute Pflege ermöglichen, zu begrüßen ist, so sehr zeigt dieses Beispiel
jedoch den dringenden Bedarf, Mindestregelungen zur Personalbemessung
nicht nur für einzelne Krankenhäuser, sondern gesetzlich für alle festzulegen.
Ohne gesetzgeberisches Eingreifen ist ein Flickenteppich an Regelungen zu be-
fürchten. Sollte dieses Beispiel erfolgreich sein und Schule machen, würden je
nach Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite die Patien-
tinnen und Patienten in verschiedenen Häusern unterschiedlich gut gepflegt
werden. Zudem änderte ein solcher Tarifvertrag nichts an der Tatsache, dass gute
Pflege Geld kostet: Krankenhäuser, die viel Geld in die Krankenpflege stecken,
sind aber nach den bundesweit geltenden Regeln der Krankenhausfinanzierung
derzeit eindeutig im Nachteil. Um „Dumpingpflege“ zu vermeiden, muss es
deshalb gute, bundesweit verbindliche Mindeststandards bei der Personal-
bemessung in der Pflege geben. Nur so kann eine dauerhafte und ausreichende
Personalbesetzung im Pflegedienst der Krankenhäuser gewährleistet werden.

Es ist zu erwarten, dass es hierfür einen Mehrbedarf an Personal geben wird.
Die entstehenden Mehrkosten müssen kompensiert werden. Es wäre allerdings
ungerecht, wenn die Mehrkosten in jedem einzelnen Krankenhaus entspre-
chend der zu verzeichnenden Mehrausgaben ausgeglichen würden, da dann die
Krankenhäuser besonders profitierten, die bei Inkrafttreten der Regelungen ei-
nen besonders schlechten Personalschlüssel haben. Gerechter und zielführender
wäre es, die Gesamtkosten zu ermitteln und diese Summe als zusätzliche För-
derung auf alle Krankenhäuser entsprechend ihrem jeweiligen Pflegebedarf zu
verteilen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. unter Beteiligung einerseits der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite, ande-
rerseits der Vertragsparteien nach § 9 Absatz 1 des Krankenhausentgelt-
gesetzes (Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V., GKV-Spitzenverband,
PKV-Verband) sowie von Patientenvertreterinnen und - vertretern eine Rege-
lung zu entwickeln, nach der durch überprüfbare Mindeststandards bei der
Personalbemessung in der stationären Pflege zusätzliche reguläre Beschäfti-
gungsverhältnisse in den Krankenhäusern geschaffen werden, die geeignet
sind, eine humane Pflege und gute Arbeitsbedingungen zu gewährleisten;

2. Regelungen zu treffen, damit die bundesweit dadurch entstehenden Mehr-
kosten kompensiert werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Kranken-
häuser entsprechend ihrem gesamten Pflegebedarf Berücksichtigung finden
und nicht nur entsprechend dem konkreten Mehraufwand in dem einzelnen
Krankenhaus und

3. durch Abschläge bei der Vergütung wirksame Sanktionsmöglichkeiten gegen-
über den Krankenhäusern zu schaffen, die die Mindestpersonalbemessung
verletzen. Die Erfüllung oder Nichterfüllung der Mindestpersonalbemessung
ist an prominenter Stelle in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser zu ver-
öffentlichen.

Berlin, den 16. Januar 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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