BT-Drucksache 17/11372

Sofortige Abschaffung der Sanktionssonderregelungen für junge Hartz-IV-Berechtigte

Vom 7. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11372
17. Wahlperiode 07. 11. 2012

Antrag
der Abgeordneten Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge,
Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann, Cornelia Möhring,
Yvonne Ploetz, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer, Kathrin Vogler, Harald
Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Sofortige Abschaffung der Sanktionssonderregeln für junge Hartz-IV-Berechtigte

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Sanktionen führen zu einer Unterschreitung des verfassungsrechtlich garantier-
ten menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. Wolfgang Neskovic/Isabel
Erdem: Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV – zugleich eine
Kritik am Bundesverfassungsgericht, SGb – Die Sozialgerichtsbarkeit 03/2012;
Bundestagsdrucksache 17/5174). Bei den speziellen Sanktionsregeln für junge
Hartz-IV-Leistungsberechtigte ist dieser Sachverhalt offenkundig. Die Sank-
tionsregeln im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) strafen junge Men-
schen unter 25 Jahren in besonders drastischer Weise: bereits nach einer ersten
– vermeintlichen oder tatsächlichen – Pflichtverletzung werden die Leistungen
auf die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU-Leistungen) beschränkt. Bei
einer weiteren Pflichtverletzung entfallen auch diese Leistungen. Junge Erwach-
sene im SGB-II-Leistungsbezug werden darüber hinaus sehr viel häufiger sank-
tioniert. Im Jahresdurchschnitt 2011 waren 11,5 Prozent der arbeitslosen er-
werbsfähigen Leistungsberechtigten unter 25 Jahre von mindestens einer
Sanktion betroffen.

Eine Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundesta-
ges am 21. Mai 2012 (104. Sitzung) hat deutlich gemacht, dass das Sanktions-
sondersystem für junge Hartz-IV-Leistungsberechtigte nach der Einschätzung
der Sachverständigen verfassungswidrig ist. Dieser Befund begründet sich zu-
nächst mit der nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung nach dem Alter.
Zudem wird aber mit der Sanktionsregel – Reduktion auf KdU-Leistungen bis
hin zum kompletten Entzug der Leistungen – auch gegen die Pflicht der öffent-
lichen Hand zur Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums
verstoßen.

Aus sozialpolitischer Sicht gibt es keinerlei Hinweise auf eine bessere Arbeits-
marktintegration durch Sanktionen. Im Gegenteil gibt es zahlreiche Belege für

sozialpolitisch unerwünschte Effekte: Sanktionen entziehen oder beschränken
das menschenwürdige Existenzminimum, brechen die Würde der Leistungs-
berechtigten und haben soziale Verwerfungen bis hin zu Wohnungslosigkeit zur
Folge. Zugleich verursachen Sanktionen auch bei nicht unmittelbar betroffenen
Personen Existenzangst und nötigen zur Annahme unsicherer und schlecht be-
zahlter Jobs.

Drucksache 17/11372 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

als ersten Schritt hin zu einer sanktionsfreien und bedarfsdeckenden Mindest-
sicherung das Sanktionssondersystem für junge Hartz-IV-Berechtigte umge-
hend abzuschaffen.

Berlin, den 7. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.