BT-Drucksache 17/10992

Risiko der Erwerbsminderung besser absichern

Vom 16. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10992
17. Wahlperiode 16. 10. 2012

Antrag
der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und
der Fraktion DIE LINKE.

Risiko der Erwerbsminderung besser absichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Erwerbsminderung ist neben Langzeiterwerbslosigkeit einer der zentralen Risi-
kofaktoren für Altersarmut. Steigende Betroffenenzahlen in der Grundsicherung
bei Erwerbsminderung und von Jahr zu Jahr sinkende durchschnittliche Er-
werbsminderungsrenten für Rentenneuzugänge sind deutliche Anzeichen einer
Verarmung erwerbsgeminderter Menschen. Aktuell erreichen die durchschnitt-
lichen Rentenzahlungen für Menschen mit voller Erwerbsminderung in Höhe
von 634 Euro nicht einmal das Niveau der Grundsicherung bei Erwerbsminde-
rung in Höhe von 642 Euro. Dieser Verarmungsprozess ist die Folge falscher
politischer Weichenstellungen. Damit Erwerbsminderung nicht automatisch in
die Altersarmut führt, müssen die Leistungen für Erwerbsgeminderte spürbar
verbessert werden.

Wer krank wird, nicht mehr voll oder gar nicht mehr arbeiten kann, wird dafür
mit Abschlägen bestraft, wenn er oder sie vor Vollendung des 63. Lebensjahres
eine Erwerbsminderungsrente beantragen muss. Da Erwerbsgeminderte durch-
schnittlich mit 50,5 Jahren in Rente gehen, ist es nicht verwunderlich, dass mehr
als 96 Prozent von ihnen Abschläge, also Rentenkürzungen, in Kauf nehmen
müssen. Im Schnitt liegen die Abschläge bei 10 Prozent und damit nur knapp un-
ter der Höchstgrenze von 10,8 Prozent. Die Rentenkürzungen durch Abschläge
sollen davon abhalten, über eine Erwerbsminderungsrente vorzeitig in Rente zu
gehen. Doch Krankheit und infolgedessen Erwerbsminderung sind durch die
Betroffenen kaum abwendbar. Niemand wird freiwillig krank. Die Abschläge
sind deshalb ungerecht und müssen abgeschafft werden. Damit Erwerbsgemin-
derte besser vor Armut im Alter geschützt sind, müssen außerdem die Zurech-
nungszeiten verlängert werden. Auch der Zugang zu den Erwerbsminderungs-
renten, der durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Er-

werbsfähigkeit von 2001 erheblich erschwert worden ist, muss wieder erleich-
tert werden, so dass diejenigen, die nicht mehr arbeiten können, abgesichert aus
dem Erwerbsleben ausscheiden können. Damit nur wenige auf diesem Wege ihr
Erwerbsleben beenden müssen, muss die Entstehung von Erwerbsminderung
durch präventive Maßnahmen und die Stärkung von Rehabilitation und Wieder-
eingliederung verhindert werden. Da der Schutz bei Erwerbsminderung eine der
zentralen Aufgaben der Rentenversicherung ist, müssen die verbesserten Leis-

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tungen aus Beitragsmitteln finanziert werden. Der Schutz bei Erwerbsminde-
rung muss durch einen Schutz vor Erwerbsminderung ergänzt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem

1. die Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten abgeschafft werden,

2. die Zurechnungszeiten bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres verlängert
werden,

3. der Zugang zu Erwerbsminderungsrenten erleichtert wird sowie

4. das Entstehen von Erwerbsminderungen weitgehend vermieden und die Re-
habilitation und Wiedereingliederung von Erwerbsgeminderten verbessert
werden.

Berlin, den 16. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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