BT-Drucksache 16/5414

Schutz für irakische Flüchtlinge gewährleisten

Vom 23. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5414
16. Wahlperiode 23. 05. 2007

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock, Jürgen
Trittin, Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Schutz für irakische Flüchtlinge gewährleisten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Auf dem Höhepunkt der Gewalt im Irak, die seit 2004 beständig zugenommen
hat, spitzt sich die Lage der Flüchtlinge zu: Zu zehntausenden verlassen Irake-
rinnen und Iraker jeden Monat ihr Land, weil sie unmittelbar von Verfolgung
durch terroristische und gewaltbereite Gruppen, aber auch seitens staatlicher
und halbstaatlicher Stellen bedroht sind. Besonders betroffen sind Angehörige
ethnischer und religiöser Minderheiten, darunter zum Beispiel Christen,
Yesiden oder Sabäer und Palästinenser sowie Frauen und Angehörige bestimm-
ter Berufsgruppen wie Ärztinnen und Ärzte, Journalistinnen und Journalisten,
Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer.

Derzeit befinden sich nach Angaben des UNHCR ca. 2 Millionen Flüchtlinge
im Ausland, davon ca. 1 Million in Syrien und 750 000 in Jordanien. Diese
Länder stehen durch den Flüchtlingsansturm vor enormen Herausforderungen
und haben bereits viele Hilfsbeiträge geleistet. Zudem gibt es ca. 1,9 Millionen
Binnenflüchtlinge, für die unter den schwierigen Sicherheitsbedingungen im
Irak nur eingeschränkte Hilfeleistung möglich ist. Auch nach Kurdistan-Irak
sind vermehrt Flüchtlinge eingereist. Eine weitere Destabilisierung dieser
Region, in der jüngst zwei Bombenanschläge verübt wurden, ist durch das
anstehende Referendum in Kirkuk zu befürchten.

Binnenflüchtlinge, Irakerinnen und Iraker in den Nachbarländern und in vielen
anderen Zufluchtsländern, darunter Deutschland, leiden nicht nur unter der an-
haltenden Verfolgung und einer dramatischen Verschlechterung der Menschen-
rechtslage in ihrem Heimatland, sondern auch unter den schwierigen Bedingun-
gen in ihren Zufluchtländern, unzureichenden Maßnamen für ihren Schutz und
ihre Versorgung und unsicheren Aufenthaltstatus.

Am 17./18. April 2007 fand in Genf die Unterstützungskonferenz „International

Conference on Addressing the Humanitarian Needs of Refugees and Internally
Displaced Persons inside Iraq and in Neighbouring Countries“ des UNHCR
statt, zu dem die Bundesregierung einen Beitrag von 1 Mio. Euro leistete. Die
Europäische Union hat in ihren Ratsschlussfolgerungen des Europäischen Rates
vom 23./24. April 2007 die dringende Notwendigkeit für weitere Hilfe und Ab-
stimmung im Rahmen einer Strategie zur Verbesserung der Lage der Flüchtlinge
formuliert.

Drucksache 16/5414 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Trotz der dramatischen Situation im Irak hat die Innenministerkonferenz mit
Beschluss vom 16./17. November 2006 den Abschiebestopp nach Irak auf-
gehoben und die Rückführung straffällig gewordener irakischer Flüchtlinge
beschlossen. Die Länder Niedersachsen und Bayern haben diesen Beschluss
bereits in Erlasse umgesetzt. Dabei wird außer acht gelassen, welche enormen
Gefahren den Abgeschobenen auch in Kurdistan-Irak drohen. Die Lage rück-
geführter Flüchtlingen kann aufgrund der allgemeinen Bedrohungslage auch
nicht vor Ort zuverlässig überprüft und bewertet werden.

Darüber hinaus wurden in den vergangenen drei Jahren ca. 18 000 Widerrufs-
verfahren durchgeführt mit der Konsequenz, dass den betroffenen irakischen
Flüchtlingen meist ihre Aufenthaltserlaubnis entzogen und sie auf den Status
einer Duldung herabgestuft wurden – mit gravierenden Auswirkungen u. a. für
ihre Arbeits- und Wohnmöglichkeiten. Die dadurch entstehenden büro-
kratischen Verpflichtungen für die Flüchtlinge, aber vor allem die Unsicherheit
ihres neuen Status stellen eine menschenunwürdige Härte gegenüber Menschen
dar, die oftmals bereits als Traumatisierte in der Bundesrepublik Deutschland
angekommen sind.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,

1. weitere Unterstützungsmaßnahmen für Flüchtlinge aus dem Irak in den
Nachbarstaaten zu leisten und sich im Rahmen der EU für eine Unter-
stützung der Hauptaufnahmeländer einzusetzen;

2. sich gegenüber den Bundesländern für einen generellen Abschiebestopp für
alle irakischen Flüchtlinge einzusetzen, solange sich die Sicherheits- und
Menschenrechtslage im gesamten Gebiet des Irak nicht entscheidend ver-
bessert;

3. weitere Widerrufsverfahren gegenüber allen irakischen Flüchtlingen unver-
züglich auszusetzen;

4. in ihrer EU-Ratspräsidentschaft auf die Aufnahme besonders schutzbedürfti-
ger Flüchtlinge aus dem Irak zu drängen, insbesondere der Angehörigen
religiöser und ethnischer Minderheiten.

Berlin, den 23. Mai 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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