BT-Drucksache 16/7982

Entwurf eines Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin - Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes

Vom 5. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7982 (neu)
16. Wahlperiode 05. 02. 2008

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Ulrike Flach, Rolf Stöckel, Katherina Reiche (Potsdam), Peter
Hintze, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Dr. Lale Akgün,
Peter Altmeier, Ingrid Arndt-Brauer, Daniel Bahr (Münster), Doris Barnett, Uwe
Barth, Otto Bernhardt, Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Roland Claus, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Anke Eymer (Lübeck), Hartwig Fischer
(Göttingen), Paul K. Friedhoff, Dr. Wolfgang Gerhardt, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Olav Gutting, Dr. Gregor Gysi, Dr. Christel Happach-Kasan, Nina
Hauer, Heinz-Peter Haustein, Ursula Heinen, Stephan Hilsberg, Birgit Homburger,
Eike Hovermann, Klaas Hübner, Michael Kauch, Eckart von Klaeden, Hans-Ulrich
Klose, Kristina Köhler (Wiesbaden), Jens Koeppen, Fritz Rudolf Körper,
Dr. Heinrich L. Kolb, Manfred Kolbe, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Dr. Rolf
Koschorrek , Michael Kretschmer, Dr. Martina Krogmann, Dr. Uwe Küster, Helmut
Lamp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Ingbert
Liebing, Markus Löning, Dr. Eva Möllring, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen,
Gesine Multhaupt, Bernd Neumann (Bremen), Dirk Niebel, Thomas Oppermann,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Ulrich Petzold, Cornelia Pieper, Gisela
Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Norbert Schindler, Renate Schmidt (Nürnberg),
Carsten Schneider (Erfurt), Dr. Ole Schröder, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto
Solms, Dr. Margrit Spielmann, Jörg-Otto Spiller, Dr. Ditmar Staffelt, Dr. Rainer
Stinner, Gero Storjohann, Christoph Strässer, Michael Stübgen, Dr. Rainer
Tabillion, Florian Toncar, Arnold Vaatz, Simone Violka, Christoph Waitz, Gunter
Weißgerber, Dr. Rainer Wend, Dr. Guido Westerwelle, Andrea Wicklein, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil

Entwurf eines Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur
Änderung des Stammzellgesetzes

A. Problem

Die Stammzellforschung ist einer der bedeutendsten Forschungszweige inner-
halb der medizinischen Grundlagenforschung. Mit ihr verbindet sich die Chance
einer Heilung von bislang unheilbaren Krankheiten und einer Linderung
menschlichen Leidens.

Der Staat hat die Verantwortung zur Bewahrung menschlichen Lebens. Dies ge-
bieten der Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens in unserem

Drucksache 16/7982 (neu) – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Grundgesetz. Daraus ergibt sich die staatliche Pflicht, die Erforschung medizi-
nischer Therapien zu ermöglichen, um das Leiden schwer kranker Menschen
lindern zu können. Die rechtlichen Grundlagen für die Forschung mit Stamm-
zelllinien in Deutschland sind daher so auszugestalten, dass sie die Chance auf
größtmöglichen Erkenntnisgewinn in der Stammzellforschung erhöhen. Die
vergleichende Arbeit mit embryonalen Stammzelllinien ist notwendige Voraus-
setzung für die Reprogrammierung somatischer Zellen zu induzierten pluri-
potenten Stammzellen (ipS) wie dies jüngst gelungen ist. Um die Reprogram-
mierung zu ipS erfolgreich zur Anwendung zu bringen, ist die Forschung mit
reinen, standardisierten embryonalen Stammzelllinien notwendig.

Das Stammzellgesetz (StZG) verbietet bislang die Einführung und Verwendung
von Stammzelllinien zu Forschungszwecken, die nach dem 1. Januar 2002 ge-
wonnen wurden. Wegen der dadurch beschränkten Anzahl an nutzbaren Stamm-
zelllinien werden in Deutschland die Stammzellforschung stark eingeschränkt
und die Erforschung neuer Therapien zur Heilung schwerer Krankheiten behin-
dert. Die wenigen verfügbaren Linien sind nicht standardisiert und mit tierischen
Substanzen verunreinigt. Dadurch, dass immer weniger Stammzelllinien, die
vor dem 1. Januar 2002 etabliert wurden, für die Forschung in Deutschland ver-
fügbar sein werden, droht künftig eine empfindliche Verletzung der verfassungs-
rechtlich garantierten Forschungsfreiheit.

Deutsche Wissenschaftler, die sich an im Ausland durchgeführten Forschungs-
arbeiten mit dort bereits bestehenden Stammzelllinien beteiligen, werden durch
die Strafandrohung des § 13 StZG kriminalisiert. Durch die Strafandrohung in
§ 13 StZG wird die medizinische Forschung in Deutschland von der medizi-
nischen Entwicklung in der westlichen Wertegemeinschaft abgeschnitten.

B. Lösung

Durch die Streichung des Stichtages für die Einführung und Verwendung von
embryonalen Stammzelllinien wird der Anwendungsbereich der Stammzellfor-
schung erweitert, um den Sinn und Zweck des Stammzellgesetzes zu erhalten.

Mit der Streichung des § 13 StZG entfällt die Strafbarkeit der Forscher im Zu-
sammenhang mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7982 (neu)

Anlage 1

Entwurf eines Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur
Änderung des Stammzellgesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderungen des Stammzellgesetzes

Das Stammzellgesetz vom 28. Juni 2002 (BGBI. I Nr.42,
S. 2277), zuletzt geändert am 25. November 2003 (BGBI. I
Nr. 56, S. 2304), wird wie folgt geändert:

1. In § 4 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a wird die Angabe „vor dem
1. Januar 2002“gestrichen.

2. § 13 wird gestrichen.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt nach seiner Verkündung in Kraft.

Berlin, den 5. Februar 2008

Ulrike Flach
Rolf Stöckel
Katherina Reiche (Potsdam)
Peter Hintze
Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Dr. Lale Akgün
Peter Altmeier
Ingrid Arndt-Brauer
Daniel Bahr (Münster)
Doris Barnett
Uwe Barth
Otto Bernhardt
Renate Blank
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Roland Claus
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Anke Eymer (Lübeck)
Hartwig Fischer (Göttingen)
Paul K. Friedhoff
Dr. Wolfgang Gerhardt
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Olav Gutting
Dr. Gregor Gysi
Dr. Christel Happach-Kasan
Nina Hauer
Heinz-Peter Haustein

Ursula Heinen
Stephan Hilsberg
Birgit Homburger
Eike Hovermann
Klaas Hübner
Michael Kauch
Eckart von Klaeden
Hans-Ulrich Klose
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Jens Koeppen
Fritz Rudolf Körper
Dr. Heinrich L. Kolb
Manfred Kolbe
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Dr. Rolf Koschorrek
Michael Kretschmer
Dr. Martina Krogmann
Dr. Uwe Küster
Helmut Lamp
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Ingbert Liebing
Markus Löning
Dr. Eva Möllring
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Gesine Multhaupt
Bernd Neumann (Bremen)
Dirk Niebel
Thomas Oppermann
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)

Detlef Parr
Ulrich Petzold
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Norbert Schindler
Renate Schmidt (Nürnberg)
Carsten Schneider (Erfurt)
Dr. Ole Schröder
Marina Schuster
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dr. Rainer Stinner
Gero Storjohann
Christoph Strässer
Michael Stübgen
Dr. Rainer Tabillion
Florian Toncar
Arnold Vaatz
Simone Violka
Christoph Waitz
Gunter Weißgerber
Dr. Rainer Wend
Dr. Guido Westerwelle
Andrea Wicklein
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Martin Zeil

Drucksache 16/7982 (neu) – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung zu Artikel 1

Die Stichtagsregelung des 1. Januar 2002 ist wissenschaft-
lich unbefriedigend und verfassungsrechtlich problematisch.
Die vor dem 1. Januar 2002 etablierten Stammzelllinien wur-
den auf tierischen Zellschichten kultiviert, sind nicht stan-
dardisiert und für die medizinische Forschung nur einge-
schränkt nutzbar. Eine solche Verunreinigung besteht bei
Stammzelllinien, die nach dem 1. Januar 2002 etabliert wor-
den sind, nicht. Es ist eine Pflicht des Staates, die menschen-
freundliche Forschung mit standardisierten und reinen
Stammzelllinien zu ermöglichen. Die bisherige Stichtagsre-
gelung verhindert die Zusammenarbeit zwischen deutschen
und ausländischen Stammzellforschern.

Eine Streichung der Stichtagsregelung ist geboten, um den
herausragenden Verfassungsgütern der Menschenwürde und
dem menschlichen Leben Rechnung zu tragen. Dem Staat
kommt im Hinblick auf diese Verfassungsgüter eine Garan-
tenstellung zu. Die rechtlichen Grundlagen medizinischer
Forschung sind so auszugestalten, dass sie die Chance einer
Heilung schwerer und lebensbedrohlicher Krankheiten erhö-
hen.

Eine Streichung der Stichtagsregelung ist auch deshalb ge-
boten, um die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der

Wissenschaft auf dem Gebiet der Stammzellforschung in
Deutschland in ausreichender Weise zu gewährleisten und
den medizinischen Wissenschaftlern in Deutschland somit
die Chance zu eröffnen, in erforderlichem Maße an der Er-
forschung von Therapien für bislang unheilbare Krankheiten
mitzuwirken. Aufgrund der zurückgehenden Verfügbarkeit
der vor dem 1. Januar 2002 etablierten Stammzelllinien
droht ein empfindlicher Verstoß gegen die Forschungsfrei-
heit durch Zeitablauf.

Ein gravierendes Problem des Stammzellgesetzes besteht in
der möglichen Strafbarkeit deutscher und ausländischer
Forscher bei Beteiligung an internationalen Kooperationen
bezüglich der Stammzellforschung, so z. B. im Hinblick auf
das 6. oder 7. EU-Forschungsrahmenprogramm. Diese mög-
liche Kriminalisierung führt zu großen Verunsicherungen
bei deutschen und ausländischen Stammzellforschern und
behindert massiv die Forschung. Viele Stammzellforscher
wandern deshalb ins Ausland ab oder ziehen sich aus die-
sem Forschungsgebiet zurück. Die medizinische Forschung
in Deutschland droht somit, von der medizinischen Ent-
wicklung innerhalb der westlichen Wertegemeinschaft ab-
geschnitten zu werden.

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