BT-Drucksache 16/5283

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Jerzy Montag, Hans-Christian Ströbele, Wolfgang Wieland, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/576- Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit in Straf- und Strafprozessrecht

Vom 9. Mai 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/5283
16. Wahlperiode 09. 05. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Jerzy Montag, Hans-Christian Ströbele,
Wolfgang Wieland, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
– Drucksache 16/576 –

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Journalisten und der Pressefreiheit
in Straf- und Strafprozessrecht

A. Problem

Nach Auffassung der Antragsteller wurden in der Vergangenheit die Rechte der
Medienangehörigen immer wieder verletzt. Sie rügen die Umgehung des Zeug-
nisverweigerungsrechts gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 der Strafprozessord-
nung (StPO), Durchsuchungen und Beschlagnahmen wegen des Vorwurfes der
Teilnahme an der Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353b des Straf-
gesetzbuches (StGB), die Verwertung sog. Zufallsfunde aus häufig unverhält-
nismäßigen Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen, die Strafbarkeit
gemäß § 353d Nr. 3 StGB sowie den Ausschluss von Medienangehörigen vom
Anwendungsbereich des Beweiserhebungs- und -verwertungsverbots gemäß
§ 100h StPO.

Der vorgelegte Gesetzentwurf stellt die Teilnahme am Geheimnisverrat gemäß
§ 353b StGB für Medienangehörige sowie die Veröffentlichung amtlicher
Schriftstücke in Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren vor der öffentlichen
Verhandlung (§ 353d Nr. 3 StGB) straflos. Durch Änderungen der StPO sollen
Durchsuchungen und Beschlagnahmen in den Wohnungen von Medienangehö-
rigen unter Richtervorbehalt gestellt werden. Der Schutz vor Beschlagnahme
gemäß § 97 Abs. 5 StPO soll auf sog. Zufallsfunde ausgedehnt und der Schutz
von Berufsgeheimnisträgern bei der Auskunfterteilung von Telekommunika-
tionsverbindungen soll auf Medienangehörige ausgeweitet werden.
B. Lösung

Ablehnung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE.

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C. Alternativen

Annahme des Gesetzentwurfs.

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/5283

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/576 abzulehnen.

Berlin, den 9. Mai 2007

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

August Stern Oberstaatsanwalt, Staats- im Bereich der Telekommunikationsüberwachung, geklärt

anwaltschaft München.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Pro-
tokoll der 32. Sitzung des Rechtsausschusses vom 25. Okto-
ber 2006 mit den anliegenden Stellungnahmen der Sachver-
ständigen verwiesen.

würden. Wegen einiger Unterschiede zum vorliegenden Ge-
setzentwurf enthalte sie sich bei dessen Abstimmung.

Die Fraktion der CDU/CSU zeigte sich von der Position
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überrascht. Sei
diese sonst in der Regel für eine Ausweitung der Beschul-
Drucksache 16/5283 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen), Joachim
Stünker, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Neskovic und Jerzy
Montag

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/576 in seiner 25. Sitzung am 16. März 2006 in ers-
ter Lesung beraten und dem Rechtsausschuss zur federfüh-
renden Beratung und zur Mitberatung dem Innenausschuss
und dem Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen.

II. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat die Vorlage in seiner 39. Sitzung
am 9. Mai 2007 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktionen FDP und DIE LINKE. die Ablehnung
des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat die Vorlage in
seiner 11. Sitzung am 17. Mai 2006 beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung der Vorlage
empfohlen.

III. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 17. Sitzung
am 31. Mai 2006 beraten und beschlossen, eine öffentliche
Anhörung hierzu sowie zu dem Gesetzentwurf auf Drucksa-
che 16/956 durchzuführen, die am 25. Oktober 2006 (32. Sit-
zung) stattfand. An der Anhörung haben folgende Sachver-
ständige teilgenommen:

Prof. Dr. Hubertus Gersdorf Universität Rostock

Prof. Dr. Rainer Hamm Rechtsanwalt,
Frankfurt am Main

Prof. Dr. Dr. Alexander Ignor Rechtsanwaltskanzlei
Ignor/Bärlein/Partner

Dr. Roger Mann DAMM & MANN
Anwaltssozietät, Hamburg

Prof. Dr. Bodo Pieroth Universität Münster

Benno H. Pöppelmann Justiziar des Deutschen
Journalistenverbandes,
Berlin

Prof. Dr. Frank Saliger Bucerius Law School,
Hamburg

Conrad Schraube Hessischer Rundfunk,
Frankfurt am Main

Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE. die
Ablehnung des Antrags empfohlen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begründete
ihren Gesetzentwurf damit, dass einige virulente Punkte im
Bereich des Informantenschutzes nicht – auch noch nicht
durch das sog. Cicero-Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 27. Februar 2007 – geklärt seien. Hierzu gehörten die
Streichung des § 353d Nr. 3 StGB, der in der Praxis kaum
Anwendung finde, und das Verbot der Verwertung von Zu-
fallsfunden bei der Durchsuchung von Räumen von Ange-
hörigen der Medien. Da Journalisten heutzutage häufig auch
außerhalb der Redaktionsräume, insbesondere in ihren Pri-
vatwohnungen, arbeiteten, müsse der Richtervorbehalt auf
die Durchsuchung von Wohnräumen von Medienangehöri-
gen ausgedehnt werden. Die einengende verfassungsgemäße
Auslegung des unveränderten Wortlauts der StPO reiche
nicht aus. Der Gesetzgeber dürfe sich seiner Aufgabe – der
Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben ins ein-
fache Recht – nicht entziehen. Die Möglichkeit der verfas-
sungsgerichtlichen Überprüfbarkeit der Anwendung der
strafprozessualen Vorschriften sei für die Betroffenen ein
Minus gegenüber einer klaren einfachgesetzlichen Rege-
lung, da sie sich auf diese bereits in einem sehr frühen Ver-
fahrensstadium gegenüber der Staatsanwaltschaft berufen
könne, jene aber den Abschluss des Instanzenzuges voraus-
setze. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass bei Fragen
des Informantenschutzes der Schaden nicht erst mit der Ver-
urteilung entstehe, sondern bereits im Vorfeld. Bürger könn-
ten durch die mögliche Verwendung von Zufallsfunden in
anderen Verfahren davon abgeschreckt werden, sich mit ih-
ren Informationen überhaupt noch an die Presse zu wenden.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedauerte, dass
von Seiten der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD
keine Vorschläge zum Thema vorlägen.

Die Fraktion der FDP führte aus, dass sie zwar einige
Ansätze des vorliegenden Gesetzentwurfs unterstütze, in
ihrem eigenen Gesetzentwurf aber über den der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hinausgehe. So schlage sie
eine Änderung des § 97 StPO vor und wolle nur die Bei-
hilfe, nicht aber die Anstiftung zu § 353b StGB straflos stel-
len. Sie halte eine Verbesserung des Informantenschutzes
für dringend geboten und stelle ihren Gesetzentwurf auf
Drucksache 16/956 heute nur deshalb nicht zur Abstim-
mung, weil sie hoffe, dass ihre Fragen in einem der anderen
anstehenden Gesetzgebungsvorhaben, z. B. den Regelungen
Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 60. Sit-
zung am 9. Mai 2007 abschließend beraten und mit den

digtenrechte, wolle sie nun § 353d Nr. 3 StGB gestrichen
wissen. Dies habe zur Folge, dass ein Nebenkläger, der von

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seinem Anwalt die Akten erhalte, selbst einen Haftbefehl im
Internet veröffentlichen könne. Statt einer Streichung könne
man darüber nachdenken, ob man die Regelung nicht so wie
in England ausgestalten und die Verfahrensregel der Miss-
achtung des Gerichts (Contempt of Court) anwenden solle.
Dann könne das Gericht entscheiden, ob über ein Verfahren
und die zugrunde liegenden Akten überhaupt nicht oder zu
einem bestimmten Zeitpunkt nicht berichtet werden kann.
Die seltene Anwendung von Strafvorschriften könne kein
Kriterium für deren Abschaffung sein; sonst müsste man
viele Strafvorschriften – wie etwa den in der letzten Legisla-
turperiode eingeführten § 201a StGB – abschaffen. Auch
bei Zufallsfunden (§ 108 StPO) sei gemäß § 97 Abs. 5, § 53
Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
zu beachten. Dies sei kein Problem der Rechtssetzung, son-
dern der Rechtsanwendung. Im Fall „Cicero“, in dem aus-
schließlich Zufallsfunde beschlagnahmt worden seien, habe
das Bundesverfassungsgericht – was auch die Tenorierung
der Entscheidung verdeutliche – nur die Unzulässigkeit der
konkreten Beschlagnahme wegen fehlender Verhältnismä-
ßigkeit der Maßnahme festgestellt. Es habe aber keine
Gesetzeslücke schließen müssen. Das Bundesverfassungs-
gericht habe § 97 Abs. 5 StPO, der Artikel 5 des Grundge-
setzes und die Verhältnismäßigkeitsregel anspreche, zum
Ansatz zur Lösung des Falles genommen. Dennoch sei im
Gesetzentwurf zur Telekommunikationsüberwachung die
neue Regelung eines § 53b StPO vorgesehen, der den Be-
reich des Zufallsfundes etwas verklausuliert, aber sehr
geschickt zu regeln wisse. Im Übrigen habe das Bundesver-
fassungsgericht in der Frontal-Entscheidung im 107. Band
der amtlichen Sammlung betont, dass neben dem Grund-
recht der Presse- und Informationsfreiheit auch das Grund-
recht des Bürgers auf Sicherheit im Staat in die Abwägung
einbezogen werden müsse.

Die Fraktion der SPD schloss sich diesen Ausführungen
an. Eine Generaldebatte sei im Zusammenhang mit den Re-
gelungen zur Telekommunikationsüberwachung zu führen.
Deshalb verhalte sich die Fraktion der FDP richtig, wenn sie
ihren Antrag zurückstelle. Der Gesetzentwurf der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stamme aus der Zeit vor der
Cicero-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die
Entscheidung sei klug und treffe in einem schwierigen Be-
reich eine vernünftige Abgrenzung. Bei defizitärer Anwen-
dung durch Staatsanwälte und Gerichte helfe auch das beste
Gesetz nichts. Nach der Cicero-Entscheidung dürfte es nicht
zu einer Wiederholung solcher Anträge und Gerichtsent-
scheidungen kommen. Zufallsfunde seien häufig auch auf
nicht präzise Durchsuchungsbeschlüsse zurückzuführen.
Die im Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN vorgeschlagenen Regelungen seien unvernünftig.
Die Fraktion werde den Antrag daher ablehnen.

Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. gehe der zur Ab-
stimmung stehende Gesetzentwurf zwar in die richtige
Richtung, sie hoffe aber ebenso wie die Fraktion der FDP
darauf, dass im weiteren Verlauf ein umfassender Gesetz-
entwurf der Regierung vorgelegt werde, in dem die Ände-
rungen, die auch ihre Fraktion in einem eigenen Gesetzent-
wurf vorgeschlagen habe, teilweise auch konsensual einge-
führt würden. Während der Gesetzentwurf der Fraktion der
FDP eine prozessuale Lösung anstrebe, beantrage die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN materiellrechtliche Ände-
rungen insbesondere im Rahmen der sukzessiven Beihilfe.
Gerade diese habe das Bundesverfassungsgericht in seinen
zitierten Entscheidungen leider offengelassen. Sie sehe der-
zeit allerdings keinen Handlungsbedarf, da die verfassungs-
widrige Praxis der Staatsanwaltschaften gestoppt sei. Daher
enthalte sie sich der Stimme.

Berlin, den 9. Mai 2007

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

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