BT-Drucksache 17/11273

Auswirkung der Entscheidung gegen einen Standort des Bundesinstituts für Risikobewertung in Neuruppin

Vom 30. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11273
17. Wahlperiode 30. 10. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Roland Claus,
Dr. Dagmar Enkelmann, Diana Golze, Wolfgang Neskovic, Thomas Nord,
Dr. Petra Sitte, Sabine Stüber, Alexander Süßmair und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkung der Entscheidung gegen einen Standort des Bundesinstituts
für Risikobewertung in Neuruppin

„Eine Ära geht zu Ende, und eine neue beginnt erst gar nicht.“, schrieb die
„Märkische Allgemeine“ am 20. Oktober 2012. Am 18. Oktober 2012 hatte der
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beschlossen, dass nicht, wie
bisher geplant, ein Standort des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) in
Neuruppin errichtet werden soll.

Im Jahr 2003 sah der Einzelplan 10 im Bundeshaushalt die Errichtung eines
Bundesforschungsinstituts für Produktsicherheit als weitere Bundesforschungs-
anstalt im Geschäftsbereich des damaligen Bundesministeriums für Verbrau-
cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) vor. In Umsetzung der
Vorschläge der Unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992,
neue Bundeseinrichtungen und -institutionen grundsätzlich in den neuen Län-
dern anzusiedeln, wurde als Standort Neuruppin gewählt. Im darauffolgenden
Bundeshaushalt 2004 änderte das BMVEL diesen Beschluss bezüglich der Auf-
gabenstellung, die nun auf das BfR übertragen wurde, das dafür die Abteilung 7
schuf.

Seitdem wurde die Errichtung einer Außenstelle in Neuruppin für die Abtei-
lung 7 des BfR Berlin-Marienfelde geplant. Ziel dieser strukturpolitischen Ent-
scheidung war die Kompensation des Verlustes wissenschaftlicher Arbeitsplätze
in der Region durch die im Jahr 1996 im Deutschen Bundestag mit der Re-
gierungsmehrheit der Fraktionen der CDU/CSU und FDP beschlossene
Schließung des Friedrich-Loeffler-Institutes (FLI, Bundesinstitut für Tiergesund-
heit) am Standort Wusterhausen/Dosse bzw. dessen Umzug zur Insel Riems (bei
Greifswald), der nunmehr Ende des Jahres 2013 vollzogen sein wird. Auf mehr-
fache – unter anderem auch parlamentarische – Nachfragen wurde wiederholt
seitens der Bundesregierung bestätigt, dass die Planungen für die Errichtung des
BfR-Standorts in Neuruppin voranschreiten. Zuletzt wurde wegen der Feststel-
lung eines Mehrbedarfs an Räumen auf Verzögerungen im Baubeginn verwie-
sen.
Die nunmehrige Entscheidung gegen dieses Vorhaben im Haushaltsausschuss
kam für die Region völlig unerwartet und hat große Enttäuschung hervorgeru-
fen. Auslöser war ein Bericht des Bundesrechnungshofes, welcher unter rein
haushälterischen Gründen eine Aufgabe der Standortplanung in Neuruppin vor-

Drucksache 17/11273 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

schlug, um das BfR in Berlin-Marienfelde zu konzentrieren. Der Beschluss der
Unabhängigen Föderalismuskommission aus dem Jahr 1992 „[trüge] die ge-
plante Aufteilung des Bundesinstituts nicht mehr“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Änderungen der Entscheidungsgrundlage rechtfertigen
aus Sicht der Bundesregierung das kurzfristige Aus der bisherigen Planun-
gen für einen Standort des BfR in Neuruppin?

2. Welche Verbindlichkeit hat aus Sicht der Bundesregierung der Beschluss
der Unabhängigen Föderalismuskommission des Jahres 1992 bei Standort-
entscheidungen für Bundeseinrichtungen und -institutionen heute, und
welche Veränderungen der Interpretation dieses Beschlusses hat es wann,
warum, und von wem gegeben (bitte begründen)?

3. In welchen konkreten Fällen hat es wann seit dem Jahr 1992 Abweichungen
von diesem Beschluss der Unabhängigen Föderalismuskommission gege-
ben, und mit welcher Begründung?

4. Bestehen aus Sicht der Bundesregierung Möglichkeiten zur juristischen
Anfechtung und zu Schadenersatzforderungen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welchen konkreten Fällen und in welcher Höhe?

5. Was rechtfertigt aus Sicht der Bundesregierung diese Verletzung des Ver-
trauensschutzes (bitte begründen)?

6. Welche konkreten Auswirkungen hat diese Entscheidung gegen einen
BfR-Standort Neuruppin nach Einschätzung der Bundesregierung für die
Region?

7. Wie viele Arbeitsplätze in den verschiedenen Stufen des Tarifvertrages für
den öffentlichen Dienst (TVöD) bzw. Besoldungsstufen waren für diesen
Standort vorgesehen?

8. Wie viele Arbeitsplätze (inkl. Drittmittelstellen) in den verschiedenen Stu-
fen des TVöD bzw. Besoldungsstufen existierten im Jahr 2011 am FLI-
Standort in Wusterhausen/Dosse?

9. Welche direkten und indirekten Kosten sind für die Planung und Vorberei-
tung der Errichtung des Standorts Neuruppin des BfR für Bund, Land und
Kommune entstanden (bitte detailliert aufführen)?

10. Wurde Bauland für den geplanten BfR-Standort in Neuruppin erworben
oder reserviert?

Wenn ja, durch wen und zu welchen direkten oder indirekten Kosten und
Konditionen?

11. Sind nun anderweitige Verwendungen dieser Flächen geplant?

12. Was ist mit den Flächen und Gebäuden am FLI-Standort in Wusterhausen/
Dosse geplant?

13. Welche Überlegungen hat die Bundesregierung zur Ansiedlung einer an-
deren Bundeseinrichtung oder -institution in Neuruppin?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Situation, dass im Bundesland Bran-
denburg nach Aufgabe des FLI-Standortes in Wusterhausen/Dosse kein
bundeseigener Forschungsstandort mehr bestehen wird?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11273

15. Ist die Bundesregierung bereit, die Verlegung des Instituts für Epidemio-
logie des FLI von Wusterhausen/Dosse nach Neuruppin zu prüfen, um mit
seinem Ausbau das dringend benötigte Epidemiologische Zentrum zu
errichten und damit gleichzeitig die gescheiterte Errichtung des BfR-Stand-
orts in Neuruppin auszugleichen und den Beschluss der Unabhängigen
Föderalismuskommission von 1992 zu erfüllen (bitte begründen)?

Berlin, den 30. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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