BT-Drucksache 16/4806

Arbeitgeberzusammenschlüsse zur Stärkung ländlicher Räume

Vom 22. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4806
16. Wahlperiode 22. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Kornelia Möller, Werner Dreibus,
Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva
Bulling-Schröter, Roland Claus, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Katrin Kunert,
Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Ilja Seifert und der Fraktion DIE LINKE.

Arbeitgeberzusammenschlüsse zur Stärkung ländlicher Räume

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die ländlichen Räume Deutschlands werden, auch aufgrund verfestigter Lang-
zeitarbeitslosigkeit, zunehmend zu sozialen Brennpunkten. Der Grundsatz der
Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse erfordert, dieser Entwicklung entge-
genzuwirken. Dazu ist eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich. Dies gilt ins-
besondere für die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen zur Siche-
rung und Schaffung land- und forstwirtschaftlicher Arbeitsplätze und anderer
stark saisonal beeinflusster Branchen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

dem Bundestag einen Vorschlag vorzulegen, wie Arbeitgeberzusammen-
schlüsse (AGZ) gezielt unterstützt, gesetzlich geschützt und langfristig gesichert
werden können – mit dem Ziel, saisonal anfallende Arbeit in den ländlichen
Räumen so zu organisieren, dass ganzjährige, sozialversicherungspflichtige und
existenzsichernde Arbeitsverhältnisse entstehen.

Berlin, den 21. März 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Arbeitgeberzusammenschlüsse (AGZ) sind betriebliche Kooperationen zur
Sicherung qualifizierten Personals. Im EU-Nachbarland Frankreich konnten da-

mit bereits sehr positive Erfahrungen gesammelt werden. Im Jahr 2004 gab es
allein im landwirtschaftlichen Bereich 4 100 AGZ mit ca. 40 000 Beschäftigten.
Grundlage ist ein französisches Gesetz aus dem Jahr 1985 (Code du travail,
Art. L 127-1), welches Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern erlaubt, einen Verein
zu gründen, dessen einziger Zweck es ist, seinen Mitgliedern kompetentes Per-
sonal zur Verfügung zu stellen. Tauschvereinbarungen für landwirtschaftliche

Drucksache 16/4806 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Maschinen und gemeinsame Vermarktung von Produkten werden auch in
Deutschland schon lange erfolgreich betriebsübergreifend praktiziert.

Die französischen AGZ erhalten keine besonderen staatlichen Zuschüsse und
müssen daher darauf achten, rentabel zu arbeiten. Zur Einführung von AGZ sind
allerdings staatliche oder regionale Unterstützungsprogramme empfehlenswert.
In der Vorbereitungsphase muss die Bereitschaft der Betriebe und ihr Beschäfti-
gungsbedarf analysiert werden.

Die AGZ stellen gemeinsame Arbeitskräfte ein und können diese je nach Bedarf
in den unterschiedlichen Betrieben je nach saisonalem oder tageszeitlichem Ar-
beitsaufkommen einsetzen. Empfehlenswert sind in diesem Zusammenhang
AGZ aus verschiedenen Branchen, so dass sich Arbeitsspitzen möglichst gut
verteilen. Die Betriebe werden von Personalmanagementaufgaben entlastet und
bekommen eingearbeitete Fachkräfte für die Zeit ihres erhöhten Arbeitsaufkom-
mens.

Die Vorteile für die Mitgliedsbetriebe einer AGZ sind vielfältig. Es wird ihnen
ein flexibler, am Bedarf orientierter Einsatz von eingearbeitetem, qualifiziertem
Personal ermöglicht. Durch das professionelle Personalmanagement der AGZ
werden Kosten eingespart. Ausbildungen, Fortbildungen und sonstige Qualifi-
zierungsmöglichkeiten können gemeinsam mit den anderen Mitgliedsbetrieben
über die AGZ durchgeführt werden.

Die Vorteile für die Beschäftigten sind ebenfalls vielfältig. Sie sind ganzjährig
bei einem Arbeitgeber beschäftigt, erfüllen allerdings eine Vielzahl von ab-
wechslungsreichen Tätigkeiten in den unterschiedlichen Mitgliedsbetrieben.
Entgegen sonstiger saisonal bedingter Arbeitsmöglichkeiten in den ländlichen
Räumen werden durch die AGZ unsichere Arbeitsverhältnisse abgesichert und
in existenzsichernde Arbeitsplätze umgewandelt. Durch die AGZ werden Aus-
bildungen, Fortbildungen und sonstige Qualifizierungsmöglichkeiten organi-
siert, welche zur persönlichen beruflichen Bereicherung beitragen.

Die AGZ können einen Beitrag zu einer sichereren Lebensplanung leisten, auch
wenn sie keine Garantie für eine existenzsichernde und faire Entlohnung dar-
stellt. Ein gesetzlicher Mindestlohn bleibt weiterhin oberstes Ziel einer existenz-
sichernden Entlohnung von Erwerbsarbeit, sowohl in der Land- und Forstwirt-
schaft als auch im Gartenbau. Des Weiteren stellt eine AGZ keine Garantie für
eine ganzjährige Beschäftigung dar, sondern bietet nur bei einer besonders guten
Organisation und einer branchenübergreifenden Arbeitgeberzusammensetzung
eine gute Möglichkeit dazu.

Die AGZ können Bestandteil einer regionalen Beschäftigungsstrategie sein. Ge-
schäftsführerinnen und Geschäftführer von AGZ organisieren nicht nur das Per-
sonal für die Betriebe, sondern erfassen Fortbildung- und Ausbildungsbedarf.
Gemeinsame Schulungen bringen sowohl die einzelnen Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in ihrer persönlichen Qualifizierung voran, haben allerdings auch
enorme positive Effekte für die landwirtschaftlichen und anderen Betriebe. Ge-
rade bei inländischen Saisonarbeitskräften wurden mangelnde Qualifizierung
und Motivation von vielen Seiten nach der Erntesaison 2006 beklagt. Die Kurz-
zeitigkeit der Arbeitsverhältnisse, schwierige Arbeits- und Lebensbedingungen
sowie sehr niedrige Entlohnung sind allerdings objektive Vermittlungshemm-
nisse in diesem Bereich.

Im Spreewald (Land Brandenburg) wurde von 2003 bis 2005 bereits ein vom
Brandenburgischen Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Ver-
braucherschutz (MLUV) durchgeführtes Pilotprojekt zu AGZ realisiert. In
diesem Projekt wurde die Übertragbarkeit des französischen Modells der AGZ
auf Deutschland bzw. Brandenburg untersucht und die Gründung eines ersten

AGZ unterstützt bzw. begleitet. Sieben Betriebe nahmen daran teil, aktuell sind
es 15 Mitgliedsbetriebe mit 20 Beschäftigten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4806

Seit 2005 werden darüber hinaus durch das Brandenburgische Ministerium für
Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie (MASGF) eine Machbarkeitsstudie
zur Umsetzung von AGZ durchgeführt und sechs beispielhafte Initiativen unter-
stützt. Auf die bei diesen Projekten gewonnenen Erkenntnisse kann zurück-
gegriffen werden. Aktuell befinden sich weitere Arbeitgeberzusammenschlüsse
im Land Brandenburg und außerhalb in der Gründungsphase. Auch der Bund
muss sich an diesen Projekten beteiligen.

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