BT-Drucksache 16/7533

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Arbeitnehmermitbestimmung bei Betriebsänderungen

Vom 12. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7533
16. Wahlperiode 12. 12. 2007

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Dr. Dagmar Enkelmann,
Ulla Lötzer, Kornelia Möller, Dr. Herbert Schui, Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Arbeitnehmermitbestimmung
bei Betriebsänderungen

A. Problem

In zunehmendem Maße beteiligen sich Finanzinvestoren mit kurzfristigen Inte-
ressen an Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Vor allem Private
Equity Fonds verfolgen bei ihren Unternehmensbeteiligungen häufig Anlage-
strategien, die darauf abzielen, in möglichst kurzer Zeit extrem hohe Renditen auf
das angelegte Kapital zu erzielen. Dabei spielt die langfristige Perspektive der
Unternehmen als solche keine Rolle für die Finanzinvestoren – die Innovations-
und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens wird kurzfristigen Renditeinteressen
geopfert.

In besonderem Maße davon betroffen sind die Beschäftigten eines Unterneh-
mens, die durch die Geschäftsstrategien von Private Equity ihren Arbeitsplatz
verlieren oder deren Beschäftigungsbedingungen sich verschlechtern und deren
Unternehmen nachhaltig geschädigt wird. Dennoch besteht für die Arbeitneh-
mer kaum die Möglichkeit auf die Vorgehensweise der Investoren Einfluss zu
nehmen. Weder die Betriebsräte noch die Arbeitnehmervertreterinnen und -ver-
treter im Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften haben die Möglichkeit langfris-
tig schädigende Geschäfte, die auf Betreiben kurzfristig orientierter Anlegerin-
nen und Anleger vorgenommen werden, zu verhindern oder zu kontrollieren.

B. Lösung

Die Organe des Betriebsverfassungsgesetzes werden dahingehend gestärkt, dass
die Mitbestimmungs-, Beratungs- und Informationspflichten ihnen gegenüber
ausgeweitet und konkretisiert werden. Aktiengesellschaften werden bestimmte
besonders riskante und auf kurzfristige Rendite abzielende Geschäfte nur mit
der Zustimmung des Aufsichtsrates ermöglicht.
C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes

Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in der Fassung
der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I
S. 2518), zuletzt geändert durch Artikel 221 der Verordnung
vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) wird wie folgt ge-
ändert:

1. In § 106 Abs. 3 wird folgende Nummer 8a eingefügt:

„8a. die Übernahme von mindestens 30 Prozent der An-
teile des Unternehmens durch einen neuen Eigentü-
mer oder mehrere neue Eigentümer, wenn diese ein
gemeinsames Angebot abgegeben haben, sowie“.

2. § 111 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 2 werden die Wörter „in Unternehmen mit
mehr als 300 Arbeitnehmern“ gestrichen.

b) Satz 3 wird wie folgt geändert:

aa) In Nummer 2 werden die Wörter „oder Auslage-
rung von Arbeitsplätzen aus dem Betrieb“ ange-
fügt.

bb) In Nummer 5 wird der Punkt durch ein Komma
ersetzt und die folgende Nummer 6 angefügt:

„6. Übernahme von mindestens 30 Prozent der
Anteile des Unternehmens durch einen
neuen Eigentümer oder mehrere neue Eigen-
tümer, wenn diese ein gemeinsames Angebot
abgegeben haben.“

3. § 112 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Vor Abschluss der Planung für eine Betriebs-
änderung nach § 111 hat der Unternehmer in
Betrieben mit in der Regel mehr als 20 Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern mit dem Be-
triebsrat über den Ausgleich der gegenseitigen
Interessen (Interessenausgleich) zu verhandeln.“

„Kommt eine Einigung über den Interessenausgleich
nicht zustande, so ersetzt die Einigungsstelle die Eini-
gung zwischen Unternehmer und Betriebsrat inso-
weit, als er Auflagen zur Gestaltung der personellen,
arbeitsmäßigen und sozialen Auswirkungen vorsieht.
§ 77 Abs. 6 findet Anwendung.“

Artikel 2

Änderung des Aktiengesetzes

Das Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I
S. 1089), zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes
vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1330) wird wie folgt geändert:

In § 111 Abs. 4 wird folgender Satz angefügt:

„In jedem Fall dürfen nur mit der Zustimmung des Auf-
sichtsrates vorgenommen werden:

1. die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen;

2. der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unterneh-
men oder Betrieben;

3. Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen sowie Kauf
eigener Aktien;

4. Kreditaufnahmen, wenn die Summe der Verbindlichkei-
ten durch die Kreditaufnahme 50 Prozent der Bilanz-
summe des Unternehmens übersteigt;

5. die Übernahme anderer Unternehmen oder Anteile ande-
rer Unternehmen;

6. der Verkauf von Betrieben oder Betriebsteilen.“

Artikel 3

Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Berlin, den 12. Dezember 2007
Drucksache 16/7533 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Arbeitnehmermitbestimmung
bei Betriebsänderungen

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

bb) Satz 3 wird wie folgt gefasst:

„Interessenausgleich und Sozialplan haben die
Wirkung einer Betriebsvereinbarung.“

b) Absatz 4 wird wie folgt gefasst:

ratung der Betriebsänderung beschleunigt, die zu erwartenden schender Auffassung nicht auf seine Erfüllung bestehen.
Kosten also auch gesenkt. Dies gilt in besonderem Maße in
Betrieben mit weniger als 300 Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmern, da nach § 38 BetrVG kein oder höchstens ein

Zu Buchstabe b

Nach den bestehenden Regelungen kann die Einigungsstelle
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7533

Begründung

A. Allgemeiner Teil

Zunehmend beteiligen sich Finanzinvestoren und Beteili-
gungsgesellschaften auch in Deutschland an Unternehmen.
Die Einflussnahme dieser Fonds auf die von ihnen übernom-
menen Unternehmen wirkt sich in erheblichem Maße nega-
tiv für die Beschäftigten aus. Das Vorgehen der Beteili-
gungsgesellschaften findet nach dem Motto: „Rendite um
jeden Preis“ statt. Gewinne können häufig nur erzielt wer-
den, indem die Innovations- und Zukunftsfähigkeit von Un-
ternehmen zerstört wird: Zum Teil werden Gewinne durch
Kredite finanziert, die Arbeitsbedingungen zum Nachteil
von Beschäftigten geändert und deren Arbeitsplätze und
wirtschaftliche Existenz durch hohe Risiken gefährdet. Stra-
tegien, die Bereiche oder ganze Betriebe auslagern, führen
zur Umgehung von Mitbestimmungsregelungen und verein-
fachen es, tarifvertragliche Standards zu verschlechtern.
Deshalb ist es erforderlich, die Rechte der Betriebsverfas-
sungsorgane zu modernisieren. Damit soll erreicht werden,
dass die Beschäftigten durch ihre gewählte Interessenvertre-
tung frühzeitig informiert werden und die unternehmerische
Maßnahme beeinflussen können. Dies ist zum einen über die
Rechte der betrieblichen Interessenvertretung bei Betriebs-
änderungen, zum anderen über die Rechte des Aufsichtsrates
im Rahmen der unternehmerischen Mitbestimmung mög-
lich.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 106 Abs. 3 Nr. 8a)

Hierdurch wird die Unternehmensübernahme klarstellend in
den Katalog der Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers
gegenüber dem Wirtschaftsausschuss aufgenommen.

Zu Nummer 2 (§ 111)

Zu Buchstabe a

Die bisherige Regelung sah vor, dass der Betriebsrat im Falle
einer Betriebsänderung einen Berater hinzuziehen kann,
allerdings nur in Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmern. Diese Einschränkung ist nicht
zweckmäßig, da die Regelung nur wegen ihrer Kostenrele-
vanz auf Betriebe mit mehr als 300 Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern beschränkt wurde. Die Anwendung des Arti-
kels auf Unternehmen mit mehr als zwanzig wahlberechtig-
ten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern trägt der Kosten-
relevanz aber bereits ausreichend Rechnung. Zudem versetzt
die Hinzuziehung externen Sachverstandes den Betriebsrat
in die Lage, oft sehr komplexe Zusammenhänge schneller
und besser zu erfassen. Damit werden das Verfahren der Be-

dem Betriebsrat die Möglichkeit der Hinzuziehung externen
Sachverstandes, abweichend von dem zeitaufwendigeren
Verfahren bei der Hinzuziehung von Sachverständigen nach
§ 80 Abs. 3, zu eröffnen.

Zu Buchstabe b

Zu Doppelbuchstabe aa

Im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten ist es er-
forderlich, dass der Betriebsrat auf unternehmerische Ent-
scheidungen einen stärkeren Einfluss erlangt. Die Auslage-
rung von Arbeit berührt die Interessen der Beschäftigten und
kann für sie erhebliche Nachteile haben.

Zu Doppelbuchstabe bb

Die Übernahme von mindestens 30 Prozent der Anteile eines
Unternehmens wird als Betriebsänderung definiert. Im Falle
einer solchen Übernahme muss der Unternehmer/die Unter-
nehmerin nun den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend
unterrichten und die Betriebsänderung mit dem Betriebsrat
beraten. Mit der Konkretisierung der Übernahme von Antei-
len eines Unternehmens als Betriebsänderung wird der Tat-
sache Rechnung getragen, dass eine solche Übernahme er-
hebliche Eingriffe in die Organisation eines Unternehmens
erwarten lässt, die erhebliche Nachteile für die Beschäftigten
nach sich ziehen kann. Besonders zielt die Änderung auf Pri-
vate Equity Fonds ab und solche Investoren, die sich gezielt
an Unternehmen beteiligen und durch tief greifende Betriebs-
änderungen die Beschäftigten erheblich benachteiligen. So-
mit kann schon die Beteiligung kurzfristig orientierter Inves-
toren an einem Unternehmen eine Änderung des Betriebs
darstellen, da kurzfristige Renditeziele für die Unterneh-
menspolitik zum entscheidenden Maßstab werden. Um die
Beschäftigten vor den negativen Folgen einer solchen Über-
nahme zu schützen, ist es notwendig, die Betriebsverfas-
sungsorgane an den Veränderungen zu beteiligen und einen
Interessenausgleich beider Betriebspartner zu erreichen.

Zu Nummer 3 (§ 112)

Zu Buchstabe a

Zu Doppelbuchstabe aa

Durch diese Ergänzung wird klargestellt, dass ein Zwang zur
Verhandlung mit dem Betriebsrat über einen Interessen-
ausgleich besteht. Diese Klarstellung entspricht geltendem
Recht.

Zu Doppelbuchstabe cc

Indem der Interessenausgleich ebenfalls die Wirkung einer
Betriebsvereinbarung hat, werden seine Auswirkungen im
Einzelnen geregelt. Bisher kann der Betriebsrat nach herr-
Mitglied des Betriebsrates von der beruflichen Tätigkeit frei-
gestellt ist. In diesen Betrieben ist es also besonders wichtig,

lediglich Vorschläge machen oder Empfehlungen geben.
Dies ist unbefriedigend und trägt den Interessen der Beschäf-

Drucksache 16/7533 destag – 16. Wahlperiode

– 4 – Deutscher Bun

tigten in keiner Weise Rechnung. Durch die Ergänzung kann
die Einigungsstelle die Durchführung einer Betriebsände-
rung nach § 111 an bestimmte Auflagen koppeln (personelle,
arbeitsmäßige und soziale Auswirkungen auf die Beschäftig-
ten).

Zu Artikel 2 (Änderung des Aktiengesetzes)

Die Stärkung der Mitbestimmung des Aufsichtsrates, unab-
hängig von der Satzung einer Aktiengesellschaft, wirkt sich
insbesondere auf solche Geschäfte aus, die besonders von
Private Equity und Hedge Fonds durchgeführt werden, um
kurzfristig Gewinne aus Gesellschaftsanteilen zu erzielen.
Durch die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrates wird
sichergestellt, dass der Aufsichtsrat seiner Überwachungs-
aufgabe auch dann gerecht werden kann, wenn kurzfristige
Geschäftsinteressen einiger Investoren die wirtschaftliche
Substanz und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens gefähr-
den. Auch wenn diese Investoren selbst im Aufsichtsrat ver-
treten sein können, ist dieser dennoch als Überwachungs-
gremium aller Anteilseigner und im Besonderen auch der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geeignet, einen Inte-
ressenausgleich der im Unternehmen beteiligten Teilhabe-
rinnen und Teilhaber zu erreichen.

Der Aufsichtsrat kann auf die Geschäftsführung einwirken,
wenn diese Betriebsänderungen vornimmt, die sich auf Ver-
legung, Übernahme, Zusammenschluss oder Spaltung bzw.
Verkauf von Betrieben und/oder Betriebsteilen, Kapitalerhö-
hungen, -herabsetzungen und Kauf eigener Aktien sowie be-
stimmte Kreditaufnahmen bezieht. Solche tief greifenden
Veränderungen bedürfen der Mitbestimmung des Aufsichts-
rates, da sie die langfristige wirtschaftliche Entwicklung des
Unternehmens betreffen. Durch die Mitbestimmungsrechte
der Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter werden diese
mehr als bisher in wesentliche Entscheidungen einbezogen,
damit sie als dauerhafte Teilhaberinnen und Teilhaber an
einem Unternehmen auch dessen Entwicklung gestalten
können.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Regelt das Inkrafttreten.

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