BT-Drucksache 17/10641

Mehr Transparenz bei Fördermittelvergabe des Bundes

Vom 10. September 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10641
17. Wahlperiode 10. 09. 2012

Antrag
der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Tobias Lindner,
Beate Walter-Rosenheimer, Priska Hinz (Herborn), Ingrid Hönlinger,
Dr. Konstantin von Notz, Dr. Valerie Wilms, Cornelia Behm, Harald Ebner,
Hans-Josef Fell, Dr. Thomas Gambke, Katrin Göring-Eckardt, Memet Kilic,
Oliver Krischer, Dr. Hermann E. Ott, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner,
Elisabeth Scharfenberg, Dorothea Steiner, Arfst Wagner (Schleswig),
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mehr Transparenz bei Fördermittelvergabe des Bundes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung fördert auf Beschluss des Bundestages durch eine Viel-
zahl von unterschiedlichsten Förderprogrammen Unternehmen, Institutionen
und Bürgerinnen und Bürger am Standort Deutschland. Laut der Antwort der
Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/1906) hat der Bund im Jahr 2010 173
unterschiedliche Förderprogramme mit einem Gesamtvolumen von über
10 Mrd. Euro aufgelegt (ohne Berücksichtigung der Konjunkturmaßnahmen
zur Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise). Darin sind viele, vor allem
steuerliche Subventionen, noch nicht enthalten.

Bürgerinnen und Bürger haben ein berechtigtes Interesse, über die Verwendung
der finanziellen Mittel des Staates informiert zu werden. Derzeit können sie
aber nicht ausreichend nachvollziehen, welche Unternehmen und Institutionen
bzw. für welche konkreten Projekte die Steuergelder verausgabt werden. Die
Nutzung des Informationsfreiheitsgesetzes ist zudem mit Aufwand und Kosten
verbunden. Diese mangelnde Transparenz erschwert auch eine schnelle wissen-
schaftliche Evaluierung von Förderprogrammen.

Der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Beteiligung hat zugenom-
men. Dieser Wunsch sollte auch bei der Fördermittelvergabe berücksichtigt wer-
den. Eine gute und transparente Datenlage ist unerlässlich für effiziente
politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse über erstmalige Bewilli-
gung, Weiterführung, Neuzuschnitt bzw. Beendigung von Förderprogrammen.
Derzeit sind solche Daten nur schwer zugänglich. So antwortete die Bundes-
regierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

„Förderprogramme im Bundesamt für Güterverkehr“ (Bundestagsdrucksache
17/9315) auf die Frage nach den Fördermittelempfängern: „Die IT beim Bundes-
amt für Güterverkehr ist nicht so ausgelegt, dass eine Auswertung nach Unter-
nehmen standardmäßig erfolgen könnte.“ Mehr Transparenz im Fördermittel-
bereich ergänzt darüber hinaus die vorhandenen Möglichkeiten der Haushalts-
kontrolle durch das Parlament z. B. über den Bundesrechnungshof und fördert
damit zugleich die demokratische Legitimität der Entscheidungen.

Drucksache 17/10641 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Dass mehr Transparenz möglich ist, beweist der Erfolg der Europäischen
Transparenzinitiative, durch welche die EU-Mitgliedstaaten seit April 2009
verpflichtet sind, Informationen über die Empfängerinnen und Empfänger der
Gemeinschaftsmittel aus den EU-Agrarfonds zu veröffentlichen. Dabei ist eine
Abwägung zwischen dem Transparenzinteresse der Öffentlichkeit und dem
Schutz personenbezogener Daten von Fördermittelempfängerinnen und -emp-
fängern unerlässlich. Diese sollte sich an den vom Europäischen Gerichtshof
(EuGH) eingeforderten Kriterien: Bezugsdauer, Häufigkeit sowie Art und Um-
fang der Zuwendungen orientieren und das Maß des Erforderlichen nicht über-
schreiten. Auf die Einzelveröffentlichung von Bagatellbeträgen sollte generell
verzichtet werden. Zudem sollte der Schutz von Betriebs- und Geschäftsge-
heimnissen angemessen berücksichtigt werden. Schon bei der Beantragung von
Fördermitteln sollte es für die Empfängerinnen und Empfänger deutlich er-
kennbar sein, dass Fördermittelvergaben unter den genannten Kriterien grund-
sätzlich veröffentlicht werden.

II. Um politische Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten und die
Verwendung der Steuergelder für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar
zu machen, fordert der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auf,

eine gesetzliche Regelung vorzulegen, auf deren Basis

1. Fördermittel, die an juristische Personen, Personengesellschaften und Ein-
zelunternehmen geflossen sind, unter Beachtung eines angemessenen Schut-
zes personenbezogener Daten, veröffentlicht werden. Dabei soll eine Abwä-
gung zwischen dem Transparenzinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutz
personenbezogener Daten der Fördermittelempfängerinnen und - empfänger
erfolgen, indem die Erforderlichkeit der Veröffentlichung nach Bezugs-
dauer, Häufigkeit sowie Art und Umfang der Zuwendungen geprüft wird;

2. eine Vorabinformation der Fördermittelempfängerinnen und -empfänger
über die Veröffentlichung schon bei Beantragung der Fördermittel erfolgt;

3. Fördermittelvergaben erst ab dem Überschreiten einer Bagatellgrenze von
5 000 Euro pro Jahr einzeln und die unter dieser Grenze vergebenen Mittel
in einer Sammelposition veröffentlicht werden;

4. eine Veröffentlichung grundsätzlich zeitnah im Rahmen der Förderdaten-
bank des Bundes (www.foerderdatenbank.de) erfolgt;

5. grundsätzlich folgende Daten veröffentlicht werden: das genaue Förderpro-
gramm, der Name bzw. die Firma sowie Postleitzahl und Gemeinde des
Unternehmenssitzes der Empfängerin/des Empfängers und die jährlichen
Beträge der Fördermittelzahlungen;

6. in begründeten Fällen, bei denen es durch die Veröffentlichung zu Rück-
schlüssen auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse kommen kann, Ausnah-
men von der Einzelveröffentlichungspflicht möglich sein sollen;

7. für eine bessere Auswertbarkeit der Daten geeignete Sortierkriterien (z. B.
Förderprogramm, Gemeinde des Unternehmenssitzes, Unternehmensgröße,
Höhe der Zuwendung u. Ä.) angeboten werden;

8. Fördermittel als finanzielle Zuwendungen in Form von Zuschüssen, Ge-
währleistungen, Bürgschaften, Garantien oder Beteiligungen definiert wer-
den, die in Form einer Projektförderung an Empfängerinnen und Empfänger
außerhalb der Bundesverwaltung ausgereicht werden.

Berlin, den 10. September 2012
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10641

Begründung

Der Vorschlag für mehr Transparenz über die Fördermittelvergabe des Bundes
orientiert sich an der Europäischen Transparenzinitiative, nach der die EU-Mit-
gliedstaaten seit April 2009 verpflichtet sind, Informationen über die Empfänge-
rinnen und Empfänger der Gemeinschaftsmittel aus den EU-Agrarfonds zu ver-
öffentlichen. Für personenbezogene Daten wurde diese Veröffentlichung mit
dem Urteil des EuGH vom 9. November 2010 allerdings infrage gestellt (Vorab-
entscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Wiesbaden – Deutschland –
Verbundene Rechtssachen C-92/09 und C-93/09). Die Richter sahen in dieser Art
der Veröffentlichung einen Grundrechtseingriff und einen Verstoß gegen den Da-
tenschutz. Dabei beruft sich das Gericht auf Artikel 8 der Charta der Grundrechte
der Europäischen Union und beanstandete, dass die Veröffentlichungspflicht,
ohne Prüfung der Erforderlichkeit, nach Bezugsdauer, Häufigkeit sowie Art und
Umfang der Zuwendungen bestand.

Ein ausreichender Schutz der Grundrechte und der personenbezogenen Daten
muss gewährleistet sein, wenn die Fördermittelvergabe des Bundes veröffent-
licht wird. Die Veröffentlichungspflicht ist deshalb an den Vorgaben des EuGH
zu orientieren. Zu berücksichtigen sind insbesondere natürliche Personen. Die
Veröffentlichung von Daten von Kapitalgesellschaften hatte der EuGH zwar
nicht beanstandet, aber im Falle von vor allem kleineren Kapitalgesellschaften,
die mit einer oder mehreren natürlichen Personen identisch sind, ist ebenfalls
der Datenschutz im vollen Umfang zu berücksichtigen. Um diese personenbe-
zogenen Daten angemessen zu schützen, sollen Fördermittel erst veröffentlicht
werden, wenn sie eine Bagatellgrenze von 5 000 Euro pro Jahr überschreiten.
Neben dem Umfang der Zuwendung müssen aber auch Bezugsdauer, Häufig-
keit sowie Art und Umfang der Zuwendung, wie vom EuGH gefordert, bei der
Veröffentlichungspflicht berücksichtigt werden.

Der Umfang der Veröffentlichung (Förderprogramm, Name bzw. Firma, Post-
leitzahl und Gemeinde des Unternehmenssitzes sowie Förderbetrag) orientiert
sich an der derzeitigen Praxis bei der Veröffentlichung von Empfängerdaten bei
EU-Agrarfördermitteln. Darüber hinaus soll es in begründeten Fällen, in denen
es durch die Veröffentlichung der Förderdaten zu einer Offenlegung von beson-
ders sensiblen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen kommen kann, Ausnah-
men von der Veröffentlichungspflicht geben können.

Bei der Veröffentlichung der Förderdaten soll auf eine bereits etablierte Inter-
netplattform des Bundes (www.foerderdatenbank.de) zurückgegriffen werden,
um Einführungs- und Verwaltungskosten gering zu halten.

Um eine wissenschaftliche Auswertbarkeit der Daten zu gewährleisten, sollen
den Nutzerinnen und Nutzern geeignete Sortierkriterien (z. B. Förderpro-
gramm, Gemeinde des Unternehmenssitzes, Unternehmensgröße, Höhe der Zu-
wendung etc.) angeboten werden.

Die Definition der Fördermittel orientiert sich am Fördermittelbegriff des Insti-
tuts für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH (Gutachten „Entwicklung
von Performanzindikatoren als Grundlage für die Evaluierung von Förderpro-
grammen in den finanzpolitisch relevanten Politikfeldern“ im Auftrag des Bun-
desministeriums der Finanzen). Dort werden Förderprogramme definiert als
„finanzielle Zuwendungen in Form von Zuschüssen, Gewährleistungen, Bürg-
schaften, Garantien oder Beteiligungen an Empfänger außerhalb der Bundes-
verwaltung, die zweckgebunden in Form einer Projektförderung zur Erreichung
politischer Zielsetzungen im Rahmen der eigenen Aufgaben des Empfängers
ausgereicht werden.“ Diese Definition vernachlässigt zwar umfangreiche Sub-
ventionstatbestände, wie milliardenschwere Begünstigungen bei der Strom-
und Umsatzsteuer, ist aber als Einstieg in eine bessere Transparenz der öffent-

lichen Fördermittelvergabe dennoch geeignet.

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