BT-Drucksache 16/4825

Angeblicher Leistungsmissbrauch bei Leistungsbezug gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Vom 3. April 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4825
16. Wahlperiode 23. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Katja Kipping, Karin Binder,
Dr. Lothar Bisky, Werner Dreibus, Katrin Kunert, Ulla Lötzer, Kornelia Möller,
Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Frank Spieth, Dr. Kirsten
Tackmann, Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Angeblicher Leistungsmissbrauch bei Leistungsbezug gemäß dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch

Im Frühjahr 2005 startete der damalige Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit, Wolfgang Clement, eine Kampagne gegen einen angeblichen Miss-
brauch von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die
bezifferte Missbrauchquote lag bei 15 bis 20 Prozent. Grundlage dieser Schät-
zung war eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Auftrag
gegebene Recherche unter dem Titel „Vorrang für die Anständigen – gegen
Missbrauch, ‚Abzocke‘ und Selbstbedienung“.

Die Angaben wurden von dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche
im Rheinland untersucht. Ergebnis dieser Untersuchung ist die im Dezember
2006 veröffentlichte Expertise „Weder Sozialmissbrauch noch Leistungsexplo-
sion“ von Dr. Michael Seligmann. In dieser Expertise wird unter anderem der
Frage nachgegangen, in welchem Ausmaß ein Missbrauch der Leistungen
nachgewiesen vorliegt. Die Expertise kommt dabei zu dem Schluss, dass ein
relevanter Missbrauch nicht feststellbar sei. Grundlage dieser Feststellung sind
die von der Bundesagentur für Arbeit im Juni 2006 veröffentlichten Zahlen,
wonach es in lediglich 60 000 Fällen nicht ausgeschlossen werden konnte, dass
Leistungen nicht gemäß den Voraussetzungen des SGB II gezahlt wurden. Diese
Fallzahl macht lediglich 2,7 – und nicht wie heraufbeschworen 15 bis 20 –
Prozent der Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher aus.

Dazu ist anzumerken, dass diese 2,7 Prozent nicht die Anzahl derer sind, die in
einem strafrechtlich relevanten Maß Leistungen beantragt und erhalten haben,
sondern die Zahl derer, bei denen dies nicht auszuschließen ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Bundesregierung und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales
die Expertise des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rhein-
land bekannt?
2. Wie bewertet die Bundesregierung die in der Expertise begründete Feststel-
lung, dass ein relevanter Missbrauch der SGB-II-Leistungen nicht feststell-
bar ist?

3. Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus ihrer Bewertung?

Drucksache 16/4825 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. Wie viele Bezieher oder Bezieherinnen erhalten nach Ansicht der Bundes-
regierung zu Unrecht Leistungen gemäß SGB II?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieser Expertise
eine öffentliche Klarstellung der Angaben bezüglich der Zahlen, wo un-
rechtmäßig erhaltene Leistungen gemäß SGB II zumindest nicht ausge-
schlossen werden können?

6. Sieht sich die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieser Zahlen veran-
lasst, die im Bereich des SGB II vollzogenen verschärften Kontrollen (Aus-
weitung der Außendienste sowie Datenabgleiche) durch das SGB-Fortent-
wicklungsgesetz als unverhältnismäßig zurückzunehmen?

Berlin, den 21. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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