BT-Drucksache 17/10659

Zulassungsverfahren für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen

Vom 11. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10659
17. Wahlperiode 11. 09. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Keul, Agnes Brugger, Tom Koenigs, Omid Nouripour,
Dr. Valerie Wilms, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Viola von
Cramon-Taubadel, Ingrid Hönlinger, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, Ute Koczy,
Kerstin Müller (Köln), Dr. Konstantin von Notz, Lisa Paus, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zulassungsverfahren für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen

Seit 2008 beteiligt sich die Bundeswehr an der EU-Operation EU NAVFOR
(European Union Naval Force) Atalanta am Horn von Afrika. Angesichts der
dort seit Beginn des Jahrtausends zunehmenden Gefahr durch Piraten soll diese
Operation die Nahrungsmittelversorgung der notleidenden somalischen Bevöl-
kerung durch das World Food Programme sichern sowie darüber hinaus gegen
die Aktivitäten der Piraten vorgehen.

Trotz dieser EU-Operation und anderer multinationaler Anti-Piraterie-Aktivitä-
ten in der Region stieg bis 2011 die Anzahl der von Piraten verübten Überfälle
auf Privat- und Handelsschiffe ebenso wie die Anzahl der dabei von den Piraten
gemachten Geiseln stetig an. Daher gingen Reedereien weltweit dazu über, die
Sicherheit ihrer Schiffe zusätzlich durch private Sicherheitsteams an Bord zu
verstärken.

Im Juli 2011 kündigte die Bundesregierung an, dem Druck deutscher Reeder
nachzugeben und gesetzliche Regelungen für den Einsatz von privaten bewaff-
neten Sicherheitsteams auf Schiffen unter deutscher Flagge zu schaffen.

Am 18. Juli 2012 beschloss das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf des Bun-
desministeriums für Wirtschaft und Technologie für ein „Gesetz zur Einführung
eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen“.
Dieser Gesetzentwurf erlaubt die Tätigkeit privaten bewaffneten Sicherheits-
personals an Bord von Schiffen unter deutscher Flagge nur, wenn diese vom
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zertifiziert wurden.
Die Voraussetzungen, nach denen eine solche Zertifizierung erteilt werden kann,
sollen in einer Rechtsverordnung festgelegt werden. Das BAFA soll bei dieser
Zulassung durch die Bundespolizei unterstützt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann soll die Rechtsverordnung erlassen werden, die die konkreten Zulas-
sungserfordernisse für Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen festlegt?

2. Inwiefern ist eine menschenrechtliche Ausbildung der privaten Sicherheits-
kräfte als Bedingung für den Erhalt einer Zertifizierung durch das BAFA vor-
gesehen?

Drucksache 17/10659 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Plant die Bundesregierung für das Zulassungsverfahren Mindeststandards
für maritime Sachkompetenz von privatem Sicherheitspersonal auf See-
schiffen festzulegen, und wenn ja, was sollen diese konkret beinhalten?

4. Auf welche Weise sollen Bewachungsunternehmen ihre maritime Sach-
kompetenz und ihr beabsichtigtes Vorgehen in Gefahrenlagen nachweisen,
und auf welche Weise soll die Bundespolizei diese Angaben überprüfen?

5. Auf welche Weise und für welchen Personenkreis sollen Bewachungsunter-
nehmen die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit des Bewachungsper-
sonals nachweisen?

6. Auf welche Weise soll die Zusammenarbeit von BAFA und Bundespolizei
im Rahmen des Zulassungsverfahrens organisiert werden?

7. Welche Tätigkeiten im Rahmen des Zulassungsverfahrens sollen durch die
sechs neu zu schaffenden Stellen im BAFA und die vier zu schaffenden Stel-
len bei der Bundespolizei ausgeübt werden?

8. Wie begründet die Bundesregierung, dass die ursprünglichen Stellenanfor-
derungen des BAFA und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Tech-
nologie für die Durchführung des Zulassungsverfahrens durch das BAFA
von 17 bzw. elf auf nunmehr sechs Stellen abgesenkt wurden?

9. Aufgrund welcher Berechnungen, was den Arbeitsumfang im Rahmen des
Zulassungsverfahrens im BAFA betrifft, ist die Bundesregierung der An-
sicht, dass das Zulassungsverfahren auch mit nur sechs zusätzlichen Stellen
sachgerecht, gründlich und zeitnah bearbeitet werden kann?

10. Wie sollen die Angaben der Bewachungsunternehmen, die sich um eine
Zulassung bemühen, insbesondere die, die ihren Sitz im Ausland haben,
kontrolliert werden?

11. Welches Personal ist für die Kontrollen im In- und im Ausland vorgesehen,
und wie wird dieses Personal für diese Aufgabe qualifiziert werden?

12. Mit welchen Kosten ist für das Kontrollpersonal und die in Zusammenhang
mit seiner Tätigkeit im In- und Ausland entstehenden Tätigkeiten zu rech-
nen, und welche Stelle wird diese Kosten tragen?

13. Welche Aufgaben soll im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Bewa-
chungsunternehmen auf Seeschiffen die Waffenbehörde der Hansestadt
Hamburg im Einzelnen übernehmen?

14. Mit welchem zusätzlichen Personal ist für die Waffenbehörde der Hanse-
stadt Hamburg für diese neuen Aufgaben zu rechnen, und in welcher Weise
wird sich der Bund an den für die Waffenbehörde aus diesen neuen Auf-
gaben entstehenden Kosten beteiligen?

15. Mit welchen Befugnissen sollen die zertifizierten Bewachungsunternehmen
zur Abwehr von etwaigen Piratenangriffen hinsichtlich Bewaffnung und
Ausrüstung sowie Einsatzregeln ausgestattet werden, und wie will die Bun-
desregierung die Befolgung der eingeräumten Befugnisse gewährleisten
bzw. eine Überschreitung sanktionieren?

16. Der Einsatz welcher Mittel soll den zertifizierten Bewachungsunternehmen
dazu gestattet werden?

17. Aus welchen Gründen ist für den Einsatz von Bewachungsunternehmen auf
Seeschiffen die Anwesenheit eines qualifizierten Rechtsberaters nicht ver-
pflichtend vorgesehen, wie es beim Einsatz deutscher Marinekräfte im
Rahmen der Atalanta-Operation der Fall ist?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10659

18. Inwiefern handelt es sich nach Ansicht der Bundesregierung beim Einsatz
von privaten Bewachungsunternehmen zum Schutz von Schiffen vor Pira-
tenangriffen um eine militärische oder polizeiliche Unternehmung, und was
bedeutet dies konkret für den potenziell tödlichen Einsatz von Gewalt durch
diese Unternehmen zur Abwehr eines Angriffs durch Piraten?

19. Inwieweit wären eingesetzte private Bewachungsunternehmen sowohl
befugt als auch personell und hinsichtlich ihrer Ausbildung in der Lage,
etwaige Piraten gefangen zu nehmen, und welche weiteren Maßnahmen mit
Blick auf die Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens würden sowohl
durch die Schiffsbesatzung als auch durch das private Sicherheitsunterneh-
men getroffen werden?

20. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Festnahme und Festsetzung von
mutmaßlichen Piraten durch privates Sicherheitspersonal durch das Völker-
recht gedeckt?

21. Aus welchen Gründen lehnt die Bundesregierung weiterhin ab, eine regel-
mäßig zu erneuernde Zertifizierung für in Deutschland tätige Sicherheits-
und Bewachungsunternehmen einzuführen, wie es die Innenministerkonfe-
renz auf ihrer 193. Sitzung am 8./9. Dezember 2011 in Wiesbaden gefordert
hat?

22. Welche Initiativen für eine EU-weite Regelung für ein einheitliches Zulas-
sungsverfahren für Sicherheits- und Bewachungsunternehmen hat die Bun-
desregierung bisher ergriffen, und falls keine, aus welchen Gründen nicht?

23. Inwiefern ist geplant, im Rahmen der EU-Mission EUCAP NESTOR
(European Union Mission on Regional Maritime Capacity Building in the
Horn of Africa) auf private Sicherheitsunternehmen zurückzugreifen?

Berlin, den 11. September 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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