BT-Drucksache 16/5449

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/3656- Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung der Computerkriminalität (... StrÄndG)

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5449
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 16/3656 –

Entwurf eines . . . Strafrechtsänderungsgesetzes zur Bekämpfung
der Computerkriminalität (. . . StrÄndG)

A. Problem

Zur strafrechtlichen Bekämpfung der Computerkriminalität sind auf der Ebene
des Europarates und der Europäischen Union Rechtsinstrumente entstanden,
die zu Umsetzungsbedarf im deutschen Strafrecht führen. So zielt das Überein-
kommen des Europarates über Computerkriminalität vom 23. November 2001
neben Vorgaben für das Strafverfahrensrecht, die internationale Zusammen-
arbeit und zur Rechtshilfe auf einen Mindeststandard bei den Strafvorschriften
über bestimmte schwere Formen der Computerkriminalität ab. Der Rahmen-
beschluss 2005/222/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über Angriffe auf
Informationssysteme verpflichtet die Mitgliedstaaten ebenfalls, schwere For-
men dieser Kriminalität unter Strafe zu stellen. Durch Angleichung der einzel-
staatlichen Strafvorschriften gegen Angriffe auf Informationssysteme soll die
Zusammenarbeit zwischen den Justiz- und Strafverfolgungsbehörden der Mit-
gliedstaaten verbessert werden.

B. Lösung

Der Umsetzung dieser Vorgaben dienen verschiedene Gesetzesänderungen
im deutschen Recht (Einfügung der §§ 202b und 202c in das Strafgesetzbuch
– StGB –, Änderung und Ergänzung der §§ 202a, 303a und 303b StGB, Klar-
stellung zu § 130 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sowie Folge-
änderungen im StGB).

Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE.

Drucksache 16/5449 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5449

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3656 unverändert anzunehmen.

Berlin, den 23. Mai 2007

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Dirk Manzewski
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit S. 2318 f., zu so genannter Verfälschungssoftware bei

in der Informationstechnik, Bonn

6. Prof. Dr. Erich Hilgendorf
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

7. Prof. Dr. Hans Kudlich
Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg,

Tachometermanipulation im Rahmen des § 22b StVG).

Die Strafvorschrift habe in erster Linie professionelle An-
bieter im Blick, die durch die Bereitstellung von Computer-
programmen, die für die Begehung von Straftaten geschrie-
ben würden, ein vom Gesetzgeber als unerwünscht und
Drucksache 16/5449 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen),
Dirk Manzewski, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Neskovic und
Jerzy Montag

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/3656 in seiner 73. Sitzung am 14. Dezember 2006
in erster Lesung beraten und dem Rechtsausschuss zur
federführenden Beratung sowie dem Innenausschuss und
dem Ausschuss für Kultur und Medien zur Mitberatung
überwiesen. In seiner 97. Sitzung am 10. Mai 2007 hat der
Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf nachträglich auch
dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat die Vorlage in seiner 41. Sitzung am
23. Mai 2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. beschlossen,
zu empfehlen, den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3656
anzunehmen.
Der Ausschuss für Kultur und Medien hat die Vorlage
in seiner 35. Sitzung am 23. Mai 2007 beraten und mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP bei Abwesenheit der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen, zu empfehlen,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3656 anzunehmen.
Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat in seiner 36. Sitzung am 23. Mai
2007 auf die Abgabe eines Votums verzichtet.

III. Beratungsverlauf und -ergebnis
im Rechtsausschuss

Der Rechtsausschuss hat in seiner 43. Sitzung am 17. Januar
2007 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf eine öffentliche
Anhörung durchzuführen, die am 21. März 2007 (54. Sit-
zung) stattfand. An der Anhörung haben folgende Sach-
verständige teilgenommen:

1. Prof. Dr. Borges
Ruhr-Universität Bochum, Juristische Fakultät

2. Michael Bruns
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof,
Karlsruhe

3. Dr. Marco Gercke
Rechtsanwalt, Köln

4. Dr. Jürgen-Peter Graf
Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe

5. Michael Hange

8. Felix Lindner
Geschäftsführer von SABRE Labs GmbH, Berlin

9. Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg LL.M
Privatdozent, Universität Bonn, Institut für Strafrecht.

Hinsichtlich der Ergebnisse der Anhörung wird auf das
Protokoll der 54. Sitzung des Rechtsausschusses vom
21. März 2007 mit den anliegenden Stellungnahmen der
Sachverständigen verwiesen.

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
64. Sitzung am 23. Mai 2007 abschließend beraten. Er hat
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. beschlossen, zu empfehlen, den Gesetz-
entwurf anzunehmen.

Als Ergebnis der Beratungen hielten die Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fest:

Die technische Entwicklung der vergangenen Jahre habe
gezeigt, dass es im Bereich der Computerkriminalität im
deutschen Strafrecht durchaus relevante Lücken gebe, deren
Schließung der Rahmenbeschluss über Angriffe auf Infor-
mationssysteme (2005/222/JI) sowie das Übereinkommen
des Europarates über Computerkriminalität vom 23. No-
vember 2001 forderten. Die von der Bundesregierung vor-
geschlagenen Regelungen seien hierzu grundsätzlich gebo-
ten und sachgerecht. In der Anhörung des Rechtsausschus-
ses von Vertretern der IT-Branche vorgetragene Bedenken
hinsichtlich des § 202c StGB seien sehr ernsthaft geprüft
worden. Der Gesetzentwurf kriminalisiere nicht den bran-
chenüblichen Einsatz von Hacker-Tools durch Netzwerk-
administratoren, insbesondere wenn diese nur die Sicherheit
des eigenen Datennetzes prüfen wollten. Nach sorgfältiger
Prüfung der vorgeschlagenen Regelungen sei der Rechts-
ausschuss der Auffassung, dass der Gesetzentwurf nicht zu
einer Überkriminalisierung führe. Um Missverständnisse zu
vermeiden, stelle der Rechtsausschuss klar, dass § 202c
StGB hinsichtlich der Zweckbestimmung im Sinne des Arti-
kels 6 des Europarats-Übereinkommens auszulegen sei. Da-
nach seien nur Computerprogramme betroffen, die in erster
Linie dafür ausgelegt oder hergestellt würden, um damit
Straftaten nach den §§ 202a, 202b StGB zu begehen. Die
bloße Geeignetheit zur Begehung solcher Straftaten be-
gründe keine Strafbarkeit. Die geforderte Zweckbestim-
mung müsse eine Eigenschaft des Computerprogramms in
dem Sinne darstellen, dass es sich um sog. Schadsoftware
handele (vgl. hierzu den Beschluss des Bundesverfassungs-
gerichts vom 19. Mai 2006 – 2 BvR 1589/05 –, NJW 2006,
Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und
Rechtsphilosophie

strafbar angesehenes Verhalten unterstützten und damit Ge-
winn erzielten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5449

Der Gesetzgeber werde die Auswirkungen der neuen Straf-
vorschriften genau zu beobachten haben. Sollten doch Pro-
grammentwickler und Firmen, die nicht aus krimineller
Energie heraus handelten, durch diese neuen Strafvorschrif-
ten in Ermittlungsverfahren einbezogen werden, werde auf
solche Entwicklungen zeitnah reagiert werden müssen.

Der Rechtsausschuss weise darauf hin, dass es sich bei den
§§ 202a und 202b StGB um Antragsdelikte handele.

Der Rechtsausschuss gehe davon aus, dass sogenannte
Massen-E-Mail-Proteste nicht den Tatbestand des § 303b
StGB erfüllten, sondern ohne Nachteilszufügungsabsicht
geschähen und von der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des
Grundgesetzes (GG) gedeckt seien.

Die Fraktion DIE LINKE. stellte folgenden Änderungs-
antrag:

Der Bundestag wolle beschließen:
Artikel 1 wird wie folgt geändert:
a) In Nummer 3 wird § 202c wie folgt gefasst:

㤠202c
Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten

(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vor-
bereitet, indem er Passworte oder sonstige Sicherungs-
codes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermög-
lichen, herstellt, sich oder einem anderen verschafft, ver-
kauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zu-
gänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem
Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.“

b) In Nummer 6 wird § 303b wie folgt gefasst:

㤠303b
Computersabotage

(1) Wer eine Datenverarbeitung, die für einen anderen
von wesentlicher Bedeutung ist, dadurch erheblich stört,
dass er

1. eine Tat nach § 303a Abs. 1 begeht oder

2. eine Datenverarbeitungsanlage oder einen Daten-
träger zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht, be-
seitigt oder verändert,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft.

(2) Handelt es sich um eine Datenverarbeitung, die
für einen fremden Betrieb, ein fremdes Unternehmen
oder eine Behörde von wesentlicher Bedeutung ist und
beeinträchtigt der Täter durch die Tat die Versorgung
der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern oder
Dienstleistungen erheblich, ist die Strafe Freiheitsstrafe
bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Für die Vorbereitung einer Straftat nach Absatz 1
gilt § 202c entsprechend.“

Begründung
Zu 1.

§ 202b geeignet sind, von der Strafdrohung des § 202c aus-
genommen. Damit macht der Entwurf von der Möglichkeit
des Artikels 6 Absatz 3 des Übereinkommens des Europa-
rates über Computerkriminalität vom 23. November 2001
Gebrauch. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der
demgegenüber eine weitgehende Vorfeldkriminalisierung
anstrebt, lässt keine hinreichenden Kriterien erkennen, wie
strafwürdige Vorbereitungen von Straftaten nach § 202a
oder § 202b von dem sozialethisch nicht zu missbilligenden
Umgang mit Programmen, die sich zu solchen Straftaten
eignen, abgegrenzt werden können und gerät somit in einen
Konflikt mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot aus
Art. 103 Abs. 2 GG. Insbesondere ist es entgegen der Be-
gründung des Regierungsentwurfs in der Regel nicht mög-
lich, eine hinreichend bestimmte Abgrenzung durch die ob-
jektive Zweckbestimmung des Programms zu erreichen. Die
meisten dieser Programme (dual use tools) lassen sich näm-
lich sowohl zur Begehung der genannten Straftaten als auch
zu legitimen Zwecken verwenden, so dass es letztlich der
Anwender ist, der den Zweck setzt. Damit sieht sich der Pro-
grammierer, sofern er die Möglichkeit einer kriminellen
Verwendung seines Programms erkennt, der Gefahr der
Strafverfolgung ausgesetzt, obwohl gerade die IT-Sicher-
heitsbranche, Netzwerkadministratoren und Forschung auf
die Herstellung und den Umgang mit solchen Programmen
angewiesen sind.
Diese Unsicherheit für die gesamte IT-Sicherheitsbranche
hat nicht nur existenzbedrohende Auswirkungen für die in
diesem Bereich tätigen klein- und mittelständischen Unter-
nehmen und ihre Angestellten, sie droht darüber hinaus zu
einer Senkung des Sicherheitsniveaus in der gesamten deut-
schen IT-Branche zu führen, weil der Umgang von Pro-
grammen, die für Sicherheitstests unabdingbar sind, mit der
Gefahr der Strafverfolgung verbunden ist.
Strafbarkeitslücken sind in diesem Zusammenhang schon
deshalb nicht ersichtlich, weil durch die anderen Tat-
bestände des Computerstrafrechts bereits ein angemessener
Rechtsgüterschutz verwirklicht ist. Abgesehen von den Be-
denken, die schon grundsätzlich gegen exzessive Vorfeld-
kriminalisierungen bestehen, ist daher auch im konkreten
Fall nicht ersichtlich, weshalb eine weit im Vorfeld der
eigentlichen Rechtsgutsverletzung eingreifende Strafvor-
schrift erforderlich sein sollte.
Nach dem Änderungsantrag soll daher auf eine Inkriminie-
rung des genannten Vorfeldbereichs gänzlich verzichtet
werden.

Zu 2.
Die Änderung des § 303b Abs. 1 zielt darauf ab, die Neu-
einführung der Tatbestandsalternative des Eingebens oder
Übermittelns von Daten in Nachteilszufügungsabsicht rück-
gängig zu machen. Die Schaffung dieser Alternative, die
an sich neutrale Handlungen wie das Eingeben und Über-
mitteln von Daten unter Strafe stellt, ist weder von dem
Übereinkommen des Europarates über Computerkrimina-
lität noch durch den Rahmenbeschluss des Rates vom
24. Februar 2005 über Angriffe auf Informationssysteme
gedeckt. Die europäischen Vorgaben setzen nämlich über-
einstimmend voraus, dass die pönalisierte Handlung unbe-
Durch die Neufassung des § 202c wird der Umgang mit
Computerprogrammen, die zu Straftaten nach § 202a oder

fugt begangen werden muss, wovon bei der Eingabe oder
Übermittlung von Daten gerade nicht ausgegangen werden

len, um nach Absatz 4 gegebenenfalls zu einer bis zu zehn-
jährigen Freiheitsstrafe verurteilt zu werden. Dieser Ansatz
erscheint aus mehreren Gründen inakzeptabel. Zum einen
ist es offensichtlich, dass sich dieses Vorgehen wertungsmä-
ßig in eklatanten Widerspruch zu den Vorgaben des Bundes-
verfassungsgerichts zur Strafbarkeit sogenannter Sitzblo-
ckaden setzt. Bei diesen nämlich macht sich nicht strafbar,
wer durch seine bloße Anwesenheit einem anderen die Mög-
lichkeit nimmt, den Raum aufzusuchen oder zu passieren, an
dem sich der Teilnehmer der Sitzblockade befindet. Nichts
anderes geschieht aber bei einem sogenannten virtuellen
Sit-in, auch hier wird derjenige, der eine Internetseite auf-
suchen will, daran gehindert, weil mehrere andere Perso-
nen, diese schon vor ihm anwählten.
Problematisch ist dabei auch, dass die Inkriminierung die-
ser neutralen Handlungen letztlich dazu führt, dass allein
die Absicht, die ihnen zu Grunde liegt, strafbarkeitsbegrün-
dend wirkt, so dass letztlich eine Gesinnung bestraft wird.
Hinzu kommt, dass die Frage, inwieweit Onlinedemonstra-
tionen, die zur Behinderung Dritter führen, grundrechtlich
geschützt sind, bisher nicht abschließend geklärt ist, obwohl
das Ministerkomitee des Europarates bereits im Mai 2005
die Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen hat, die Rahmenbe-
dingungen für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im
Internet zu schaffen (Vgl.: MMR 2005, 863). So hat das
Amtsgericht Frankfurt mit Urteil vom 1.7.2005 (MMR 2005,
863) entschieden, weder die Versammlungs-, noch die Mei-
nungsäußerungsfreiheit schütze Onlinedemonstrationen.
Dieses Urteil hat das OLG Frankfurt mit Beschluss vom
22.5.2006 aufgehoben, ohne zu der Anwendbarkeit der
Kommunikationsrechte Stellung nehmen zu müssen.
Auch im Deutschen Bundestag scheinen sowohl bezüglich
des Grundrechtsschutzes virtueller Sit-ins als auch hinsicht-
lich deren Strafwürdigkeit diametral entgegengesetzte An-
sichten zu herrschen. So hat der ehemalige Bundesinnenmi-
nister Schily erwogen, Naziinternetauftritte auf die gleiche
Art und Weise zu blockieren, wie es im Falle einer Online-
demonstration erfolgen kann.
Der Abgeordnete Jörg Tauss, Beauftragter für Neue Medien
der SPD-Bundestagsfraktion, hat wiederholt zum virtuellen

DDoS-Attacken durchaus „im Lichte der Grundrechte“ ge-
sehen werden müssten. Statt auf Artikel 8 stützt er sich dabei
allerdings auf Artikel 5 des Grundgesetzes, der die all-
gemeine Meinungsfreiheit garantiert. Auch im Internet
gelte: „Eine Demonstration ist immer ein Bündel von
Grundrechten.“ (Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/
7/7907/1.html).
Die von der Bundesregierung geplante Einführung der
neuen Tatbestandsalternative droht die Frage nach der
Strafbarkeit von Onlinedemonstrationen zu entscheiden,
ohne dabei auf die auch im Internet zu berücksichtigenden
Grundrechte der Normunterworfenen angemessen Rück-
sicht zu nehmen.
Die weiteren Änderungen der Absätze 2 bis 4 zielen darauf
ab, die Verhältnismäßigkeit der Strafdrohungen zu wahren
und diese nicht gänzlich aus dem Rahmen der übrigen Sach-
beschädigungsdelikte ausscheren zu lassen. Eine Freiheits-
strafe von bis zu zehn Jahren erscheint in diesem Bereich
grundsätzlich unverhältnismäßig. Auch die Anknüpfungs-
punkte, die zu einer Indizwirkung für das Vorliegen eines be-
sonders schweren Falls führen, verkennen die Realitäten des
Internets. So ist der Eintritt eines Vermögensverlustes gro-
ßen Ausmaßes von multiplen Faktoren aus der Sphäre des
Verletzten abhängig, die für den Täter weder erkennbar
noch zu beeinflussen sind. Insoweit erscheint es nicht sach-
gerecht in der Höhe des Vermögensverlustes ein schuld-
steigerndes Merkmal zu sehen. Auch hinsichtlich der ande-
ren Regelbeispiele ist eine Strafdrohung von drei Jahren als
ausreichend anzusehen. Lediglich für den Fall, dass durch
die Tat die Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen
Gütern oder Dienstleistungen erheblich beeinträchtigt wird,
erscheint eine Erhöhung des Strafrahmens angezeigt. Die
Voraussetzung der erheblichen Beeinträchtigung stellt si-
cher, dass eine Strafbarkeit nach Absatz 2 nur bei spürbaren
Versorgungseinbußen der Bevölkerung und nicht bei bloßen
Beeinträchtigungen des Angebots solcher Güter und Dienst-
leistungen in Betracht kommt.
Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE. wurde mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. abgelehnt.

Berlin, den 23. Mai 2007

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Dirk Manzewski
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin
Drucksache 16/5449 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

kann. Anlass dafür, den Straftatbestand auch auf neutrale
Verhaltensweisen auszudehnen, war vielmehr ein Beschluss
des OLG Frankfurt a. M. vom 22.5.2006 (MMR 2006, 547),
nach welchem sogenannte Online-Demonstrationen vom
geltenden Strafrecht nicht umfasst sind. Um solche Online-
Demonstrationen, die die Blockade einer bestimmten Inter-
netseite zur Folge haben können, zu verhindern, soll es
nach dem Entwurf der Bundesregierung daher genügen, mit
Nachteilszufügungsabsicht die betreffende Seite anzuwäh-

Protest gegen das dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
zu Grunde liegende Cybercrime-Abkommen des Europa-
rats aufgefordert, das seiner Meinung nach die Befugnisse
der Strafverfolger auf Kosten von Bürgerrechten zu stark
ausweitet (Quelle: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/7/7907/
1.html).
Sierk Hamann, Richter und Experte rund ums Online-Recht
aus den Reihen der FDP, äußerte die Ansicht, dass sogar
Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.