BT-Drucksache 16/7134

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung

Vom 14. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7134
16. Wahlperiode 14. 11. 2007

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Jerzy Montag,
Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei, Omid Nouripour,
Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Wolfgang Wieland
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung

A. Problem

Mit der Schaffung des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) im Jahr 2002 wurden
gleichzeitig mehrere Änderungen der Strafprozessordnung (StPO) vorgenom-
men. Das Weltrechtsprinzip des § 1 VStGB wird durch § 153f StPO ergänzt. Um
einer automatischen Allzuständigkeit der in Deutschland allein zuständigen Ge-
neralbundesanwaltschaft vorzubeugen, wird der Generalbundesanwältin unter
bestimmten, in § 153f StPO enthaltenen Voraussetzungen die Möglichkeit eröff-
net, von ihrer Verfolgungsmöglichkeit keinen Gebrauch zu machen. Eine ge-
richtliche Überprüfung der dem Generalbundesanwalt obliegenden Ermessens-
entscheidung ist in § 153f StPO allerdings bislang nicht vorgesehen. Dies wird
von Menschenrechtlern und Sachverständigen kritisiert.

B. Lösung

§ 153f StPO wird dahingehend ergänzt, dass das Absehen von der Verfolgung
bzw. die Einstellungsentscheidung der Generalbundesanwaltschaft künftig der
Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts
bedarf.

C. Alternativen

Eine gerichtliche Kontrolle der Entscheidung der Generalbundesanwaltschaft
wäre auch durch die Ermöglichung eines Klageerzwingungsverfahrens ent-
sprechend § 172 StPO denkbar. Dies wäre jedoch nicht gleichermaßen effektiv,
da nicht immer gewährleitstet ist, dass Opfer bereitstehen, die dieses Verfahren
anstrengen könnten. Zudem erscheint die Einführung eines gerichtlichen Zu-

stimmungserfordernisses systematisch stimmiger, da § 153f StPO in das System
der Opportunitätsvorschriften eingefügt wurde und bei diesen gerade keine
Rechtsbehelfsmöglichkeit vorgesehen ist.

D. Kosten

Keine

digte nicht im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch
nicht zu erwarten ist. Ist in den Fällen des § 153c Abs. 1 Nr. 1
der Beschuldigte Deutscher, so gilt dies jedoch nur dann,
wenn die Tat vor einem internationalen Gerichtshof oder
durch einen Staat, auf dessen Gebiet die Tat begangen oder
dessen Angehöriger durch die Tat verletzt wurde, verfolgt
wird.

(2) Die Staatsanwaltschaft kann mit Zustimmung des für
die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts
insbesondere von der Verfolgung einer Tat, die nach den §§ 6

Klage mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptver-
fahrens zuständigen Gerichts in jeder Lage des Verfahrens
zurücknehmen und das Verfahren einstellen.“

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in
Kraft.

Berlin, den 14. November 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Drucksache 16/7134 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt
geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. Juli 2007
(BGBl. I S. 1327), wird wie folgt geändert:

§ 153f wird wie folgt gefasst:

㤠153f

(1) Die Staatsanwaltschaft kann mit Zustimmung des für
die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts
von der Verfolgung einer Tat, die nach den §§ 6 bis 14 des
Völkerstrafgesetzbuches strafbar ist, in den Fällen des
§ 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2 absehen, wenn sich der Beschul-

bis 14 des Völkerstrafgesetzbuches strafbar ist, in den Fällen
des § 153c Abs. 1 Nr. 1 und 2 absehen, wenn

1. kein Tatverdacht gegen einen Deutschen besteht,

2. die Tat nicht gegen einen Deutschen begangen wurde,

3. kein Tatverdächtiger sich im Inland aufhält und ein sol-
cher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist und

4. die Tat vor einem internationalen Gerichtshof oder durch
einen Staat, auf dessen Gebiet die Tat begangen wurde,
dessen Angehöriger der Tat verdächtig ist oder dessen
Angehöriger durch die Tat verletzt wurde, verfolgt wird.

Dasselbe gilt, wenn sich ein wegen einer im Ausland began-
genen Tat beschuldigter Ausländer im Inland aufhält, aber
die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 2 und 4 erfüllt sind und
die Überstellung an einen internationalen Gerichtshof oder
die Auslieferung an den verfolgenden Staat zulässig und be-
absichtigt ist.

(3) Ist in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 die öffentliche
Klage bereits erhoben, so kann die Staatsanwaltschaft die

Deutscher Bundestag – 16. rucksache 16/7134

Begründung

drucksache 16(17)0072, S. 2). Der Gesetzentwurf greift die-

sen Vorschlag auf und ergänzt § 153f StPO – ähnlich wie bei
§ 153a StPO – um das Erfordernis der „Zustimmung des für
die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts“.
Wahlperiode – 3 – D

Das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) trat 2002 in Kraft, um
Deutschlands strafrechtliche Verantwortung in der Welt
wahrzunehmen. „Bei Völkermord, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Kriegsverbrechen darf es künftig
nirgendwo auf dieser Welt mehr Straflosigkeit geben“, er-
klärte die damalige Bundesministerin der Justiz, Dr. Herta
Däubler-Gmelin, im Deutschen Bundestag. Die Einleitung
von Strafverfahren bei Straftaten nach dem Völkerstrafge-
setzbuch fällt deshalb nach einer bewussten Entscheidung
des Gesetzgebers nicht unter das politische Ermessen. Die
Ermittlungen werden von der Generalbundesanwältin ge-
führt. Ein Absehen von der Strafverfolgung ist nur unter en-
gen gesetzlichen Voraussetzungen nach Ausübung pflicht-
gemäßen Ermessens durch die Generalbundesanwältin
möglich.

Bei der Generalbundesanwältin sind nach Auskunft der Bun-
desregierung auf eine schriftliche Frage des Abgeordneten
Florian Toncar (FDP) (Frage 20 auf Bundestagsdrucksache
16/2692) insgesamt 58 Anzeigen wegen völkerrechtlicher
Verbrechen eingereicht worden. Seitdem sind weitere vier
Anzeigen eingegangen, wie die Antwort der Bundesregie-
rung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN ergab (Antwort auf Frage 3 auf Bundestags-
drucksache 16/4267). Lediglich in einem Fall wurden nach
dieser Antwort Ermittlungen des Generalbundesanwalts von
Amts wegen eingeleitet (Antwort auf Frage 5 auf Bundes-
tagsdrucksache 16/4267). In keinem einzigen Fall ist bislang
eine Anklage wegen Verletzung des Völkerstrafgesetz-
buches erhoben worden. In lediglich zwei Fällen werden
Ermittlungsverfahren geführt. Seine veröffentlichten Ab-
lehnungsentscheidungen begründete der damalige General-
bundesanwalt Kay Nehm zumeist damit, dass er nach
pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens nach § 153f der
Strafprozessordnung wegen des Vorliegens einer reinen
Auslandstat und der Aussichtslosigkeit deutscher Ermitt-
lungshandlungen von der Einleitung von Strafverfolgungs-
maßnahmen absehe.

In einer öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuss für Men-
schenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundes-
tages (43. Sitzung am 24. Oktober 2007) kritisierten Sach-
verständige angesichts der Erfahrungen mit der bisherigen
Einstellungspraxis die „Gefahr einer faktischen Aushebe-
lung des materiellrechtlich festgelegten Weltrechtsprinzips
durch § 153f StPO“ (vgl. Prof. Dr. Kai Ambos, Ausschuss-
drucksache 16(17)0070, S. 2). Um dieser Gefahr zu begeg-
nen, wurde unter anderem vorgeschlagen, die Entscheidung
der gemäß § 120 Abs.1 Nr. 8 i. V. m. § 142a Abs.1 Satz 1
GVG für die Verfolgung von Straftaten nach dem VStGB zu-
ständigen Generalbundesanwältin einer gerichtlichen Kon-
trolle zu unterwerfen (vgl. Prof. Dr. Kai Ambos, a. a. O.,
S. 3, vgl. Prof. Dr. Claus Kreß, Ausschussdrucksache
16(17)0073, S. 16 f., vgl. Wolfgang Kaleck, Ausschuss-

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