BT-Drucksache 16/5448

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/4663- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes und anderer Gesetze

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5448
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 16/4663 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes
und anderer Gesetze

A. Problem

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27. Juli 2005
(1 BvR 668/04) dargelegt, dass auch bei Telekommunikationsüberwachungs-
maßnahmen Regelungen zum Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensge-
staltung erforderlich sind. Diesen Anforderungen soll mit den Änderungen des
Zollfahndungsdienstgesetzes Rechnung getragen werden. Daneben sollen ein-
zelne Vorschriften des Zollfahndungsdienstgesetzes an die sich aus der Recht-
sprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Überwachung des Wohnraums
(vgl. Urteil vom 3. März 2004 1 BvR 2378/98) ergebenden Anforderungen an-
gepasst werden.

Am 15. Dezember 2005 trat die Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Überwachung
von Barmitteln, die in die oder aus der Gemeinschaft verbracht werden (ABl.
EU Nr. L 309 S. 9) in Kraft. Sie ist ab dem 15. Juni 2007 anwendbar und ver-
drängt insoweit die bisherigen nationalen Regelungen des Zollverwaltungsge-
setzes zur Überwachung des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs an den
deutschen EU-Außengrenzen.

B. Lösung

In dem Gesetzentwurf werden Regelungen zum Schutz des Kernbereichs priva-
ter Lebensgestaltung bei Befugnissen zu Eigensicherungsmaßnahmen inner-
halb von Wohnungen zur Telekommunikationsüberwachung geschaffen.

Die nationalen Regelungen zur Überwachung des grenzüberschreitenden Bar-
geldverkehrs werden an die Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 angepasst. Den
Zollbehörden soll durch die Änderung des Zollverwaltungsgesetzes die Auf-
gabe der Überwachung des Verbringens von Barmitteln in die oder aus der Ge-
meinschaft gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1889/2005 übertragen und die
durch nationales Recht auszugestaltenden Befugnisse geschaffen werden.

Drucksache 16/5448 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5448

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/4663 mit folgenden Maßgaben, im
Übrigen unverändert anzunehmen:

1. Artikel 1 Nr. 7 Buchstabe a wird wie folgt gefasst:

,a) Absatz 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

„2. Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie
mit einer Person nach Nummer 1 nicht nur flüchtig oder in zufälli-
gem Kontakt in Verbindung stehen und

a) von der Vorbereitung von Straftaten im Sinne der Nummer 1
Kenntnis haben,

b) aus der Verwertung der Taten Vorteile ziehen könnten oder

c) die Person nach Nummer 1 sich ihrer zur Begehung der Straftaten
bedienen könnte (Kontakt- und Begleitpersonen),“.‘

2. Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe a, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 Buchstabe a wird
jeweils wie folgt gefasst:

,a) Absatz 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

„2. Kontakt- und Begleitpersonen,“.‘

3. Artikel 1 Nr. 12 wird wie folgt geändert:

,§ 22a Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangten personenbezoge-
nen Daten dürfen außer für den in Absatz 1 bezeichneten Zweck nur ver-
wendet werden zur

1. Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbeson-
dere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, oder

2. Verfolgung einer in § 100c der Strafprozessordnung genannten Straftat,
wenn die Rechtmäßigkeit der Maßnahme durch das Amtsgericht, in dessen
Bezirk das Zollkriminalamt seinen Sitz hat, gerichtlich festgestellt wurde.
Entscheidet das Zollkriminalamt über die Verwendung der Daten wegen
Gefahr im Verzug, so ist die Entscheidung des Gerichts unverzüglich nach-
zuholen. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.“‘

4. Artikel 1 Nr. 13 Buchstabe e wird wie folgt geändert:

In § 23a Abs. 5a Satz 2 wird die Angabe „Satz 3“ durch die Angabe „Satz 2“
ersetzt.

5. Artikel 1 Nr. 16 wird wie folgt geändert:

In § 23g Abs. 4 Satz 4 wird das Wort „zwei“ durch das Wort „drei“ und in
Satz 5 werden die Wörter „einem Monat“ durch die Wörter „drei Monaten“
ersetzt.

6. Artikel 1 Nr. 19 wird wie folgt gefasst:

,§ 28 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) § 18 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend. Zuständig für die Unterrichtung
im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 1 ist das anordnende Zollfahndungsamt.“‘

Drucksache 16/5448 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

7. Artikel 1 Nr. 21 wird wie folgt gefasst:

,§ 30 Abs. 3 und § 31 Abs. 3 werden jeweils wie folgt gefasst:

„(3) § 18 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend. Zuständig für die Unterrich-
tung im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 1 ist das anordnende
Zollfahndungsamt.“‘

8. Artikel 1 Nr. 23 wird wie folgt geändert:

,§ 32a Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangten personenbezo-
genen Daten dürfen außer für den in Absatz 1 bezeichneten Zweck nur ver-
wendet werden zur

1. Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbe-
sondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, oder

2. Verfolgung einer in § 100c der Strafprozessordnung genannten Straftat,

wenn die Rechtmäßigkeit der Maßnahme durch das Amtsgericht, in dessen
Bezirk das Zollfahndungsamt seinen Sitz hat, gerichtlich festgestellt wur-
de. Entscheidet das Zollfahndungsamt über die Verwendung der Daten
wegen Gefahr im Verzug, so ist die Entscheidung des Gerichts unverzüg-
lich nachzuholen. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes
über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.“‘

9. Artikel 2 Nr. 3 Buchstabe f wird wie folgt gefasst:

,f) In dem bisherigen Absatz 3 Satz 1 wird die Angabe „1 bis 2a“ durch die
Angabe „1 bis 4a“ sowie in Satz 2 die Angabe „§ 31a Abs. 5“ durch die
Angabe „§ 31a Abs. 4 und § 31b Abs. 3“ ersetzt.‘

10. Nach Artikel 4 wird folgender Artikel 4a eingefügt:

„Artikel 4a

Zitiergebot

Die Grundrechte des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 Abs. 1 des
Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1
des Grundgesetzes) werden nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.“

11. Artikel 5 Abs. 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Artikel 1, 3, 4 und 5 treten am Tag nach der Verkündung in
Kraft.“

Berlin, den 23. Mai 2007

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/5448

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen),
Joachim Stünker, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Neskovic
und Jerzy Montag

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/4663 in seiner 88. Sitzung am 22. März 2007 in
erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung dem
Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Innenaus-
schuss und den Finanzausschuss überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat die Vorlage in seiner 41. Sitzung
am 23. Mai 2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frakti-
onen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen.

Der Finanzausschuss hat die Vorlage in seiner 61. Sitzung
am 23. Mai 2007 beraten und mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Annahme des Gesetzentwurfs empfohlen.

III. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat in seiner 53. Sitzung am 20. März
2007 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf eine öffentliche
Anhörung durchzuführen, die am 25. April 2007 (58. Sit-
zung) stattfand. An der Anhörung haben folgende Sachver-
ständige teilgenommen:

1. Dieter Anders Generalstaatsanwalt,
Frankfurt am Main

2. Dr. Jürgen-Peter Graf Richter am Bundes-
gerichtshof, Karlsruhe

3. Prof. Dr. Christoph Gusy Universität Bielefeld,
Lehrstuhl für Öffent-
liches Recht, Staatslehre
und Verfassungs-
geschichte

4. Prof. Dr. Hans-Heiner Kühne Universität Trier

5. Prof. Dr. Martin Kutscha Fachhochschule für
Verwaltung und Rechts-
pflege, Berlin

6. Stephan Morweiser Staatsanwalt bei der
Bundesanwaltschaft
beim Bundesgerichtshof,
Karlsruhe

7. Dr. Fredrik Roggan Rechtsanwalt, Stellver-
tretender Bundesvorsit-
zender der Humanis-
tischen Union, Berlin

8. Dr. Paul Wamers Vizepräsident des Zoll-
kriminalamts, Köln.

Hinsichtlich der Ergebnisse der Anhörung wird auf das Pro-
tokoll der 58. Sitzung des Rechtsausschusses am 25. April

2007 mit den anliegenden Stellungnahmen der Sachverstän-
digen verwiesen.

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 64. Sitzung
am 23. Mai 2007 abschließend beraten und mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN beschlossen, die Annahme des Gesetzentwurfs in
der vom Ausschuss geänderten Fassung zu empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU führte aus, das Zollfahn-
dungsdienstgesetz berühre einen sehr sensiblen Bereich und
habe Grundrechtsbezug, weil verdeckte Ermittler hin und
wieder als Scheinankäufer auch Wohnungen aufsuchen
müssten. Es gehe nicht um leichte oder mittlere, sondern um
schwerste Kriminalität, wie etwa das Verbrechen des
Kriegswaffenhandels. Verdeckte Ermittler seien hier einer
besonderen Gefährdung ausgesetzt, so dass der Dienstherr
eine Eigensicherung des Beamten sicherstellen müsse,
wozu auch die Wohnraumüberwachung gehöre. In Beach-
tung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei
die akustische Wohnraumüberwachung nicht auszuschalten,
wenn der verdeckte Ermittler auf dem Rückzug aus der
Wohnung sei. Der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbe-
reichs des Wohnungsinhabers habe zugunsten des zu schüt-
zenden Lebens des ermittelnden Beamten zurückzustehen.
Zudem sei zu fragen, wie ein Kontakt zum höchstpersön-
lichen Lebensbereich zustande kommen könne, wenn ein
Scheinankäufer zur Abwicklung eines Kriegswaffenge-
schäftes in eine Wohnung gebeten werde. Der Scheinankäu-
fer steuere das Gespräch und sei an persönlichen Dingen gar
nicht interessiert. Werde der Kernbereich berührt, so werde
sich der Ankäufer zurückziehen; dabei müsse er aber gesi-
chert sein. Nehme man die Wohnung vollständig aus der
Überwachung aus, weil sie immer der höchstpersönliche
Bereich sei, so sei dies eine Anleitung für Kriminelle, die
dann ihre Geschäfte nur noch in den Wohnungen abwickeln
würden.

Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung, die in Zu-
sammenhang mit der Eigensicherung erlangt worden seien,
dürften nur umgewidmet werden, wenn schwere Straftaten
anstünden. Der Gesetzentwurf in der vom Rechtsausschuss
vorgelegten Fassung halte daher verfassungsrechtlichen
Vorgaben stand.

Die Fraktion der FDP erklärte, der als Reaktion auf eine
Nichtigerklärung des früheren Gesetzes durch das Bundes-
verfassungsgericht vorgelegte Gesetzentwurf werde dessen
Vorgaben in den Entscheidungen zur akustischen Wohn-
raumüberwachung, zum Außenwirtschaftsgesetz und zum
niedersächsischen Polizeiaufgabengesetz erneut nicht ge-
recht. So werde der Kernbereich privater Lebensgestaltung
nicht genügend geschützt, auch halte sie eine stärkere Kon-
kretisierung der Überwachungsmaßnahmen zur Eigensiche-
rung des Ermittlers für notwendig. Die Formulierung, dass
von Telekommunikationsmaßnahmen nur dann abzusehen
sei, wenn „allein“ der Kernbereich privater Lebensgestal-

Drucksache 16/5448 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tung betroffen sei, führe in der Praxis zu einer klaren Umge-
hung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten abso-
luten Enthebungsverbots.

Soweit im Entwurf auf „unbekannte Straftaten“ verwiesen
werde, seien unbekannte Steuerstraftatbestände gemeint.
Die Formulierung sei durch eine klare Verweisung auf den
Deliktsbereich der Steuerhinterziehung zu konkretisieren.

Die Fraktion der FDP stellte daraufhin folgenden Ände-
rungsantrag:

Artikel 1 (Änderung des Zollfahndungsdienstgesetzes) wird
wie folgt geändert:

1. Nr. 7 wird wie folgt geändert:

a) § 18 Absatz 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

„Personen, bei denen Tatsachen die Annahme recht-
fertigen, dass sie mit einer in Nummer 1 genannten
Person nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt
in Verbindung stehen und die Personen von der kon-
kreten, in Entwicklung begriffenen Vorbereitung von
Straftaten im Sinne der Nummer 1 Kenntnis haben,
aus der Verwertung der Taten Vorteile ziehen könnten
oder die in Nummer 1 genannten Person sich ihrer
zur Begehung der Straftaten bedienen könnte (Kon-
takt- und Begleitperson)“

b) Nach § 18 Absatz 6 wird folgender neuer Absatz 7
angefügt:

„(7) § 22a Absatz 2 gilt entsprechend.“

2. Nr. 8 wird wie folgt geändert:

a) § 19 Absatz 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

„Personen, bei denen Tatsachen die Annahme recht-
fertigen, dass sie mit einer in Nummer 1 genannten
Person nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt
in Verbindung stehen und die Personen von der kon-
kreten, in Entwicklung begriffenen Vorbereitung von
Straftaten im Sinne der Nummer 1 Kenntnis haben,
aus der Verwertung der Taten Vorteile ziehen könnten
oder die in Nummer 1 genannten Person sich ihrer
zur Begehung der Straftaten bedienen könnte (Kon-
takt- und Begleitperson)“

b) Nach § 19 Absatz 4 wird folgender neuer Absatz 5
angefügt:

„(5) § 22a Absatz 2 gilt entsprechend.“

3. Nr. 9 wird wie folgt geändert:

a) § 20 Absatz 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

„Personen, bei denen Tatsachen die Annahme recht-
fertigen, dass sie mit einer in Nummer 1 genannten
Person nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt
in Verbindung stehen und die Personen von der kon-
kreten, in Entwicklung begriffenen Vorbereitung von
Straftaten im Sinne der Nummer 1 Kenntnis haben,
aus der Verwertung der Taten Vorteile ziehen könnten
oder die in Nummer 1 genannten Person sich ihrer
zur Begehung der Straftaten bedienen könnte (Kon-
takt- und Begleitperson)“

b) Nach § 20 Absatz 5 wird folgender neuer Absatz 6
angefügt:

„(6) § 22a Absatz 2 gilt entsprechend.“

4. Nr. 10 wird wie folgt geändert:

a) § 21 Absatz 1 Nr. 2 wird wie folgt gefasst:

„Personen, bei denen Tatsachen die Annahme recht-
fertigen, dass sie mit einer in Nummer 1 genannten
Person nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt
in Verbindung stehen und die Personen von der kon-
kreten, in Entwicklung begriffenen Vorbereitung von
Straftaten im Sinne der Nummer 1 Kenntnis haben,
aus der Verwertung der Taten Vorteile ziehen könnten
oder die in Nummer 1 genannten Person sich ihrer
zur Begehung der Straftaten bedienen könnte (Kon-
takt- und Begleitperson)“

b) Nach § 21 Absatz 5 wird folgender neuer Absatz 6
angefügt:

„(6) § 22a Absatz 2 gilt entsprechend.“

5. Nr. 11 wird wie folgt geändert:

a) Buchstabe b) wird wie folgt gefasst:

„In Absatz 1 Satz 1 werden vor dem Wort „Verfol-
gung“ die Wörter „Verhütung und“ und nach dem
Wort „Straftaten“ die Wörter „sowie zur Aufdeckung
unbekannter Steuerfälle nach § 3 Absatz 1 Nr. 2“ ein-
gefügt sowie die Wörter „innerhalb und“ gestri-
chen.“

b) Nach § 22 Absatz 4 wird folgender Absatz 5 ange-
fügt:

„(5) § 22a Absatz 2 gilt entsprechend.“

6. Nr. 12 wird wie folgt geändert:

a) § 22a Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst.

„Wird das Zollkriminalamt im Rahmen seiner Befug-
nisse zur Verhütung und Verfolgung von Straftaten
sowie zur Aufdeckung unbekannter Steuerfälle nach
§ 3 Absatz 1 Nr. 2 tätig, dürfen die dabei von ihm be-
auftragten Personen technische Mittel zur Anferti-
gung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen so-
wie zum Abhören und Aufzeichnen des nicht öffent-
lich gesprochenen Wortes innerhalb von Wohnungen
verwenden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für
deren Leib, Leben oder Freiheit unerlässlich ist.“

b) § 22a Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung be-
troffen, ist die Maßnahme abzubrechen.“

7. Nr. 13 wird wie folgt geändert:

a) In Buchstabe c) wird in § 23a Absatz 4a Satz 1 das
Wort „allein“ gestrichen.

b) In Buchstabe d) wird § 23a Absatz 5 wie folgt ge-
fasst:

„(5) Eine Maßnahme, die sich gegen eine in § 53
Abs. 1, jeweils auch in Verbindung mit § 53a der
Strafprozessordnung, genannte Person richtet und
voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über
die diese Person das Zeugnis verweigern dürfte, ist
unzulässig. Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen
nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber
sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Er-
langung und der Löschung der Aufzeichnungen ist zu

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/5448

dokumentieren. Die Sätze 2 bis 4 gelten entspre-
chend, wenn durch eine Maßnahme, die sich nicht
gegen eine in § 53 Abs. 1, jeweils auch in Verbindung
mit § 53a der Strafprozessordnung, genannte Person
richtet, von dieser Person Erkenntnisse erlangt wer-
den, über die sie das Zeugnis verweigern dürfte.“

c) In Buchstabe e) wird § 23a Absatz 5a Satz 1 wie folgt
gefasst:

„(5a) Absatz 5 gilt nicht, wenn Tatsachen die An-
nahme rechtfertigen, dass die dort genannten Perso-
nen Beschuldigte einer Tat nach Absatz 1 oder 3
sind.“

8. Nr. 23 wird wie folgt geändert:

§ 32a Abs. 2 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung betrof-
fen, ist die Maßnahme abzubrechen.“

Begründung

Nr. 1a, 2a, 3a, 4a

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung
zum niedersächsischen Polizeigesetz (Urteil vom 27. Juli
2005 – 1 BvR 668/04) Regelungen für verfassungswidrig er-
klärt, die lediglich voraussetzen, dass Tatsachen die An-
nahme rechtfertigen, dass jemand in der Zukunft Straftaten
von erheblicher Bedeutung begehen wird. Sieht der Gesetz-
geber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so
hat er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die Anfor-
derungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung hin-
deuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Bereich
der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer Fehlpro-
gnose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hinnehmbar
ist, so das Bundesverfassungsgericht in seiner Entschei-
dung. Das Tatbestandsmerkmal „Tatsachen“ genüge in sei-
ner Bezugnahme auf eine künftige Straftatenbegehung den
Bestimmtheitsanforderungen nicht. Es seien vielfältige An-
knüpfungspunkte denkbar, die nach hypothetischem Kausal-
verlauf in der Straftatenbegehung eines potentiellen Täters
münden könnten. Das Verfassungsgericht verlangt daher ei-
nen konkreten, in der Entwicklung begriffenen Vorgang oder
dessen Planung. §§ 18 Abs. 1 Nr. 2; 19 Abs. 1 Nr. 2; 20
Abs. 1 Nr. 2 und 21 Abs. 1 Nr. 2 verlangen demgegenüber
für Maßnahmen zur verdeckten Datenerhebung lediglich
Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass Personen
von der Vorbereitung von Straftaten Kenntnis haben. Dies
entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Um
die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an diese Vor-
feldsituation auszurichten, bedarf es daher einer Eingren-
zung auf die konkrete, in Entwicklung begriffene Vorberei-
tung von Straftaten.

Nr. 1b, 2b, 3b, 4b, 5b

Für die verdeckten Maßnahmen zur Datenerhebung in den
§§ 18 ff. ist kein Schutz des Kernbereichs privater Lebens-
gestaltung vorgesehen. Das Bundesverfassungsgericht hat
jedoch in seiner Entscheidung zum Abhören in Wohnungen
(Urteil vom 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98) deutlich darauf
hingewiesen, dass bei Überwachungen grundsätzlich ein
unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung zu
wahren ist. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen
Schutz ausdrücklich nicht nur auf Maßnahmen beschränkt,

die in die Grundrechte nach Art. 10 und Art. 13 GG eingrei-
fen. Der Schutz bei Eingriffen durch staatliche Über-
wachungsmaßnahmen in die Grundrechte werden über die
Art. 10 und Art. 13 GG hinaus insbesondere durch Art. 1
und 2 GG im Hinblick auf die Wahrung der Menschenwürde
gewährleistet. Es ist daher unerlässlich, dass auch bei den
Maßnahmen nach den §§ 18 ff. des Gesetzentwurfs Rege-
lungen zur Anwendung kommen, die den Kernbereich der
privaten Lebensgestaltung vor staatlichen Eingriffen schüt-
zen.

Nr. 5a, 6a

Die Maßnahmen zur Eigensicherung durch den Einsatz
technischer Mittel innerhalb und außerhalb von Wohnungen
gem. §§ 22 und 22a soll auch zur Aufdeckung unbekannter
Straftaten möglich sein. Die Begründung des Gesetzent-
wurfs verweist dabei auf § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO. Diese Vor-
schrift dient der Aufdeckung unbekannter Steuerfälle. Nach
der Begründung handelt es sich bei der Aufdeckung unbe-
kannter Straftaten um Initiativermittlungen im vorprozes-
sualen Bereich, die aus den Erkenntnissen der zollamtlichen
Überwachung, Marktbeobachtung, Außenwirtschaftsüber-
wachung usw. resultieren. Es handele sich mangels An-
fangsverdacht noch nicht um Strafverfolgung und im Hin-
blick auf die bereits verwirklichte Straftat auch nicht um de-
ren Verhütung. In diesem Sinne ist die Erstreckung auf un-
bekannte Straftaten zu weitgehend. Es gibt hier keinerlei
eingrenzbare Tatbestandsvoraussetzungen. Die Vorschrift
kann daher als Generalvollmacht für die Ermittlungsbehör-
den verstanden werden. Wenn sich nach der Gesetzesbe-
gründung die Aufdekkung unbekannter Straftaten an § 208
Abs. 1 Nr. 3 AO orientieren soll, dann muss diese Klarstel-
lung auch im Gesetzestext selbst erfolgen. Die Befugnisse
nach § 22 und 22a sollen daher auf die Aufdeckung unbe-
kannter Steuerfälle, so wie sie auch in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ge-
nannt werden, beschränkt werden.

Nr. 6b, 8

In § 22a Abs. 2 Satz 1 sowie § 32a Abs. 2 Satz 1 erfolgt kein
absoluter Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensge-
staltung, obwohl eine Überwachungsmaßnahme in Wohnun-
gen vorgesehen ist. Dies ist mit der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar. Das Bundesver-
fassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Abhören
von Wohnungen klar und eindeutig festgestellt, dass das Ab-
hören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen
Wortes in Wohnungen untersagt werden muss, wenn An-
haltspunkte dafür bestehen, dass absolut geschützte Ge-
spräche erfasst werden. Das Bundesverfassungsgericht hat
ausgeführt, dass der Schutz der Menschenwürde nicht durch
Abwägung mit den Strafverfolgungsinteressen nach Maß-
gabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes relativiert wer-
den darf. Zwar werde es stets Formen von besonders gra-
vierender Kriminalität und entsprechende Verdachtssituati-
onen geben, die die Effektivität der Strafrechtspflege als Ge-
meinwohlinteresse manchem gewichtiger erscheinen lässt
als die Wahrung der menschlichen Würde des Beschuldig-
ten. Eine solche Wertung sei dem Staat jedoch durch Art. 1
Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 GG verwehrt, so das Bundesverfas-
sungsgericht. §§ 22a Abs. 2 Satz 1 und 32a Abs. 2 Satz 1
sind daher so auszugestalten, dass die Maßnahme abzubre-
chen ist, wenn der Kernbereich privater Lebensgestaltung
betroffen ist.

Drucksache 16/5448 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nr. 7a

§ 23a Abs. 4a Satz 1 sieht vor, dass die Beschränkungen
nach den Absätzen 1, 3 oder 4 unzulässig sind, wenn tat-
sächliche Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, dass
durch sie allein Kommunikationsinhalte aus dem Kernbe-
reich privater Lebensgestaltung erlangt würden. Diese Be-
stimmung ist lebensfremd. Es ist nicht denkbar, dass sich
Kommunikationsinhalte alleine auf den Kernbereich priva-
ter Lebensgestaltung begrenzen ohne darüber hinaus auch
andere Informationen zu enthalten. Im Ergebnis kann daher
durch die Bestimmung eine Schutzfunktion nicht erreicht
werden. Diese Formulierung schafft vielmehr die Vorausset-
zung, dass zunächst immer erst eine Überwachungsmaß-
nahme angeordnet wird. Nach der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts gilt der Kernbereichsschutz jedoch
absolut.

Nr. 7b, 7c

Der Gesetzentwurf enthält einen unzureichenden Schutz von
Berufsgeheimnisträgern. Insbesondere bei Journalisten ge-
hen die Regelungen hinter das Schutzniveau der StPO zu-
rück. § 23a Abs. 5 Satz 6 sieht nur einen relativen Schutz für
Journalisten vor, der durch eine weitgehende Verhältnismä-
ßigkeitsprüfung weiter eingeschränkt wird. Die Regelung
lässt keinerlei Abwägungskriterien erkennen und ist daher
zu unbestimmt. Sie entspricht nicht den vom Bundesverfas-
sungsgericht aufgestellten Grundsätzen zum Schutz der
Pressefreiheit (Urteil vom 27. Februar 2007 – 1 BvR 528/
06). Danach ist die Freiheit der Medien konstituierend für
die freiheitliche demokratische Grundordnung. Art. 5 Abs. 1
Satz 2 GG gewährleistet den im Bereich von Presse und
Rundfunk tätigen Personen und Organisationen Freiheits-
rechte und schützt darüber hinaus in seiner objektiv recht-
lichen Bedeutung auch die institutionelle Eigenständigkeit
der Presse und des Rundfunks, so das Bundesverfassungs-
gericht. Um tatsächlich einen Schutz von Journalisten vor
staatlichen Überwachungsmaßnahmen zu garantieren,
sollte auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des
§ 23a Abs. 5 verzichtet und ein einheitlicher Schutz für alle
in § 53 Abs. 1 StPO genannten Berufsgruppen vorgesehen
werden.

§ 23a Abs. 5a fällt hinter das Schutzniveau von § 97 Abs. 5
StPO zurück. Abs. 5a lässt den Schutz von Journalisten vor
staatlichen Ermittlungsmaßnahmen entfallen, wenn die dort
genannten Personen an der Vorbereitung einer Tat beteiligt
sind. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu erst kürzlich
festgestellt, dass der Schutz von § 97 StPO nur dann nicht
einschlägig ist, wenn ein als Journalist an sich Zeugnisver-
weigerungsberechtigter, Selbstbeschuldigter oder Mitbe-
schuldigter der Straftat ist, um deren Aufklärung es geht.
Dieser Schutz wird unterlaufen, wenn lediglich auf die Be-
teiligung an der Tatvorbereitung abgestellt wird.

Abs. 5a muss daher entsprechend geändert werden und
klarstellen, dass Abs. 5 nur dann nicht gilt, wenn Tatsachen
die Annahme rechtfertigen, dass die dort genannten Perso-
nen Beschuldigte einer Tat sind.

Der Rechtsausschuss beschloss mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen FDP und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu empfehlen, den
Änderungsantrag der Fraktion der FDP abzulehnen.

Die Fraktion der FDP stellte ferner folgenden Entschlie-
ßungsantrag:

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom
3. März 2004 (1 BvF 3/92) über die Befugnisse des Zollkri-
minalamtes, Sendungen, die dem Brief-, Post- oder Fern-
meldegeheimnis unterliegen, zur Verhütung von Straftaten
nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) oder dem Kriegs-
waffenkontrollgesetz zu öffnen und einzusehen sowie die
Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, ent-
schieden. Nach Auffassung des Gerichts sind die §§ 39, 40
und 41 des AWG mit Art. 10 des Grundgesetzes unvereinbar.
Das Gericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, die Mängel,
insbesondere der Bestimmtheit der Regelung, zu beseitigen.
Der Gesetzgeber hat 2004 mit dem Gesetz zur Neuregelung
der präventiven Telekommunikations- und Postüberwa-
chung durch das Zollkriminalamt die Durchführung der
Überwachungsmaßnahmen zur Straftatenverhütung im
Außenwirtschaftsverkehr neu ausgestaltet. Das Bundesver-
fassungsgericht hat darüber hinaus in seinem Beschluss
vom 3. März 2004 deutlich darauf hingewiesen, dass bei der
gesetzlichen Neuregelung die Grundsätze zu beachten sind,
die der Senat in seinem Urteil zur akustischen Wohnraum-
überwachung (1 BvR 2378/98) niedergelegt hat. Damit sind
insbesondere die Grundsätze zur Beachtung der Menschen-
würde und zum Kernbereich privater Lebensgestaltung ge-
meint. Ausgangspunkt der Ausführungen des Bundesverfas-
sungsgerichts ist die von ihm in ständiger Rechtsprechung
getroffene Feststellung, dass bei jeder staatlichen Beobach-
tung ein aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1
GG abzuleitender unantastbarer Kernbereich privater Le-
bensgestaltung zu beachten ist. Ausgehend von der Vorgabe
des Bundesverfassungsgerichts, wonach im Falle der Neu-
regelung der präventiven Telekommunikationsüberwa-
chung auch die Grundsätze zu beachten sind, die der Senat
in seinen Urteilen zum G-10 Gesetz (1 BvR 2226/94) und zu
Art. 13 GG (1 BvR 2378/98) niedergelegt hat, wurde der
Gesetzgeber verpflichtet, diese verfassungsrechtlichen Vor-
gaben auch im Bereich der präventiven polizeilichen Tele-
kommunikationsüberwachung, die Gegenstand des vorlie-
genden Gesetzentwurfs ist, zu beachten.

Des Weiteren hat das Bundesverfassungsgericht in seinem
Urteil vom 27. Juli 2005 zu den Regelungen zur vorbeugen-
den Telefonüberwachung im niedersächsischen Polizeige-
setz ebenfalls Grundsätze über die Anordnungsvorausset-
zungen von präventiven Telekommunikationsüberwachungs-
maßnahmen aufgestellt (1 BvR 668/04). Auch hier hat das
Gericht für die Überwachung der Telekommunikation
zwecks Vorsorge für die Verhütung und Verfolgung von
Straftaten kernbereichsschützende Regelungen eingefordert.
Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei der Erfas-
sung der Kommunikationsinhalte personenbezogene Daten
betroffen sind, die sich auf den Kernbereich höchstpersönli-
cher Lebensgestaltung beziehen, so das Bundesverfassungs-
gericht. Entscheidend ist, dass es bei präventiven Maßnah-
men an einem abgeschlossenen oder in Verwirklichung be-
griffenen strafbaren Handeln fehlt. Es besteht daher ein er-
hebliches Risiko, dass die Überwachungsmaßnahmen an
ein Verhalten anknüpfen, das sich im Nachhinein als straf-
rechtlich irrelevant erweist.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/5448

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung versucht, im Zoll-
fahndungsdienstgesetz Regelungen zum Schutz des Kernbe-
reichs privater Lebensgestaltung bei Befugnissen zu Eigen-
sicherungsmaßnahmen innerhalb von Wohnungen und zur
Telekommunikationsüberwachung zu schaffen.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung wird den Vorgaben
des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht voll umfänglich
gerecht:

1. Die kernbereichsschützenden Regelungen entsprechen
nicht den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsge-
richt aufgestellt hat. In seinem Urteil vom 3. März 2004
hat das Bundesverfassungsgericht den engen Bezug der
Unverletzlichkeit der Wohnung zur Menschenwürde her-
ausgestellt. Dem Einzelnen soll das Recht, in Ruhe ge-
lassen zu werden, gerade in seinen privaten Wohnräu-
men gesichert sein, und zwar ohne Angst, dass staatliche
Stellen die Entfaltung seiner Persönlichkeit im Kernbe-
reich privater Lebensgestaltung überwachen. Das Ge-
richt hat klar und eindeutig ausgeführt, dass in diesem
Kernbereich die akustische Überwachung von Wohn-
raum nicht eingreifen darf, und zwar auch nicht im Inte-
resse der Effektivität der Strafrechtspflege und der Er-
forschung der Wahrheit. Eine Abwägung nach Maßgabe
des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen der Un-
verletzlichkeit der Wohnung und dem Strafverfolgungs-
interesse darf insoweit nicht stattfinden. Selbst überwie-
gende Interessen der Allgemeinheit können einen Ein-
griff in diese Freiheit zur Entfaltung in den höchstper-
sönlichen Angelegenheiten nicht rechtfertigen, so das
Bundesverfassungsgericht.

a) In § 22a Abs. 2 Satz 1 und § 32a Abs. 2 Satz 1 soll
eine Überwachungsmaßnahme zur Eigensicherung
innerhalb von Wohnungen, die den Kernbereich pri-
vater Lebensgestaltung betrifft, nur dann unterbro-
chen werden, sobald dies ohne Gefährdung der ein-
gesetzten Person möglich ist. Diese Abwägung
widerspricht eindeutig der Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts. Das Gericht hat in seiner
Entscheidung zum Abhören von Wohnungen festge-
stellt, dass das Abhören und Aufzeichnen des nicht
öffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen unter-
sagt werden muss, wenn Anhaltspunkte dafür beste-
hen, dass absolut geschützte Gespräche erfasst wer-
den. Eine Abwägung mit anderweitigen Gesichts-
punkten nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeits-
prinzips ist unzulässig.

b) § 23a Abs. 4a sieht für die präventive Telekommuni-
kationsüberwachung einen Kernbereichsschutz nur
dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die
Annahme vorliegen, dass durch die Maßnahme
„allein“ Kommunikationsinhalte aus dem Kernbe-
reich privater Lebensgestaltung erlangt würden. Es
ist jedoch praktisch nicht denkbar, dass sich Kommu-
nikationsinhalte alleine auf den Kernbereich privater
Lebensgestaltung begrenzen ohne darüber hinaus
auch andere Sachverhalte von allgemeiner Bedeu-
tung zu erfassen. Es ist daher davon auszugehen,
dass zunächst grundsätzlich eine Überwachungs-
maßnahme angeordnet wird. Die Schutzfunktion des
§ 23a Abs. 4a geht damit ins Leere.

c) Für die verdeckten Maßnahmen zur Datenerhebung
in den §§ 18 ff. ist kein Schutz des Kernbereichs pri-
vater Lebensgestaltung vorgesehen. Das Bundesver-
fassungsgericht hat jedoch in seiner Entscheidung
zum Abhören in Wohnungen deutlich darauf hinge-
wiesen, dass bei Überwachungen grundsätzlich ein
unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestal-
tung zu wahren ist. Das Bundesverfassungsgericht
hat diesen Schutz ausdrücklich nicht nur auf Maß-
nahmen beschränkt, die in die Grundrechte der Art.
10 und Art. 13 eingreifen. Der Schutz bei Eingriffen
durch staatliche Überwachungsmahnahmen in die
Grundrechte werden über die Art. 10 und Art. 13 GG
hinaus insbesondere durch Art. 1 und 2 GG im Hin-
blick auf die Wahrung der Menschenrechte gewähr-
leistet.

2. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei-
dung zum niedersächsischen Polizeigesetz Regelungen
für verfassungswidrig erklärt, die für die Anordnung
einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme le-
diglich voraussetzen, dass Tatsachen die Annahme recht-
fertigen, dass jemand in der Zukunft Straftaten von er-
heblicher Bedeutung begehen wird. Sieht der Gesetzge-
ber in solchen Situationen Grundrechtseingriffe vor, so
hat er die den Anlass bildenden Straftaten sowie die An-
forderungen an Tatsachen, die auf die künftige Begehung
hindeuten, so bestimmt zu umschreiben, dass das im Be-
reich der Vorfeldermittlung besonders hohe Risiko einer
Fehlprognose gleichwohl verfassungsrechtlich noch hin-
nehmbar ist, so das Bundesverfassungsgericht. Bei der
Vorverlagerung des Eingriffs in eine Phase, in der sich
die Konturen eines Straftatbestandes noch nicht abzeich-
nen, bestehe das Risiko, dass der Eingriff an ein nur
durch relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Strafta-
ten gekennzeichnetes, in der Bedeutung der beobachte-
ten Einzelheiten noch schwer fassbares und unterschied-
lich deutbares Geschehen anknüpfe. Das Tatbestands-
merkmal „Tatsachen“ genüge in seiner Bezugnahme auf
eine künftige Straftatenbegehung den Bestimmtheitsan-
forderungen nicht. Es seien vielfältige Anknüpfungen
denkbar, die nach hypothetischem Kausalverlauf in der
Straftatenbegehung eines potentiellen Täters münden
könnten. Das Gericht verlangt daher einen konkreten, in
der Entwicklung begriffenen Vorgang oder dessen Pla-
nung. Die §§ 18 Abs. 1 Nr. 2; 19 Abs. 1 Nr. 2; 20 Abs. 1
Nr. 2 und 21 Abs. 1 Nr. 2 verlangen demgegenüber bei
den verdeckten Datenerhebungsbefugnissen lediglich
Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass Perso-
nen an der Vorbereitung von Straftaten Kenntnis haben.
Dies entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Vorga-
ben. Um die Bestimmtheitsanforderungen spezifisch an
diese Vorfeldsituation auszurichten, bedarf es daher
einer Eingrenzung auf die konkrete, in Entwicklung be-
griffene Vorbereitung von Straftaten.

3. Der Gesetzentwurf enthält keinen ausreichenden Schutz
für Berufsgeheimnisträger, insbesondere für Journalis-
ten, vor staatlichen Überwachungsmaßnahmen. § 23a
Abs. 5 sieht für Geistliche, Verteidiger und Abgeordnete
und die entsprechenden Berufshelfer ein absolutes Erhe-
bungs- und Verwertungsverbot vor. Für Rechtsanwälte,
Ärzte und Journalisten gilt ein relatives, an Verhältnis-
mäßigkeitsgesichtspunkten orientiertes Erhebungs- und

Drucksache 16/5448 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Verwertungsverbot. Die in dem Gesetzentwurf gewählte
Formulierung enthält eine Vielzahl von unbestimmten
Rechtsbegriffen und lässt daher konkrete Abwägungskri-
terien vermissen. Der Vertrauensschutz kann auf diese
Weise nicht gewährleistet werden. Auch § 23a Abs. 5a ist
vor diesem Hintergrund nicht sachgerecht. Die Regelung
fällt noch hinter das Schutzniveau von § 97 Abs. 5 StPO
zurück. § 23a Abs. 5a lässt den Schutz von Journalisten
vor staatlichen Ermittlungsmaßnahmen entfallen, wenn
die dort genannten Personen an der Vorbereitung einer
Tat beteiligt sind. Das Bundesverfassungsgericht hat
hierzu erst kürzlich festgestellt, dass der Schutz von § 97
StPO nur dann nicht einschlägig ist, wenn ein als Jour-
nalist an sich Zeugnisverweigerungsberechtigter, selbst
Beschuldigter oder Mitbeschuldigter der Straftat ist, um
deren Aufklärung es geht. Dieser Schutz wird unterlau-
fen, wenn lediglich auf die Beteiligung an der Tatvorbe-
reitung abgestellt wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung
auf,

1. dem Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Än-
derung des Zollfahndungsdienstgesetzes vorzulegen, der
die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus den
Urteilen zur akustischen Wohnraumüberwachung
(1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99) und zum nieder-
sächsischen Polizeigesetz (1 BvR 668/04), insbesondere
zum Kernbereichsschutz bei Abhörmaßnahmen inner-
halb von Wohnungen und bei Telekommunikationsüber-
wachungsmaßnahmen umfänglich umsetzt;

2. dem Deutschen Bundestag jährlich einen detaillierten
Bericht über Anlass, Verlauf, Ergebnisse, Anzahl der
Betroffenen, Kosten und Relevanz der Überwachungs-
maßnahmen nach dem Zollfahndungsdienstgesetz für die
Gefahrenabwehr und die Verfolgung von Straftaten vor-
zulegen.

Der Rechtsausschuss beschloss mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zu empfehlen, den Entschließungsantrag der
Fraktion der FDP abzulehnen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schloss sich
den verfassungsrechtlichen Bedenken der Fraktion der FDP
an und kritisierte insbesondere die vorgesehene Befugnis
des Zollkriminalamts, formal zur Eigensicherung seiner Be-
diensteten zeitlich praktisch unbegrenzt Wohnungen akus-
tisch und optisch überwachen zu können. Die dabei gewon-
nenen Erkenntnisse könnten mangels hinreichender Be-
schränkung im Gesetzentwurf auch zur Verfolgung anderer
Straftaten verwendet werden. Diese Befugnisse seien be-
denklich, weil sie ausdrücklich ohne Anfangsverdacht und
damit ohne wirksame Tatbestandseingrenzung auch zur Ver-
hütung und Aufdeckung unbekannter Straftaten anwendbar
seien. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung werde auch
unter Berücksichtigung der vorgelegten Änderungen einer
verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht standhalten. Die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum abso-
lut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung
werde nicht ernst genommen.

Die in diesen grundrechtlichen Kernbereich eingreifende
Regelung sei zudem bereits unzweckmäßig, weil Angehö-

rige des Zollfahndungsdienstes bekundet hätten, dass Er-
mittlungen in Wohnungen selten, in Geschäftsräumen hin-
gegen weitaus häufiger seien. Anzustreben sei eine umfas-
sende, einheitliche und die Verfassungsrechtsprechung ernst
nehmende Regelung der Befugnisse der Polizei, der Sicher-
heitsdienste und auch des Zollfahndungsdienstes für die
Überwachung der Telekommunikation und weitere Maß-
nahmen ohne Wissen des Betroffenen.

Die Zollfahndungsdienststellen gingen mit ihren Befugnis-
sen bei der Arbeit, die im Hinblick auf die Verhinderung
schlimmster Kriegsverbrechen von größter Bedeutung sei,
sorgfältig und sparsam um. Die Behörden verdienten aber
das bestmögliche Gesetz zur Regelung ihrer Befugnisse.
Nach sorgfältiger Prüfung sei die Fraktion zum Ergebnis ge-
langt, dass der Gesetzentwurf die verfassungsrechtlichen
Vorgaben nicht ausreichend erfülle. Bei der Abwägung zwi-
schen dem Kernbereich privater Lebensgestaltung und Le-
bensschutz müsse eine sich aus der Verfassung selbst erge-
bende Konkordanz herbeizuführen sein. Die im Gesetzent-
wurf vorgeschlagene Regelung halte sich nicht so eng wie
möglich an die Lösung des Problems, sondern eröffne alle
möglichen Einfallstore für eine Verletzung des Kernbe-
reichs privater Lebensgestaltung. Dies werde das Bundes-
verfassungsgericht sicherlich wieder rügen.

Die Regelungen zum Schutz der Berufsgeheimnisträger
seien völlig unzureichend. Die Fraktion habe mit einem An-
trag vom Dezember 2005 konkrete Vorschläge vorgelegt,
worauf die Fraktionen der CDU/CSU und SPD nicht einge-
gangen seien. Trotz des drohenden Fristablaufs sei eine Klä-
rung der umstrittenen Punkte noch möglich gewesen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellte daher fol-
genden Entschließungsantrag:

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Be-
schluss vom 3.3.2004 (1 BvF 3/92; BVerfGE 110, 33,
52ff.) die damalige Regelung der Befugnisse des Zollkri-
minalamts gemäß §§ 39 ff. Außenwirtschaftsgesetz
(AWG) mangels Normenklarheit und -bestimmtheit für
verfassungswidrig erklärt, zur Verhütung von Straftaten
nach dem AWG und dem Kriegswaffenkontrollgesetz
Brief- und Postsendungen zu öffnen sowie die Telekom-
munikation zu überwachen und aufzuzeichnen.

Für die bis 31.12.2004 vorzunehmende Neuregelung
trug das Gericht dem Gesetzgeber ausdrücklich auf, die
Vorgaben aus den Urteilen vom 14. Juli 1999 (BVerfGE
100, 313) zur präventiven Fernmeldeüberwachung auf-
grund des Artikel-10-Gesetzes und vom 3. März 2004
(1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99; BVerfGE 109, 279, 313
ff.) zur akustischen Wohnraumüberwachung zwecks
Strafverfolgung zu beachten: nämlich einen aus der
Menschenwürde-Garantie des Artikels 1 Abs. 1 des
Grundgesetzes abzuleitenden unantastbaren Kernbe-
reich privater Lebensgestaltung wirksam zu schützen.

Diese Vorgaben blieben jedoch in dem bis 31.12.2005
befristeten „Gesetz zur Neuregelung der präventiven Te-
lekommunikations- und Postüberwachung durch das
Zollkriminalamt … (NTPG)" vom 21.12.2004 (BGBl.
2004 I S. 3603) bisher ebenso unberücksichtigt wie auch

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/5448

in dessen Verlängerung bis 30.6.2007 aufgrund des
„Ersten Gesetzes zur Änderung des Zollfahndungs-
dienstgesetzes vom 15.12.2005 BGBl. I 3681)“, wiewohl
das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung
vom 27.7.2005 (1 BvR 668/04; BVerfGE 113, 348, 391)
die Schutzbedürftigkeit des privaten Kernbereichs vor
präventiven Überwachungsmaßnahmen nochmals be-
tonte:

„Die nach Art. 1 Abs. 1 GG stets garantierte Unantast-
barkeit der Menschenwürde fordert auch im Gewährleis-
tungsbereich des Art. 10 Abs. 1 GG Vorkehrungen zum
Schutz individueller Entfaltung im Kernbereich privater
Lebensgestaltung. Bestehen im konkreten Fall tatsächli-
che Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine Telekom-
munikationsüberwachung Inhalte erfasst, die zu diesem
Kernbereich zählen, ist sie nicht zu rechtfertigen und
muss unterbleiben.“ (Abs. 163)

2. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Zollfahn-
dungsdienstgesetz (ZfdG) setzt diese mehrfachen Vorga-
ben des Bundesverfassungsgerichts – entgegen dem
selbstgesetzten Anspruch – immer noch nicht ausrei-
chend um und ist auch im übrigen verfassungsrechtlich
bedenklich. Dies ergab in aller Deutlichkeit eine Sach-
verständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundes-
tages am 25.4.2007 zu diesem Entwurf, wo nahezu ein-
hellig insbesondere beanstandet wurde:

a) Der Entwurf definiert die sogen. „Kontakt- und Be-
gleitpersonen“ Verdächtiger entgegen verfassungs-
gerichtlichen Konkretions-Anforderungen so weit-
reichend, dass ein beliebiger Personenkreis plan-
mäßiger Überwachung ausgesetzt wäre (Nummern 7 a
bis 10 a).

Auf diese Personen schlägt zudem ein abgeleitetes,
schon für die Hauptverdächtigen bestehendes Be-
stimmtheitsdefizit bereits des geltenden ZfdG durch,
welches diese entgegen BVerfGE 113, 348 ff. ohne
Erfordernis konkreter Vorbereitungshandlungen be-
stimmter Delikte verfassungsrechtlich bedenklich un-
konturiert definiert.

b) Die Befugnis des Zollkriminalamts, formal zur Ei-
gensicherung seiner Bediensteten sowie zur Siche-
rung von (u. U. zweifelhaften) V-Leuten zeitlich prak-
tisch unbegrenzt Wohnungen optisch und akustisch zu
überwachen und dabei selbst Unverdächtige zu er-
fassen, ist (Sachverständigen zufolge: „wie ein Troja-
nisches Pferd“) strukturell dazu missbrauchbar, die
dabei gewonnenen Erkenntnisse – mangels hinrei-
chender Beschränkung im Gesetzentwurf – auch zur
Verfolgung zahlreicher anderer Straftaten sowie zur
Abwehr dringender Gefahren gleich welcher Art zu
verwenden. (Nummern 12, 23).

Diese Befugnisse sind umso bedenklicher, als sie aus-
drücklich ohne jeden Anfangsverdacht und damit
ohne wirksame Tatbestandseingrenzung auch zur
Verhütung und „Aufdeckung unbekannter Straftaten“
anwendbar sein sollen (Nummern 11 b, 22 b). Dass
sie (primär) als Sicherungs- statt als eigenständige
Ermittlungsmaßnahme deklariert werden, ändert an-
gesichts ihrer Eingriffsintensität sowie möglicher

Umwidmung so gewonnener Erkenntnisse nichts an
der Verfassungswidrigkeit.

Über solche Umwidmung dürfte zum wirksamen pro-
zeduralen Grundrechteschutz im übrigen nicht allein
ein Einzelrichter entscheiden, sondern – wegen ver-
gleichbarer Eingriffsintensität – eine Spruchkammer
wie bei der Wohnraumüberwachung zur Strafverfol-
gung, § 100 d Abs. 1 S. 1 StPO.

c) Soweit der Entwurf (abweichend von § 100c Abs. 4
S. 1 StPO) lediglich Kommunikation „allein“ aus
dem Kernbereich privater Lebensgestaltung sogleich
von Überwachung ausnehmen will, liefe dieser zen-
trale Schutz in der Praxis leer, da selbst innerhalb
höchstpersönlicher Kommunikation weitere Informa-
tionsinhalte minderer Sensibilität nie vorab ausge-
schlossen werden können (Nr. 13 c). Zu Recht ist der
Regelungsvorschlag deswegen in der Sachverständi-
genanhörung als Placebo bezeichnet worden, das
einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsge-
richt nicht standhalten würde.

d) Soweit der Entwurf (abweichend von § 100c Abs. 6
S. 1 StPO) lediglich Kommunikation von Geistlichen,
Strafverteidigern und Abgeordneten im Rahmen ihres
Zeugnisverweigerungsrechts grundsätzlich von
Überwachung ausnimmt, jedoch alle anderen ebenso
in § 53 StPO genannten Berufsgeheimnisträger (z. B.
Journalisten, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, No-
tare, Suchtberater etc) und ihre Klienten praktisch
ungeschützt lässt, widerspricht solche Differenzie-
rung auch der EMRK und erscheint willkürlich. Die
für letztere Personengruppe lediglich vorgesehene
Verhältnismäßigkeitsprüfung läuft mangels Konkreti-
sierung und objektiver Überprüfungskriterien prak-
tisch leer und würde die betreffende Kommunikation
jederzeit überwachbar lassen (Nr. 13 d). Die notwen-
dige Schutzregelung für die Kommunikation aller Be-
rufsgeheimnisträger darf anders als im Entwurf vor-
gesehen nicht nur deren zielgerichtete Ausforschung
hindern, sondern muss sie auch vor gegen Dritte ge-
richtete Maßnahmen schützen und immer dann gel-
ten, wenn hierdurch zeugnisverweigerungsberech-
tigte Personen gleich wie betroffen wären.

e) Der Entwurf fordert – entgegen dem vom BVerfG ein-
geforderten Bestimmheitsgebot – bei der Befugnis
des Zollkriminalamts zur Erhebung von Telekommu-
nikations-Verkehrsdaten noch nicht einmal deren
genaue Bezeichnung und ermöglicht die Nutzung sol-
cher Daten selbst dann, wenn die Erhebungsanord-
nung richterlich nicht bestätigt wird (Nr. 16);

f) Der Entwurf weitet die Befugnis des Zollkriminal-
amts zur Übermittlung personenbezogener Daten auf
zahlreiche Aufgabengebiete aus, grenzt die mögli-
chen Empfängerstellen nicht nach rechtsstaatlichen
Kriterien ein und ermöglicht so eine Übermittlung in
Staaten, wo Betroffenen aufgrund dessen Menschen-
rechtsverletzungen drohen. Nicht vorgesehen ist die
für derlei vom BVerfGE 109, 279, 353 verlangte
strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung, u. a. „welche
Nachteile den Grundrechtsträgern aufgrund der
Maßnahmen drohen oder von ihnen nicht ohne
Grund befürchtet werden“ (Nr. 26).

Drucksache 16/5448 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

g) Soweit außerhalb von Wohnungen zwar nicht Art. 10
Abs. 1 und 13 Abs. 1 GG berührt sind, jedoch der
Zoll gleichwohl aufgrund der dann anwendbaren
§§ 18 - 22 ZfdG in den Kernbereich privater Lebens-
gestaltung eingreifen dürfte (etwa bei Überwachung
vertraulicher Kontakte und Gespräche unter freiem
Himmel), unterlässt der Entwurf jede Schutzregelung
dagegen, obwohl diese für solche Situationen von
Verfassung wegen ebenso geboten ist.

h) Der vorgesehene Wegfall der derzeitigen Befristung
des Gesetzes ist nicht sachgerecht. Denn die hierfür
maßgeblichen Gründe, die tatsächliche Anwendung
und Auswirkungen in der Praxis verfolgen zu wollen,
bestehen fort, zumindest bis der nach dem geltenden
§ 23 c Abs. 2 S. 2 ZfdG zu erstellende erste Evaluie-
rungsbericht vorliegt (Nr. 29).

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

dem Deutschen Bundestag unverzüglich einen neugefassten
„Gesetzentwurf zur Änderung des Zollfahndungsdienst-
gesetzes“ vorzulegen, der die Entscheidungen des Bundes-
verfassungsgerichts vom 14.7.1999 sowie 3.3.2004
(BVerfGE 100, 313; 109, 279; 110, 33) vor allem zum
Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sowie
insbesondere die vorgenannten Kritikpunkte aus der Sach-
verständigenanhörung des Rechtsausschusses angemessen
berücksichtigt.

Der Rechtsausschuss beschloss mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zu empfehlen, den Entschließungsantrag der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

Die Fraktion DIE LINKE. hob die Notwendigkeit einer
gesetzlichen Regelung hervor, betonte aber, sie sei in der
vorliegenden Fassung nicht ausreichend. Über die Krücke
der Eigensicherung – zum Ausdruck gebracht in dem Wort
„sobald“ – werde nun versucht, in eine Abwägung einzutre-
ten. Der Kernbereich privater Lebensgestaltung im Sinne
des Artikels 1 GG sei aber – ebenso wie das Folterverbot –
bereits begrifflich abwägungsfest. Dies sei im vorliegenden
Gesetzentwurf nicht beachtet worden.

Die Fraktion der SPD führte aus, man habe sich bereits in
der vorausgegangenen Legislaturperiode ausführlich mit
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Außenwirt-
schaftsgesetz auseinandergesetzt, um den Anforderungen
dieser Entscheidung gerecht zu werden. Die weiteren ein-
schlägigen Entscheidungen zur Abgrenzung präventiver
und repressiver Tätigkeit sowie zum Kernbereich privater
Lebensgestaltung seien ebenfalls im nun vorliegenden Ge-
setzentwurf berücksichtigt worden. Im Zusammenhang mit
der Neujustierung von § 100a ff. StPO sei das Thema nach
der Sommerpause nochmals gründlich zu diskutieren. Nur
wegen des drohenden Fristablaufs sei zunächst eine Rege-
lung für die Spezialmaterie des Zollfahndungsdienstgeset-
zes getroffen worden. Die Abstufung zwischen Lauschan-
griff und Telekommunikationsüberwachung sei so vorge-
nommen worden, wie es die Fraktion in Auslegung der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für vertret-
bar halte.

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung
Im Folgenden werden lediglich die Änderungen gegenüber
der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs erläutert.
Soweit der Rechtsausschuss den Gesetzentwurf unverändert
angenommen hat, wird auf die Begründung auf Drucksache
16/4663, S. 12 ff. verwiesen.

Aufgrund seiner Beratungen empfiehlt der Rechtsausschuss
Änderungen einiger im Gesetzentwurf der Bundesregierung
enthaltener Regelungsvorschläge.

Die Änderungen greifen neben einigen redaktionellen An-
passungen im Wesentlichen die Vorschläge des Bundesrates
auf Drucksache 16/5053 betreffend § 23g Abs. 4 ZFdG
(Nummer 3 der Stellungnahme) und Artikel 4a – neu – (Zitier-
gebot, Nummer 4 der Stellungnahme) sowie Anregungen aus
der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses vom
25. April 2007 auf.

Zu Nummer 1 (Artikel 1 Nr. 7 Buchstabe a)

Die Regelung zu Kontakt- und Begleitpersonen wird mit
dem Ziel einer verbesserten Lesbarkeit neu gegliedert. Sie
stellt in der angepassten Form eine Legaldefinition der Kon-
takt- und Begleitpersonen dar, auf die nachfolgende Rege-
lungen Bezug nehmen können.

Zu Nummer 2 (Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe a, Nr. 9
Buchstabe a und Nr. 10 Buchstabe a)

Es handelt sich um Folgeänderungen aufgrund der Anpas-
sung der Regelung zu Kontakt- und Begleitpersonen in Arti-
kel 1 Nr. 7 Buchstabe a.

Zu Nummer 3 (Artikel 1 Nr. 12)

Es wird klargestellt, dass Erkenntnisse aus der Wohnraum-
überwachung zur Eigensicherung nur zur Abwehr einer
dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbeson-
dere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr und
zur Verfolgung einer in § 100c der Strafprozessordnung ge-
nannten Straftat weiterverwendet werden dürfen (Artikel 13
Abs. 5 GG).

Zu Nummer 4 (Artikel 1 Nr. 13 Buchstabe e)

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung.

Zu Nummer 5 (Artikel 1 Nr. 16)

Vor dem Hintergrund einer einheitlichen Regelung der ein-
zelnen Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen wer-
den die Dauer der Anordnung sowie deren Verlängerung an-
gepasst, die Änderung greift zugleich einen Vorschlag des
Bundesrates auf (vgl. Drucksache 16/5053, S. 2 Nr. 3).

Zu den Nummern 6 und 7 (Artikel 1 Nr. 19 und 21 )

Es handelt sich um redaktionelle Änderungen.

Zu Nummer 8 (Artikel 1 Nr. 23)

Es wird klargestellt, dass Erkenntnisse aus der Wohnraum-
überwachung zur Eigensicherung nur zur Abwehr einer
dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbeson-
dere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr und
zur Verfolgung einer in § 100c der Strafprozessordnung ge-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/5448

nannten Straftat weiterverwendet werden dürfen (Artikel 13
Abs. 5 GG).

Zu Nummer 9 (Artikel 2 Nr. 3 Buchstabe f)

Es handelt sich um redaktionelle Änderungen.

Zu Nummer 10 (Artikel 4a – neu –)

Dem Zitiergebot des Artikels 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist durch
Benennung der eingeschränkten Grundrechte Rechnung zu
tragen.

Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts zum Zitiergebot des Artikels 19 Abs. 1 Satz 2 GG
(Urteil vom 27. Juli 2005 – 1 BvR 668/04 –, BVerfGE 113,
348 <366 f.>) ist das betroffene Grundrecht im Änderungs-
gesetz auch dann zu benennen, wenn das geänderte Gesetz
bereits eine Zitiervorschrift enthält, die Änderungen aber zu
neuen Grundrechtseinschränkungen führen.

Mit dieser Änderung wird zugleich einer Anregung des
Bundesrates gefolgt (vgl. Drucksache 16/5053, S. 2 Nr. 4).

Zu Nummer 11 (Artikel 5 Abs. 1)

Es handelt sich um eine redaktionelle Änderung.

Berlin, den 23. Mai 2007

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

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