BT-Drucksache 16/7326

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/6000, 16/6002, 16/6416, 16/6423 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008) hier: Einzelplan 17 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Vom 27. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7326
16. Wahlperiode 27. 11. 2007

Änderungsantrag
der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Klaus Ernst, Diana Golze, Elke Reinke,
Roland Claus, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun
Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Katrin Kunert,
Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/6000, 16/6002, 16/6416, 16/6423 –

Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans
für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008)

hier: Einzelplan 17
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend

Der Bundestag wolle beschließen:

In Kapitel 17 10 wird der Titel 681 02 – Elterngeld – um 2,46 Mrd. Euro auf
6,5 Mrd. Euro aufgestockt, um die Auszahlungsdauer des Elterngeldes auf
12 Monate pro Elternteil (24 Monate für Alleinerziehende) auszuweiten und das
Mindestelterngeld auf 450 Euro zu erhöhen.

In Kapitel 17 02 werden im Titel 884 01 – Zuweisungen für Investitionen an das
Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ – 2,0 Mrd. Euro veranschlagt.

Berlin, den 27. November 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung
Das 2007 eingeführte Elterngeld ist in der derzeitigen Form eine sozialpolitische
Mogelpackung. Familien erhalten nicht die in der Frühphase des Aufwachsens
eines Kindes nötige Flexibilität. Erwerbslose, Eltern in Ausbildung und Bezie-
herinnen bzw. Bezieher niedriger Einkommen sind deutlich benachteiligt. In
gleichstellungspolitischer Hinsicht sind zwei verbindliche „Vätermonate“ zu
wenig.

Drucksache 16/7326 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Deshalb ist der Ausbau des Elterngelds nach skandinavischem Vorbild zu einer
Sozialleistung, die Elternschaft ermöglicht und Gleichstellung fördert, notwen-
dig.

Jedem Elternteil ist ein individueller und nicht übertragbarer Anspruch auf
12 Monate Elterngeld zu gewähren (Alleinerziehenden 24 Monate). Die „Väter-
monate“ werden so zu einem individuellen Anspruch jedes Elternteils auf
Elterngeld weiterentwickelt, längere Berufsunterbrechungen nur eines Elterntei-
les werden vermieden. Die Lohnersatzrate von 67 Prozent bleibt bestehen, die
Mindestleistung wird aber auf 450 Euro angehoben. Das Elterngeld kann ab der
Geburt des Kindes bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres in Teilabschnitten ab
2 Monaten in Anspruch genommen werden. So werden die Gestaltungsmöglich-
keiten von Familien verbessert – auch spätere kurzzeitige Erwerbsunterbrechun-
gen (etwa zu Schulbeginn) werden möglich gemacht.

Aus dem kapitalverzehrenden Sondervermögen des Bundes sollen Finanzhilfen
für Investitionen der Länder und Gemeinden bereitgestellt werden. Damit be-
absichtigt der Bund, sich sowohl an Investitions- als auch an Betriebskosten für
Kinderbetreuungseinrichtungen zu beteiligen. Um in einer Anschubfinanzierung
qualitativ hochwertige, gebührenfreie und bedarfsdeckende Kinderbetreuung in
allen Bundesländern zu gewährleisten, reichen die von der Bundesregierung ein-
geplanten Mittel nicht aus. In Ostdeutschland liegt die Zahl der Plätze schon jetzt
vielerorts über der angestrebten 35-Prozent-Marke. Dort würden Neubaumaß-
nahmen höchstwahrscheinlich nicht notwendig sein, aber Qualitätsverbesserun-
gen. Familienpolitik muss Versorgungsdefizite und Benachteiligungen so weit
abbauen, dass für alle im Land lebenden Menschen eine optimale Entwicklung
und ein Leben ohne materielle Not gewährleistet sind. Gleiche Teilhabe aller am
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben ist sicherzustellen. Hierfür ist
vor allem die Bereitstellung einer verlässlichen und qualitativ hochwertigen
Infrastruktur für Kinder und Familien notwendig. Diese Infrastruktur ist beson-
ders für Familien mit geringem Einkommen wichtig, die die Defizite eines dür-
ren Sozialstaats am wenigsten ausgleichen können.

Die Finanzierung dieser Infrastruktur, insbesondere einer bedarfsdeckenden und
elternbeitragsfreien Kindertagesbetreuung ist bisher nicht ausreichend erfolgt.
Denn trotz aller Willensbekundungen musste die Bundesregierung in ihrem
Bericht nach § 24a Abs. 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII)
über den „Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertages-
betreuung für Kinder unter drei Jahren“ (vom 11. Juli 2007) konstatieren, dass
der Ausbau der Betreuungsplätze nach wie vor von einer geringen Ausbaudyna-
mik gekennzeichnet sei. „Die bisherige Entwicklung reicht damit nicht aus, um
das Ausbauziel des TAG zu erreichen.“ (S. 6)

Der Bildungsweg beginnt in Kinderkrippen und Kindergärten. Diese und Hort-
einrichtungen ermöglichen die gemeinschaftliche Erziehung von Kindern unter-
schiedlicher Herkunft. Sie befördern die soziale Kompetenz der Kinder, wirken
sich positiv auf die Integration von Kindern aus Migrantenfamilien durch zeiti-
gen Erwerb der deutschen Sprache aus und verbessern so Bildungs- und spätere
Erwerbschancen. Erziehungsmängel und soziale Defizite können durch Fach-
kräfte erkannt und durch erzieherische Arbeit ausgeglichen werden. Nicht zu-
letzt geben öffentliche Kinderbetreuungsangebote den Eltern die Möglichkeit,
einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und wirken somit unter anderem direkt als
Instrument der Armutsbekämpfung.

Gebührenfreie, umfassende und flächendeckende Betreuungsangebote für Kin-
der gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Aber nur diese gewährleis-
ten, dass kein Kind wegen der Einkommens- oder Lebenssituation der Eltern
von einer Erziehung im Kreise anderer Kinder sowie von frühkindlicher Bildung

und Erziehung durch Fachkräfte ausgeschlossen ist. Deshalb müssen die Länder

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7326

und Kommunen in die Lage versetzt werden, gebührenfreie, umfassende und
flächendeckende Betreuungsangebote für Kinder anzubieten und aufzubauen.

Nach Angaben des Deutschen Städtetages benötigen die Kommunen 10 Mrd.
Euro jährlich, um öffentliche Kindergärten vorzuhalten. Mit ca. 20 Prozent
sind die Eltern über Gebühren an den Kosten beteiligt. Die öffentliche Kinder-
betreuung muss als gesellschaftliche Aufgabe verstanden werden. Um den
Zugang eines jeden Kindes in eine öffentliche Betreuungseinrichtung zu
ermöglichen, muss dieser gebührenfrei sein. Das erforderliche Konzept zur
Finanzierung muss die Bundesregierung vorlegen.

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