BT-Drucksache 17/10109

Am 40. Jahrestag des Olympiaattentates von 1972 der Opfer öffentlich gedenken

Vom 27. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10109
17. Wahlperiode 27. 06. 2012

Antrag
der Abgeordneten Daniela Wagner, Viola von Cramon-Taubadel, Jerzy Montag,
Claudia Roth (Augsburg), Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln),
Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Dr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Am 40. Jahrestag des Olympiaattentates von 1972 der Opfer öffentlich gedenken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Als am Morgen des 5. September 1972 acht Attentäter der Gruppe „Schwarzer
September“ über die Zäune des Olympischen Dorfes in München kletterten, be-
gann eine bei Sportgroßveranstaltungen bis dahin unvorstellbare Ereigniskette.
Die mit Sturmgewehren und Handgranaten bewaffneten Männer überfielen die
in ihren Betten ruhenden israelischen Athleten und ihre Betreuer, verwundeten
zwei Sportler tödlich und brachten neun andere Mitglieder der israelischen
Mannschaft in ihre Gewalt. Andere Mitglieder des israelischen Teams konnten
sich gerade noch in Sicherheit bringen. Die darauffolgende Geiselnahme endete
schließlich in einer missglückten Befreiungsaktion der Polizei auf dem Flug-
platz Fürstenfeldbruck. Dabei kamen alle bis dahin überlebenden israelischen
Geiseln und fünf Attentäter ums Leben, zudem wurde ein Polizeibeamter getö-
tet, ein weiterer schwer verletzt. Die Attentäter hatten sich zuvor im Zuge der
Verhandlungen mit der Polizei als Mitglieder einer palästinensischen Terroror-
ganisation zu erkennen gegeben und die Freilassung von insgesamt 232 inhaf-
tierten Palästinensern sowie weiteren Personen gefordert.

Die Olympischen Sommerspiele von 1972 waren vom Präsidenten des Nationa-
len Olympischen Komitees für Deutschland, Willi Daume, als „heitere Spiele“
angekündigt worden. Nach 1936 sollten das erste Mal wieder Olympische Spiele
in Deutschland stattfinden, was auch als Chance für das internationale Ansehen
Deutschlands angesehen wurde. Durch den skrupellosen Anschlag vom Septem-
ber 1972 sind die Olympischen Spiele in München hingegen als eines der ver-
heerendsten Ereignisse der Sportgeschichte insgesamt eingegangen.

Der politisch motivierte Anschlag auf das israelische Quartier wurde als Angriff
auf die Olympischen Spiele selbst verstanden. Die Erinnerung an die nicht wie-
der gutzumachende Verletzung olympischer Werte soll durch Gedenkveranstal-
tungen und andere Initiativen wachgehalten und stetig erneuert werden.
In Deutschland wird die Erinnerung an die Ereignisse mit einem Mahnmal auf
dem Olympiagelände in München wachgehalten. An genau der Stelle, wo 1972
die Attentäter der Gruppe „Schwarzer September“ in das Olympische Dorf ein-
gedrungen sind, befindet sich heute ein Denkmal, auf dem die Namen der israe-
lischen Opfer des Attentats eingraviert sind. Auf dem ehemaligen Fliegerhorst
Fürstenfeldbruck wurde 1999 auf Initiative der Israelitischen Kultusgemeinde

Drucksache 17/10109 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

München und Oberbayern K. d. ö. R. dem Ereignis ebenfalls ein Denkmal ge-
setzt, welches vom Landkreis Fürstenfeldbruck und dem Fliegerhorst mit Unter-
stützung des Freistaates Bayern und des damaligen Nationalen Olympischen
Komitees für Deutschland finanziert wurde. Zum 30. Jahrestag des Attentats
wurde eine Gedenkveranstaltung in Anwesenheit des Botschafters des Staates
Israel und des Bundesministers des Innern abgehalten. Auch am 5. September
2012 wird es Feierlichkeiten in München und in Fürstenfeldbruck geben. Auf
dem Platz vor dem alten Tower, auf dem 1972 der Großteil der Opfer zu be-
klagen war, wird es eine Gedenkveranstaltung geben, zu der neben dem Bundes-
minister des Innern auch Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland
K. d. ö. R. und des Generalkonsulates des Staates Israel geladen sind. Der Deut-
sche Olympische Sportbund (DOSB) ist in diesem Jahr Mitveranstalter. Erst-
mals wird öffentlich auch der Überlebenden des Attentats von 1972 gedacht, die
sich knapp in Sicherheit bringen konnten. Eine wissenschaftlich fundierte Auf-
arbeitung ist wegen der Sperrfristen, denen die Dokumente bislang unterlagen,
jetzt erst möglich geworden. Der Landkreis Fürstenfeldbruck hat eine Historike-
rin mit der Erforschung des Themas beauftragt. Seitens des Bundes werden hier-
für nach jetzigem Stand keine Mittel zur Verfügung gestellt, obwohl es auch im
Interesse Deutschlands sein sollte, die Hintergründe des Anschlags von 1972
gründlich aufzuarbeiten. Außerdem gibt es eine Begleitausstellung zum Olym-
piaattentat von 1972, die als Wanderausstellung konzipiert ist.

Die israelische Delegation veranstaltet seit den Olympischen Spielen von Mon-
treal 1976 alle vier Jahre eine olympische Gedenkzeremonie. Bei den Olympi-
schen Spielen in London, bei denen sich der Anschlag von München zum
40. Mal jährt, soll diese in der Guildhall stattfinden. In einem Schreiben vom
23. April 2012 hat der stellvertretende Außenminister Israels den amtierenden
Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge,
ersucht, eine Schweigeminute während der Eröffnungszeremonie der diesjähri-
gen Olympischen Spiele abzuhalten. Diese Bitte hat Jacques Rogge in seiner
Antwort vom 14. Mai 2012 abgelehnt. Als Begründung hat der Präsident des
IOC angegeben, dass es bereits eine Reihe von Gedenkveranstaltungen gäbe,
und stattdessen angeboten, selbst bei der Zeremonie in der Guildhall zu erschei-
nen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie Hinterbliebene der Opfer
von 1972 haben wiederholt darauf hingewiesen, dass ein prominenterer Ort für
das Gedenken an das Olympiaattentat angemessen wäre. Hierfür wurde auch
eine Petition ins Leben gerufen, die bereits große internationale Unterstützung
gefunden hat.

Die Zurückhaltung in Bezug auf eine öffentliche Gedenkfeier wird der Verant-
wortung des IOC nicht gerecht. Eine Begründung für die Weigerung hat das IOC
bisher nicht abgegeben. In Presseberichten wurde vermutet, dass eine Rück-
sichtnahme auf die arabischen Teilnehmerstaaten der diesjährigen Olympischen
Spiele der Grund für das Verhalten war. Der Anschlag von 1972 war ein Angriff
auf die Olympische Idee und verlangt besondere Aufmerksamkeit. Es braucht
vor dem Jahrestag des Anschlags ein öffentliches Zeichen für das Gedenken an
die Opfer auch im Rahmen der Olympischen Spiele in London. Deutschland
steht als Ausrichter der Olympischen Spiele von 1972 in der besonderen Pflicht,
für ein solches öffentliches Zeichen einzutreten und sich dafür einzusetzen, dass
dies an prominenter Stelle während der Olympischen Spiele in London ge-
schieht.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– sich beim DOSB und beim IOC für ein öffentliches Gedenken der Opfer des
Anschlags auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen von
1972 in München im Rahmen der Olympischen Spiele in London 2012 aus-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10109

zusprechen, welches über die bisher vorgesehenen Gedenkveranstaltungen in
der Londoner Guildhall hinausgeht;

– für eine wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Vorbereitung, Durch-
führung und der Folgen des Attentats auf die israelische Mannschaft von
1972 finanzielle Mittel in ausreichender Höhe zur Verfügung zu stellen und
die Öffentlichkeit über die Ergebnisse zu informieren;

– die Wanderausstellung zum Olympiaattentat von 1972 während der Olympi-
schen Spiele von London in diesem Jahr in öffentlichen Einrichtungen zu zei-
gen.

Berlin, den 26. Juni 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.