BT-Drucksache 17/10118

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Gesetz zur grundgesetzlichen Verankerung von Kinderrechten)

Vom 26. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10118
17. Wahlperiode 26. 06. 2012

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Diana Golze, Matthias W. Birkwald, Dr. Martina Bunge,
Heidrun Dittrich, Klaus Ernst, Dr. Rosemarie Hein, Katja Kipping, Jutta Krellmann,
Cornelia Möhring, Yvonne Ploetz, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer,
Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Gesetz zur
grundgesetzlichen Verankerung von Kinderrechten)

A. Problem

Kinder und Jugendliche sind zwar nach geltendem Recht Träger von Grundrech-
ten, dennoch werden ihre Rechte häufig einseitig vom Elternrecht her betrachtet.
Das Elternrecht ist im Grundgesetz (GG) in Artikel 6 Absatz 2 und 3 mit einer
starken Rechtsstellung in Gestalt eines Abwehrrechts versehen, während Kinder
und Jugendliche im Grundgesetz überwiegend als Objekt der Pflege und Er-
ziehung der Eltern genannt werden. Das Grundgesetz verdeutlicht daher nicht
ausreichend, dass Kinder und Jugendliche selbstständige Träger eigener Grund-
rechte sind. Es fehlt an gleichwertiger Stelle auch als Gegengewicht zu den
Elternrechten eine explizite Feststellung des Rechts eines jeden Kindes und
Jugendlichen auf Entwicklung seiner Persönlichkeit und auf Schutz vor Gewalt,
Vernachlässigung und Ausbeutung.

B. Lösung

Die Stellung von Kindern und Jugendlichen in der Gesellschaft soll gestärkt
und das allgemeine Bewusstsein dafür soll geschärft werden, dass sie eigene
Grundrechte haben, die zu respektieren sind. Dazu zählen im Wesentlichen die
in der UN-Kinderrechtskonvention festgehaltenen Rechte auf Schutz, Förde-
rung und Beteiligung.

Dazu wird in Artikel 6 GG ein neuer Absatz 2 eingefügt der bestimmt, dass die
staatliche Gemeinschaft die Rechte von Kindern und Jugendlichen achtet,
schützt und fördert, die Rahmenbedingungen für Beteiligungsmöglichkeiten in
gesellschaftlichen Prozessen schafft und für kinder- und jugendgerechte
Lebensbedingungen Sorge trägt. Durch die Einführung eines neuen Absatzes 2

in Artikel 6 GG nach Absatz 1 als wertentscheidender Grundsatznorm und vor
den Absätzen 3 und 4, die das Verhältnis von Elternverantwortung und staat-
lichem Wächteramt regeln, wird die Subjektstellung von Kindern und Jugend-
lichen als Träger eigener Rechte im Verhältnis zu den Eltern und zum Staat auch
in systematischer Hinsicht klargestellt.

Drucksache 17/10118 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine.

D. Kosten

Eine Prognose der genauen Kosten kann nicht aufgestellt werden.

Berlin, den 26. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Frak
„(2) Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Ent-
wicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auf ge-
waltfreie Erziehung und auf den besonderen Schutz vor
Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung. Die staat-
liche Gemeinschaft achtet und schützt die Rechte der
Kinder und Jugendlichen, stellt deren bestmögliche För-
derung sicher und schafft Rahmenbedingungen für die
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an gesell-
schaftlichen Prozessen. Sie trägt Sorge für kind- und
jugendgerechte Lebensbedingungen.“

2. Die bisherigen Absätze 2 bis 5 werden die Absätze 3 bis 6.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

tion
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10118

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Gesetz zur
grundgesetzlichen Verankerung von Kinderrechten)

Vom …

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Absatz 2 des
Grundgesetzes ist eingehalten:

Artikel 1
Änderung des Grundgesetzes

Artikel 6 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik
Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1) in der im
Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, ver-
öffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch … ge-
ändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:

licht daher nicht ausreichend, dass Kinder und Jugendliche
selbstständige Träger eigener Grundrechte sind. Es fehlt an
gleichwertiger Stelle auch als Gegengewicht zu den Eltern-
rechten eine explizite Feststellung des Rechts eines jeden
Kindes und Jugendlichen auf Entwicklung seiner Persön-
lichkeit und auf Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung und
Ausbeutung. Kinder und Jugendliche werden im Grundge-
setz überwiegend als Objekt der Pflege und Erziehung der
Eltern genannt.

In der in Deutschland geführten Diskussion um die Rechts-
qualität der UN-Kinderrechtskonvention wird der Men-
schenrechtscharakter der UN-Kinderrechtskonvention bis
heute allzu oft infrage gestellt. Damit werden die breit ge-
fächerten Grundrechte, zu denen neben bürgerlichen und
politischen Rechten unter anderem auch wirtschaftliche,

Zu Artikel 1 (Änderung des Grundgesetzes)

Artikel 6 GG regelt als grundlegende Verfassungsvorschrift
den Lebensbereich der Familie. Die Einführung eines neuen
Absatzes 2 ist geeignet, die an eine Grundgesetzänderung zu
stellenden Anforderungen zu erfüllen. Die Regelung ver-
deutlicht die Rechte der Kinder, ohne das Elternrecht zu be-
schneiden. Durch die Einfügung als wertentscheidende
Grundsatznorm vor den neuen Absätzen 3 und 4 (Absatz 2
und 3 a. F.), die das Verhältnis von Elternverantwortung und
staatlichem Wächteramt regeln, wird die Subjektstellung des
Kindes als Träger eigener Rechte im Verhältnis zu den Eltern
und zum Staate auch in systematischer Hinsicht klargestellt.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.
Drucksache 17/10118 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Das Grundgesetz (GG) verdeutlicht nicht ausreichend die
eigenständigen Grundrechte für Kinder und Jugendliche.
Kinder und Jugendliche sind zwar formal Träger von Grund-
rechten, dennoch werden ihre Rechte häufig einseitig vom
Elternrecht her betrachtet. Die Maßgaben der UN-Kinder-
rechtskonvention finden grundgesetzlich keine ausreichende
Beachtung.

In den vergangenen Jahren ist vermehrt diskutiert worden,
wie Schutz, Förderung und Beteiligung von Kindern durch
Rechtsvorschriften verbessert werden können. Trotz des
eingetretenen Paradigmenwechsels und einer erkennbaren
Stärkung der Subjektstellung von Kindern und Jugendlichen
werden sie von Politik, Behörden und Gesellschaft nicht
ausreichend als eigenständige Akteure mit eigenständigen
Interessen wahrgenommen. Hier fehlt die grundgesetzliche
Verankerung von Kinderrechten Das Grundgesetz verdeut-

kulturelle und soziale Grundrechte zählen, Kindern und
Jugendlichen immer noch vorenthalten oder nur einge-
schränkt zugestanden, wie etwa die Rechte auf Schutz und
bestmögliche Entwicklung sowie elementare Leistungen
des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII), beispiels-
weise bei der Umsetzung des sogenannten Bildungspaketes,
die Berechnung der Regelsätze im SGB II oder der immer
noch unzureichenden Bereitstellung und Ausstattung der öf-
fentlichen Kindertagesbetreuung. Nach wie vor werden
auch minderjährigen Flüchtlingen Rechte auf Schutz und
bestmögliche Entwicklung vorenthalten. Mit der Änderung
des Grundgesetzes soll die Stellung von Kindern und Ju-
gendlichen in der Gesellschaft gestärkt werden.

B. Einzelbegründung

t mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

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