BT-Drucksache 16/8687

Untauglichkeit von Ein-Euro-Jobs

Vom 31. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8687
16. Wahlperiode 31. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Barbara Höll, Dr. Lothar Bisky,
Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Katja Kipping, Katrin Kunert, Kornelia Möller,
Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Frank Spieth, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

Untauglichkeit von Ein-Euro-Jobs

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für
Arbeit (IAB) hat im Februar 2008 eine Wirkungsanalyse über Ein-Euro-Jobs
vorgelegt (IAB Kurzbericht 2/2008). Demnach seien Zusatzjobs als arbeits-
marktpolitisches Instrument weitgehend wirkungslos, da sie Beschäf-
tigungschancen von Langzeiterwerbslosen nicht erhöhen. Vielmehr werden
Integrationschancen gemindert, da während der Zeit der Zusatzjobs weniger
Übergänge in den Arbeitsmarkt stattfinden, als es ohne Zusatzjobs der Fall ist.
Ein-Euro-Jobs führen zusätzlich zur Stigmatisierung von Personengruppen.
Obwohl der Zusatzjob im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) als nach-
rangiges Instrument verankert ist, wird es in der Praxis als häufigstes Instrument
der Arbeitsmarktpolitik eingesetzt. Ein-Euro-Jobs sollten auf besondere Pro-
blemgruppen konzentriert werden. Auch diese Zielvorgabe wird nicht eingehal-
ten. Mehrheitlich werden Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung in
Ein-Euro-Jobs beschäftigt. Die Struktur der Teilnehmer korrespondiert nicht mit
der Struktur der Erwerbslosen. So findet eine Konzentration auf Jugendliche
statt; die Maßnahmen sind jedoch für sie ineffektiv. Trotz einer weit höheren Er-
werbslosenquote ist der Anteil von Älteren und Migrantinnen/Migranten weit-
aus niedriger.

So stellt sich insgesamt die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Fortführung eines
massiv eingesetzten Instruments für Erwerbslose im SGB II, das keine
arbeitsmarktpolitische Funktionalität hat, sondern primär zur Überprüfung der
Arbeitswilligkeit eingesetzt wird.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch ist der Anteil des Eingliederungstitels im SGB II, der von 2005 bis
2007 für Arbeitsgelegenheiten ausgegeben wird (bitte separat für Varianten
Mehraufwandsentschädigung und Entgeltvariante)?

2. Wie hoch ist der prozentuale Anteil von Personen, die an Ein-Euro-Jobs

teilgenommen haben, im Vergleich zur Gesamtsumme der Erwerbslosen im
SGB II?

3. Wie hoch ist der Anteil des Eingliederungstitels im SGB II, der für andere
arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ausgegeben wird (Anteile separat nach
Maßnahmenart ausweisen)?

Drucksache 16/8687 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Welche konkreten Maßnahmen werden seit 2005 mit welchem Volumen
für SGB-II-Beziehende finanziert?

5. Wie viele Erwerbslose im SGB II haben seit 2005 diese Maßnahmen
durchlaufen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Arbeitsgelegenheiten
das bevorzugte Instrument der örtlichen Träger des SGB II sind, obwohl
dieses Instrument lediglich nachrangig eingesetzt werden soll („ultima
ratio“)?

7. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die grundsätz-
liche Nachrangigkeit von Arbeitsgelegenheiten in der Arbeitsmarktpolitik
durchzusetzen bzw. welche Maßnahmen plant sie?

8. a) Wie wird sichergestellt, dass die Wünsche der SGB-II Beziehenden vor
einer Zuweisung zu einem Ein-Euro-Job berücksichtigt werden?

b) Wie hoch ist der Anteil der Ein-Euro-Jobber, die vor einer Zuweisung
eine Eingliederungsvereinbarung unterschrieben haben?

c) In wie vielen Fällen haben davon die SGB-II-Beziehenden einen
Wunsch nach einem Ein-Euro-Job in eine Eingliederungsvereinbarung
eingebracht?

d) In wie vielen Fällen haben SGB-II-Beziehende gegen eine Zuweisung
in einen Ein-Euro-Job Widerspruch eingelegt, und in wie vielen Fällen
wurde dem Widerspruch stattgegeben?

e) In wie vielen Fällen haben SGB-II-Beziehende gegen eine Zuweisung
in einen Ein-Euro-Job vor dem Sozialgericht geklagt, und in wie vielen
Fällen wurde den Klägern Recht gegeben?

f) In wie vielen Fällen wurden Sanktionen (in welcher Höhe) wegen einer
Ablehnung von Ein-Euro-Jobs verhangen?

9. Teilt die Bundesregierung, in Kenntnis der IAB-Wirkungsanalyse, die Auf-
fassung, dass ein Förderinstrument für Langzeiterwerbslose nicht ziel-
führend ist, mit dem gleichzeitig arbeitsmarktpolitische Ziele verfolgt und
die Arbeitsbereitschaft überprüft werden soll?

10. a) Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den Ergebnissen
der Wirkungsanalyse des IAB für den Einsatz von Ein-Euro-Jobs?

b) Sieht die Bundesregierung Anlass zum Nachdenken darüber, dass das
Konzept des Forderns und Förderns in der Praxis für Langzeiterwerbs-
lose arbeitsmarktpolitisch ineffektiv ist und damit als gescheitert ange-
sehen werden muss?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage, dass arbeitsmarkt-
politische Förderprogramme, die auf Motivationsanreize statt Sanktions-
androhungen setzen, eine höhere Effizienz und Integrationswirkung auf-
weisen als Maßnahmen zur Überprüfung der Arbeitswilligkeit?

12. Wie bewertet die Bundesregierung die Zuweisung von Personen mit
Berufsabschlüssen in Ein-Euro-Jobs, und befürchtet die Bundesregierung
nicht, dass die Berufsqualifikation dieses Personenkreises über Ein-Euro-
Jobs entwertet wird?

13. Wie bewertet die Bundesregierung den von der IAB kritisch angemerkten
Mitnahmeeffekt durch die Zuweisung qualifizierter Personen in diese
Programme?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8687

14. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Kriterien „keine Wett-
bewerbsverzerrung“ sowie „keine Verdrängung regulärer Beschäftigung“
(„Arbeitshilfe Arbeitsgelegenheiten“) bei dem Einsatz von Ein-Euro-Jobs
vor Ort eingehalten werden?

15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Vermeidung der Ver-
drängung von regulärer Beschäftigung bislang nicht ausreichend gewähr-
leistet ist – wie die Studie des IAB (Forschungsbericht 2/2007) belegt?

16. Bei wie vielen örtlichen Trägern des SGB II wurde ein Beirat mit der expli-
ziten Aufgabe der Kontrolle der örtlichen Arbeitsmarktpolitik eingerichtet,
und welche Gruppen sind hier eingebunden?

17. a) Bestätigt die Bundesregierung den Befund des IAB, dass Arbeits-
gelegenheiten für Jugendliche negative Effekte haben?

b) Wie verträgt sich die Tatsache, dass Jugendliche in der Teilnehmer-
struktur von Arbeitsgelegenheiten überrepräsentiert sind, mit der durch
Gesetz und die „Arbeitshilfe AGH“ für die Altersgruppe besonders
betonten Nachrangigkeit dieses Instruments?

c) Wie erklärt die Bundesregierung diesen Widerspruch und welche Akti-
vitäten plant sie, um Jugendlichen flächendeckend sinnvolle Angebote
der Ausbildung und Qualifizierung zu unterbreiten?

d) Durch welche Maßnahmen und Aktivitäten jenseits des Hinweises in
der „Arbeitshilfe AGH“ gewährleistet die Bundesregierung den prin-
zipiellen Vorrang des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe) gegenüber
dem SGB II?

Berlin, den 25. März 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.