BT-Drucksache 16/8760

Für eine effektive Umsetzung des Zusatzprotokolls zur VN-Anti-Folter-Konvention

Vom 9. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8760
16. Wahlperiode 09. 04. 2008

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Kai Gehring, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln),
Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin, Josef Philip Winkler und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für eine effektive Umsetzung des Zusatzprotokolls zur VN-Anti-Folter-Konvention

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Folterverbot gilt sowohl nach dem Völkerrecht als auch nach dem deut-
schen Verfassungsrecht ohne Einschränkung und Ausnahme. Achtung und
Schutz der Menschenwürde sind nach Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Diesem Schutz dient das Folterverbot,
das in Artikel 104 Abs. 1 Satz 2 des GG noch einmal ausdrücklich festgeschrie-
ben wird: „Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich miss-
handelt werden.“

Daneben ist die Folter völkerrechtlich – auch für die Bundesrepublik Deutsch-
land verpflichtend – geächtet, so durch die Allgemeine Erklärung der Men-
schenrechte der Vereinten Nationen von 1948, den Pakt über bürgerliche und
politische Rechte von 1966 sowie die Anti-Folter-Konvention der Vereinten
Nationen.

Auch angesichts der Vorwürfe über Vernehmungen möglicherweise gefolterter
Personen im Ausland durch Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, des Bundes-
amtes für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes zeigt sich die
Dringlichkeit, die absolute Geltung des Folterverbotes zu bekräftigen. Auch
deshalb kommt der baldigen vorbehaltlosen Ratifizierung des Zusatzprotokolls
zur VN-Anti-Folter-Konvention und der Einrichtung eines effektiven natio-
nalen Präventionsmechanismus durch die Bundesrepublik Deutschland eine
herausragende Bedeutung zu.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. gemeinsam mit den Ländern nach der Ratifizierung an einem Ausbau des
bisher beschlossenen Präventionsmechanismus zu arbeiten, der eine effek-

tive Umsetzung aller im Zusatzprotokoll vorgesehenen Regelungen zum
nationalen Präventionsmechanismus gewährleistet;

2. in der internationalen Gemeinschaft und gegenüber den EU-Partnern das
absolute Folterverbot als völkerrechtliche Verpflichtung mit Nachdruck zu
vertreten;

Drucksache 16/8760 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. sich für die Ratifizierung der VN-Anti-Folter-Konvention durch möglichst
viele Staaten einzusetzen und bei den Vertragsstaaten auf die strikte Ein-
haltung zu dringen;

4. im In- und Ausland deutlich zu machen, dass das absolute Folterverbot auch
im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gilt;

5. international klar zu vertreten, dass im Kampf gegen den Terrorismus keine
Informationen durch Verhörmethoden beschafft werden dürfen, die gegen
die VN-Anti-Folter-Konvention verstoßen.

Berlin, den 9. April 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesrepublik Deutschland das Zu-
satzprotokoll zur VN-Anti-Folter-Konvention unterzeichnet hat und die Ratifi-
zierung kurz bevor steht. Dass dies erst so spät erfolgt, lag an dem anhaltenden
Widerstand einiger unionsgeführter Bundesländer, die der Zeichnung zustim-
men müssen. Das Zusatzprotokoll zur VN-Anti-Folter-Konvention wurde Ende
2002 von der VN-Generalversammlung verabschiedet. Seitdem haben 49 Staa-
ten das Zusatzprotokoll gezeichnet und 16 Staaten ratifiziert.

Zielrichtung des Protokolls ist die Verbesserung des präventiven Schutzes vor
Folter oder erniedrigender Behandlung durch die Einrichtung eines nationalen
Präventionsorgans. Kernaufgabe des Organs ist es, regelmäßige Besuche an
allen Orten durchzuführen, an denen Menschen die Freiheit entzogen ist.
Darunter fallen in der Bundesrepublik auf Bundesebene die Gewahrsamsein-
richtungen der Bundespolizei und die Einrichtungen zum Freiheitsentzug an
Soldaten durch Behörden der Bundeswehr. Auf Länderebene betroffen sind die
Bereiche Strafvollzug, Untersuchungshaft, psychiatrische Einrichtungen, Ab-
schiebehafteinrichtungen, Gewahrsamseinrichtungen der Polizei, Pflege- und
Altenheime, in denen Personen gemäß § 1906 des Bürgerlichen Gesetzbuches
untergebracht sind, und Einrichtungen zur geschlossenen Unterbringung von
Kindern und Jugendlichen. Das nationale Gremium hat nach dem Zusatzproto-
koll die Befugnis, die Besuche unangekündigt durchzuführen und vertrauliche
Gespräche mit den Betroffenen zu führen. Auf der Grundlage der Besuche soll
das Organ Berichte erstellen und Empfehlungen für Exekutive und Legislative
abgeben sowie in einem regelmäßigen Dialog mit dem Internationalen Unter-
ausschuss für die Prävention von Folter stehen.

Das Zusatzprotokoll macht bestimmte Vorgaben zur Errichtung und Ausgestal-
tung eines nationalen Präventionsorgans. Insbesondere soll die Unabhängigkeit
des Organs durch eine institutionelle Trennung von der Exekutive und die Frei-
heit in der Auswahl des Personals sichergestellt sein. Die Besetzung soll so-
wohl die Interdisziplinarität als auch die Fachkunde der Experten sicherstellen.
Zur effektiven Ausführung der Aufgaben nach dem Zusatzprotokoll ist eine
angemessene Ausstattung sowohl hinsichtlich der Zahl der Expertinnen und
Experten als auch der Geschäftstelle für die fachliche und organisatorische Vor-
bereitung der Besuche und der Verfassung der Berichte und Empfehlungen not-
wendig.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8760

Die Bundesrepublik Deutschland hat intensiv an der Ausarbeitung des Zusatz-
protokolls mitgewirkt. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung
auf, auch nach der erfolgten Ratifizierung in ihren Bemühungen um eine effek-
tive Umsetzung des Zusatzprotokolls nicht nachzulassen. Die bisher beschlos-
sene Struktur eines nationalen Präventionsmechanismus wird allerdings nicht
in der Lage sein, die Vorgaben des Zusatzprotokolls zu erfüllen. Im Kontext der
aktuellen Debatte um das Folterverbot hätte die Einrichtung eines effektiven,
personell wie finanziell ausreichend ausgestatteten nationalen Präventions-
mechanismus nicht nur innen- sondern auch außenpolitische Signalwirkung.

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