BT-Drucksache 16/6961

Für ein schärferes Waffengesetz

Vom 7. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6961
16. Wahlperiode 07. 11. 2007

Antrag
der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Volker Beck (Köln), Kai Gehring,
Monika Lazar, Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk, Hans-Christian
Ströbele, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Für ein schärferes Waffengesetz

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der Bundestag ist besorgt über die Zunahme von Gewaltdelikten in unserer
Gesellschaft. Die Kriminalstatistiken weisen insbesondere in den Ballungs-
räumen auf einen erschreckenden Anstieg von Messerattacken mit tödlichem
Ausgang oder schweren Körperverletzungen hin. Konflikte in öffentlichen
Räumen, im Umfeld von Freizeiteinrichtungen und Schulen, aber auch im
privaten Bereich, werden zunehmend mit gefährlichen Waffen ausgetragen.
Die bewaffneten Angriffe auf Polizeibeamte nehmen zu. Es besteht ein ver-
stärkter Handlungsbedarf in der Zuständigkeit des Bundes, der Länder und der
Kommunen.

2. Der Bundestag ist nicht gewillt, die Bewaffnung im Alltag hinzunehmen. In
unserer Zivilgesellschaft gilt das Gewaltmonopol des Staates. Es ist Ausdruck
einer verfehlten männlichen Machokultur zu meinen, es gäbe ein bewaffnetes
Selbstverteidigungsrecht. Das Tragen einer Waffe ist auch keine Frage der
Ehre. Gemeinsam mit den Ländern und Kommunen, mit Eltern, Schulen, Frei-
zeiteinrichtungen und Verbänden müssen Konzepte entwickelt werden, wie
die Kontrolldichte erhöht und die Entwaffnung gerade von jungen Männern
tatsächlich durchgesetzt werden kann. Als Grundlage hierfür brauchen wir
klare gesetzliche Regelungen.

3. Es reicht nicht, sog. gefährliche Orte zu definieren, an denen das Mitführen
von Waffen verboten ist. Für den öffentlichen wie für den privaten Raum muss
der Grundsatz der Waffenfreiheit gelten, von dem es nur gut begründete Aus-
nahmen geben darf. Die Reform des Waffenrechts vom 21. April 2003 war hier
nur ein erster Schritt zur Verbesserung der Sicherheit der Bürgerinnen und
Bürger. Ihm müssen weitere gesetzliche und administrative Verbesserungen
folgen. Es ist erforderlich, Erwerb, Besitz, Tragen und Verbreiten von Waffen
weiter zu begrenzen. Auch für Erben, Altbesitzer, Sportschützen und Jäger

muss der Grundsatz gelten, so wenig scharfe Waffen wie möglich sollen im
häuslichen Bereich aufbewahrt werden.

4. Im Waffengesetz bestehen nach wie vor erhebliche gesetzliche Defizite, die zu
schließen sind. Dringend zu verbessern sind die Regelungen für das Tragen
von Messern in der Öffentlichkeit. Zu begrüßen ist die Gesetzesinitiative des
Landes Berlin im Bundesrat (Bundestagsdrucksache 701/07 vom 9. Oktober

Drucksache 16/6961 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2007). Die besonders häufig verwendeten Gas- und Schreckschusswaffen
dürfen nicht länger unkontrolliert und unbeschränkt im Handel erworben wer-
den.

5. Eine nicht länger hinnehmbare Sicherheitslücke ist durch den legalisierten
Besitz und das Führen von sog. Anscheins- und Softairwaffen entstanden, die
echten Waffen, ja sogar Kriegswaffen, täuschend ähnlich sehen. Die Strei-
chung der entsprechenden Verbotsbestimmung im Zuge der Reform des Waf-
fenrechts im Jahre 2003 hat sich als Fehler erwiesen. Derartige Waffen sind für
Überfälle geeignet, nicht aber als Kinderspielzeug.

6. Der Bundestag weist das Ansinnen zurück, die nach dem Anschlag in Erfurt
am 26. Mai 2003 aufgenommenen gesetzlichen Verbesserungen zurückzuneh-
men. Die Altersgrenze für den Erwerb und Gebrauch von Waffen mit großem
Kaliber muss bei 21 Jahren bleiben. Die Verschärfung des Waffenrechts trägt
erheblich zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit bei. Die Lücken im Waf-
fengesetz sind ein nicht hinnehmbares Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung.

7. Politischer Handlungsbedarf auf nationaler wie auf internationaler Ebene be-
steht weiterhin bei der Bekämpfung des illegalen Waffenhandels, insbeson-
dere im Internet. Der illegale Waffenbesitz insgesamt muss vom Bund und vor
allem von den Ländern entschlossener bekämpft werden. Die internationale
Zusammenarbeit ist hier noch immer mangelhaft.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. unverzüglich einen Gesetzentwurf zur Reform des Waffenrechts vorzulegen,
der folgende Punkte umfasst:

a) Die Regelungen für ein Verbot des Führens von Waffen bei öffentlichen
Veranstaltungen werden auf der Grundlage des Gesetzesantrags des Lan-
des Berlin (Bundestagsdrucksache 701/07) vom 9. Oktober 2007 erweitert.
Zugriffsbereite Messer mit feststehender oder feststellbarer Klinge müssen
aus dem Verkehr gezogen werden. Ausnahmen sollen auf die Bereiche
beschränkt werden, wo Messer tatsächlich als nützliche Gegenstände
gebraucht werden und üblicherweise von deren Nutzung keine öffentliche
Gefahr ausgeht.

b) Eine wirksame Verbotsregelung soll verbesserte Eingriffsmöglichkeiten
gegen öffentlich getragene Baseballschläger, Metallrohre, Motorradketten
und andere gefährliche Gegenstände schaffen. Dies sind nach geltendem
Recht keine „Waffen“ im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Waffengesetzes
(WaffG). In bestimmten Situationen sind sie aber aufgrund ihrer Ausge-
staltung genauso gefährlich wie Waffen. Polizei und Ordnungsbehörden
müssen unter bestimmten Voraussetzungen früher als bislang einschreiten
dürfen, wenn offensichtlich geworden ist, dass diese gefährlichen Gegen-
stände gegen Menschen missbraucht werden sollen. Die Polizei soll die
Gegenstände dann rechtzeitig sicherstellen können.

c) Das mit der Reform des Waffenrechts 2003 aufgehobene Verbot von Waf-
fen mit dem Anschein einer vollautomatischen Kriegswaffe nach § 37
Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e WaffG (a. F.) muss wieder eingeführt werden.
Dieses Umgangsverbot ist auf alle Spielzeugwaffen zu erweitern, die ech-
ten Waffen täuschend ähnlich sind.

d) Für den Kauf von Gas- und Schreckschusswaffen und deren Besitz soll die
Vorlage des kleinen Waffenscheins erforderlich sein. Mit der Einführung
einer Buchführungs- und Kennzeichnungspflicht ist sicherzustellen, dass
die entsprechenden Waffen nur noch an Personen verkauft werden, deren
Zuverlässigkeit und persönliche Eignung vorher durch die Behörde über-

prüft wurden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6961

e) Die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen für die Waffenbücher sind zu ver-
längern und die Kennzeichnungsvorschriften sollen vereinheitlicht wer-
den. Auf der Grundlage des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäi-
schen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/477/EWG
des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen sind
national die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Identifizie-
rung und Rückverfolgbarkeit jeder Feuerwaffe vom Zeitpunkt ihrer Her-
stellung bis zum aktuellen Besitzer weiter zu verbessern. Ein nationales
Waffenregister mit einer Waffenbesitzkartendatei ist einzurichten.

f) Die befristete Regelung zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen durch
Erben in § 20 WaffG gemäß Artikel 19 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung
des Waffenrechts auslaufen zu lassen und somit die sachlich nicht begründ-
bare Privilegierung der Erben bei der Feststellung ihrer persönlichen Zu-
verlässigkeit zu beenden;

2. im Zuge der Vorbereitung und Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens zu
prüfen,

a) ob zur Erleichterung der späteren Identifizierung der Schusswaffe eine
Wiedereinführung der gesetzlichen Kennzeichnungspflicht für Schusswaf-
fen mit weniger als 7,5 Joule in § 24 Abs. 2 WaffG sinnvoll und geboten ist.
Zu prüfen ist auch, ob die Kennzeichnungspflicht dabei über die in § 13
Abs. 5 WaffG (a. F.) genannten staatlichen Stellen hinausgehen sollte;

b) ob an Stelle der Lagerung von Waffen und Munition in Privatwohnungen
Sportschützen ihre Waffen außerhalb der Wohnung, in sicheren Bereichen
der Sporteinrichtungen und Schützenvereine verwahren können. Sicher-
zustellen ist, dass durch die zentrale Aufbewahrung keine zusätzlichen Ge-
fahrenquellen entstehen können. Die sichere Aufbewahrung von Sport-
und Schützenwaffen muss im Einzelfall vor Ort geprüft werden;

3. gemeinsam mit den Ländern und der Polizei Konzepte zu entwickeln, wie
ein wirksames Verbot der unter den Punkten 1a und 1b genannten Waffen
und waffenähnlichen Gegenstände an öffentlichen Orten in der Praxis
durchgesetzt werden kann;

4. gemeinsam mit den Ländern und Kommunen dafür zu sorgen, dass die beste-
henden gesetzlichen Regelungen in der Praxis tatsächlich eingehalten und die
vorhandenen Vollzugsdefizite beseitigt werden. Die verschärften gesetzlichen
Vorschriften über die sichere Lagerung von Waffen und Munition müssen vor
Ort besser kontrolliert und durchgesetzt werden;

5. auf nationaler und internationaler Ebene die Kooperation zu verstärken mit
dem Ziel, den Handel mit Waffen, insbesondere im Internet, wirksamer als
bisher zu unterbinden. Es ist sicherzustellen, dass keine gefährlichen Gegen-
stände aus dem Besitz der Polizeien des Bundes und der Länder auf Waffen-
messen und Internetbörsen frei verkauft und in falsche Hände geraten;

6. über die gesetzlichen Maßnahmen hinaus eine breite gesellschaftliche Initia-
tive zu starten, die das Tragen von Waffen und gefährlichen Gegenständen in
öffentlichen Räumen ächtet und sich für eine gewaltfreie und waffenfreie
Konfliktlösung in allen gesellschaftlichen Bereichen stark macht. Die Polizei
allein kann die waffenfreie Zivilgesellschaft nicht durchsetzen. Hier sind wir
alle gefragt.

Berlin, den 7. November 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Drucksache 16/6961 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Die Reform des Waffenrechts vom 21. April 2003 war ein bedeutender Schritt
zur Verbesserung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Die umfassende
Neuregelung des Waffengesetzes setzte den Grundsatz um, dass Erwerb, Besitz
und Führen von Waffen stets nur eine Ausnahme sein kann. Nicht alle Sicher-
heitslücken im Waffengesetz konnten durch diesen ersten mutigen Reform-
schritt der damaligen rot-grünen Bundesregierung geschlossen werden.

Der Widerstand der Lobby während der parlamentarischen Beratungen war be-
trächtlich. Er verhinderte an einigen Punkten bessere und sachgerechtere Lö-
sungen. Erst nach dem Anschlag von Erfurt, der am Tage der dritten Beratung
des Gesetzes am 26. Mai 2003, stattfand, kam es dann doch noch über den Ver-
mittlungsausschuss zu einigen zusätzlichen Gesetzesänderungen. Dazu zählte
auch die Einführung einer Altersgrenze von 21 Jahren für das Führen groß-
kalibriger Waffen und das Verbot der „Pumpguns“, die beim Amoklauf in Er-
furt benutzt wurden. Diese Änderungen waren und sind bis heute notwendig,
reichen aber nicht aus.

Die Zahl der Waffen im Privatbesitz ist trotz einschränkender gesetzlicher Re-
gelungen nach wie vor deutlich zu hoch. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar. Das
„Forum Waffenrecht“ geht davon aus, dass es mutmaßlich etwa vier Millionen
legale Waffenbesitzer in Deutschland gibt. In ihrer Hand befinden sich insgesamt
10 Millionen erlaubnispflichtige Waffen. Zwei Millionen Waffenbesitzer sind
Sportschützen, 350 000 sind Jäger. Hinzu kommen einige tausend Sammler und
zwei Millionen Erben solcher Waffen. Es kann davon ausgegangen werden, dass
in Deutschland bis zu 20 Millionen illegale Waffen gelagert werden.

Zu den Forderungen:

Trotz der Fortschritte des neuen Waffengesetzes bestehen immer noch erheb-
liche Sicherheitslücken In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Regelungen für
das Tragen von Messern in der Öffentlichkeit nach wie vor unzulänglich sind.
Der vom Bundestag verabschiedete Gesetzentwurf des Bundesrates (Bundes-
tagsdrucksachen 16/1991, 16/5924) greift zu kurz. Es reicht nicht aus, nur sog.
gefährliche Orte zu definieren, an denen das Tragen von Messern untersagt
werden soll. Erforderlich ist es vielmehr, grundsätzlich zu verbieten, im öffent-
lichen Raum bewaffnet herumzulaufen. Zudem muss die Liste der verbotenen
Gegenstände, insbesondere ständig veränderter Messertypen, erweitert werden.

Die überkommene Einteilung von Waffen anhand ihrer Zweckbestimmung ist
überholt. Es hat sich gezeigt, dass sie zu großen Sicherheitslücken führt. Die
Zweckbestimmung von Macheten ist beispielsweise das Schneiden von Zucker-
rohr. Ihr Tragen in der Öffentlichkeit ist damit legal. Dennoch wurden gerade in
jüngster Zeit mit Macheten, Messern und anderen gefährlichen Gegenständen
vielfach Menschen brutal umgebracht, schwer verletzt und bedroht.

Die bestehenden Regelungen für ein Verbot des Führens von Waffen bei öffent-
lichen Veranstaltungen in § 42 WaffG sowie in Anlage 1 Abschnitt 1 Unter-
abschnitt 2 reichen nicht aus. Der Antrag des Landes Berlin im Bundesrat vom
9. Oktober 2007 weist hier in die richtige Richtung.

Die Praxis hat gezeigt, dass es nicht genügt, nur eine gesetzliche Regelung über
die klassischen „Waffen“ wie die verschiedenen Messer festzuschreiben. Auch
andere Gegenstände wie Ketten und andere Geräte werden immer wieder gegen
Menschen eingesetzt. Das öffentliche Tragen von Geräten des Alltags kann
selbstverständlich gesetzlich nicht verboten oder lediglich unter Erlaubnisvor-
behalt zulässig sein. Dennoch muss die Polizei in größerem Umfang als bisher
die Möglichkeit bekommen, je nach Lagebild bestimmte gefährliche Gegen-

stände aus dem Verkehr zu ziehen, wenn zu besorgen ist, dass diese gegen Men-
schen eingesetzt werden sollen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/6961

Es ist zur wirksamen Umsetzung der Neuregelung unerlässlich, vom generellen
Verbot nur begründete Ausnahmen zuzulassen. Das kann über die bestehenden
Erlaubnisregelungen der §§ 41 und 42 WaffG hinaus auch beispielsweise für
die Nutzung von Messern gelten, wie sie beispielsweise beim Camping oder bei
Wanderungen verwendet werden. Die öffentliche Akzeptanz einer Neuregelung
hängt auch davon ab, pragmatische Lösungen für diese Fälle zu schaffen.

Eine weitere zu schließende Sicherheitslücke im Gesetz ist der freie Erwerb
von sog. Anscheinswaffen. Diese sehen automatischen Kriegswaffen täuschend
ähnlich. Ihre Verbreitung hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Bedau-
erlicherweise hat das Bundeskriminalamt am 18. Juni 2004 diese Waffen als
„Spielzeuge“ definiert. Die Kriegswaffenimitate und Nachbildungen von sog.
Pumpguns verfügen wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Originalen zudem über
ein erhebliches Bedrohungspotenzial. Sie werden wegen ihrer Ähnlichkeit mit
den Originalen immer wieder bei Überfällen und anderen Straftaten verwendet.
Die Opfer dieser Straftaten haben hier keine Möglichkeit, zwischen einer ech-
ten Waffe und einer Nachbildung zu unterscheiden. Hinzu kommt, dass gerade
diese vermeintlichen „Spielzeuge“ Jugendliche und Heranwachsende dazu ver-
führen, sich an den späteren Gebrauch von echten Waffen zu gewöhnen. Von
daher ist an dieser Stelle eine normenklare Verbotsregelung erforderlich.

Die Einführung des sog. Kleinen Waffenscheins zum Führen von Schreck-
schuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (SRS-Waffen) war nur ein erster Schritt,
dem weitere folgen müssen. So ist der Verkauf zwar offensichtlich rückläufig.
Dennoch sind die Regelungen nach § 10 Abs. 4 WaffG löchrig und müssen
überarbeitet werden. Gerade die besonders häufig verwendeten Gas- und
Schreckschusswaffen können nach wie vor unkontrolliert und unbeschränkt im
Handel erworben werden. Den „Kleinen Waffenschein“ benötigt der Waffen-
besitzer lediglich zum „Führen“ einer Waffe in der Öffentlichkeit, nicht aber
bereits für deren Kauf oder Besitz. Diese Differenzierung zwischen der Aus-
übung der tatsächlichen Gewalt über eine Waffe und deren Erwerb ist in der
Praxis nicht sachgerecht. Sie wurde schon im Zuge der damaligen Gesetzes-
beratungen heftig kritisiert, insbesondere von den Polizeigewerkschaften. Zum
Schaden der inneren Sicherheit verweigerte die Mehrheit der Bundesländer bis-
her noch eine restriktivere Regelung.

Gesetzlicher Klärungs- bzw. Regelungsbedarf besteht zudem hinsichtlich ge-
erbter Waffen. Will ein Erbe eine Waffenbesitzkarte erwerben oder die Waffe in
eine bestehende Waffenbesitzkarte eintragen lassen, muss ihm die persönliche
Unzuverlässigkeit nach § 20 Satz 2 WaffG erst nachgewiesen werden. Würde er
hingegen eine neue Waffe erwerben wollen, müsste er die gesetzlichen Voraus-
setzungen wie „Zuverlässigkeit“ und „Erforderlichkeit“ des Waffenbesitzes
nachweisen. Diese Privilegierung der Erben ist sachlich nicht gerechtfertigt.
Die alte Regelung von 1976 wurde im Kern beibehalten, aber nach Artikel 19
Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts von 2002 aufschiebend,
bedingt in Erwartung der Entwicklung von technisch wirksamen Blockiersyste-
men, die eine Benutzung der Waffe unmöglich machen, auf fünf Jahre befristet.

Der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
zur Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des
Erwerbs und des Besitzes von Waffen (KOM(2006)0093-C6-0081/2006/2006/
0031 (COD)) ist eine wichtige Grundlage für die anstehenden notwendigen
Änderungen des deutschen Waffenrechts. Die ablehnende Haltung der Bundes-
regierung, wie sie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion
hervorgeht (Bundestagsdrucksache 16/6113 vom 23. Juli 2007), ist fachlich
nicht haltbar und verkennt die sicherheitspolitischen Erfordernisse. So wäre es
ein bedeutsamer Schritt nach vorne, wenigstens auf nationaler Ebene ein zen-

trales Waffenregister einzurichten, das von Praktikern schon seit langem gefor-
dert wird. So hätten beispielsweise Polizeibeamte bessere Möglichkeiten der

Drucksache 16/6961 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Eigensicherung. Sie könnten sich vor einem Einsatz genauer darüber informie-
ren, ob eine Zielperson Waffen besitzt oder nicht.

Die Bundesrepublik Deutschland braucht über die Schaffung gesetzlicher Re-
gelungen hinaus eine gemeinsame gesellschaftliche Anstrengung öffentlicher
und nicht- öffentlicher Stellen, um das öffentliche Bewusstsein gegen das Tra-
gen von Waffen zu schärfen. Solange das Mitführen von Messern in Schulen
und Diskotheken noch immer als Attribut von Männlichkeit gilt, haben es Poli-
zeibeamte und Lehrer schwer, hier wirksam einzuschreiten. Ohne eine verän-
derte Haltung in der Öffentlichkeit wird jede Gesetzesänderung nur Stückwerk
bleiben können. Umgekehrt unterstützt aber eine klare Rechtslage diejenigen,
die sich in ihrer täglichen Arbeit intensiv um eine öffentliche Kultur ohne Waf-
fen bemühen. Staat, Gesellschaft und die öffentlichen Bildungseinrichtungen
müssen darüber hinaus auch Wege finden, sensibler und besser vorbereitet auf
Krisensituationen junger Menschen zu reagieren. Ausbrüchen von Gewalt ge-
hen in aller Regel Warnzeichen voraus, die beachtet werden müssen.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.