BT-Drucksache 17/10647

Arbeitsbedingungen von Lehrkräften in Integrationskursen verbessern

Vom 11. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10647
17. Wahlperiode 11. 09. 2012

Antrag
der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Ulla Burchardt, Rüdiger Veit, Dr. Peter
Danckert, Petra Ernstberger, Gabriele Fograscher, Iris Gleicke, Wolfgang Gunkel,
Michael Hartmann (Wackernheim), Frank Hofmann (Volkach), Christel Humme,
Josip Juratovic, Ute Kumpf, Christine Lambrecht, Kirsten Lühmann, Caren Marks,
Aydan Özog˘uz, Thomas Oppermann, Gerold Reichenbach, Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Dr. Dieter Wiefelspütz, Uta Zapf, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der
Fraktion der SPD

Arbeitsbedingungen von Lehrkräften in Integrationskursen verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Integrationskurse sind ein wesentlicher Bestandteil der Integrationspolitik in
unserem Land. Die Lehrkräfte, die den Teilnehmenden die deutsche Sprache
und andere Aspekte des Lebens in unserem Land nahebringen, leisten eine un-
verzichtbare gesellschaftliche Arbeit. Zukünftig soll ihrer Leistung die Wert-
schätzung entgegengebracht werden, die sie verdient. Ihre Arbeit ist zudem ein
gewichtiger Beitrag in der Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit.

Die Lehrkräfte sind über Bildungsträger beschäftigt, die vom Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Pauschale je Teilnehmer-Stunde zur
Durchführung der Kurse erhalten.

Seit Langem ist bekannt, dass die Mehrzahl der Integrationskurslehrkräfte nicht
angemessen bezahlt wird, obwohl sie mittelbar durch staatliches Geld entlohnt
werden und weithin anerkannte Arbeit leisten. Festangestellte bilden die Min-
derheit unter den Lehrenden, und selbst eine Festanstellung ist häufig nicht mit
einer finanziellen Besserstellung gegenüber Honorarkräften verbunden. Die
Mehrzahl wird als Honorarkräfte beschäftigt. Obwohl sie das volle Kursausfall-
risiko tragen, selbst für ihre Sozialversicherungsbeiträge aufkommen müssen
und keine Beschäftigungssicherheit haben, arbeiten sie zu teilweise sehr niedri-
gen Stundensätzen. Der Durchschnittsstundensatz betrug zuletzt 18,14 Euro
(Bundestagsdrucksache 17/7004, S. 3).

Die Lehrkräfte haben sich in verschiedenen Initiativen organisiert und wieder-
holt auf ihre schwierige Situation aufmerksam gemacht. Erstens klagen sie über
die Höhe der Vergütung. Zweitens sind viele von ihnen unsicher, ob sie in die
Scheinselbständigkeit gedrängt werden, da die Abgrenzung zu abhängig Be-

schäftigten Lehrkräften kaum möglich ist. Diesbezüglich sind mehrere Ge-
richtsverfahren anhängig. Drittens wird beklagt, dass die Höhe der Vergütung
es vielfach faktisch kaum ermögliche, Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen.

Die Integrationskursverordnung (IntV) stellt hohe Anforderungen an die Lehr-
kräfte. Sie müssen entweder ein erfolgreich abgeschlossenes Studium Deutsch
als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache vorweisen (§ 20 Absatz 1

Drucksache 17/10647 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

IntV) oder an einer vom BAMF vorgegebenen Qualifizierung teilgenommen
haben (§ 20 Absatz 2 IntV). Es gilt: Gute Lehrkräfte – gute Lehre – größtmög-
licher Erfolg. Die gesetzlich geforderte Qualifikation der Lehrkräfte stellt einen
entscheidenden Baustein in dieser Wirkkette dar. Die Bezahlung der hochquali-
fizierten Lehrkräfte wird allerdings ihrer nachgewiesenen Kompetenz und der
Bedeutung ihrer Arbeit nicht gerecht. Viele der Lehrkräfte arbeiten unter prekä-
ren Bedingungen als Honorarkräfte, ungesichert und zu Hungerlöhnen.

Wer gute und gesellschaftlich wichtige Arbeit als studierte Lehrkraft leistet,
muss dafür gute Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen erhalten. Das bedeu-
tet auch, dass sogenannte Scheinselbständigkeit ausgeschlossen werden muss.
Dafür müssen die politischen Weichen entsprechend gestellt werden. Das gilt
auch, weil die Qualität der Kurse gesichert werden muss. Zwar leisten die Lehr-
kräfte schon jetzt unabhängig von der Bezahlung gute und engagierte Arbeit.
Doch muss verhindert werden, dass den Trägern erfahrene und gute Lehrkräfte
abhanden kommen, weil sie sich, um ein angemessenes Einkommen für sich
und ihre Familien zu haben, auf andere, besser bezahlte Stellen bewerben.

Auch die Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minis-
ter, Senatorinnen und Senatoren der Länder (IntMK) forderte auf ihrer Kon-
ferenz am 16. und 17. Februar 2011 in einem einstimmig gefassten Beschluss,
„durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Lehrkräfte für ihre
wichtige Arbeit angemessen entlohnt werden.“

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die Situation der Lehrkräfte durch folgende Maßnahmen zu verbessern:

1. Vergütung der Lehrkräfte

a) Es ist sicherzustellen, dass die Lehrkräfte ein angemessenes Honorar erhal-
ten, das ihrer Qualifikation entspricht, dass sie von ihrer Arbeit leben können.
Insbesondere ist zu gewährleisten, dass sie ihre Sozialversicherungsbeiträge
leisten können und nicht auf ergänzende Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) angewiesen sind.

b) Es ist sicherzustellen, dass die vom BAMF im Rahmen der Zulassung vor-
gegebene Vergütungsgrenze nicht unterschritten wird. Insbesondere ist die
befristete Zulassung nicht zu verlängern, sofern der Träger die Vergütungs-
grenze weiterhin unterschreitet.

c) Die vom BAMF nach § 19 Absatz 2 Nummer 6 IntV bei der Befristung der
Zulassung geforderte Vergütungsuntergrenze wird auf 26 Euro angehoben.
Der Haushalt für 2013 wird dafür um 52 Mio. Euro erhöht. In den folgenden
Haushalten soll die vom BAMF festgelegte Vergütungsgrenze schrittweise
angehoben werden.

d) Dafür soll die an die Träger überwiesene Pauschale schrittweise angehoben
werden. Hierfür muss der Haushaltstitel „Durchführung von Integrations-
kursen nach der Integrationskursverordnung“ im Einzelplan 06 jeweils be-
darfsgerecht und vor dem Hintergrund verfügbarer Haushaltsmittel ange-
passt werden.

2. Soziale Absicherung

a) Es wird ein Vorschlag für die gleiche und kontinuierliche soziale Absiche-
rung der Solo-Selbständigen, unter denen sich viele Lehrkräfte von Integra-
tionskursen finden, in den Sozialversicherungen (gesetzliche Renten-, Arbeits-
losen-, Kranken- und Pflegeversicherung) vorgelegt. Leitgedanke ist der
Gleichheitsgrundsatz: Soziale Rechte sollen für alle unabhängig vom Arbeit-
nehmerstatus gewährt werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10647

b) Das BAMF wird angehalten, die Zulassung der Träger jeweils mit folgender
Auflage zu versehen: Der Träger muss unverzüglich nach Vertragsabschluss
ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung
Bund beantragen, um zu klären, ob eine selbständige oder abhängige Tätig-
keit besteht und um so Rechtssicherheit für die Lehrkräfte zu erreichen.

3. Erhöhung der Quote festangestellter Lehrkräfte

a) Die Quote der festangestellten Lehrkräfte wird in der Integrationskursver-
ordnung als weiteres, bei der Zulassung zu prüfendes Kriterium zur Leis-
tungsfähigkeit des Trägers eingefügt.

b) Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Konzept vorzulegen, das auf-
zeigt, wie die Quote der festangestellten Lehrkräfte erhöht werden könnte,
unter anderem durch weitere Anreizinstrumente für die Träger, und mit wel-
chen Kosten das verbunden wäre.

Berlin, den 11. September 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Zu Buchstabe a

Viele Lehrende beklagen, dass sie zum einen auf ergänzende Sozialleistungen
nach dem SGB II angewiesen sind. Zum anderen zahlen sie trotz bestehender
Verpflichtung noch keine Beiträge zur Rentenversicherung, weil sie es sich
nicht leisten können. Das führt dazu, dass sich viele Lehrende mit hohen Nach-
forderungen der Rentenversicherung konfrontiert sehen.

Zu Buchstabe b

Bei der Zulassung als Träger ist nach § 19 Absatz 2 Nummer 6 IntV die Höhe
der Vergütung der eingesetzten Honorarlehrkräfte anzugeben. Derzeit erhalten
Träger auf Grundlage von § 20 Absatz 2 Satz 3 IntV nur eine auf ein Jahr be-
fristete Zulassung, wenn sie die vom BAMF festgelegte Vergütungsgrenze von
18 Euro unterschreiten.

Denkbar ist bei Unterschreiten der Vergütungsgrenze eine erneut auf ein Jahr
befristete Zulassung. Um jedoch effektiv auf die Kursträger einzuwirken, ist
künftig die Verlängerung zu verweigern, wenn die Vergütungsgrenze fortlau-
fend nicht eingehalten wird.

Zu Buchstabe c

Die vom BAMF festgelegte Vergütungsgrenze ist Ende 2011 von 15 auf 18
Euro angehoben worden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Diesen
Prozess gilt es fortzusetzen. Deshalb wird eine weitere Anhebung der Honorare
angestrebt.

Die Fraktion der SPD hat sich schon in der 16. Wahlperiode des Deutschen
Bundestages für eine Anhebung der Honorare eingesetzt. Diesen Kurs hat sie
durch Anträge auf Erhöhung der Haushaltsmittel in den Jahren 2009, 2010 und
2011 fortgesetzt. Zuletzt hat sie auf Grundlage der oben dargelegten Berech-
nungen anlässlich der Beratungen des Einzelplans 06 im Oktober 2011 im In-

nenausschuss des Deutschen Bundestages eine Erhöhung des Titels 684 02-219
im Kapitel 06 33 des Einzelplans 06 um 52 000 000 gefordert (Ausschuss-

Drucksache 17/10647 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
drucksache 17(4)373 b). Einen gleichlautenden Änderungsantrag brachte sie im
Jahr 2011 in die dritte Lesung des Einzelplans 06 ins Plenum des Deutschen
Bundestages ein (Bundestagsdrucksache 17/7784).

Zu Nummer 2

Zu Buchstabe a

Die Übergänge zwischen selbständiger Erwerbstätigkeit und abhängiger Be-
schäftigung sind fließend, und die Tätigkeiten gleichen sich immer mehr an.
Deshalb muss eine gleiche und kontinuierliche soziale Absicherung aller Er-
werbsformen in der gesetzlichen Sozialversicherung (gesetzliche Renten-, Ar-
beitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung) geschaffen werden. Damit wird
auch das missbräuchliche Verdrängen sozialversicherungspflichtiger Beschäfti-
gung eingedämmt. Auch die soziale Absicherung von Lehrkräften in Integra-
tionskursen wäre somit gesichert.

Auf dem Weg dahin müssen einzelne Rechtsfragen noch geklärt werden. Dazu
gehört beispielsweise bei der Einbeziehung von Selbständigen in die Sozialver-
sicherung die Abgrenzung der Beschäftigungsformen und die Bemessung der
Beiträge.

Zu Buchstabe b

Schon jetzt ist das BAMF nach § 20 Absatz 5 IntV verpflichtet, die Träger bei
Erteilung der Zulassung auf die Rechte von angestellten und freiberuflich täti-
gen Lehrkräften hinzuweisen. Diese im Jahr 2012 neu eingeführte Änderung
soll die Rechte der Lehrkräfte stärken.

In der Praxis gibt es jedoch vielfach Auseinandersetzungen darüber, ob Fälle
von Scheinselbständigkeit vorliegen. Die Gerichte verneinen das bislang über-
wiegend. Die Frage nach Scheinselbständigkeit kann nicht pauschal beantwor-
tet werden, sondern muss anhand des jeweiligen Einzelfalls auf Grundlage von
§ 7 Absatz 1 Satz 2 SGB IV beurteilt werden. Es ist im Interesse der Lehrenden
ebenso wie der Träger, frühzeitig für Klarheit zu sorgen. Dem dient die nach
§ 20 Absatz 5 Satz 2 IntV zulässige Auflage an den Träger, frühzeitig ein Sta-
tusfeststellungsverfahren nach § 7a Absatz 1 SGB IV zu beantragen.

Zu Nummer 3

Zu Buchstabe a

Nach dem Erfahrungsbericht der Bundesregierung zu Durchführung und Finanzie-
rung der Integrationskurse nach § 43 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes, Bundes-
tagsdrucksache 16/6043, waren seinerzeit 28 Prozent der Lehrkräfte festangestellt
(a. a. O., S. 39). Eine Festanstellung gibt den Lehrkräften Planungssicherheit und
soziale Absicherung. Insofern scheint es sinnvoll, die Quote zu erhöhen.

Gleichzeitig ist die sehr heterogene Trägerstruktur zu beachten. Folglich ist zu
klären, ob und in welchem Umfang Festanstellungen von welchen Trägern ge-
leistet werden könnten. Zudem ist zu klären, welche zusätzlichen Haushaltsmit-
tel hierfür erforderlich wären.

Zu Buchstabe b

§ 19 Absatz 2 IntV enthält zahlreiche Kriterien, anhand derer die Leistungsfä-
higkeit des Trägers beurteilt wird. Nach § 20 Absatz 1 Satz 2 i. V. m. Absatz 2
Satz 3 IntV werden diese Kriterien innerhalb des Punktesystems berücksichtigt,
anhand dessen die Dauer der Zulassung entschieden wird. Diese Kriterien wer-
den um die Quote Festangestellter ergänzt, um auf Seiten der Träger die Moti-
vation zur Festanstellung zu erhöhen.

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