BT-Drucksache 16/8467

zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/6789- Stärkung des parlamentarischen Fragerechts

Vom 10. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8467
16. Wahlperiode 10. 03. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
(1. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk,
Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/6789 –

Stärkung des parlamentarischen Fragerechts

A. Problem

Das parlamentarische Fragerecht, das auch für den Bereich des staatlichen Han-
delns in privaten Rechtsformen gilt, wirft nach Ansicht der Antragsteller im
Hinblick auf privatisierte Unternehmen, deren Anteilseigner zu 100 Prozent der
Bund ist, tatsächliche und verfassungsrechtliche Probleme auf. Diese sind nach
Ansicht der Antragsteller dafür mitverantwortlich, dass die Antwortpraxis der
Bundesregierung hinter ihren verfassungsrechtlichen Pflichten zurückbleibt,
Anfragen umfassend zu beantworten.

B. Lösung

Die Antragsteller fordern den 1. Ausschuss auf, seine Auslegungsentscheidung
aus der 13. Wahlperiode zu den §§ 105 und 108 der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages (GO-BT) über Umfang und Grenzen parlamentarischer Fra-
gerechte einschließlich der Petitionsinformationsrechte vom 27. Juni 1996 in der
am 10. Oktober 1996 berichtigten Fassung des zweiten Kriterienkataloges (vgl.
Bundestagsdrucksache 13/6149) zu überarbeiten und dafür Sorge zu tragen, dass
das parlamentarische Fragerecht im größtmöglichen Umfang ausgeübt werden
kann.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
C. Alternativen

Beibehaltung der bestehenden Rechtslage.

D. Kosten

Keine

Drucksache 16/8467 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/6789 abzulehnen.

Berlin, den 14. Februar 2008

Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung

Thomas Strobl (Heilbronn)
Vorsitzender

Dr. Wolfgang Götzer
Berichterstatter

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

aktuellen Entwicklungen angepasst werden. fassende Fragerecht des Parlaments und andererseits die be-
III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis im
Ausschuss

rechtigten Interessen der Vertraulichkeit von unternehmeri-
schen Entscheidungen sehr intensiv abgewogen habe. Daher
sehe sie keine Notwendigkeit, die damalige Auslegungsent-
scheidung zu korrigieren.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8467

Bericht der Abgeordneten Dr. Wolfgang Götzer, Christine Lambrecht,
Jörg van Essen, Dr. Dagmar Enkelmann und Volker Beck (Köln)

I. Überweisung

Der von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard
Schewe-Gerigk, Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache
16/6789 eingebrachte Antrag ist vom Deutschen Bundestag
in seiner 126. Sitzung am 15. November 2007 an den Aus-
schuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
zur Beratung überwiesen worden.

II. Wesentlicher Inhalt des Antrags

Die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
weist darauf hin, dass die Bundesregierung in den Antworten
zu einer Reihe von Fragen zur Deutsche Bahn AG (DB AG)
immer wieder darauf verweise, dass sie diese Fragen nicht
beantworten könne, weil sie in der unternehmerischen Ver-
antwortung der DB AG lägen. Die Bundesregierung sei der
Ansicht, dass die Frage der Auslegungsentscheidung des
Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord-
nung des Deutschen Bundestages vom 27. Juni 1996 unter-
falle (vgl. Bundestagsdrucksache 16/6079, Antwort auf
Frage 141, S. 101). Eine Kleine Anfrage der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum selben Thema habe die
Bundesregierung mit der gleichen Begründung inhaltlich
nicht beantwortet (vgl. Bundestagsdrucksache 16/6222).
Auf Nachfrage habe der zuständige Bundesminister für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung die in der Bundestagsdruck-
sache 16/6222 gemachten Aussagen bestätigt und angeregt,
sich mit den Fragen unmittelbar an das Unternehmen zu
wenden.

Vor dem Hintergrund des umfänglich bestehenden Interpella-
tionsrechts kann es jedoch nach Ansicht der Antragsteller für
die Beantwortungspflicht der Bundesregierung keinen Unter-
schied machen, in welchen Rechtsformen der Bund tätig wird.
Entscheidend könne allein die unmittelbare oder mittelbare
Zuständigkeit bzw. Verantwortung der Bundesregierung sein.
Das Bundesverfassungsgericht habe für den Bereich staat-
lichen Handelns in privatwirtschaftlich organisierter Form
Folgendes festgestellt: „Das wirtschaftliche Engagement der
öffentlichen Hand unterliegt der Kontrolle des Parlaments. Es
ist Aufgabe des Parlaments, die Haushalts- und Wirtschafts-
führung der Regierung auch hinsichtlich der Betätigung der
öffentlichen Hand im Rahmen ihrer Beteiligung an privatwirt-
schaftlichen Unternehmen zu kontrollieren.“ (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 5. Juni 1989 – 2 BvL 2/97).

Die genannte Auslegungsentscheidung des Ausschusses für
Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages müsse daher vor dem Hintergrund einer
effektiven parlamentarischen Kontrolle überarbeitet und den

DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/6789 in seiner 27. Sit-
zung am 14. Februar 2008 beraten. Der Antrag geht auf ein
Schreiben der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an den
Präsidenten des Deutschen Bundestages zurück, mit dem um
die Einholung eines schriftlichen Rechtsgutachtens gebeten
wurde, um die verfassungsrechtliche Reichweite des Inter-
pellationsrechts zu klären. Der Präsident hatte daraufhin den
1. Ausschuss unter Hinweis auf einen in der 13. Wahlperiode
gefassten Beschluss des Ausschusses um Prüfung der Frage
gebeten, ob Anlass zur Änderung dieses Beschlusses beste-
he. In seiner 22. Sitzung am 8. November 2007 hatte der
Ausschuss mehrheitlich beschlossen, von einer Änderung
dieses Beschlusses abzusehen und dies dem Präsidenten mit-
geteilt. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat zu-
dem einen Antrag auf Durchführung einer Anhörung zu dem
Thema gestellt, den der Ausschuss in seiner Sitzung am
14. Februar 2008 mehrheitlich abgelehnt hat.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, dass
es um die Frage gehe, wie weit das parlamentarische
Prüfrecht bei Unternehmen reiche, die sich in hundert-
prozentiger Verantwortung des Bundes befänden. Dies sei
angesichts der bevorstehenden Privatisierung der Deutsche
Bahn AG besonders aktuell. Die Entscheidung des Aus-
schusses aus der 13. Wahlperiode sei nicht einschlägig, weil
sie die Zulassung von Anfragen betroffen habe. Hier gehe es
aber um die Beantwortung einer zugelassenen Frage.

Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab, da sich in dem Antrag un-
bestimmte Formulierungen fänden, die nicht beschlussfähig
seien, wie z. B. man solle „dafür Sorge tragen, dass das In-
terpellationsrecht im größtmöglichen Umfang verwirklicht
wird.“ Der Forderung, Hintergründe einer unternehmeri-
schen Entscheidung darzulegen, setze die Pflicht zur Wah-
rung von Geschäftsgeheimnissen enge Grenzen. Zudem ha-
be das Bundesverfassungsgericht entgegen der Darstellung
der Antragsteller festgestellt, dass die Regierung dem Parla-
ment gegenüber in solchen Fällen lediglich zur Rechnungs-
legung verpflichtet sei. Die Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts beziehe sich ausdrücklich auf Artikel 114 des
Grundgesetzes. Eine darüber hinausgehende Auskunfts-
pflicht bestehe nicht.

Die Fraktion der SPD schloss sich dem Votum auf Ableh-
nung des Antrags an. Die durchaus schwierigen Abgren-
zungsfragen in diesem Bereich sollten auch weiterhin auf der
Grundlage der Auslegungsentscheidung des Ausschusses
aus der 13. Wahlperiode entschieden werden.

Die Fraktion der FDP wies darauf hin, dass der Ausschuss
in der genannten Auslegungsentscheidung einerseits das um-
Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-
schäftsordnung hat den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/

Die Fraktion DIE LINKE. unterstützte dagegen den Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, da es auch im

Drucksache 16/8467 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Hinblick auf privatisierte Unternehmen, deren Anteilseigner
zu 100 Prozent der Bund sei, eine Auskunftspflicht gegen-
über dem Parlament im Sinne der umfassenden parlamenta-
rischen Kontrolle geben müsse. Wenn öffentlich zu beant-
wortende Fragen dem Unternehmen wirtschaftlichen
Schaden zufügen könnten, könnten die Fragen vertraulich
beantwortet werden.

Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP zu empfehlen, den Antrag
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache
16/6789 abzulehnen.

Berlin, den 14. Februar 2008

Dr. Wolfgang Götzer
Berichterstatter

Christine Lambrecht
Berichterstatterin

Jörg van Essen
Berichterstatter

Dr. Dagmar Enkelmann
Berichterstatterin

Volker Beck (Köln)
Berichterstatter

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