BT-Drucksache 17/10990

Wiederherstellung eines Lebensstandard sichernden und strukturell armutsfesten Rentenniveaus

Vom 16. Oktober 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10990
17. Wahlperiode 16. 10. 2012

Antrag
der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Klaus Ernst, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Wiederherstellung eines Lebensstandard sichernden und strukturell armutsfesten
Rentenniveaus

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Durch die von der Rot-Grünen Koalition in den Jahren 2001 und 2004 beschlos-
senen Rentenreformen wird das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente bis
2030 um ein Fünftel sinken. Das Nettorentenniveau vor Steuern wird dann nur
noch knapp 43 Prozent, gegenüber vormals 53 Prozent betragen. Eine durch-
schnittlich verdienende Person wird unter dieser Voraussetzung knapp 33 Jahre
arbeiten müssen, um auf eine Rente oberhalb des Bruttobedarfs der Grundsiche-
rung im Alter und bei Erwerbsminderung zu kommen. Heute sind hierfür etwa
27 Beitragsjahre nötig. Bei einem Einkommen von drei Viertel des Durch-
schnittsverdiensts – gut 1 900 Euro brutto – steigt die Zahl der notwendigen Bei-
tragsjahre von 36 auf gut 43,5 (Dedring, Klaus-Heinrich/Deml, Jörg/Döring,
Dieter/Steffen, Johannes/Zwiener, Rudolf: Rückkehr zur lebensstandardsichern-
den und armutsfesten Rente, WISO-Diskurs August 2010).

Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales Dr. Ursula von der Leyen hat in-
sofern völlig Recht, wenn sie davor warnt, dass viele Bezieherinnen und Bezie-
her unterer und mittlerer Einkommen in Zukunft nur noch Renten aus der ge-
setzlichen Rentenversicherung beziehen werden, die unterhalb des Grundsiche-
rungsniveaus liegen. Sie zieht daraus jedoch die falschen Schlüsse und will al-
lein nachsorgend tätig werden. Zentrale Ursache für die Armutsrenten von
morgen ist jedoch die Absenkung des Rentenniveaus, die weder von der Bun-
desministerin noch von der SPD in Frage gestellt wird.

Die durch die Absenkung des Rentenniveaus in die Alterssicherung gerissene
Lücke soll nach dem Willen der Koalitionen von Rot-Grün bis Schwarz-Gelb
von den Versicherten durch private und betriebliche Altersvorsorge kompensiert

werden. Wie die Erfahrungen mit der Riester-Rente zeigen, erweist sich dieses
Versprechen jedoch als Illusion (Joebges, Heike/Meinhardt, Volker/Rietzler,
Katja/Zwiener, Rudolf: Auf dem Weg in die Altersarmut. Bilanz der Einführung
der kapitalgedeckten Riester-Rente, IMK-Report 73, September 2012). Die
Renditen der kapitalgedeckten Altersvorsorge sind zu schmal, die Verwaltungs-
kosten zu üppig. Nicht einmal die Hälfte der Anspruchsberechtigten „riestert“.
Insbesondere die unteren Einkommensgruppen sind unterrepräsentiert und wer-

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den die Versorgungslücke nicht schließen können. Vielen Menschen droht des-
halb in Zukunft Altersarmut. Ein Kurswechsel in der Rentenpolitik ist deshalb
dringend erforderlich.

Lebensstandardsicherung und strukturelle Armutsfestigkeit lassen sich über das
System der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich besser, sicherer und so-
zial gerechter organisieren als durch die Teilumstellung der Alterssicherung auf
Kapitaldeckung. Denn diese unterliegen großen Unsicherheiten, beinhalten
keine solidarischen Ausgleichselemente und sind nicht paritätisch von Arbeit-
nehmern und Arbeitgebern finanziert. Deshalb würde den Versicherten die Wie-
derherstellung der Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rente auch
bei einem notwendig höheren Beitragssatz billiger kommen, als die Beibehal-
tung des heute geltenden Systems.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das Sicherungsziel der gesetzlichen
Rente wieder in den Mittelpunkt der Rentenpolitik gerückt, das Rentenniveau
(Sicherungsniveau vor Steuern) von derzeit ca. 50 Prozent auf mindestens 53 Pro-
zent angehoben und dort dauerhaft stabilisiert wird.

Berlin, den 16. Oktober 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Gute Arbeit und gute Löhne sind zentrale Bedingungen für eine gute Rente im
Alter. Nur wenn jedoch in der gesetzlichen Rente auch ein ausreichendes Siche-
rungsniveau gewährleistet ist, können langjährige Beiträge auch zu guten Ren-
ten führen.

Das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente wird nach der geltenden gesetz-
lichen Definition als „Sicherungsniveau vor Steuern“ ausgedrückt. Es ist defi-
niert als verfügbare Standardrente, nach Abzug von Kranken- und Pflegeversi-
cherungsbeitrag (vor etwaiger Steuern auf Rente) im Verhältnis zum durch-
schnittlichen Bruttolohn nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Beiträge zur geförderten freiwil-
ligen privaten Zusatzvorsorge, vor Abzug der Lohnsteuer. Es darf laut Gesetz bis
2020 nicht unter 46 Prozent und bis 2030 nicht unter 43 Prozent absinken (§ 154
des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch). Gegenwärtig liegt es bei rund 50 Pro-
zent. Vor den Reformen betrug es 53 Prozent. Um die gesetzliche Rente wieder
Lebensstandard sichernd und strukturell armutsfest zu machen, muss es mindes-
tens wieder auf diesen Wert angehoben werden.

Andere gesetzliche Reglungen müssen diesem Sicherungsziel untergeordnet
und entsprechend angepasst werden.

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