BT-Drucksache 16/5895

Konkretes Maßnahmenpaket für Klimaschutz und eine konfliktarme Energieversorgung verabschieden

Vom 4. Juli 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5895
16. Wahlperiode 04. 07. 2007

Antrag
der Abgeordneten Renate Künast, Fritz Kuhn, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell,
Dr. Reinhard Loske, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Jürgen Trittin, Ute Koczy,
Thilo Hoppe, Rainder Steenblock, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln),
Cornelia Behm, Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter,
Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch, Kerstin Müller
(Köln), Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Josef Philip
Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konkretes Maßnahmenpaket für Klimaschutz und eine konfliktarme
Energieversorgung verabschieden

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Klimawandel ist kein rein wissenschaftliches Drohszenario mehr, sondern
längst erschreckende Realität. Die Folgen einer bereits nachweisbaren vom
Menschen verursachten Temperaturerhöhung von 0,8 Grad sind in Form von
Wetterextremen weltweit spürbar. Hält dieser Trend an, sind unbeherrschbare
Klimafolgen vorprogrammiert. Eine Begrenzung der durchschnittlichen globa-
len Erderwärmung um höchstens 2 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten muss
daher das Ziel der internationalen wie nationalen Politik sein.

Die Klimawissenschaftler sind davon überzeugt, dass dafür bis 2050 der CO2-
Ausstoß in den Industriestaaten um mindestens 80 Prozent reduziert werden
muss. Folglich ist bis 2020 eine CO2-Reduzierung um mindestens 40 Prozent
gegenüber 1990 notwendig. Deutschland ist einer der größten Energiever-
schwender weltweit und gleichzeitig eines der bedeutendsten Industrieländer.
Wir stehen in der Verantwortung Vorreiter mit einer klimagerechten Lebens- und
Wirtschaftsweise zu sein.

Um die notwenige CO2-Reduktion zu erreichen, werden auf die einzelnen Haus-
halte und auf gesellschaftliche Gruppen wie z. B. Wirtschaft und Industrie, Ge-
werbe und Verkehr grundlegende Veränderungen zukommen. Wir müssen die
Art und Weise, wie wir produzieren, transportieren, wohnen und leben, grund-
legend ändern. Es ist Aufgabe der Politik, den Rahmen zu gestalten.

Die Begrenzung der globalen Erderwärmung erfordert geeignete Rezepte, um

die CO2-Emissionen wirksam zu reduzieren. Die Bundesregierung hat bislang
jedoch weder wirksame Maßnahmen noch ein schlüssiges Gesamtkonzept vor-
gelegt, mit dem die Reduktionsziele erreicht werden können. Ohne die Einfüh-
rung konkreter Maßnahmen können die CO2-Emissionen bis 2020 jedoch nicht
ausreichend reduziert werden. Dabei ist die Lösung naheliegend: Wir brauchen
in Deutschland einen drastischen Umbau der Energieversorgung. Auch in ande-
ren Bereichen kann und muss der CO2-Ausstoß reduziert bzw. die CO2-Bindung

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verbessert werden. In der Land- und Forstwirtschaft ergeben sich zusätzliche
Klimaschutzmöglichkeiten.

Energieeffizienz, der Ausbau erneuerbarer Energien und Energieeinsparung
sind die zentralen Lösungsansätze. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG), dem Ausstieg aus der Atomenergie, der Ökologischen Steuerreform und
dem Einstieg in das europäische Emissionshandelssystem wurde das Solarzeit-
alter eingeleitet. In nur wenigen Jahren ist Deutschland zum globalen Vorreiter
beim Ausbau von Wind- und Solarenergie sowie zum Weltmeister im Export er-
neuerbarer Energietechnologien geworden. Das EEG ist weltweit ein Modell zur
erfolgreichen Förderung von erneuerbaren Energien. Diese Entwicklung zahlt
sich auch auf dem Arbeitsmarkt aus: Mittlerweile arbeiten im Bereich der er-
neuerbaren Energien 215 000 Beschäftige, bereits sechs Mal so viele Menschen
wie im Kohlesektor. Dies waren jedoch nur die ersten Schritte. Der Ausbau der
erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung muss dringend fortgesetzt wer-
den. Die Ausbauraten der vergangenen Jahre haben gezeigt, wie erfolgreich er-
neuerbare Energien klimaschädliche fossile Energieträger ersetzen können. Eine
ähnliche Entwicklung brauchen wir dringend auch in den Bereichen Wärme und
Verkehr. Gleichzeitig bedarf es einer Strategie für mehr Einsparung von Energie.
Deutschland sollte sich zum Ziel setzen, zur energieeffizientesten Wirtschafts-
nation zu werden.

Die Bundesregierung hat bisher kein Konzept vorgelegt, wie der bevorstehen-
den Verknappung fossiler und atomarer Energie-Ressourcen strategisch ent-
gegengewirkt werden kann. Auch werden die internationalen Abhängigkeiten
nicht weiter hinterfragt und wachsende Konkurrenzen in Kauf genommen. Ohne
wirksame Maßnahmen läuft die Bundesrepublik Deutschland aber Gefahr, in die
nächste Energiewirtschaftskrise hineinzulaufen.

Statt eines solchen Klimaschutzplans spricht sich die Regierung für den Bau
neuer Kohlekraftwerke aus und stellt immer wieder den Atomausstieg zur Dis-
kussion. Beides verstellt einem wirksamen Klimaschutz den Weg. Der Ersatz
alter Kohlekraftwerke durch neue ist kontraproduktiv. Kohlekraftwerke ohne
CO2-Abscheidung sind klimapolitisch nicht verantwortbar. Technologien und
Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Lagerung (CCS) müssen erst noch ent-
wickelt werden und stehen vor 2020 nicht zur Verfügung. Vorher dürfen keine
vollendeten Tatsachen durch eine Vielzahl konventionell errichteter neuer Koh-
lekraftwerke geschaffen werden. Auf den Bau neuer Kohlekraftwerke muss
daher mindestens solange verzichtet werden, bis die von den Energiekonzernen
angekündigten CO2-freien Kraftwerke technisch machbar, ökologisch integer
und wirtschaftlich rentabel sind.

Auch die Atomkraft bietet keine Lösung der Energieprobleme. Der Rohstoff
Uran ist nur begrenzt vorhanden. Die Endlagerproblematik ist seit 50 Jahren
weltweit ungelöst. Die bisherigen Endlager in Deutschland haben nur neue
Probleme geschaffen. Hinzu kommt die latente Unfallgefahr, die durch den in-
ternationalen Terrorismus eine neue Dimension erreicht hat. Keines dieser Risi-
ken ist vertretbar. Zudem ist Atomkraft viel zu teuer. Atomenergie, die weltweit
nur 2,5 Prozent des Energiebedarfs abdeckt, kann keinen spürbaren Klimaeffekt
erzielen. Eine Laufzeitverlängerung der bestehenden AKW bewirkt lediglich,
dass die Energiekonzerne ihren Profit mit alter Technologie vergrößern und der
schnelle Einstieg in erneuerbare Energien und dezentrale Lösungen verzögert
wird. Wirksamer und wirtschaftlicher Klimaschutz ist daher nur ohne Atomkraft
möglich.

Das grüne Energiekonzept verbindet Klimaschutz mit einer nachhaltigen und
konfliktarmen Energieversorgung. Denn die Konkurrenzen und damit die Kon-
flikte um Fragen der Energiesicherheit nehmen zu. Statt die Antworten immer

noch in zur Neige gehenden Erdöl- und Erdgasfeldern, Kohle- und Urangruben

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zu suchen, ist der beste und friedlichste Weg, jetzt zügig in Einsparung, Effizienz
und erneuerbare Energien zu investieren.

Grüne Energiepolitik geht über nationale Konzeptionen hinaus. Die Klimakata-
strophe lässt sich nur global verhindern. Wir fordern ein Energiekonzept ein, das
auf multilateral vereinbarte globale Lösungen setzt und Europa zum Vorreiter
für ambitionierte Verpflichtungen zur Reduktion von Treibhausgasen macht.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich endlich auf ein verbindliches Klimaschutzziel zur Reduzierung der
nationalen Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050
um 80 Prozent gegenüber 1990 zu verpflichten;

2. die Fragen der Energieversorgungssicherheit mit einem beschleunigten
Ausbau der erneuerbaren Energien in Verbindung der Reduzierung des
Energieverbrauchs zu lösen, statt immer weiter auf klimaschädliche fossile
Rohstoffe zu setzen. Erneuerbare Energien sind im Gegensatz zu den end-
lichen fossilen und atomaren Energien unerschöpflich;

A. Im Strombereich

3. ein Effizienzpaket für Strom vorzulegen, dass den Stromverbrauch wirksam
reduziert. Nach der EU-Richtlinie Endenergieeffizienz mussten alle 27 Mit-
gliedstaaten bis spätestens zum 30. Juni 2007 einen nationalen Aktionsplan
Energieeffizienz (EEAP) vorlegen. Darin müssen ehrgeizige Ziele zur
Energieeinsparung für die Sektoren Primärenergie, Strom, Wärme/Kälte
und Kraftstoffe festgelegt und mit konkreten Maßnahmen und einem regel-
mäßigen Monitoring unterlegt werden;

4. die Verbrauchskennzeichnung von Endgeräten zu optimieren und auf andere
Geräte auszudehnen. Dafür müssen die Kennzeichnungsvorgaben regel-
mäßig anhand des technischen Fortschrittes aktualisiert werden;

5. einen umfangreichen Stromsparfonds aufzulegen, der zu einem großen Teil
aus den Auktionsgewinnen der Versteigerung der Emissionshandelszertifi-
kate gespeist wird. Diese Mittel sollen helfen, ineffiziente durch stromspa-
rende Endgeräte zu ersetzen;

6. sich für eine wirksame Ausgestaltung der EU-Richtlinie Ökodesign einzu-
setzen. Hier müssen endlich wirksame europaweite Mindeststandards für
Endgeräte festgelegt und ineffiziente Stand-by-Schaltungen verboten wer-
den;

7. die Sonderregelungen für die Industrie bei der Ökosteuer, bei der EEG-Um-
lage sowie bei ermäßigten Netznutzungsentgelten an die zwingende Durch-
führung eines Energieaudits oder die Einführung eines Energiemanage-
ments zu koppeln und insgesamt abzubauen;

8. die Kohleprivilegien im Rahmen des zweiten Nationalen Allokationsplans
(NAP II) zu beseitigen. Kohlekraftwerke dürfen nicht doppelt so viele Zer-
tifikate je Kilowattstunde erhalten wie Gaskraftwerke. Es muss in der
Stromerzeugung ein brennstoffunabhängiger Benchmark eingeführt wer-
den;

9. im Rahmen der Weiterentwicklung des europäischen Emissionshandels auf
die vollständige Versteigerung aller Rechte ab 2013 hinzuwirken;

10. das Mess- und Zählwesen zu liberalisieren und damit den Einbau intelligen-
ter Stromzähler zu ermöglichen;
11. durch staatliche Bürgschaften für Energiespar-Contracting auch Einspar-
maßnahmen mit hohen Anfangsinvestitionen zu ermöglichen;

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12. das öffentliche Beschaffungswesen zu ökologisieren. Die öffentliche Hand
sollte beim Einsatz effizienter Endgeräte Vorbildfunktion einnehmen;

13. den weiteren Ausbau aller erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung
durch eine Optimierung des EEG zu verstetigen;

14. die Internetplattform RenKNOW.net zum weltweiten Aufbau einer offenen
Universität für erneuerbare Energien (OPURE) zu unterstützen;

15. den Netzausbau zu verbessern und insbesondere durch Anreize für die Erd-
verkabelung zu beschleunigen;

16. ein Biogaseinspeisegesetz vorzulegen, damit das dezentral erzeugte Biogas
besser an Verbrauchstellen transportiert werden kann, bei denen der Wir-
kungsgrad höher ist als bei der reinen Verstromung;

17. eine echte Forschungsoffensive im Bereich erneuerbarer Energien sowie
Energiespartechnologien zu starten. Dazu müssen die Forschungsmittel
deutlich aufgestockt werden. Außerdem bedarf es einer übergreifenden For-
schungsstrategie, die sowohl andere Forschungsfelder wie Materialfor-
schung, Mikrosystemtechnik, Biotechnologien etc. mit einbezieht als auch
die sozialwissenschaftliche Begleitforschung stärkt, um die Anwendungs-
freundlichkeit der neuen Technologien zu erhöhen;

18. eine Bildungsoffensive im Bereich erneuerbarer Energien sowie Energie-
spartechnologien zu starten. Dazu gehören sowohl die Finanzierung von
Lehrstühlen in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbarer Energien
als auch die Einbindung dieser Themen in andere Wissensgebiete und die
Überarbeitung von Ausbildungsordnungen und Curricula;

19. das Wind-Onshorepotenzial durch eine differenzierte Anpassung der De-
gression sowie einem Abbau bürokratischer Hemmnisse besser zu erschlie-
ßen. Beim Repowering sollten die bestehenden Abstandsregelungen durch
die bundesgesetzlichen Regelungen des Immissionsschutzes (Schall, Schat-
tenwurf) ersetzt werden;

20. den Ausbau bei Wind-Offshore voranzutreiben. Dazu müssen die Vergü-
tungsregelungen im EEG für die Offshore-Windenergie als Anschubrege-
lung verbessert werden. Der Ausbau notwendiger Infrastruktur soll – unter
Berücksichtigung der Belange des Natur- und Artenschutzes – beschleunigt
werden;

21. den KWK-Bonus im EEG zu erhöhen bei gleichzeitiger Absenkung des
NaWaRo-Zuschlages;

22. Maßnahmen zu treffen, die der Bildung von Monokulturen in der Energie-
pflanzenproduktion entgegenwirken. Dazu muss umgehend eine Nachhal-
tigkeitsverordnung für Bioenergien vorgelegt werden, die sich auch auf das
EEG auswirkt;

23. die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Errichtung von Geothermie-
Anlagen zu verbessern und Probebohrungen zu beschleunigen, ohne eine
transparente Bürgerbeteiligung zu gefährden. Die Fündigkeitsrisikos für die
ersten 100 Geothermie-Anlagen sind abzusichern. Zusätzlich bedarf es
eines Geothermie-Tiefbohrprogramms sowie eines Seismikprogramms mit
dem Ziel des schnellen Erfahrungsaustausches zwischen den Programmen;

24. die Errichtung von Meereskraftanlagen durch einen gesonderten EEG-
Bonus zu fördern. Meereskraftanlagen sollten mit Offshore-Windenergie
hinsichtlich der Regelung der Netzkosten und Anschlussbedingungen
gleichgestellt werden. Meereskraftanlagen müssen durch begleitende Infra-
strukturprogramme und Pilotprojekte unterstützt werden;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5895

25. Eine europäische Richtlinie für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren
Energien nach dem Vorbild des deutschen EEG zu unterstützen und voran-
zutreiben;

26. die eigentumsrechtliche Entflechtung der Transportnetze von Erzeugung
und Vertrieb auf nationaler und europäischer Ebene voranzutreiben;

27. das Wettbewerbsrecht dahingehend zu ändern, dass bei einer zu starken
Marktdominanz eines Akteurs Teilverkäufe angeordnet werden können;

28. weitere Konzentrationsprozesse auf den Energiemärkten im Rahmen der
Fusionskontrolle zu verhindern;

B. Im Wärmebereich

29. die Vor-Ort-Beratung von Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer sowie
-nutzerinnen und -nutzer in Bezug auf Einsparpotenziale zu verbessern;

30. den Gebäudeenergiepass als einheitlichen Bedarfsausweis zu gestalten und
ihn damit zu einem wichtigen Indikator für den energetischen Sanierungs-
zustand des jeweiligen Gebäudes zu machen;

31. die Energieeinsparverordnung (EnEV) dahingehend zu verbessern, dass neu
errichtete Wohngebäude den Niedrigenergiehausstandard 60 einhalten müs-
sen;

32. das KfW-Gebäudesanierungsprogramm an eine bessere qualitative Über-
prüfung der durchgeführten Maßnahmen zu koppeln;

33. zu überprüfen, inwieweit weitere zusätzliche Möglichkeiten zur steuer-
lichen Abschreibung von energetischen Sanierungsmaßnahmen gewährt
werden können;

34. die Mietspiegelverordnung dahingehend zu verbessern, dass dort auch Aus-
kunft über den Energieverbrauch von Wohnungen gegeben werden muss;

35. Energiestandards im Mietrecht zu verankern, um Mietern ein Recht auf die
Einhaltung von energetischen Standards in ihren Wohnungen zu verbessern;

36. ein Wärmegesetz für erneuerbare Energien mit ordnungsrechtlichem Ansatz
zu verabschieden, um auch im Bereich der Wärme- und Kühlungsbereitstel-
lung den Einsatz erneuerbarer Energien zu beschleunigen;

37. das jetzige Marktanreizprogramm zu einem Innovationsprogramm umzuge-
stalten, das neue Technologien aus den Bereichen Strom, Wärme und Ver-
kehr zur Marktreife führt;

38. das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz so zu verbessern, dass Investitionen in
den Ausbau von KWK-Anlagen und in Wärmenetze angereizt werden;

39. in das KWK-Gesetz eine Regelung aufzunehmen, die auch für die Strom-
erzeugung aus Abwärme einen Bonus vorsieht;

C. Im Verkehrsbereich

40. verbindliche Grenzwerte für neue Pkw in Europa festzulegen: 120 g CO2/km
in 2012 (ca. 4,5 l Diesel oder 5,0 l Benzin/100 km) und 80 g CO2/km in 2020
(ca. 3,0 l Diesel oder 3,4 l Benzin/100 km);

41. ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen (100 km/h für Kleinlaster)
einzuführen und die Höchstgeschwindigkeit auf zweispurigen Landstraßen
auf 80 km/h und innerorts auf 30 km/h (mit Ausnahmen) abzusenken;

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42. die Kfz-Steuer auf eine CO2-bezogene Steuer umzustellen, die spritspa-
rende Fahrzeuge belohnt und Spritschlucker viel stärker zur Kasse bittet als
heute;

43. ein Marktanreizprogramm für alternative Antriebe (Hybrid, Plug-In-
Hybrid) mit einem Volumen von 100 Mio. Euro jährlich mit dem Ziel „Eine-
Million-Elektrofahrzeuge bis 2020“ aufzulegen;

44. die Dienstwagenbesteuerung auf die Bemessungsgrundlage CO2-Ausstoß
und Deckelung der Steuerförderung bei CO2-Grenzwerten umzustellen;

45. einen Klimapass einzuführen: CO2-Kennzeichnung für Neufahrzeuge mit
klaren Effizienzklassen A bis E wie bei Elektrogeräten;

46. die Mittel für Neu- und Ausbau von Straßen auf Erhalt und Sanierung um-
zustellen;

47. eine Stiftung „FahrRad“ durch den Bund gemeinsam mit privaten Partner
einzurichten. Mit einem Startkapital von 100 Mio. Euro sollen innovative
Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in Kommunen und ein einheit-
liches zusammenhängendes Radwegenetz in Deutschland unterstützt wer-
den;

48. die Kürzungen der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennah-
verkehr zurückzunehmen. Ferner soll sie ein Bundes-ÖPNV-Gesetz aus-
arbeiten, das alle staatlichen Zuwendungen bündelt, die über so genannte
Aufgabenträger in einem fairen Qualitätswettbewerb vergeben werden;

49. eine bundesweit gültige Mobil-Karte (GreenCard) für den öffentlichen Ver-
kehr zu etablieren;

50. Schienennetzinvestitionen zu erhöhen und bei mindestens 4 Mrd. Euro pro
Jahr und effizientem Einsatz zur Beseitigung von Engpässen Kapazitäts-
erweiterungen zu verstetigen, z. B. durch stärkere Förderung für Umschlag-
anlagen, für den Wagenladungsverkehr und den Kombinierten Verkehr
sowie für Gleisanschlüsse;

51. eine europäische Initiative für Nullemissionen bei neu zugelassenen Zwei-
rädern, wie Mofas und Motorrollern, bei denen dies heute schon technisch
möglich ist, einzuleiten;

52. Steuerprivilegien umweltschädlicher Verkehrsträger abzuschaffen (die Ein-
führung einer Kerosinsteuer für gewerbliche Flüge, die Abschaffung der
Mehrwertsteuerbefreiung für Auslandsflüge, die Einbeziehung des Luftver-
kehrs in den CO2-Emissionshandel);

53. die LKW-Maut auf 40 Cent/km bis 2020 (von 12,4 ct/km in 2007) anzuhe-
ben, um die externen Kosten einzubeziehen. Außerdem sollte die Maut auf
Kleinlaster sowie auf alle überregional bedeutsamen Bundesstraßen ausge-
dehnt werden;

54. Wettbewerb auf der Schiene durch klare öffentliche Verantwortung für das
Schienennetz zu fördern;

55. den Einsatz nachhaltiger Biokraftstoffe im Lkw-Bereich, insbesondere Erd-/
Biogas bei Kleintransportern und Hybridantriebe bei Kleintransportern zu
unterstützen. Ebenso sollte die die Umrüstung von Binnenschiffen auf Bio-
kraftstoffe gefördert werden;

56. die Steuerbegünstigung von reinen Biokraftstoffen gegenüber fossilen
Kraftstoffen wieder einzuführen und damit unbefristet die Wettbewerbs-
fähigkeit von Biokraftstoffen zu sichern;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5895

D. In der EU und Außenpolitik

57. für die Aushandlung eines „Kyoto Plus“-Abkommens bis 2009 einzutreten,
das rechtlich verbindliche Senkungen der Treibhausgasemissionen mit
Technologiekooperation verbindet und den Flug- und Schiffsverkehr in den
weltweiten Emissionshandel einbezieht;

58. eine Einigung der Weltklimakonferenz in Bali im Dezember 2007 auf wirk-
same Maßnahmen der Technologiekooperation voranzutreiben, die auch
sinnvolle Lösungen für Entwicklungs- und Schwellenländer anbieten;

59. eine internationale Initiative zu starten für eine Globale Energieagentur, die
Interessen von Lieferanten, Transit- und Verbraucherländern verknüpft und
Aufgaben der Streitschlichtung übernimmt;

60. die Aufwertung des UN-Umweltprogramms (UNEP) zu einer UN-Umwelt-
organisation (UNEO) sowie eine internationale Agentur für erneuerbare
Energien (IRENA) zu unterstützen;

61. eine nachhaltige internationale Bioenergiepolitik zu fördern, die ökologisch
und sozial verträgliche Produktion sicherstellt. Dazu muss zügig ein Zerti-
fikatssystem gemeinsam mit den Produzentenländern erarbeitet und umge-
setzt werden;

62. den Tropenwaldschutz als wichtigen Ansatz des Klimaschutzes voranzu-
treiben und damit verbundene innovative Finanzierungsinstrumente insbe-
sondere zur Kompensation von „vermiedener Entwaldung“ kurzfristig zu
entwickeln und umzusetzen;

63. sich dafür einzusetzen, dass die EU tatsächlich eine globale Vorreiterrolle
übernimmt und ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 verbindlich um
30 Prozent reduziert;

64. in der EU, in den Vereinten Nationen und anderen Institutionen für eine
innovative Energiepolitik für Entwicklung einzutreten, die dezentrale nach-
haltige Energiesysteme ausbaut und technologisches Know-how ausbildet
(capacity building);

65. die KfW Sonderfazilität für erneuerbare Energien und Energieeffizienz fort-
zuführen und durch Mischfinanzierung jährlich 800 Mio. Euro zu gene-
rieren;

66. sich in der Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken dafür zu enga-
gieren, dass – wie in der „Extractive Industries Review“ der Weltbank emp-
fohlen – die Förderung fossiler Energien gestoppt und durch die Förderung
erneuerbarer Energien ersetzt wird;

67. sich dafür einzusetzen, dass die Bekämpfung des Klimawandels systema-
tisch in alle internationalen Programme der Entwicklungshilfe einbezogen
wird, und mit nationalen Programmen voranzugehen;

68. in ihrer Energieaußenpolitik keine Menschenrechtsrabatte zu geben und in-
ternationale Initiativen zu unterstützen zur Überwindung des „Ressourcen-
fluchs“;

69. sich dafür zu engagieren, dass Staaten im Kampf gegen Korruption im Roh-
stoffsektor die „Extractive Industry Transparency Initiative“ (EITI) besser
umsetzen und weiterentwickeln. Dabei muss der Banken- und Investitions-
sektors mit einbezogen werden;

70. sich in internationalen Gremien für eine Konzipierung internationaler Ener-
giepolitik als strategische Friedenspolitik zu engagieren und konsequent
gegen Pläne der Einrichtung einer Energie-NATO einzutreten;

Drucksache 16/5895 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
71. sich dafür einzusetzen, dass die EU in ihre bilaterale und multilaterale
Energieaußenpolitik die Förderung erneuerbarer Energien, Energieeffizienz
und Energiesparen einbezieht;

72. eine neue EU-Strategie für Versorgungssicherheit zu unterstützen, die zu
einer Diversifizierung der Energieimporte beiträgt. Regionale Koopera-
tionsansätze, die wie die neue Schwarzmeersynergie Interessen zusammen-
bringen, stärken die Energiesicherheit.

73. sich dafür einzusetzen, dass im neuen EU-Partnerschafts- und Koopera-
tionsabkommen mit Russland auch ein vertiefter Energiedialog für erneuer-
bare Energien einbezogen wird. Außerdem müssen soziale und ökologische
Konditionen der Öl- und Gasförderung diskutiert werden;

74. sich dafür einzusetzen, dass in die neue EU-Afrika-Strategie eine Energie-
partnerschaft einbezogen wird, die Energie für Entwicklung in Afrika in den
Mittelpunkt stellt;

75. Eine transeuropäische Strategie mit MENA-Staaten (Nordafrika, Naher
Osten) zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien und teilweisem
Import nach Europa zu entwickeln und in Europa und den MENA-Staaten
einzubringen;

76. den deutsch-brasilianischen Atomvertrag – wie auch andere Atomverträge
– durch einen Erneuerbare-Energien-Vertrag zu ersetzen;

77. in der EU neue Impulse zu schaffen gegen Atomkraft, gegen EURATOM
und die Gründung eines EU-Vertrages für erneuerbare Energien zu initieren.
Auch der einseitige Austritt Deutschlands aus dem EURATOM-Vertrag
muss erwogen werden;

78. eine internationale Initiative zu lancieren mit dem Ziel, Lücken im Atom-
waffensperrvertrag zu schließen.

Berlin, den 4. Juli 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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