BT-Drucksache 16/7334

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6000, 16/6002, 16/6406, 16/6416, 16/6423- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008)

Vom 27. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7334
16. Wahlperiode 27. 11. 2007

Änderungsantrag
der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Jan Korte, Kersten
Naumann, Wolfgang Neskovic, Diana Golze, Klaus Ernst, Elke Reinke, Jörn
Wunderlich, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm, Eva
Bulling-Schröter, Roland Claus, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Katrin Kunert,
Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6000, 16/6002, 16/6406, 16/6416, 16/6423 –

Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans
für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008)

Der Bundestag wolle beschließen:

Es ist ein Sofortprogramm zur Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremis-
mus einzurichten

und

1. die Mittel im Einzelplan 17, Kapitel 17 02, Titel 684 14 von 19 Mio. Euro
auf 38 Mio. Euro zu verdoppeln;

2. die Mittel im Einzelplan 17, Kapitel 17 02, Titel 684 15 werden von 5 Mio.
Euro auf 8 Mio. Euro erhöht;

3. die Mittel im Einzelplan 06, Kapitel 06 35, Titel 532 02 (Bundeszentrale für
politische Bildung) werden um 2 Mio. Euro auf 21,223 Mio. Euro erhöht;

4. im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern eine „Unabhängige
Beobachtungsstelle Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus“ einzu-
richten. Als Betrag und Anschubfinanzierung werden hierfür 5 Mio. Euro
eingestellt.

Berlin, den 27. November 2007
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/7334 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Der Fall des rassistischen Übergriffs von Mügeln verdeutlichte, wie berechtigt
die Kritik von Fachleuten, Praktikern und Opposition an der Ausformung der
neuen Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus ist: Die Anbindung dieser
Programme an die kommunale Politik führt in vielen Fällen dazu, dass vorhan-
dene Probleme mit dem Thema Rechtsextremismus nicht zur Kenntnis genom-
men werden. (Der Bürgermeister von Mügeln mag in seinen öffentlichen Äuße-
rungen ein besonders bizarres Beispiel der Problemverleugnung sein, völlig
untypisch ist er sicher nicht.) Hier ist eine Programmkorrektur insofern nötig,
als dass zivilgesellschaftliche Träger der Arbeit gegen Rechtsextremismus stär-
ker an verantwortlicher Stelle eingebunden werden müssen.

Die monatlich von der Fraktion DIE LINKE. abgefragten Zahlen rechtsextre-
mer Straf- und Gewalttaten sind ein Beleg dafür, dass Fälle wie in Mügeln
keine Ausnahmeerscheinung sind, sondern zur alltäglichen Realität in Deutsch-
land gehören. Die seit Jahren auf einem hohen Niveau verstetigten Zahlen füh-
ren zu einem Gewöhnungseffekt, der die Gefahr beinhaltet, dass die Aufmerk-
samkeit für das Thema Rechtsextremismus schwindet. Dies würde zu einer
weiteren Stärkung der extremen Rechten führen, die schon heute in zahlreichen
Regionen Deutschlands eine beängstigende Verankerung aufweist.

Um dieser realen und dokumentierbaren Gefahr durch die extreme Rechte wir-
kungsvoller zu begegnen, fordern wir ein Sofortprogramm der Bundesregie-
rung, mit dem die Anstrengungen in diesem Bereich deutlich erhöht werden.
Ein solches Sofortprogramm kann nur ein erster Schritt der Bundesregierung
sein, dem eine konzeptionelle Offensive folgen muss. Ob ein Runder Tisch für
Demokratie und gegen Rechtsextremismus und/oder ein Bundesbeauftragter
für Demokratie und Toleranz sinnvolle Instrumente sein können, muss geprüft
werden. Die von uns vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen sind Schritte auf dem
Weg zu einem umfassenden Konzept der Politik, zur Bekämpfung der extremen
Rechten.

Zu Nummer 1

Im Rahmen des Programms „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie –
gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ wurden
90 Lokale Aktionspläne bewilligt, wohingegen 149 Anträge hauptsächlich auf-
grund fehlender Mittel abgelehnt werden mussten. Von 360 beantragten über-
regionalen Modellprojekten wurden 85 bewilligt, 34 stehen auf einer Warteliste
und 241 wurden abgelehnt. Auch hier ist die hohe Ablehnungsquote zum gro-
ßen Teil auf die eingeschränkten finanziellen Mittel zurückzuführen. Mit der
Verdoppelung dieser Mittel können die vorhandenen Bedarfe wenigstens zu
einem größeren Teil abgedeckt werden.

Zu Nummer 2

Während im Jahr 2006 die Mobilen Beratungen und Opferberatungen in den
ostdeutschen Bundesländern plus Berlin mit Mitteln aus dem Civitas-Pro-
gramm von ca. 2,378 Mio. Euro unterstützt wurden, sollen die im Bundespro-
gramm „Förderung von Beratungsnetzwerken – Mobile Intervention gegen
Rechtsextremismus“ bereitgestellten 5 Mio. Euro für den Erhalt und die Aus-
weitung der Strukturen in Ostdeutschland und den flächendeckenden Aufbau
solcher Strukturen in Westdeutschland dienen. Faktisch würde dies auf ein Ab-
schmelzen der Mittel für solche Projekte hinauslaufen, weshalb eine deutliche
Erhöhung auf 8 Mio. Euro erforderlich ist.

Zu Nummer 3
Die zusätzlichen Mittel sollen für den Aufgabenbereich der „geistig-politischen
Auseinandersetzung mit Extremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Anti-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7334

semitismus und damit in Zusammenhang stehende Gewaltphänomene sowie zu
Bekämpfung von Vorurteilen“ eingesetzt werden.

Angesichts wachsender Demokratieverdrossenheit in Teilen der Bevölkerung,
zunehmender Erfolge rechtsextremer Wahlparteien und einer bedrohlichen Ent-
wicklung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus hat die poli-
tische Bildung einen enormen Stellenwert. Der politischen und politisch-histo-
rischen Bildung kommt bei der Auseinandersetzung mit einer anwachsenden
extremen Rechten besondere Bedeutung zu, die eine Ausweitung des Angebots
erforderlich machen. Insbesondere die immer stärkere Verankerung der rechts-
extremen Szene im jugendkulturellen Bereich erfordert zielgerichtete Gegen-
strategien. Für Beschäftigte in der Jugendarbeit, im pädagogischen und erziehe-
rischen Bereich müssen verstärkt Angebote zur Fortbildung gemacht werden.

Zu Nummer 4

Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keine zentrale Stelle, die die ver-
streuten Erkenntnisse zur Entwicklung der extremen Rechten unter gesell-
schaftspolitischen Gesichtspunkten zusammenfasst und einschätzt. Dies meint
eine Gesamtbetrachtung jenseits der eingeschränkten Aufgaben des Verfas-
sungsschutzes. Im gemeinsamen Antrag „Gegen Rechtsextremismus, Fremden-
feindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt“ der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, FDP und PDS aus der 14. Wahlperiode (Bundestagsdruck-
sache 14/5456) wird die Einrichtung einer solchen Beobachtungsstelle analog
zur Europäischen Beobachtungsstelle angeregt.

Aufgrund der besorgniserregenden Entwicklung der extremen Rechten aber
auch eines weit verbreiteten Rassismus ist eine solche unabhängige Beobach-
tungsstelle, die dem Deutschen Bundestag regelmäßig Bericht erstattet, nötig
und überfällig. Während der Sicherheitsdiskurs zum Thema islamistischer Ter-
rorismus allgegenwärtig ist, werden die ganz realen und alltäglichen Bedrohun-
gen für zahlreiche Menschen in diesem Land nur aus Anlass spektakulärer
Übergriffe erwähnt. Von 1990 bis heute sind nach Recherchen unabhängiger
Projekte und Journalisten über 130 Menschen von rechtsextremen Gewalttätern
getötet worden. Diese alltägliche Gewalt unabhängig zu dokumentieren, ein
realistisches Bild der Lage im Bereich Rechtsextremismus zu zeichnen und
Vorschläge zur Prävention zu machen, sollen Aufgaben der Beobachtungsstelle
sein.

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