BT-Drucksache 16/4740

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/1993- Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht

Vom 20. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4740
16. Wahlperiode 20. 03. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 16/1993 –

Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht

A. Problem

1. Die Führungsaufsicht gewährleistet eine nachsorgende Betreuung von
Täterinnen und Tätern, deren gesellschaftliche Wiedereingliederung nach
ihrer Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug aus unterschiedlichen
Gründen gefährdet erscheint und die daher im Besserungs- und im Siche-
rungsinteresse in besonderem Maße kontrollierender Begleitung und Unter-
stützung bedürfen. Im Hinblick auf die große kriminalpolitische und prak-
tische Bedeutung der Führungsaufsicht ist es geboten, die rechtlichen
Regelungen zu vereinfachen und zu vereinheitlichen, den strafrechtlichen
Rahmen zu verbessern sowie ein Kriseninterventionsinstrumentarium zu
schaffen, mit dessen Hilfe kritische Entwicklungen von Probandinnen und
Probanden besser als bisher frühzeitig erkannt werden können und diesen
rechtzeitig begegnet werden kann.

2. Im Bereich der Sicherungsverwahrung hat die restriktive Auslegung des
Merkmals der neuen Tatsachen durch die Rechtsprechung zu vom Gesetz-
geber nicht gewollten Schutzlücken geführt. Sie treten insbesondere in sog.
Altfällen auf, in denen das erkennende Gericht aus inzwischen revidierten
Rechtsgründen die Sicherungsverwahrung nicht anordnen konnte. Dringlich
ist zunächst die Erfassung der in den neuen Bundesländern demnächst zur
Entlassung anstehenden Täter, die bereits im Zeitpunkt ihrer Verurteilung als
gefährlich angesehen wurden, jedoch aufgrund einer der vor dem 29. Juli
2004 gültigen Fassungen des Artikels 1a EGStGB nicht in der Sicherungs-
verwahrung untergebracht werden konnten. Eine zweite Fallgruppe betrifft
Taten, die heute die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB erfüllen würden,
die jedoch vor dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 31. Januar 1998 be-
gangen und vor dem 29. Juli 2004 abgeurteilt wurden.
B. Lösung

Annahme des Gesetzentwurfs in der aus der Zusammenstellung ersichtlichen
Fassung.

Drucksache 16/4740 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Hinsichtlich der Führungsaufsicht enthält der Gesetzentwurf im Wesentlichen
die folgenden Regelungen:

– Schaffung der Möglichkeit einer vorübergehenden stationären Unter-
bringung zur Krisenintervention und Gefahrenabwehr bei Personen, deren
Unterbringung nach § 63 oder § 64 StGB zur Bewährung ausgesetzt ist,
s. § 67h StGB-E;

– Regelung von Offenbarungspflichten der an der Führungsaufsicht beteilig-
ten Stellen, insbesondere der forensischen Ambulanz, s. § 68a Abs. 8, § 68b
Abs. 5 StGB-E;

– Ausweitungen des strafbewehrten Weisungskatalogs, s. § 68b Abs. 1 Nr. 7,
10, 11 StGB-E, insbesondere Aufnahme eines Kontakt- und Verkehrsver-
bots, s. § 68b Abs. 1 Nr. 3 StGB-E;

– Möglichkeit zur unbefristeten Verlängerung der Führungsaufsicht bei frühe-
ren Patientinnen und Patienten forensisch-psychiatrischer Kliniken, die ohne
weitere Betreuung im Rahmen der Führungsaufsicht alsbald wieder in ihre
psychische Krankheit oder Störung zurückfallen würden, und in Fällen
schwerer Sexualstraftaten bei fortbestehender Gefährlichkeit der Täterin
oder des Täters, s. § 68c Abs. 3 StGB-E;

– Vermeidung von Doppelbetreuungen im Rahmen von Führungsaufsichten
und Straf- oder Maßregelvollzug, s. § 68e Abs. 1 StGB-E;

– Neuregelung der Voraussetzungen für den Eintritt der Führungsaufsicht in
Fällen der sog. Vollverbüßung, s. § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB-E;

– Erhöhung des Strafrahmens für Weisungsverstöße auf drei Jahre Freiheits-
strafe, s. § 145a StGB-E;

– Schaffung einer Befugnis des für die Führungsaufsicht zuständigen Gerich-
tes, auf Antrag der Aufsichtsstelle Vorführungsbefehle zu erlassen, s. § 463a
Abs. 3 StPO-E.

Darüber hinaus hat der Rechtsausschuss Änderungen im Recht der Sicherungs-
verwahrung vorgeschlagen:

Hier soll durch die Klarstellung in § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB-E künftig gewähr-
leistet werden, dass bei der Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der
Sicherungsverwahrung als „neu“ auch solche Tatsachen berücksichtigt werden
können, die das Tatgericht nicht zur Prüfung der Anordung von Sicherungsver-
wahrung verwerten konnte, weil es diese aus – inzwischen revidierten –
Rechtsgründen überhaupt nicht anordnen konnte. Die Ergänzung von § 106
Abs. 5 JGG bietet eine entsprechende Lösung für die bei Heranwachsenden
auftretende Altfallproblematik.

Mit der Änderung des § 315 Abs. 1 EGStGB werden die Vorschriften des Straf-
gesetzbuches über die primäre Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) und die
Führungsaufsicht auf noch in der DDR begangene Taten erstreckt.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der FDP

C. Alternativen

Keine
D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4740

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/1993 in der Fassung der nachfolgenden
Zusammenstellung anzunehmen.

Berlin, den 20. März 2007

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Sevim Dag˘delen
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

3. u n v e r ä n d e r t 3. § 56d wird wie folgt gefasst:

㤠56d
Bewährungshilfe
(1) Das Gericht unterstellt die verurteilte Person für
die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Auf-
sicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines
Bewährungshelfers, wenn dies angezeigt ist, um sie von
Straftaten abzuhalten.

(2) Eine Weisung nach Absatz 1 erteilt das Gericht in
der Regel, wenn es eine Freiheitsstrafe von mehr als
neun Monaten aussetzt und die verurteilte Person noch
nicht 27 Jahre alt ist.
(3) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungshel-
fer steht der verurteilten Person helfend und betreuend
zur Seite. Sie oder er überwacht im Einvernehmen mit
4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s


der Führungsaufsicht

ses (6. Ausschuss)

Entwurf eines Gesetzes
zur Reform der Führungsaufsicht

und zur Änderung der Vorschriften
über die nachträgliche Sicherungsverwahrung

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert
durch …, wird wie folgt geändert:

1. u n v e r ä n d e r t

2. u n v e r ä n d e r t
Drucksache 16/4740 –

E n t w u r f


Zusammenstellung

des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform
– Drucksache 16/1993 –
mit den Beschlüssen des Rechtsausschus

Entwurf eines Gesetzes
zur Reform der Führungsaufsicht

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung
vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert
durch …, wird wie folgt geändert:

1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Nach der Angabe „§ 67g Widerruf der Aussetzung“
wird die Angabe 㤠67h Befristete Wiederinvoll-
zugsetzung; Krisenintervention“ eingefügt.

b) Die Angabe zu § 68a wird wie folgt gefasst:

„§ 68a Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe, forensi-
sche Ambulanz“.

c) Die Angabe zu § 68e wird wie folgt gefasst:

„§ 68e Beendigung oder Ruhen der Führungsauf-
sicht“.

2. § 56c Abs. 2 Nr. 3 wird wie folgt gefasst:

„3. zu der verletzten Person oder bestimmten Personen
oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihm
Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bie-
ten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen
nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, aus-
zubilden oder zu beherbergen,“.

Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung aus-
gesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel
für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der
Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder
eines Bewährungshelfers.“
5 – Drucksache 16/4740

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

4. u n v e r ä n d e r t

5. § 57 wird wie folgt geändert:

a) u n v e r ä n d e r t

b) u n v e r ä n d e r t

c) u n v e r ä n d e r t
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode –

E n t w u r f

dem Gericht die Erfüllung der Auflagen und Weisungen
sowie der Anerbieten und Zusagen und berichtet über
die Lebensführung der verurteilten Person in Zeitabstän-
den, die das Gericht bestimmt. Gröbliche oder beharr-
liche Verstöße gegen Auflagen, Weisungen, Anerbieten
oder Zusagen teilt die Bewährungshelferin oder der Be-
währungshelfer dem Gericht mit.

(4) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungs-
helfer wird vom Gericht bestellt. Es kann der Bewäh-
rungshelferin oder dem Bewährungshelfer für die Tätig-
keit nach Absatz 3 Anweisungen erteilen.

(5) Die Tätigkeit der Bewährungshelferin oder des
Bewährungshelfers wird haupt- oder ehrenamtlich aus-
geübt.“

4. § 56f wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 1 werden die Wörter „der Ver-
urteilte“ durch die Wörter „die verurteilte Person“ er-
setzt, nach dem Wort „Leitung“ die Wörter „der Be-
währungshelferin oder“ eingefügt und das Wort „er“
durch das Wort „sie“ ersetzt.

b) In Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 werden die Wörter „nament-
lich den Verurteilten“ durch die Wörter „insbeson-
dere die verurteilte Person einer Bewährungshelferin
oder“ ersetzt.

c) In Absatz 3 Satz 1 und 2 werden jeweils die Wörter
„der Verurteilte“ durch die Wörter „die verurteilte
Person“ ersetzt.

5. § 57 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 Nr. 3 werden die Wörter „der Ver-
urteilte“ durch die Wörter „die verurteilte Per-
son“ ersetzt.

bb) Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Bei der Entscheidung sind insbesondere die
Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vor-
leben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des
bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das
Verhalten der verurteilten Person im Vollzug,
ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu
berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie
zu erwarten sind.“

b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

aa) In Nummer 1 werden die Wörter „der Ver-
urteilte“ durch die Wörter „die verurteilte Per-
son“ ersetzt.

bb) In Nummer 2 werden die Wörter „des Verurteil-
ten und seiner“ durch die Wörter „der verurteil-
ten Person und ihrer“ ersetzt.

c) Absatz 3 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer

(2) Das Gericht widerruft die Aussetzung einer
Unterbringung nach den §§ 63 und 64 auch dann,
wenn sich während der Dauer der Führungsaufsicht
ergibt, dass von der verurteilten Person infolge ihres
Zustands rechtswidrige Taten zu erwarten sind und
6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

d) In Absatz 5 Satz 2 werden die Wörter „der Ver-
urteilte“ durch die Wörter „die verurteilte Person“
ersetzt.

e) In Absatz 6 werden die Wörter „der Verurteilte“
durch die Wörter „die verurteilte Person“ und die
Wörter „dem Verletzten“ durch die Wörter „der ver-
letzten Person“ ersetzt.

f) In Absatz 7 werden die Wörter „des Verurteilten“
durch die Wörter „der verurteilten Person“ ersetzt.

5a. § 66b wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Nach den Wörtern „und wenn“ werden die
Wörter „im Zeitpunkt der Entscheidung
über die nachträgliche Anordnung der Si-
cherungsverwahrung“ eingefügt.

bb) Folgender Satz wird angefügt:

„War die Anordnung der Sicherungsver-
wahrung im Zeitpunkt der Verurteilung aus
rechtlichen Gründen nicht möglich, so be-
rücksichtigt das Gericht als Tatsachen im
Sinne des Satzes 1 auch solche, die im Zeit-
punkt der Verurteilung bereits erkennbar
waren.“

b) In Absatz 2 wird nach der Angabe „Absatz 1“
die Angabe „Satz 1“ eingefügt.“

6. u n v e r ä n d e r t

7. u n v e r ä n d e r t
Drucksache 16/4740 –

E n t w u r f

d) In Absatz 5 werden die Wörter „der Verurteilte“
durch die Wörter „die verurteilte Person“ und die
Wörter „dem Verletzten“ durch die Wörter „der ver-
letzten Person“ ersetzt.

e) In Absatz 6 werden die Wörter „des Verurteilten“
durch die Wörter „der verurteilten Person“ ersetzt.

6. § 67d wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 3 Satz 2 und Absatz 6 Satz 2 wird jeweils
das Wort „Erledigung“ durch die Wörter „Entlassung
aus dem Vollzug der Unterbringung“ ersetzt.

b) Dem Absatz 4 wird folgender Satz angefügt:

„Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbrin-
gung tritt Führungsaufsicht ein.“

7. § 67g wird wie folgt geändert:

a) Die Absätze 1 und 2 werden wie folgt gefasst:

„(1) Das Gericht widerruft die Aussetzung einer
Unterbringung, wenn die verurteilte Person

1. während der Dauer der Führungsaufsicht eine
rechtswidrige Tat begeht,

2. gegen Weisungen nach § 68b gröblich oder be-
harrlich verstößt oder

3. sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungs-
helferin oder des Bewährungshelfers oder der
Aufsichtsstelle beharrlich entzieht

und sich daraus ergibt, dass der Zweck der Maßregel
ihre Unterbringung erfordert. Satz 1 Nr. 1 gilt ent-
sprechend, wenn der Widerrufsgrund zwischen der
Entscheidung über die Aussetzung und dem Beginn
der Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 4) entstanden ist.

Tätigkeit Anweisungen erteilen.

(6) Vor Stellung eines Antrags nach § 145a Satz 2 hört
die Aufsichtsstelle die Bewährungshelferin oder den Be-
währungshelfer; Absatz 4 ist nicht anzuwenden.
7 – Drucksache 16/4740

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

8. Nach § 67g wird folgender § 67h eingefügt:

㤠67h
Befristete Wiederinvollzugsetzung;

Krisenintervention

(1) Während der Dauer der Führungsaufsicht kann
das Gericht die ausgesetzte Unterbringung nach § 63
oder § 64 für eine Dauer von höchstens drei Monaten
wieder in Vollzug setzen, wenn eine akute Verschlech-
terung des Zustands der aus der Unterbringung entlas-
senen Person oder ein Rückfall in ihr Suchtverhalten
eingetreten ist und die Maßnahme erforderlich ist, um
einen Widerruf nach § 67g zu vermeiden. Unter den
Voraussetzungen des Satzes 1 kann es die Maßnahme
erneut anordnen oder ihre Dauer verlängern; die
Dauer der Maßnahme darf insgesamt sechs Monate
nicht überschreiten. § 67g Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) u n v e r ä n d e r t

8a. In § 68 Abs. 2 wird die Angabe „67d Abs. 2, 3, 5
und 6“ durch die Angabe „67d Abs. 2 bis 6“ ersetzt.

9. Die §§ 68a bis 68c werden wie folgt gefasst:

㤠68a
Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe,

forensische Ambulanz

(1) u n v e r ä n d e r t

(2) u n v e r ä n d e r t

(3) u n v e r ä n d e r t

(4) u n v e r ä n d e r t

(5) u n v e r ä n d e r t
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode –

E n t w u r f

deshalb der Zweck der Maßregel ihre Unterbringung
erfordert.“

b) In Absatz 3 werden die Wörter „des Verurteilten“
durch die Wörter „der verurteilten Person“ ersetzt.

c) In Absatz 6 werden die Wörter „der Verurteilte“
durch die Wörter „die verurteilte Person“ ersetzt.

8. Nach § 67g wird folgender § 67h eingefügt:

㤠67h
Befristete Wiederinvollzugsetzung;

Krisenintervention

(1) Während der Dauer der Führungsaufsicht kann das
Gericht die ausgesetzte Unterbringung nach den §§ 63
oder 64 für eine Dauer von höchstens drei Monaten wie-
der in Vollzug setzen, wenn eine akute Verschlechterung
des Zustands der aus der Unterbringung entlassenen Per-
son oder ein Rückfall in ihr Suchtverhalten eingetreten
ist und die Maßnahme erforderlich ist, um einen Wider-
ruf nach § 67g zu vermeiden. Unter den Voraussetzun-
gen des Satzes 1 kann es die Dauer der Maßnahme ver-
längern; sie darf insgesamt sechs Monate nicht über-
schreiten. § 67g Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) Das Gericht hebt die Maßnahme vor Ablauf der
nach Absatz 1 gesetzten Frist auf, wenn ihr Zweck er-
reicht ist.“

9. Die §§ 68a bis 68c werden wie folgt gefasst:

㤠68a
Aufsichtsstelle, Bewährungshilfe,

forensische Ambulanz

(1) Die verurteilte Person untersteht einer Aufsichts-
stelle; das Gericht bestellt ihr für die Dauer der Füh-
rungsaufsicht eine Bewährungshelferin oder einen Be-
währungshelfer.

(2) Die Bewährungshelferin oder der Bewährungs-
helfer und die Aufsichtsstelle stehen im Einvernehmen
miteinander der verurteilten Person helfend und betreu-
end zur Seite.

(3) Die Aufsichtsstelle überwacht im Einvernehmen
mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewäh-
rungshelferin oder des Bewährungshelfers das Verhalten
der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisun-
gen.

(4) Besteht zwischen der Aufsichtsstelle und der Be-
währungshelferin oder dem Bewährungshelfer in Fra-
gen, welche die Hilfe für die verurteilte Person und ihre
Betreuung berühren, kein Einvernehmen, entscheidet
das Gericht.

(5) Das Gericht kann der Aufsichtsstelle und der Be-
währungshelferin oder dem Bewährungshelfer für ihre
(6) u n v e r ä n d e r t

3. zu der verletzten Person oder bestimmten Personen
oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Ge-
legenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten
können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen
8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

(7) Wird eine Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2 und
3 erteilt, steht im Einvernehmen mit den in Absatz 2 Ge-
nannten auch die forensische Ambulanz der verurteilten
Person helfend und betreuend zur Seite. Im Übrigen gel-
ten die Absätze 3 und 6, soweit sie die Stellung der Be-
währungshelferin oder des Bewährungshelfers betreffen,
auch für die forensische Ambulanz.

(8) Die in Absatz 1 Genannten und die in § 203
Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 genannten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der forensischen Ambulanz haben
fremde Geheimnisse, die ihnen im Rahmen des durch
§ 203 geschützten Verhältnisses anvertraut oder
sonst bekannt geworden sind, einander zu offenbaren,
soweit dies notwendig ist um der verurteilten Person
zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden. Darü-
ber hinaus haben die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5
genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der
forensischen Ambulanz solche Geheimnisse gegen-
über der Aufsichtsstelle und dem Gericht zu offen-
baren, soweit aus ihrer Sicht

1. dies notwendig ist um zu überwachen, ob die ver-
urteilte Person einer Vorstellungsweisung nach
§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 nachkommt oder im
Rahmen einer Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2
und 3 an einer Behandlung teilnimmt,

2. das Verhalten oder der Zustand der verurteilten
Person Maßnahmen nach § 67g, § 67h oder § 68c
Abs. 2 oder Abs. 3 erforderlich erscheinen lässt,
oder

3. dies zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen
Gefahr für das Leben, die körperliche Unver-
sehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexu-
elle Selbstbestimmung Dritter erforderlich ist.

In den Fällen der Sätze 1 und 2 Nr. 2 und 3 dürfen
Tatsachen im Sinne von § 203 Abs. 1, die von Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern der forensischen
Ambulanz offenbart wurden, nur zu den dort ge-
nannten Zwecken verwendet werden.

§ 68b
Weisungen

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die
Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit
anweisen,

1. u n v e r ä n d e r t

2. u n v e r ä n d e r t
Drucksache 16/4740 –

E n t w u r f

(7) Wird eine Weisung nach § 68b Abs. 2 Satz 2 er-
teilt, steht im Einvernehmen mit den in Absatz 2 Ge-
nannten auch die forensische Ambulanz der verurteilten
Person helfend und betreuend zur Seite. Im Übrigen gel-
ten die Absätze 3 und 6, soweit sie die Stellung der Be-
währungshelferin oder des Bewährungshelfers betreffen,
auch für die forensische Ambulanz. Die in § 203 Abs. 1
Nr. 1, 2 und 5 genannten Personen haben sich gegenüber
dem Gericht, der Aufsichtsstelle, der Bewährungshelfe-
rin oder dem Bewährungshelfer zu offenbaren, soweit
dies für deren Aufgabenerfüllung erforderlich ist.

§ 68b
Weisungen

(1) Das Gericht kann die verurteilte Person für die
Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit
anweisen,

1. den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimm-
ten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle
zu verlassen,

2. sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr
Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bie-
ten können,
3. u n v e r ä n d e r t

(4) Wenn mit Eintritt der Führungsaufsicht eine be-
reits bestehende Führungsaufsicht nach § 68e Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 endet, muss das Gericht auch die Weisungen
in seine Entscheidung einbeziehen, die im Rahmen der
früheren Führungsaufsicht erteilt worden sind.
9 – Drucksache 16/4740

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

4. u n v e r ä n d e r t

5. u n v e r ä n d e r t

6. u n v e r ä n d e r t

7. u n v e r ä n d e r t

8. jeden Wechsel der Wohnung oder des Arbeits-
platzes unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,

9. u n v e r ä n d e r t

10. u n v e r ä n d e r t

11. u n v e r ä n d e r t

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die
Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit
weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die
sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der
wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von Un-
terhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die verur-
teilte Person insbesondere anweisen, sich psychiatrisch,
psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behan-
deln zu lassen (Therapieweisung). Die Betreuung und
Behandlung kann durch eine forensische Ambulanz er-
folgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch für die Wei-
sung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unter-
ziehen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind.

(3) u n v e r ä n d e r t
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode –

E n t w u r f

nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, aus-
zubilden oder zu beherbergen,

4. bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben, die sie nach
den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann,

5. bestimmte Gegenstände, die ihr Gelegenheit oder
Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, nicht
zu besitzen, bei sich zu führen oder verwahren zu
lassen,

6. Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraft-
fahrzeugen oder von anderen Fahrzeugen nicht zu
halten oder zu führen, die sie nach den Umständen
zu Straftaten missbrauchen kann,

7. sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle,
einer bestimmten Dienststelle oder der Bewäh-
rungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu mel-
den,

8. jeden Wechsel des Wohnorts oder des Arbeitsplatzes
unverzüglich der Aufsichtsstelle zu melden,

9. sich im Fall der Erwerbslosigkeit bei der zustän-
digen Agentur für Arbeit oder einer anderen zur
Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle zu melden,

10. keine alkoholischen Getränke oder andere be-
rauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn auf-
grund bestimmter Tatsachen Gründe für die An-
nahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel
zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird,
und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu
unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Ein-
griff verbunden sind, oder

11. sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten
Abständen bei einer Ärztin oder einem Arzt, einer
Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten
oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen.

Das Gericht hat in seiner Weisung das verbotene oder
verlangte Verhalten genau zu bestimmen.

(2) Das Gericht kann der verurteilten Person für die
Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit
weitere Weisungen erteilen, insbesondere solche, die
sich auf Ausbildung, Arbeit, Freizeit, die Ordnung der
wirtschaftlichen Verhältnisse oder die Erfüllung von
Unterhaltspflichten beziehen. Das Gericht kann die ver-
urteilte Person insbesondere anweisen, sich nachsorgend
psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen
und behandeln zu lassen (Nachsorgeweisung). Die Be-
treuung und Behandlung kann durch eine forensische
Ambulanz erfolgen. § 56c Abs. 3 gilt entsprechend, auch
für die Weisung, sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrol-
len zu unterziehen, die mit körperlichen Eingriffen ver-
bunden sind.

(3) Bei den Weisungen dürfen an die Lebensführung
der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderun-
gen gestellt werden.
(4) u n v e r ä n d e r t

gerichtlich angeordneten späteren Zeitpunkt. In ihre
Dauer wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher die
verurteilte Person flüchtig ist, sich verborgen hält oder
auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt
wird.“
0 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

(5) Soweit die Betreuung der verurteilten Person in
den Fällen des Absatzes 1 Nr. 11 oder ihre Behand-
lung in den Fällen des Absatzes 2 nicht durch eine
forensische Ambulanz erfolgt, gilt § 68a Abs. 8 ent-
sprechend.

§ 68c
Dauer der Führungsaufsicht

(1) u n v e r ä n d e r t

(2) Das Gericht kann eine die Höchstdauer nach
Absatz 1 Satz 1 überschreitende unbefristete Führungs-
aufsicht anordnen, wenn die verurteilte Person

1. in eine Weisung nach § 56c Abs. 3 Nr. 1 nicht ein-
willigt oder

2. einer Weisung, sich einer Heilbehandlung oder einer
Entziehungskur zu unterziehen, oder einer Therapie-
weisung nicht nachkommt

und eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Be-
gehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten ist.
Erklärt die verurteilte Person in den Fällen des Satzes 1
Nr. 1 nachträglich ihre Einwilligung, setzt das Gericht
die weitere Dauer der Führungsaufsicht fest. Im Übrigen
gilt § 68e Abs. 3.

(3) Das Gericht kann die Führungsaufsicht über die
Höchstdauer nach Absatz 1 Satz 1 hinaus unbefristet
verlängern, wenn

1. in Fällen der Aussetzung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 2 auf-
grund bestimmter Tatsachen Gründe für die An-
nahme bestehen, dass die verurteilte Person andern-
falls alsbald in einen Zustand nach § 20 oder § 21 ge-
raten wird, infolge dessen eine Gefährdung der All-
gemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher
rechtswidriger Taten zu befürchten ist oder

2. gegen die verurteilte Person wegen Straftaten der
in § 181b genannten Art eine Freiheitsstrafe oder
Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren ver-
hängt oder die Unterbringung in einem psychia-
trischen Krankenhaus oder in einer Entziehungs-
anstalt angeordnet wurde und sich aus dem Verstoß
gegen Weisungen nach § 68b Abs. 1 oder Abs. 2
oder aufgrund anderer bestimmter Tatsachen
konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine
Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung
weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten ist.

(4) u n v e r ä n d e r t
Drucksache 16/4740 – 1

E n t w u r f

§ 68c
Dauer der Führungsaufsicht

(1) Die Führungsaufsicht dauert mindestens zwei und
höchstens fünf Jahre. Das Gericht kann die Höchstdauer
abkürzen.

(2) Das Gericht kann eine die Höchstdauer nach
Absatz 1 Satz 1 überschreitende unbefristete Führungs-
aufsicht anordnen, wenn die verurteilte Person

1. in eine Weisung nach § 56c Abs. 3 Nr. 1 nicht ein-
willigt oder

2. einer Weisung, sich einer Heilbehandlung oder einer
Entziehungskur zu unterziehen, oder einer Nach-
sorgeweisung nicht nachkommt

und eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die Be-
gehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürchten ist.
Erklärt die verurteilte Person in den Fällen des Satzes 1
Nr. 1 nachträglich ihre Einwilligung, setzt das Gericht
die weitere Dauer der Führungsaufsicht fest. Im Übrigen
gilt § 68e Abs. 3.

(3) Das Gericht kann die Führungsaufsicht über die
Höchstdauer nach Absatz 1 Satz 1 hinaus unbefristet
verlängern, wenn

1. in Fällen der Aussetzung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus nach § 67d Abs. 2 auf-
grund bestimmter Tatsachen Gründe für die An-
nahme bestehen, dass die betroffene Person andern-
falls alsbald in einen Zustand nach §§ 20 oder 21 ge-
raten wird, infolge dessen eine Gefährdung der All-
gemeinheit durch die Begehung weiterer erheblicher
rechtswidriger Taten zu befürchten ist oder

2. gegen die verurteilte Person wegen einer in § 181b
genannten Straftat eine Freiheitsstrafe oder Gesamt-
freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt
oder die Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet wurde und sich insbeson-
dere aus dem Verstoß gegen Weisungen nach § 68b
Abs. 1 oder 2 konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben,
dass eine Gefährdung der Allgemeinheit durch die
Begehung weiterer erheblicher Straftaten zu befürch-
ten ist.

(4) In den Fällen des § 68 Abs. 1 beginnt die Füh-
rungsaufsicht mit der Rechtskraft ihrer Anordnung, in
den Fällen des § 67b Abs. 2, des § 67c Abs. 1 Satz 2 und
Abs. 2 Satz 4 und des § 67d Abs. 2 Satz 2 mit der
Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung oder zu einem

(2) Ist zu erwarten, dass die verurteilte Person auch
ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr be-
gehen wird, ordnet das Gericht an, dass die Maßregel
entfällt.“
1 – Drucksache 16/4740

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

10. u n v e r ä n d e r t

11. Die §§ 68e und 68f werden wie folgt gefasst:

㤠68e
Beendigung oder Ruhen der Führungsaufsicht

(1) Soweit sie nicht unbefristet ist, endet die Füh-
rungsaufsicht

1. u n v e r ä n d e r t

2. mit Beginn des Vollzugs einer Freiheitsstrafe,
neben der eine freiheitsentziehende Maßregel an-
geordnet ist,

3. u n v e r ä n d e r t

(2) u n v e r ä n d e r t

(3) u n v e r ä n d e r t

§ 68f
Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung

des Strafrestes

(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe
von mindestens zwei Jahren wegen vorsätzlicher
Straftaten oder eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfrei-
heitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen Strafta-
ten der in § 181b genannten Art vollständig vollstreckt
worden, tritt mit der Entlassung der verurteilten Person
aus dem Strafvollzug Führungsaufsicht ein. Dies gilt
nicht, wenn im Anschluss an die Strafverbüßung eine
freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Si-
cherung vollzogen wird.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 1

E n t w u r f

10. In § 68d wird nach der Angabe „Abs. 2“ die Angabe
„und 3“ eingefügt.

11. Die §§ 68e und 68f werden wie folgt gefasst:

㤠68e
Beendigung oder Ruhen der Führungsaufsicht

(1) Soweit sie nicht unbefristet ist, endet die Füh-
rungsaufsicht

1. mit Beginn des Vollzugs einer freiheitsentziehen-
den Maßregel,

2. mit Beginn des Vollzugs einer Freiheitsstrafe,
neben der Sicherungsverwahrung angeordnet ist,

3. mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht.

In den übrigen Fällen ruht die Führungsaufsicht wäh-
rend der Dauer des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder
einer freiheitsentziehenden Maßregel. Tritt eine neue
Führungsaufsicht zu einer bestehenden unbefristeten
hinzu, ordnet das Gericht das Entfallen der neuen Maß-
regel an, wenn es ihrer neben der bestehenden nicht be-
darf.

(2) Das Gericht hebt die Führungsaufsicht auf, wenn
zu erwarten ist, dass die verurteilte Person auch ohne
sie keine Straftaten mehr begehen wird. Die Auf-
hebung ist frühestens nach Ablauf der gesetzlichen
Mindestdauer zulässig. Das Gericht kann Fristen von
höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf
ein Antrag auf Aufhebung der Führungsaufsicht unzu-
lässig ist.

(3) Ist unbefristete Führungsaufsicht eingetreten,
prüft das Gericht

1. in den Fällen des § 68c Abs. 2 Satz 1 spätestens mit
Verstreichen der Höchstfrist nach § 68c Abs. 1
Satz 1,

2. in den Fällen des § 68c Abs. 3 vor Ablauf von zwei
Jahren,

ob eine Entscheidung nach Absatz 2 Satz 1 geboten ist.

Lehnt das Gericht eine Aufhebung der Führungsauf-
sicht ab, hat es vor Ablauf von zwei Jahren von neuem
über eine Aufhebung der Führungsaufsicht zu ent-
scheiden.

§ 68f
Führungsaufsicht bei Nichtaussetzung

des Strafrestes

(1) Ist eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheits-
strafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vor-
sätzlichen Straftat oder eine Freiheitsstrafe oder Ge-
samtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen
einer Straftat der in § 181b genannten Art vollständig
vollstreckt worden, tritt mit der Entlassung der ver-
urteilten Person aus dem Strafvollzug Führungsauf-
sicht ein. Dies gilt nicht, wenn im Anschluss an die
Strafverbüßung eine freiheitsentziehende Maßregel der
Besserung und Sicherung vollzogen wird.
(2) u n v e r ä n d e r t

„Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen
nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs
für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige
Taten des Verurteilten drohen.“
2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

12. u n v e r ä n d e r t

13. u n v e r ä n d e r t

14. u n v e r ä n d e r t

15. u n v e r ä n d e r t

Artikel 2

Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekannt-
machung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zu-
letzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:

1. u n v e r ä n d e r t

2. u n v e r ä n d e r t
Drucksache 16/4740 – 1

E n t w u r f

12. § 68g Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

„Dies gilt nicht, wenn die Führungsaufsicht unbefristet
ist (§ 68c Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 3).“

13. § 70b wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 werden die Wörter „der Verurteilte“
durch die Wörter „die verurteilte Person“ und das
Wort „seines“ durch das Wort „ihres“ ersetzt sowie
nach dem Wort „Leitung“ die Wörter „der Bewäh-
rungshelferin oder“ eingefügt.

b) In Absatz 4 werden die Wörter „der Verurteilte“
durch die Wörter „die verurteilte Person“ ersetzt.

14. § 79 Abs. 4 wird wie folgt gefasst:

„(4) Die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung
und der unbefristeten Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2
Satz 1 oder Abs. 3) verjähren nicht. Die Verjährungs-
frist beträgt

1. fünf Jahre in den sonstigen Fällen der Führungsauf-
sicht sowie bei der ersten Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt,

2. zehn Jahre bei den übrigen Maßnahmen.“

15. In § 145a Satz 1 werden die Wörter „einem Jahr“
durch die Wörter „drei Jahren“ ersetzt.

Artikel 2

Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekannt-
machung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zu-
letzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:

1. § 406d Abs. 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Dem Verletzten ist auf Antrag mitzuteilen, ob

1. dem Verurteilten die Weisung erteilt worden ist, zu
dem Verletzten keinen Kontakt aufzunehmen oder
mit ihm nicht zu verkehren;

2. freiheitsentziehende Maßnahmen gegen den Beschul-
digten oder den Verurteilten angeordnet oder beendet
oder ob erstmalig Vollzugslockerungen oder Urlaub
gewährt werden, wenn er ein berechtigtes Interesse
darlegt und kein überwiegendes schutzwürdiges Inte-
resse des Betroffenen am Ausschluss der Mitteilung
vorliegt; in den in § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, c
und d und Nr. 2 genannten Fällen bedarf es der Dar-
legung eines berechtigten Interesses nicht.“

2. § 463 Abs. 5 wird wie folgt geändert:

a) Nach der Angabe „67g“ wird die Angabe „, 67h“
eingefügt.

b) Folgender Satz wird angefügt:

3 – Drucksache 16/4740

B e s c h l ü s s e d e s 6 . A u s s c h u s s e s

3. § 463a wird wie folgt geändert:

a) u n v e r ä n d e r t

b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:

„(3) Auf Antrag der Aufsichtsstelle kann das Ge-
richt einen Vorführungsbefehl erlassen, wenn der
Verurteilte einer Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1
Nr. 7 oder Nr. 11 des Strafgesetzbuchs ohne ge-
nügende Entschuldigung nicht nachgekommen ist
und er in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass
in diesem Fall seine Vorführung zulässig ist. Soweit
das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig ist,
entscheidet der Vorsitzende.“

c) u n v e r ä n d e r t

Artikel 3

Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Dem § 106 Abs. 5 des Jugendgerichtsgesetzes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974
(BGBl. I S. 3427), das zuletzt durch … geändert worden
ist, wird folgender Satz angefügt:

„War keine der Straftaten dieser Art, die der Ver-
urteilung zugrunde lagen, nach dem 1. April 2004 be-
gangen worden und konnte die Sicherungsverwahrung
deshalb nicht nach Absatz 3 Satz 2 vorbehalten werden,
so berücksichtigt das Gericht als Tatsachen im Sinne des
Satzes 1 auch solche, die im Zeitpunkt der Verurteilung
bereits erkennbar waren.“

Artikel 4

Änderung des Einführungsgesetzes
zum Strafgesetzbuch

Artikel 315 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Einführungsgeset-
zes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I
S. 469, 1975 I S. 1916, 1976 I S. 507), das zuletzt durch …
geändert worden ist, wird gestrichen.

Artikel 5

Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 1

E n t w u r f

3. § 463a wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Ist der Aufenthalt des Verurteilten nicht bekannt,
kann der Leiter der Führungsaufsichtsstelle seine
Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (§ 131a
Abs. 1) anordnen.“

b) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 3 eingefügt:

„(3) Der Leiter der Aufsichtsstelle kann einen Vor-
führungsbefehl erlassen, wenn der Verurteilte einer
Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 7 oder 11 des Straf-
gesetzbuches ohne genügende Entschuldigung nicht
nachgekommen ist und er in der Ladung darauf hin-
gewiesen wurde, dass in diesem Fall seine Vorfüh-
rung zulässig ist.“

c) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 4.

Artikel 3

Inkrafttreten

Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Vorsitzender Richter am Landgericht Marburg. wahrung das parlamentarische Verfahren, das zur Behand-
lung eines derart stark in die persönliche Freiheit eingreifen-
Zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche
Sicherungsverwahrung hat der Rechtsausschuss in seiner
Sitzung am 28. Februar 2007 beschlossen, eine öffentliche
Anhörung durchzuführen, die am 19. März 2007 (52. Sit-

den Gesetzes unzulänglich gewesen sei. Wären die Vor-
schriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung
nicht an den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Füh-
rungsaufsicht angestückt, sondern in einem eigenständigen
Drucksache 16/4740 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen),
Joachim Stünker, Jörg van Essen, Sevim Dag˘delen und Jerzy Montag

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/1993 in seiner 51. Sitzung am 21. September 2006
in erster Lesung beraten und dem Rechtsausschuss zur
federführenden Beratung sowie dem Innenausschuss zur
Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Innenausschuss hat die Vorlage in seiner 35. Sitzung
am 20. März 2007 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP beschlossen zu
empfehlen, den Gesetzentwurf anzunehmen.

III. Beratung im Rechtsausschuss

Der Rechtsausschuss hat in seiner 40. Sitzung am 29. No-
vember 2006 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/1993 eine öffentliche Anhörung durchzuführen, die
am 7. März 2007 (51. Sitzung) stattfand. An der Anhörung
haben folgende Sachverständige teilgenommen:

1. PD Dr. Axel Dessecker
Kriminologische Zentralstelle e. V., Wiesbaden

2. Gabriele Jansen
Rechtsanwältin, Köln

3. Matthias Koller
Richter am Landgericht Göttingen

4. Prof. Dr. Norbert Konrad
Charité-Universitätsmedizin Berlin,
Institut für Forensische Psychiatrie

5. Dr. Rüdiger Müller-Isberner
Ärztlicher Direktor des Zentrums für Soziale Psychiatrie
Haina (Kloster), Klinik für forensische Psychiatrie Haina

6. Peter Reckling
Bundesgeschäftsführer des DBH – Fachverband für
Soziale Arbeit, Strafrecht und Kriminalpolitik, Köln

7. Prof. Dr. Franz Streng
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg,
Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und
Kriminologie

8. Dr. Thomas Wolf

1. Gerhard Altvater
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof Karlsruhe

2. Michael Haußner
Generalstaatsanwalt, Thüringer Generalstaats-
anwaltschaft

3. Prof. Dr. Jörg Kinzig
Eberhard-Karls-Universität Tübingen

4. Jürgen Konrad
Generalstaatsanwalt, Naumburg

5. Prof. Dr. Joachim Renzikowski
Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie,
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

6. Thomas Ullenbruch
Richter am Amtsgericht Emmendingen

7. Dr. Herbert Veh
Präsident des Amtsgerichts Augsburg

8. Carlo Weber
Leitender Oberstaatsanwalt, Staatsanwaltschaft
Frankfurt (Oder).

Hinsichtlich der Ergebnisse der Anhörungen wird auf die
Protokolle der 51. und 52. Sitzung des Rechtsausschusses
vom 7. und 19. März 2007 mit den anliegenden Stellung-
nahmen der Sachverständigen verwiesen.

Der Rechtsausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
53. Sitzung am 20. März 2007 abschließend beraten.

Auf Antrag der Fraktion der FDP wurde zunächst über
Artikel 1 Nr. 5a, die Artikel 3 und 4 des Gesetzentwurfs in
der aus der Zusammenstellung ersichtlichen Fassung abge-
stimmt. Diese Vorschriften hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN angenommen.

Anschließend wurde über die übrigen Vorschriften abge-
stimmt. Diese hat der Ausschuss mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN zugestimmt.

In der Gesamtabstimmung hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
beschlossen zu empfehlen, den Gesetzentwurf anzunehmen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte hin-
sichtlich der vorgesehenen Neuregelung der Sicherungsver-
zung) stattfand. An der Anhörung haben folgende Sachver-
ständige teilgenommen:

Gesetzentwurf eingebracht worden, wäre hinreichend Zeit
zu ihrer Beratung gewesen. Das Zeitkorsett, in das die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/4740

Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD die Beratun-
gen mit ihrem Vorgehen gezwängt hätten, sei des Themas
unwürdig. Die parlamentarische Diskussion sei zu sehr be-
grenzt worden. Die Anhörung zur geplanten Neuregelung
der Sicherungsverwahrung habe erst gestern stattgefunden.
Eine Nachberatung der Ergebnisse dieser Anhörung sei
unterblieben; ein erbetenes Berichterstattergespräch sei nicht
zustande gekommen. Heute werde das Vorhaben im Rechts-
ausschuss beraten. Noch in dieser Woche sollten die zweite
und dritte Lesung im Plenum stattfinden.

In der Sache betreffe die geplante Regelung im Bereich der
Sicherungsverwahrung Altfälle im Anschluss an den Eini-
gungsvertrag und an den Regelungszustand nach 1998. Es
bestehe Anlass, die Positionen des Rechtsausschusses und
des Deutschen Bundestages in der Vergangenheit in Erinne-
rung zu rufen, weil hiermit nun gebrochen werden solle:
Nach der Wiedervereinigung habe Einigkeit bestanden, dass
die Regelungen über die Sicherungsverwahrung auf dem
Gebiet der ehemaligen DDR für die Vergangenheit und die
Zukunft keine Anwendung finden sollten, weil diese Vor-
schriften in den Beratungen des Einigungsvertrags als Teil
nationalsozialistischen Unrechts aufgefasst wurden. Auf-
grund einer Bundesratsinitiative auf Betreiben Thüringens
sei die Sicherungsverwahrung nur für die Taten, die nach
dem Beitritt der DDR zum Bundesgebiet begangen wurden,
für zulässig erklärt worden. Eine Rückwirkung habe die
Änderung aus verfassungsrechtlichen Gründen ausschließ-
lich für den Fall vorgesehen, dass zumindest eine Tat im
Geltungsbereich des neuen Rechts begangen wurde. Dies
sei auch noch die Position des Rechtsausschusses bei der
Ausweitung der Sicherungsverwahrung auf bestimmte
schwere Sexualstraftaten im Jahre 1998 gewesen. 2004
habe der Bundestag im Anschluss an die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts zur nachträglichen Sicherungs-
verwahrung den Grundsatz der beschränkten Rückwirkung
aufgegeben und Artikel 1a Abs. 1 und 2 EGStGB aufgeho-
ben. An seine Stelle sei eine strikte Auffassung des Begriffs
der neuen Tatsachen getreten, die sich an den Voraussetzun-
gen für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlos-
senen Strafverfahrens zum Nachteil des Angeklagten orien-
tiere.

Die nun geplante Neuregelung hebe den 2004 erzielten
Konsens auf, verändere das Recht der Sicherungsverwah-
rung grundlegend und verletze dabei Verfassungsnormen.
Indem der Vorschlag „rechtliche Gründe“ den neuen Tat-
sachen gleichstelle, werde die Sicherungsverwahrung in
großem Ausmaß für die Zukunft geöffnet. Der Begriff
„rechtliche Gründe“ sei zu weit. Er ermögliche z. B. auch
eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung
gegen einen nach Jugendstrafrecht verurteilten Täter. Nach-
trägliche Sicherungsverwahrung sei auch möglich, wenn
der Anordnung im Ausgangsverfahren schwerwiegende
Verfahrensfehler im Hinblick auf die Feststellung ihrer Vor-
aussetzungen entgegengestanden hätten. Es sei zudem
widersprüchlich, wenn der Entwurf an die als zu eng auf-
gefasste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)
anknüpfe, diesem Gericht aber zugleich die einschränkende
Auslegung der Neuregelung auf Altfälle, die an die frühere
Rechtslage anknüpfen, überantworte. Die vorgesehene
Regelung sei zudem wegen der Anknüpfung an eine frühere

Trotz dieser kritischen Bewertung sei der Fraktion durchaus
bewusst, dass das Problem der Altfälle existiere. Sie er-
strebe eine Lösung, die in dem entsprechenden Änderungs-
antrag zum Ausdruck komme.

Die Intention des Gesetzentwurfs zur Führungsaufsicht
werde zwar begrüßt. Auch hier habe aber keine Diskussion
über die kritischen Punkte stattgefunden. So schössen die
Offenbarungspflichten in § 68a Abs. 8, § 68b Abs. 5 StGB-E
über das Ziel hinaus. Soweit Therapeuten im geplanten
Ausmaß offenbarungspflichtig würden, werde die Therapie
gefährdet. Im Hinblick auf die Strafbewehrung nicht befolg-
ter Weisungen führe die Strafrahmenerhöhung in § 145a
StGB-E dazu, dass der Weisungsverstoß höher als die Aus-
gangstat bestraft werden könne. Sofern unbegrenzte, lebens-
lange Führungsaufsicht verhängt werden könne, müssten
sowohl ein Sachverständiger als auch ein Pflichtverteidiger
bestellt werden. Zu diesen Einwänden hätten sich die Koali-
tionsfraktionen nicht geäußert.

Die Führungsaufsicht könne durchaus als Alternative zur
Sicherungsverwahrung angesehen werden. Insofern könne
bei der vom Bundesministerium der Justiz auszuarbeitenden
Gesamtreform des Rechts der Sicherungsverwahrung auch
eine Zurückdrängung der Sicherungsverwahrung zuguns-
ten einer Ausweitung der Führungsaufsicht erwogen wer-
den.

Aus den genannten Gründen könne die Fraktion dem Ge-
setzentwurf in der dem Ausschuss vorliegenden Fassung
nicht zustimmen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellte daher
zwei Änderungsanträge. Zur Reform der Führungsaufsicht
stellte sie folgenden Änderungsantrag:

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches) wird wie
folgt geändert:

a) In Nr. 9 wird 68c Abs. 1 wird wie folgt neu gefasst:

„Die Führungsaufsicht dauert mindestens 2 Jahre.
Das Gericht kann die Dauer um bis zu 3 Jahre ver-
längern, wenn die Gefahr besteht, dass die ver-
urteilte Person weitere erhebliche Straftaten begehen
wird.“

b) In Nr. 9 wird 68c Abs. 3 Nr. 2 wie folgt geändert:

aa) die Formulierung „wegen einer in § 181b ge-
nannten Straftat“ wird ersetzt durch die Formu-
lierung „wegen einer oder mehrerer der in
§ 181b genannten Straftaten“

bb) nach der Angabe „§ 68 Abs. 1“ wird eingefügt
„Nr. 2-6, 10 oder 11“

cc) die Angabe „oder 2“ wird ersetzt durch die An-
gabe „oder Abs. 2 Satz 2“

dd) Nach den Wörtern „erheblicher Straftaten“ wer-
den die Wörter „der in § 181b genannten Art“
eingefügt.

c) In Nr. 11 wird 68f Abs. 1 Satz 1 wie folgt geändert:

aa) die Wörter „wegen einer vorsätzlichen Straftat“

Rechtslage nicht im StGB, sondern als Übergangsregelung
im EGStGB zu treffen.

werden ersetzt durch die Wörter „wegen einer
oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten“

Drucksache 16/4740 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bb) die Wörter „wegen einer Straftat“ werden er-
setzt durch die Wörter „wegen einer oder mehre-
rer Straftaten“

d) Nr. 15 wird gestrichen.

2. Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung) wird wie
folgt geändert:

Nach Nummer 1 wird folgende Nummer 1a eingefügt:

1a. In § 463 Abs. 2 werden folgende Sätze angefügt:

„Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 68c
Abs. 2 oder Abs. 3 StGB soll das Gericht das Gut-
achten eines Sachverständigen einholen. Der ver-
urteilten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt
das Gericht für das Verfahren nach Satz 2 einen
Verteidiger.“

Begründung

1. Allgemeines
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der
Führungsaufsicht enthält eine Vielzahl von Änderungen, die
dazu beitragen werden, dieses Instrument der Begleitung
und Kontrolle von Straftätern noch effektiver und ziel-
genauer einsetzen zu können. Im Grundsatz ist der Gesetz-
entwurf daher, auch unter besonderer Berücksichtigung
rechtsstaatlicher Begrenzungen, zu begrüßen.
So sieht der Gesetzentwurf erstmals eine gesetzliche Rege-
lung zugunsten forensischer Ambulanzen vor, die von foren-
sischen Psychiatern seit Jahren eingefordert wird. Das
strikte Nebeneinander von Freiheitsentzug in Gefängnis
oder Maßregeleinrichtung einerseits und ambulanten Sank-
tionen andererseits, deren Übergänge bisher abrupt ver-
liefen, wird durch das Institut forensischer Ambulanzen end-
lich durchbrochen. Damit wird es Maßregeleinrichtungen
möglich, ihre Patienten früher als bisher aus dem geschlos-
senen Vollzug zu entlassen, indem diese in einer an die
Klinik angeschlossenen forensischen Ambulanz weiter be-
treut werden und so eine abgestimmte und engmaschige
Weiterbehandlung, -betreuung und Kontrolle der Patienten
gewährleistet ist.
Auch die Möglichkeit einer frühzeitigen Krisenintervention
zur Vermeidung eines drohenden Widerrufes der Aussetzung
einer Maßregel ist zu begrüßen. Bisher griffen die Gerichte
in solchen Fällen auf den Sicherungsunterbringungsbefehl
zurück, um eine kurzzeitige Krisenbehandlung im Maßre-
gelvollzug zu ermöglichen, ohne jedoch einen Widerruf der
Aussetzung ernstlich zu beabsichtigten. Mit der nun ge-
schaffenen gesetzlichen Regelung zur Krisenintervention in
§ 67 h StGB steht eine, im Verhältnis zum Widerruf der Aus-
setzung der Maßregel, mildere Möglichkeit zur Verfügung,
um auf kurzfristige Krisen entlassener Maßregelpatienten
zeitnah reagieren zu können und damit die Aussetzung der
Maßregel nicht zu gefährden.
Auch die Ausweitung des Weisungskataloges in § 68 g
Abs. 1 StGB ist notwendig und richtig. Insbesondere die
Verbotsweisung, mit der verletzten Person Kontakt aufzu-
nehmen, ist aus Gründen des Opferschutzes zu begrüßen.
Auch die Weisung, sich regelmäßig einem Arzt oder Thera-

rungsentwurf damit keine – strafbewehrte – Behandlungs-
pflicht. Die vorgesehene Vorstellungsweisung soll lediglich
einen Kontakt zum behandelnden Arzt oder Therapeuten
sicherstellen. Sie stellt ein taugliches und sinnvolles Instru-
ment dar, um Hemmschwellen gegenüber einer therapeuti-
schen Behandlung abzubauen. Der Erfolg einer Therapie
indessen kann aus gutem Grund nicht erzwungen werden
und darf daher zu Recht nicht unter Sanktionsvorbehalt ge-
stellt werden.
Hinsichtlich einiger vorgeschlagener Neuregelungen indes-
sen bedarf der Gesetzentwurf der Bundesregierung aus
Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Korrektur,
wie im vorliegenden Änderungsantrag vorgeschlagen.

2. zu den einzelnen Vorschriften

zu Nr. 1 a (§ 68 c Abs. 1)
Die Neuregelung sieht eine zeitliche Stufung der Führungs-
aufsichtfristen vor. In unproblematischen Fällen endet da-
nach die Führungsaufsicht regelmäßig nach 2 Jahren.
Diese Mindestdauer von 2 Jahren, die auch das bisher gel-
tende Recht vorsieht, wird beibehalten, da in ihr die empi-
risch begründete Grenze liegt, innerhalb deren der größte
Teil der neuen Delikte begangen werden.
In begründeten Fällen kann das Gericht über diese 2-Jah-
resfrist hinaus die Führungsaufsicht um höchstens 3 Jahre
verlängern. Die bisher geltende Regelung wird insoweit
modifiziert, als es nunmehr zur Verlängerung der Führungs-
aufsicht auf 5 Jahre einer erneuten gerichtlichen Befassung
und Entscheidung im Einzelfall bedarf.
Diese Stufung trägt dazu bei, die Ressourcen im Bereich
Führungsaufsicht auf die tatsächlich problematischen Fälle
zu konzentrieren und hier eine intensive Betreuung und
Kontrolle zu ermöglichen.

zu Nr. 1 b (§ 68 c Abs. 3 Nr. 2 StGB)

aa) Die Neuregelung des § 68 c Abs. 3 Nr. 2 enthält eine
spezifische Sonderregelung für Sexualstraftäter. Sie er-
möglicht dem Gericht die Prüfung und Entscheidung,
ob bei einem Sexualstraftäter im Einzelfall eine inten-
sivere Begleitung und Kontrolle in Form unbefristeter
Führungsaufsicht erforderlich ist. Zwar ist die Rege-
lung in ihrem Grundsatz zu begrüßen. Sie stellt einen
sachgerechten Ausgleich her zwischen dem berechtig-
ten Interesse der Bevölkerung, durch staatliche Maß-
nahmen vor Straftaten geschützt zu werden einerseits
sowie dem Interesse des Betroffenen, nicht unverhält-
nismäßigen Eingriffen ausgesetzt zu sein, andererseits.
Denn die Regelung enthält keinen gesetzlichen Automa-
tismus unbefristeter Führungsaufsicht bei Sexualstraf-
tätern, sondern ermöglicht lediglich eine gerichtliche
Entscheidung im Einzelfall.

Dennoch bedarf die vorgeschlagene Neuregelung der
Einschränkung. Indem nunmehr auch Gesamtfreiheits-
strafen von mehr als 2 Jahren die gerichtliche Prüfung
unbefristeter Führungsaufsicht ermöglichen, muss eine
einschränkende Klarstellung erfolgen, dass sämtliche
der Gesamtstrafe zugrunde liegenden Delikte solche
der in § 181 b benannten Art sind. Anderenfalls wäre
peuten vorzustellen, ist positiv zu bewerten. Im Gegensatz
zu den Vorschlägen des Bundesrates begründet der Regie-

auch bei Verurteilung wegen nur einer – relativ gering-
fügigen – Sexualstraftat sowie anderer, z.B. Eigentums-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 17 – Drucksache 16/4740

delikte, zu einer Gesamtstrafe von über 2 Jahren unbe-
fristete Führungsaufsicht anordnbar. Dies wäre unver-
hältnismäßig.

bb) Zusätzlich bedarf es in der Regelung einer Einschrän-
kung der Weisungsverstöße. Ein Verstoß z.B. gegen
Meldeweisungen kann für sich allein kein Indiz für eine
Gefährdung der Allgemeinheit durch die Begehung
weiterer erheblicher Straftaten begründen. Eine Prü-
fung unbefristeter Führungsaufsicht wäre hier unver-
hältnismäßig. Erforderlich ist daher eine Beschränkung
auf solche Weisungsverstöße, aus denen eine konkrete
Gefahr für Rechtsgüter erwächst, weil die Weisungen
gerade dazu dienen, Anlässe oder Anreize für erneute
Straftaten zu vermeiden. Meldeweisungen nach Nr. 7
bis 9 dienen diesem Ziel nicht, so dass ein Verstoß hier-
gegen es nicht rechtfertigt, die unbefristete Führungs-
aufsicht nach § 68 c Abs. 3 Nr. 2 in Betracht zu ziehen.
Diese Weisungen sind daher aus dem Katalog der
Norm zu streichen.

cc) Die Konkretisierung des Verweises auf § 68 b Abs. 2
Satz 2 StGB ist erforderlich. Ein Verstoß gegen gesetz-
lich unbenannte, allein durch das Gericht zu konkreti-
sierende Weisungen, z.B. eine Freizeitweisung, ist kein
geeignetes Indiz für die Gefahr der Begehung weiterer
Straftaten. Bei einem solchen Verstoß die Verhängung
unbefristeter Führungsaufsicht zu erwägen, wäre ver-
hältnismäßig. Allenfalls für die in § 68 b Abs. 2 Satz 2
StGB gesetzlich benannte Nachsorgeweisung ist eine
solche Anknüpfung gerechtfertigt. Es ist darauf hin-
zuweisen, dass das Gericht auch bei Vorliegen solcher
Indizien verpflichtet bleibt, eine konkrete Gefahren-
prognose zu treffen, bevor es seine Entscheidung nach
§ 68 c Abs. 3 trifft.

dd) Da die Regelung in § 68 c Abs. 3 Nr. 2 StGB eine Son-
derregelung für Sexualstraftäter darstellt, ist auch die
Gefahrenprognose hieran auszurichten. Nur wenn die
Gefahr besteht, dass von der verurteilten Person auch
künftig einschlägige, also Sexualdelikte nach § 181 b
StGB zu erwarten sind, darf die Prüfung unbefristeter
Führungsaufsicht in Erwägung gezogen werden.

zu Nr. 1 c (§ 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB)

aa) Die Neuregelung stellt klar, dass ein Fall gesetzlicher
Führungsaufsicht auch dann vorliegt, wenn eine Ge-
samtfreiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren voll ver-
büßt wurde. Wie auch die bisherige „Vollverbüßerrege-
lung“ enthält auch die Neuregelung eine Beschränkung
auf Vorsatztaten. Insoweit will die Neuregelung keine
Änderung zum bisherigen Recht. Dennoch ist der Wort-
laut uneindeutig, da er auf nur „eine vorsätzliche Straf-
tat“ Bezug nimmt. Mit diesem Wortlaut könnte auch
eine einzige Vorsatztat zuzüglich einer oder mehrerer
Fahrlässigkeitstaten einen Fall gesetzlicher Führungs-
aufsicht begründen. Dies ist vom Gesetzgeber weder
gewollt noch verhältnismäßig. Die vorgeschlagene
Klarstellung schließt eine solche, unverhältnismäßig
weite Regelung zweifelsfrei aus.

bb) § 68 f Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. enthält eine Sonderregelung

fähige Straftaten, aus denen die Gesamtstrafe von
einem Jahr gebildet wurde, nur Sexualstraftaten nach
§ 181 b StGB sind. Anderenfalls träte auch bei Ver-
urteilung wegen nur einer – relativ geringfügigen –
Sexualstraftat sowie anderer, z.B. Eigentumsdelikte, zu
einer Gesamtstrafe von einem Jahr nach Vollverbüßung
automatisch gesetzliche Führungsaufsicht ein. Dies
wäre unverhältnismäßig.

zu Nr. 1 d (§ 145 a StGB)

Die vorgeschlagene Verdreifachung des Strafrahmens bei
Verstößen gegen Weisungen nach § 68 b Abs. 1 StGB ist
weder erforderlich noch angemessen. Vielmehr handelt es
sich bei der vorgeschlagenen Ausweitung um reine Symbol-
gesetzgebung, die im Strafecht höchst bedenklich ist. Bereits
heute machen die Gerichte von der Möglichkeit, gemäß
§ 145 a StGB eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu ver-
hängen, so gut wie keinen Gebrauch. Es handelt sich daher
bereits heute um weitestgehend „totes Recht“. Daran wird
auch die Ausweitung des Strafrahmens nichts ändern. Da-
mit bleibt auch die Neuregelung ihre rechtspolitische Be-
gründung schuldig. Die Strafnorm des § 145a StGB wird in
der Praxis als zu langwieriges und schwerfälliges Instru-
ment betrachtet, das nicht geeignet ist, den Betroffenen zu
Einhaltung der Weisungen zu bewegen. Daran würde auch
die Ausweitung des Strafrahmens nichts ändern.
Zudem drohen mit der Neuregelung erhebliche Wertungswi-
dersprüche. So unterfällt eine Person, die zu einem Jahr
Freiheitsstrafe verurteilt wurde, in Fällen des § 68f Abs. 1
StGB gesetzlicher Führungsaufsicht. Bei Verstößen gegen
die damit möglichen sanktionsbewehrten Weisungen nach
§ 68 b I könnte der Betroffene im Ergebnis härter bestraft
werden als durch die Anlasstat selbst.

Zu Art. 2 Nummer 1a (§ 463 Abs. 2 StPO)

Die Regelung sieht vor, dass die Strafvollstreckungskammer
grundsätzlich das Gutachten eines Sachverständigen ein-
zuholen hat, wenn es die Anordnung der unbefristeten Füh-
rungsaufsicht nach § 68c Abs. 2 StGB oder deren Verlänge-
rung nach § 68c Abs. 3 StGB beabsichtigt. Die Verhängung
unbefristeter Führungsaufsicht stellt einen erheblichen
Grundrechtseingriff zulasten des Betroffenen dar. Die
Schwere des Eingriffs erfordert daher vorab eine sachkun-
dige und fundierte Prognose, ob von dem Betroffenen tat-
sächlich weitere erhebliche Straftaten zu befürchten sind.
Hierfür ist im Regelfall eine Begutachtung durch einen
Sachverständigen unverzichtbar. Nur in Ausnahmefällen –
bei eindeutiger Prognoselage – kann auf ein solches Sach-
verständigengutachten verzichtet werden. Die Ausgestal-
tung der Regelung als Soll-Regelung ermöglicht dies im Ein-
zelfall.
Darüber hinaus ist der verurteilten Person in Verfahren
nach § 68c Abs. 2 und 3 StGB ein Pflichtverteidiger oder
eine Pflichtverteidigerin zu bestellen. Damit wird der
Schwere des Grundrechtseingriffs Rechnung getragen und
sichergestellt, dass die Rechte des Betroffenen im Verfahren
gewahrt sind.
Der Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der Fraktio-
nen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen
für Sexualstraftäter. Dem entsprechend bedarf es der
einschränkenden Klarstellung, dass berücksichtigungs-

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktionen der FDP abgelehnt.

Drucksache 16/4740 – 18 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche
Sicherungsverwahrung stellte die Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN folgenden weiteren Änderungsantrag:

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Artikel 1 Nr. 5a (§ 66b StGB) wird wie folgt geändert:

Nach den Wörtern „und wenn“ werden die Wörter „im
Zeitpunkt der Entscheidung über die Anordnung der
nachträglichen Sicherungsverwahrung“ eingefügt.

2. Nach Art. 1 wird folgender Art. 1a eingefügt:

Artikel 1 a
Änderung des Einführungsgesetzes

zum Strafgesetzbuch

Artikel 1a des Einführungsgesetzes zum Strafgesetz-
buchbuches vom (EGStGB) vom 2. März 1974, zuletzt
geändert durch Gesetz vom …, wird wie folgt geändert:

1. Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1.

2. Nach Abs. 1 wird folgender Abs. 2 eingefügt:

„(2) War die Anordnung der Sicherungsverwah-
rung im Zeitpunkt der Verurteilung wegen

a) Art. 1a EGStGB in der Fassung vom 31.08. 1990
(BGBl. II 889, S. 954)

b) Art. 1a EGStGB in der Fassung des Gesetzes zur
Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsverwah-
rung (SiVG) vom 16.06.1995 (BGBl. I, S. 818)
oder

c) Art. 1a Abs. 2 EGStGB in der Fassung des Geset-
zes zur Bekämpfung von Sexualdelikten oder an-
deren gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998
(BGBl. I, S. 160) nicht möglich, so berücksichtigt
das Gericht als Tatsachen im Sinne des § 66 b
Abs. 1 Satz 1 auch solche, die zum Zeitpunkt der
Verurteilung bereits erkennbar waren.“

Begründung:

Zu Nr. 1
Im Hinblick auf die vom BGH (NStZ 2006, 156) aufgewor-
fene, aber nicht entschiedene Frage, ob die Bezugnahme
auf die übrigen Voraussetzungen des § 66 in § 66 b Abs. 1
StGB auch die vom Gesetzgeber in Art. 1a EGStGB gere-
gelte zeitliche Anwendbarkeit des § 66 Abs. 3 StGB erfasst,
ist zur sichereren Erfassung der Altfälle eine zusätzliche
Klarstellung in § 66 b Abs. 1 Satz 1 StGB notwendig. Da-
nach kommt es für das Vorliegen der formellen Vorausset-
zungen des § 66 StGB auf den Zeitpunkt der Entscheidung
über die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwah-
rung an.

Zu Nr. 2

Nach der Rechtsprechung zum Tatbestandsmerkmal der
„neuen Tatsachen“ in § 66 b Abs. 1 StGB ist eine Tatsache
dann nicht neu, wenn sie bereits zum Zeitpunkt der Ver-
urteilung bekannt oder erkennbar war. Sie wird auch nicht
dadurch zu einer neuen Tatsache, dass sich die Rechtslage
zwischenzeitlich geändert hat. Diese Auslegung entspricht

des Strafvollzuges die Gefährlichkeit des Betroffenen her-
ausstellt, zu ermöglichen.
Dennoch führte diese Rechtssprechung in sog. Altfällen zu
dem unbefriedigenden Ergebnis, dass gerade bei den beson-
ders gefährlichen Straftätern, deren Gefährlichkeit bereits
zum Urteilszeitpunkt bestand aber aus bestimmten, inzwi-
schen z.T. obsolet gewordenen, rechtlichen Gründen nicht
angeordnet werden konnte, nachträgliche Sicherungsver-
wahrung nicht angeordnet werden kann. Dies führte zu dem
widersprüchlichen Ergebnis in Altfällen, dass je höher und
eindeutiger die Gefährlichkeit des Täters bereits zum
Urteilszeitpunkt festgestellt werden konnte, desto unmög-
licher wird es, neue Tatsachen zu ermitteln, mit denen eine
darüber hinausgehende Gefährlichkeit noch dokumentier-
bar wird.
Der vorliegende Änderungsantrag schlägt daher vor, den
Begriff der „neuen Tatsachen“ auf die einschlägigen Alt-
fälle, wie sie sich aus Art. 1a EGStGB in der Fassung vom
31.08. 1990 (BGBl. II 889, S. 95), Art. 1a EGStGB in der
Fassung des Gesetzes zur Rechtsvereinheitlichung der
Sicherungsverwahrung (SiVG) vom 16.06.1995 (BGBl. I,
S. 818) oder Art. 1 a Abs. 2 EGStGB in der Fassung des
Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten oder anderen
gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I, S. 160)
ergeben, anzuwenden.
In Bezug auf diese Altfälle bedeutet die vorgeschlagene
Neudefinition der „neuen Tatsachen“ eine Ausweitung des
Anwendungsbereiches des § 66 b Abs. 1 StGB für Altfälle.
Diese begrenzte Ausweitung ist somit in ihrem zeitlichen
bzw. örtlichen Anwendungsbereich begrenzt, so dass eine
Regelung im EGStGB sachgerecht ist.
Eine materielle Ausweitung der Regelungen zur nachträgli-
chen Sicherungsverwahrung nach § 66 b Abs. 1 StGB wird
mit der vorgeschlagenen Regelung vermieden und ist auch
nicht gewollt.
Der Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der Fraktio-
nen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

Die Fraktion der FDP hielt die Gesetzesänderungen im
Bereich der Führungsaufsicht grundsätzlich für notwendig
und richtig und unterstrich, dass in den bisherigen inten-
siven Beratungen zu diesem Thema auch Änderungs-
wünsche ihrer Fraktion Eingang gefunden hätten. Sie be-
grüßte die zu erwartende Verbesserung der Aufsicht, die
durch Kontrollen und Kriseninterventionsmaßnahmen flan-
kiert werde. Allerdings verwies sie auf ihren Änderungs-
antrag zur Neufassung des § 68a Abs. 8 StGB, der Vor-
schläge der Sachverständigen Prof. Dr. Norbert Konrad und
Prof. Dr. Franz Streng aufnehme. Die Mitteilungs- und
Offenbarungspflichten der forensischen Ambulanz an die
übrigen mit der Führungsaufsicht befassten Stellen müssten
auf das notwendig Gebotene beschränkt werden. Insoweit
unterscheide sich ihr Antrag auch von den von Seiten der
Koalitionsfraktionen vorgelegten Änderungen des ursprüng-
lichen Gesetzesentwurfs. Die Fraktion der FDP sprach sich
ferner für die Beibehaltung des bisherigen Strafrahmens von
einem Jahr für Verstöße gegen Weisungen der Führungsauf-
dem Willen des Gesetzgebers, nachträgliche Sicherungsver-
wahrung nur in sehr seltenen Fällen, wenn sich während

sicht gemäß § 145a StGB aus. Eine Erhöhung auf drei Jahre
sei nicht notwendig, da schon in der derzeitigen Praxis der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 19 – Drucksache 16/4740

Strafrahmen nicht ausgeschöpft werde und auch keine grö-
ßere Abschreckung von einer höheren Strafe zu erwarten
sei.

Auch sie bemängelte, dass es für die Beratung der Vor-
schläge zur Ergänzung der nachträglichen Sicherungsver-
wahrung nur wenig Zeit gegeben habe. Anders als die Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD habe die Fraktion der FDP
eine von der Führungsaufsicht getrennte Anhörung für
erforderlich gehalten. Die Fraktion der FDP betonte, auch
sie halte nach sehr sorgfältiger Abwägung, nicht nur wegen
aktueller Entwicklungen, eine gesetzliche Neuregelung der
sog. Altfälle für erforderlich, bei denen aufgrund einer
Regelung im Einigungsvertrag die Sicherungsverwahrung
nur angeordnet werden konnte, wenn die Straftat vor dem
1. August 1995 erfolgte. Auch für die zweite Gruppe der
Altfälle, die zwischen 1998 und dem Inkrafttreten des Ge-
setzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsver-
wahrung 2004 abgeurteilt wurden, müsse eine Regelung
gefunden werden, die den Vorgaben des Bundesverfas-
sungsgerichts aus seinem Beschluss vom 23. August 2006
gerecht werde. Sie befürchte, ähnlich wie die Sachverstän-
digen, Bundesanwalt Gerhard Altvater und Professor Dr.
Jörg Kinzig, dass die von den Fraktionen der CDU/CSU
und SPD vorgeschlagene geänderte Fassung des § 66b
StGB zu viele Fälle erfasse. Daher habe sie einen konkreter
gefassten Änderungsantrag vorgelegt, der Unsicherheiten
im Anwendungsbereich beseitige. Aus diesem gehe hervor,
dass nur bei den sog. Altfällen bereits bei der Urteilsverkün-
dung bekannte Tatsachen für die Anordnung der nachträg-
lichen Sicherungsverwahrung zulässig sein sollen. Auch die
weitergehende Änderung des JGG lehne sie im Rahmen die-
ses Verfahrens ab.

Zu ihrem Abstimmungsverhalten erklärte sie, dass sie dem
Gesetzentwurf in der dem Ausschuss vorliegenden Fassung
für den Teil der Führungsaufsicht, aus den genannten Grün-
den aber nicht für den Teil der Sicherungsverwahrung stim-
men werde. In der Gesamtabwägung werde sie sich daher
bei der Abstimmung des gesamten Gesetzentwurfs ent-
halten.

Aus diesen Erwägungen stellte die Fraktion der FDP daher
folgenden Änderungsantrag:

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuchs) wird wie folgt
geändert:

1. In Nr. 5a wird § 66b Absatz 1 Satz 2 wie folgt gefasst:

„Das Gericht berücksichtigt als Tatsachen im Sinne des
Satzes 1 auch solche, die im Zeitpunkt der Verurteilung
bereits erkennbar waren, wenn die Anordnung der
Sicherungsverwahrung im Zeitpunkt der Verurteilung
auf Taten, die vor dem 1. August 1995 im Gebiet der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik began-
gen wurden nicht möglich war oder wenn es sich um
eine Anordnung nach § 66 Abs. 3 handelt für Straftaten,
die der Täter vor dem 31. Januar 1998 begangen hat.“

2. In Nr. 9 wird § 68a Absatz 8 wie folgt gefasst:

ben sich gegenüber der Aufsichtsstelle und dem Gericht
zu offenbaren, soweit

1. dies notwendig ist, um zu überwachen, ob die verur-
teilte Person einer Vorstellungsweisung nach § 68b
Abs. 1 Nr. 11 nachkommt oder im Rahmen einer Wei-
sung nach § 68b Abs. 2 an einer Behandlung teil-
nimmt,

2. sich aus den erhaltenen Informationen tatsächliche
Anhaltpunkte dafür ergeben, dass das Verhalten oder
der Zustand der verurteilten Person Maßnahmen
nach § 67g, § 67h oder § 68c Abs. 3 erforderlich er-
scheinen lässt, oder

3. dies zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen
Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrt-
heit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle
Selbstbestimmung Dritter erforderlich ist.

3. Nr. 15 wird aufgehoben

II. Artikel 3 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes) wird
aufgehoben.

Begründung

Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuchs)
Zu 1.
Die gesetzliche Neuregelung soll nur die sog. „Altfälle“ er-
fassen. Dies sind in erster Linie diejenigen Fälle in den
neuen Bundesländern, bei denen aufgrund einer Regelung
im Einigungsvertrag die Sicherungsverwahrung nur für
Straftäter angeordnet werden konnte, wenn die Straftat
ab dem 1. August 1995 erfolgte. Auf Taten, die vor dem
1. August 1995 im Beitrittsgebiet begangen wurden, waren
die Regelungen über die Sicherungsverwahrung nicht an-
wendbar. Darüber hinaus erfasst die Formulierung auch
Fälle, die die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 StGB er-
füllen würden, die jedoch vor dem Zeitpunkt seines Inkraft-
tretens am 31. Januar 1998 begangen und vor Inkrafttreten
des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Siche-
rungsverwahrung am 29. Juli 2004 abgeurteilt wurden.
Weitere Fälle sollen ausdrücklich nicht erfasst werden. Ins-
besondere gibt es kein Regelungsbedürfnis vor die Erweite-
rung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung. Eine Aus-
weitung auf alle „Altfälle“ in diesem Bereich ist zu weit
reichend. Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden dür-
fen hier nicht zu Lasten der Verurteilten korrigiert werden.
Es besteht andernfalls die Gefahr, dass eine frühere Gefah-
renprognose verändert wird, ohne dass eine neue Sachlage
besteht oder neue Erkenntnisse vorliegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat bisher die Verfassungs-
gemäßheit der nachträglichen Sicherungsverwahrung mit
der engen Begrenzung des Anwendungsbereichs der Norm
begründet (BVerfG vom 23. August 2006, 2 BvR 226/06).
Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass die nachträgliche
Anordnung der Sicherungsverwahrung nur in besonderen
Ausnahmefällen in Betracht kommt und auf einige wenige
Verurteilte beschränkt bleibt. Sollte die nachträgliche Si-
cherungsverwahrung ihren Ausnahmecharakter verlieren,
wird sich die Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Neu-
Die in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 genannten Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz ha-

regelung nur schwer begründen lassen. Eine Ausweitung
des § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB auf alle Fälle, bei denen die

Drucksache 16/4740 – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anordnung „aus rechtlichen Gründen“ nicht möglich war,
ist zu weitgehend und würde den Charakter der nachträgli-
chen Sicherungsverwahrung als Ausnahmemaßnahme un-
verhältnismäßig ausdehnen.

Zu 2.

Eine umfassende Offenbarungspflicht zwischen der foren-
sischen Ambulanz und den übrigen an der Führungsaufsicht
beteiligten Stellen ist bedenklich im Hinblick auf die Rechte
des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG.
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in einem Be-
schluss aus dem Jahre 2006 ausgeführt, dass die Angaben
eines Arztes über Anamnese, Diagnose und therapeutischen
Maßnahmen den privaten Bereich des Patienten betreffen
(BVerfG v. 6. Juni 2006; 2 BvR 1349/05). Wer sich in eine
ärztliche Behandlung begebe, müsse und dürfe erwarten,
dass alles, was der Arzt im Rahmen seiner Berufsausübung
über seine gesundheitliche Verfassung erfahre, geheim
bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelange Nur so
könne zwischen Patient und Arzt jenes Vertrauen entstehen,
das zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens zähle.
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze daher grund-
sätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden
über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und
den Charakter. Da auch die Befugnis des Einzelnen, grund-
sätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner
persönlichen Daten zu bestimmen, in Rede stehe, sei das
Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch in seiner Ausprägung
als Recht auf informationelle Selbstbestimmung betroffen.
Eine umfassende Offenbarungspflicht wird zudem negative
Folgen für den weiteren Verlauf der Therapie haben. Die
Verurteilten würden, wegen der drohenden Gefahr von
Interventionsanlässen, davon Abstand nehmen, sich ihren
Therapeuten umfassend mitzuteilen.
Der Besserungs- und Sicherungszweck der Führungsauf-
sicht und der Weisungen können im Einzelfall Ausnahmen
von der Schweigepflicht durchaus erforderlich machen. Ins-
besondere zur Kontrolle der Einhaltung von Behandlungs-
und Vorstellungsweisungen und der Früherkennung von
gefährlichen Entwicklungen kann eine Offenbarungspflicht
geeignet sein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat aner-
kannt, dass Eingriffe in das Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG im
überwiegenden Allgemeininteresse hingenommen werden
müssen. Es muss jedoch eine Regelung gefunden werden,
die die Tatbestände eng eingrenzt. Es muss auch weiterhin
Raum bleiben für ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen
dem Patienten und dem Therapeuten. Eine umfassende
Offenbarungspflicht wirft zudem Bedenken auf im Hinblick
auf die Verhältnismäßigkeit.
Die in § 68a Abs. 8 StGB-E vorgeschlagene Regelung sieht
daher 3 Fälle vor, in denen eine Ausnahme vom gesetzlichen
Schweigerecht (§ 203 StGB) vorgesehen ist.
1. Eine Pflicht zur Offenbarung soll für die in § 203 Abs. 1

Nr. 1, 2 und 5 StGB genannten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der forensischen Ambulanz gegenüber der
Aufsichtstelle und dem Gericht bestehen, wenn dies not-
wendig ist, um zu überwachen, ob die verurteilte Person
einer Vorstellungsweisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1

2. Darüber hinaus soll eine Offenbarungspflicht bestehen,
wenn sich aus den erhaltenen Informationen „tatsäch-
liche Anhaltpunkte“ dafür ergeben, dass das Verhalten
oder der Zustand der verurteilten Person Maßnahmen
nach § 67g, § 67h oder § 68c Abs. 3 StGB erforderlich
erscheinen lässt. Damit wird ausgeschlossen, dass nicht
jede Verhaltens- oder Zustandsauffälligkeit eine Offen-
barungspflicht zur Folge hat. Die Eingrenzung auf „tat-
sächliche Anhaltspunkte“ ist notwendig, um einerseits
die Grundrechte des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG zu wahren und andererseits den Thera-
pieerfolg nicht zu gefährden.

3. Zudem soll eine Offenbarungspflicht bestehen, wenn
dies zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Ge-
fahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die
persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung
Dritter erforderlich ist. Einzig im letztgenannten Fall
dient die Offenbarungspflicht zur Gefahrenabwehr.

Zu 3.

§ 145a StGB ist in der Praxis kaum von Bedeutung. Die Ge-
richte gehen mit § 145a StGB äußerst zurückhaltend um.
Überwiegend ergehen Verurteilungen zu Geldstrafen. Fest-
zustellen ist daher, dass das Interesse an einer strafrecht-
lichen Verfolgung von Weisungsverstößen eher gering ist.
Es ist daher fraglich, ob der mit dem Gesetzentwurf ver-
folgte Zweck, durch die Erhöhung der Strafandrohung auf
3 Jahre Freiheitsstrafe eine schnellere Interventions- und
Reaktionsmöglichkeit in Konfliktsituationen zu erzielen, tat-
sächlich erreicht werden kann. In der kriminologischen
Forschung wird angezweifelt, ob eine hohe angedrohte
Strafe stark rückfallgefährdete Strafentlassene tatsächlich
von etwaigen Weisungsverstößen abhalten kann. Letztlich
ist es eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers,
welches Verhalten strafbewehrt sein soll. § 145a StGB ist in
das Strafgesetzbuch eingeführt worden, weil sonst in den
zahlreichen Fällen der Führungsaufsicht, die Verletzung
der für die Maßregel bedeutungsvollen Weisungen sankti-
onslos bliebe. Die Norm des § 145a StGB ist daher grund-
sätzlich sachgerecht. Eine Anhebung des Strafrahmens wird
jedoch keinerlei praktische Auswirkungen haben und im Er-
gebnis nicht dazu führen, dass die Zahl der Weisungsver-
stöße sinkt.

Artikel 3 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes)

Es gibt keinerlei Anlass, im Zusammengang mit der Rege-
lung der sog. „Altfälle“ zur nachträglichen Sicherungsver-
wahrung auch das JGG und die entsprechende Vorschrift
für Heranwachsende zu ändern. Es ist bislang aus der Pra-
xis kein Fall bekannt, der eine solche Änderung notwendig
erscheinen lässt. Es besteht daher kein Bedürfnis für eine
entsprechende Änderung. Zudem hat die Bundesregierung
angekündigt, die Sicherungsverwahrung für Jugendliche
einführen zu wollen. Es macht daher Sinn, zu einem späte-
ren Zeitpunkt ein Gesamtkonzept zur Änderung des JGG
vorzulegen und jetzt auf einzelne Detailregelungen zu ver-
zichten.
Der Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der Fraktio-
nen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen
Nr. 11 StGB nachkommt oder im Rahmen einer Weisung
nach § 68b Abs. 2 StGB an einer Behandlung teilnimmt.

der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/4740

Die Fraktion der CDU/CSU wies die von der Opposition
vorgebrachte Kritik an dem Verfahren zurück. So sei an-
geboten worden, das Thema Sicherungsverwahrung zu-
sammen mit der Anhörung zur Führungsaufsicht durch-
zuführen. Hierbei sei sogar ein vom Üblichen abweichender
Verteilerschlüssel zugebilligt worden, um Anregungen früh-
zeitig mit aufnehmen zu können.

Die Fraktion der CDU/CSU verwies auf die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2004 zur
Frage, ob die Länder die Strafunterbringung regeln dürfen.
Die Frage der nachträglichen Sicherungsverwahrung werde
schon seit langem problematisiert und diskutiert. Der heute
vorliegende Gesetzentwurf stelle auch noch nicht den Ab-
schluss dieser Thematik dar.

Der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung berücksich-
tige im Bereich der Führungsaufsicht im Wesentlichen die
Kritikpunkte der Opposition, so dass eine Ablehnung aus
grundsätzlichen Erwägungen nochmals überdacht werden
solle.

Die Erweiterung des Strafrahmens in § 145a StGB von
einem auf drei Jahre Freiheitsstrafe sei vom Sachverstän-
digen Dr. Thomas Wolf, Vorsitzender einer Strafkammer,
zur Abschreckung befürwortet worden und werde von
seiner Fraktion als deutliches Zeichen gegen beharrliche
Weisungsverstöße gerade gewollt. Auch die lebenslange
Führungsaufsicht sei entgegen der Ansicht der Opposition
von den meisten Sachverständigen befürwortet worden.

Der Änderungsantrag der Fraktion der FDP zur Einschrän-
kung der Offenbarungspflicht der Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter forensischer Ambulanzen entspreche der Formulie-
rung des Gesetzentwurfs in der dem Ausschuss vorliegen-
den Fassung. Nach dem Vorschlag der Fraktion der FDP
solle § 68a StGB nur um Satz 1 eingeschränkt werden,
wobei übersehen worden sei, dass der letzte Satz des Absat-
zes 8 den Satz 1 auch im Entwurf der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD wieder erheblich beschränke.

Die Fraktion der SPD erklärte, die Veränderungen im Be-
reich der Führungsaufsicht und die Lösung der Folge-
probleme aus dem Einigungsvertrag im Bereich der Siche-
rungsverwahrung seien als Gesamtpaket zu sehen. Mit der
Veränderung der Führungsaufsicht sollte ein Instrumenta-
rium für Straftäter, die ihre Strafe voll verbüßt haben, aber
dennoch Gefährdungspotential aufweisen, geschaffen wer-
den. Dieses Instrumentarium biete zukünftig die Möglich-
keit der Begleitung, aber auch der Intervention. Hierdurch
solle eine lebenslange Sicherungsverwahrung vermieden
werden.

Der Gesetzentwurf greife im Bereich der Führungsaufsicht
eine Reihe von Vorschlägen und Anregungen aus den Sach-
verständigenanhörungen auf. Insgesamt sei er trotz Ände-
rungsvorschlägen von allen Sachverständigen einhellig be-
grüßt und als lange überfällig bezeichnet worden.

Die Kritik der Opposition an dem Beratungsverfahren zum
Bereich der Sicherungsverwahrung wies die Fraktion der
SPD zurück. Die gesonderte Anhörung zur Sicherungs-
verwahrung sei auf Antrag der Opposition anberaumt wor-
den und habe daher erst so kurzfristig stattfinden können.
Hintergrund sei der in den Medien im Februar 2007 heftig

Die frühere Koalition habe die historischen Probleme und
Rückwirkungsfragen zum Thema Sicherungsverwahrung
häufig diskutiert. Das Bundesverfassungsgericht habe im
Jahre 2004 entschieden, dass auf die Vorschriften der Siche-
rungsverwahrung als Maßregel mit präventivem Charakter
das Rückwirkungsverbot und das Verbot der Doppelbestra-
fung nicht anwendbar seien. Rechtsstaatliche Bedenken
stellten sich daher auch in diesem Bereich nicht. Aufgrund
dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und der
tatsächlichen Notwendigkeit habe die frühere Koalition
auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung eingeführt.

Eine Diskussion über den Einigungsvertrag sei zwecklos,
denn das Bundesverfassungsgericht habe im Jahre 2004
festgestellt, man müsse nun präventiv tätig werden, um dem
Sicherheitsinteresse der Bevölkerung gerecht zu werden.
Dem werde auch mit dem heute vorgelegten Vorschlag
nachgekommen.

Der Gesetzentwurf erweitere auch nicht, wie von der Frak-
tion BÜNDINS/90 DIE GRÜNEN befürchtet, den Anwen-
dungsbereich der Sicherungsverwahrung über die in Frage
stehenden Altfälle hinaus. In der dem Ausschuss vorliegen-
den überarbeiteten Fassung des Gesetzentwurfs sei der
Halbsatz, der sich auf die vorbehaltene Sicherungsverwah-
rung beziehe, gestrichen worden, so dass der zeitliche Gel-
tungsbereich klar eingegrenzt sei. Auch die eher akademi-
sche Frage, was sich zukünftig alles unter „rechtliche
Gründe“ subsumieren lasse, sei nur von einem Sachverstän-
digen problematisiert worden. Eine konkrete Fallgestaltung
habe jedoch kein Sachverständiger bilden können, denn die
Formulierung beziehe sich eindeutig auf § 66b Abs. 1
Satz 1 StGB.

Die Dringlichkeit des Gesetzentwurfs sei wegen der kurz-
fristig anstehenden Entlassungen von noch als gefährlich
eingeschätzten ehemaligen Straftätern in den neuen Bundes-
ländern gegeben. Der Gesetzgeber müsse in der Lage sein,
eine bestehende Rechtslücke zu schließen und die Allge-
meinheit zu schützen.

Die Fraktion der SPD räumte ein, dass die Normen der
Sicherungsverwahrung einer grundlegenden Überarbeitung
bedürften, um ihre Verständlichkeit und Lesbarkeit zu er-
höhen. Dies werde in einem kommenden Gesetzentwurf ge-
schehen.

IV. Zur Begründung der Beschlussempfehlung

Aufgrund seiner Beratungen empfiehlt der Ausschuss
Änderungen einiger im Gesetzentwurf der Bundesregierung
enthaltener Regelungsvorschläge. Die Änderungen greifen
im Wesentlichen die Vorschläge des Bundesrates betreffend
§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 StGB (Nummer 2 der Stellung-
nahme) und § 463a Abs. 3 StPO (Nummer 5 der Stellung-
nahme) und seine Prüfbitte im Hinblick auf § 68b Abs. 1
Satz 1 Nr. 11 (Nummer 4 der Stellungnahme) sowie Anre-
gungen aus der Sachverständigenanhörung des Rechtsaus-
schusses vom 7. März 2007 auf.

Darüber hinaus wird die zusätzliche Aufnahme einer kurz-
fristig erforderlichen Änderung des § 66b StGB empfohlen,
zu der der Rechtsausschuss am 19. März 2007 eine Sachver-
ständigenanhörung durchgeführt hat; dementsprechend
diskutierte Fall der Entlassung eines noch als gefährlich ein-
gestuften ehemaligen Straftäters aus der Strafhaft gewesen.

wurde der Name des Gesetzgebungsvorhabens ergänzt. Im
Bereich des § 66b StGB hat die restriktive Auslegung des

Drucksache 16/4740 – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Merkmals der neuen Tatsachen durch die Rechtsprechung zu
vom Gesetzgeber nicht gewollten Schutzlücken geführt. Sie
treten insbesondere in sog. Altfällen auf, in denen das erken-
nende Gericht aus – inzwischen revidierten – Rechtsgründen
die Sicherungsverwahrung nicht anordnen konnte. Dringlich
ist vor allem eine klare Erfassung der in den neuen Bundes-
ländern demnächst zur Entlassung anstehenden Täter, die be-
reits im Zeitpunkt ihrer Verurteilung als gefährlich angese-
hen wurden, jedoch aufgrund der damals gültigen Fassung
des Artikels 1a EGStGB nicht in der Sicherungsverwahrung
untergebracht werden konnten. Außerdem soll eine Ergän-
zung des § 106 Abs. 5 JGG einer denkbaren Altfallproble-
matik auch bei Heranwachsenden, die nach allgemeinem
Strafrecht verurteilten wurden, begegnen.

Im Folgenden werden lediglich die vom Rechtsausschuss
beschlossenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen
Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung erläutert.
Soweit der Ausschuss den Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung unverändert angenommen hat, wird auf die jeweilige
Begründung des Gesetzentwurfs (Drucksache 16/1993) ver-
wiesen (wobei die dortigen Begründungen zu Artikel 1
Nr. 6 Buchstabe a und b vertauscht gehören).

Zu Artikel 1

Zu Nummer 5 Buchstabe d bis f
(§ 57 Abs. 5 bis 7 StGB)

Es handelt sich um redaktionelle Folgeänderungen, die auf-
grund der Änderung des § 57 StGB (Einfügung eines neuen
Absatzes 5) durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung
der Justiz vom 22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3416) erfor-
derlich wurden.

Zu Nummer 5a – neu – (§ 66b StGB)
Die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ist
nach dem Willen des Gesetzgebers entsprechend den Vor-
gaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 109,
109 ff.) ein Instrument, das nur „in besonderen Ausnahme-
fällen“ greifen soll (vgl. Drucksache 15/2887, S. 10 f.). Die
enge Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 66b StGB
kann gewährleisten, dass die Maßnahme – wie vom Gesetz-
geber beabsichtigt – auf einige wenige Verurteilte beschränkt
bleibt und als verhältnismäßige Regelung verfassungsrecht-
lich nicht zu beanstanden ist (BVerfG NJW 2006, 3483 ff.).
Die Entscheidung bedarf in jedem dieser Fälle einer Gesamt-
würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit unter Einbezie-
hung aller Anknüpfungstatsachen (vgl. Drucksache 15/2887,
S. 12 f.). Dazu gehören auch diejenigen Umstände, die im
Zeitpunkt des Urteils bereits bekannt waren. Die Anordnung
der nachträglichen Sicherungsverwahrung kann aber nicht
als Korrektiv einer unrichtigen Prognose herangezogen wer-
den (BVerfG a. a. O.). Hinzukommen müssen in der Regel
„neue Tatsachen“, die entweder während des Vollzugs der
Freiheitsstrafe eingetreten oder erst nach dem Urteil bekannt
geworden sind. Auf diese Weise soll nach dem Willen des
Gesetzgebers vor allem sichergestellt werden, dass die Un-
gewissheit der verurteilten Person nicht ohne zwingende
Notwendigkeit verlängert wird. Das aburteilende Gericht soll
die Anordnung der Sicherungsverwahrung wie bisher prüfen
und nicht auf die Möglichkeit ihrer nachträglichen Anord-
nung vertrauen (vgl. Drucksache 15/2887, S. 12). Dieses

Die Rechtsprechung legt die Voraussetzung der neuen Tat-
sachen indes sehr restriktiv aus und geht damit über den
Zweck dieses Merkmals hinaus: Sie zieht nur solche Tat-
sachen in Betracht, die zum Zeitpunkt der Aburteilung der
Anlasstat dem Tatgericht weder bekannt noch erkennbar
waren und die außerdem von „erheblicher“ Art sind (vgl.
z. B. BGH NJW 2006, 531, NStZ 2005, 561, NStZ 2006,
155 und 156, NStZ 2006, 276; OLG Koblenz NStZ 2005,
97; OLG Rostock, StV 2005, 279). Falls während des Straf-
vollzugs keine weiteren wesentlichen Erkenntnisse hinzu-
kommen, lehnt die Rechtsprechung die nachträgliche An-
ordnung von Sicherungsverwahrung selbst für Verurteilte
ab, die bereits die erkennenden Gerichte als gefährlich ein-
stuften, gegen die aber zum Zeitpunkt des Urteils aus
Rechtsgründen keine Sicherungsverwahrung verhängt wer-
den konnte (vgl. OLG Koblenz, NStZ 2005, 97). Der Tat-
sache, dass nach geltendem Recht erst im Rahmen der Prü-
fung der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwah-
rung erstmalig eine rechtliche Würdigung dieser bereits im
Zeitpunkt des Urteils bekannten oder erkennbaren Hinweise
auf eine Gefährlichkeit der verurteilten Person erfolgen
kann, misst sie keine entscheidende Bedeutung zu. Aus-
drücklich tritt der BGH (NStZ 2006, 156 [158 f.]) der Aus-
legung entgegen, dass „neue Tatsachen“ i. S. d. § 66b StGB
auch solche seien, die lediglich aus rechtlichen Gründen
vom erkennenden Gericht nicht berücksichtigt werden
konnten (vgl. auch Veh, Nachträgliche Sicherungsverwah-
rung und nachträgliche Tatsachenerkennbarkeit, NStZ 2005,
307 ff.).

Unter den im vorgenannten Sinne problematischen Fällen
bedürfen die sog. Altfälle einer vorrangigen Lösung. Dring-
lich ist vor allem eine klare Erfassung der in den neuen Bun-
desländern demnächst zur Entlassung anstehenden Täter, bei
denen bereits im Zeitpunkt ihrer Verurteilung deutliche tat-
sächliche Hinweise auf ihre Gefährlichkeit für die Allge-
meinheit bestanden, die jedoch aufgrund der damals gültigen
Fassung des Artikels 1a EGStGB ohnehin nicht in der Siche-
rungsverwahrung untergebracht werden konnten. Im Eini-
gungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 889)
war zunächst die Erstreckung des § 66 StGB auf das Bei-
trittsgebiet ausgeschlossen worden. Erst seit Inkrafttreten des
Gesetzes zur Rechtsvereinheitlichung der Sicherungsver-
wahrung am 1. August 1995 (BGBl. I S. 818) kann die
Sicherungsverwahrung auch dort angeordnet werden. Auf
Taten, die vor dem 1. August 1995 im Gebiet der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik begangen wurden,
waren die Regelungen über die Sicherungsverwahrung zu-
nächst nicht anwendbar (Ausnahme: Täter mit Lebensgrund-
lage in einem alten Bundesland, vgl. Artikel 1a Nr. 2
EGStGB in der Fassung vom 29. September 1990). In späte-
ren Fassungen (vom 1. August 1995, 31. Januar 1998 und
1. April 2004) ließ Artikel 1a EGStGB die Anwendung der
Vorschriften über die Sicherungsverwahrung nur zu, wenn
wenigstens eine der im Gebiet der ehemaligen Deutschen
Demokratischen Republik begangenen Anlasstaten nach
dem 1. August 1995 verübt worden war. Erst mit Inkraft-
treten des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Siche-
rungsverwahrung am 29. Juli 2004 (BGBl. I S. 1838) wurde
dieser weitgehende Rückwirkungsausschluss gestrichen.

Zu den Altfällen gehören darüber hinaus auch Taten, die

Instrument soll nicht der Korrektur eines fehlerhaften, rechts-
kräftigen Urteils dienen.

heute die Voraussetzungen des mit dem Gesetz zur Bekämp-
fung von Sexualdelikten und anderen schweren Straftaten

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/4740

vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160) geschaffenen § 66
Abs. 3 StGB erfüllen würden, die jedoch vor dem Zeitpunkt
seines Inkrafttretens am 31. Januar 1998 begangen und vor
Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung der nachträg-
lichen Sicherungsverwahrung am 29. Juli 2004 abgeurteilt
wurden, in dem der bisherige Artikel 1a Abs. 2 EGStGB ge-
strichen wurde.

Durch die Klarstellung in § 66b Abs. 1 Satz 2 StGB-E soll
künftig gewährleistet werden, dass bei der Entscheidung
über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwah-
rung als neu auch solche Tatsachen berücksichtigt werden
können, die das Tatgericht aus rechtlichen Gründen bei sei-
ner Entscheidung nicht verwerten durfte. Es war bereits die
Intention des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen
Sicherungsverwahrung, solche Fallkonstellationen zu erfas-
sen (vgl. Drucksache 15/2887, S. 2, 10). Die Klarstellung in
§ 66b Abs. 1 Satz 2 StGB-E verschafft diesem Willen des
Gesetzgebers deutlichen Ausdruck. Sie bezieht Tatsachen
ein, die im Zeitpunkt der Verurteilung zwar bereits erkenn-
bar oder sogar bekannt waren, jedoch nicht zur Prüfung ei-
ner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung berück-
sichtigt werden konnten. Wenn in diesen Fällen nunmehr
aufgrund dieser bereits bei Verurteilung bekannten oder er-
kennbaren Tatsachen unter Berücksichtigung der Entwick-
lung der Verurteilten im Strafvollzug eine eindeutige Ge-
fährlichkeitsprognose i. S. d. § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB ge-
stellt werden kann, so soll unter dessen übrigen Voraus-
setzungen auch eine nachträgliche Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung möglich sein. Bestand demgegen-
über für das erkennende Gericht die rechtliche Möglichkeit,
die Sicherungsverwahrung im Urteil anzuordnen und wurde
dies – eventuell sogar rechtsfehlerhaft – unterlassen, so kön-
nen nur „erhebliche neue Tatsachen“ die nachträgliche An-
ordnung der Sicherungsverwahrung begründen. Im Ergeb-
nis bleibt es also dabei, dass die nachträgliche Anordnung
der Sicherungsverwahrung nicht zur Korrektur der Ent-
scheidung des Tatgerichts eingesetzt werden kann.

Im Hinblick auf die vom BGH (NStZ 2006, 156) aufgewor-
fene, aber nicht entschiedene Frage, ob die Bezugnahme auf
die übrigen Voraussetzungen des § 66 in § 66b Abs. 1 StGB
auch die vom Gesetzgeber in Artikel 1a EGStGB geregelte
zeitliche Anwendbarkeit des § 66 Abs. 3 StGB erfasst, ist
zur sicheren Erfassung der Altfälle zusätzlich eine Klarstel-
lung in § 66b Abs. 1 Satz 1 StGB-E notwendig. Danach
kommt es für das Vorliegen der formellen Voraussetzungen
des § 66 StGB auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die
Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung an.

Zu Nummer 8 (§ 67h Abs. 1 StGB)

Die Änderung in Satz 1 erfolgt aus rechtsförmlichen Grün-
den.

Mit der Änderung in Satz 2 wird klargestellt, dass die Maß-
nahme während der Dauer der Führungsaufsicht auch mehr-
fach angeordnet werden kann, wenn die Voraussetzungen
des Absatzes 1 Satz 1 und 2 nach einer erfolgreich abge-
schlossenen Krisenintervention erneut eintreten und die be-
troffene Person neuerlich in eine gesundheitliche Krise ge-

Im Hinblick auf das Ergebnis der Sachverständigenanhörung
hebt der Rechtsausschuss zudem hervor, dass eine „akute
Verschlechterung des Zustandes“ auch schon dann vorliegen
kann, wenn die betreffende Person von einer Dekompen-
sation akut bedroht ist (Drucksache 16/1993, S. 16). Ent-
scheidend ist, dass die Verschlechterung ein Maß erreicht
hat, das bei ungehinderter Weiterentwicklung voraussicht-
lich einen Widerruf der Aussetzung erforderlich machen
würde, insbesondere weil neue erhebliche Straftaten der Pro-
bandin oder des Probanden zu erwarten sind (Drucksache
16/1993, S. 17).

Zu Nummer 8a – neu – (§ 68 Abs. 2 StGB)

Es handelt sich um eine Folgeänderung der unter Nummer 6
Buchstabe b vorgenommenen Ergänzung des § 67d Abs. 4.

Zu Nummer 9

Zu § 68a Abs. 7 und 8 – neu – StGB

Zur Klarstellung wird in § 68a Abs. 7 auch auf § 68b Abs. 2
Satz 3 StGB-E verwiesen, der die forensische Ambulanz
ausdrücklich nennt.

Im Hinblick auf die Prüfbitte des Bundesrates zu § 68b
Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StGB (Drucksache 16/1993, S. 27,
siehe Nummer 4) empfiehlt der Ausschuss Änderungen der
Regelung von Offenbarungspflichten der an der Führungs-
aufsicht beteiligten Stellen, insbesondere der forensischen
Ambulanz.

Grundsätzlich sind die an der Vollstreckung der Führungs-
aufsicht beteiligten Beamtinnen und Beamten der Führungs-
aufsichtsstelle, Bewährungshelferinnen und Bewährungs-
helfer, Richterinnen und Richter über die ihnen in Bezug auf
die verurteilte Person bekannt gewordenen „Geheimnisse“
gegenüber der forensischen Ambulanz schweigepflichtig
(§ 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Ebenso unterliegen die Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter der forensischen Ambulanz, soweit
sie zu den in § 203 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StGB genannten
Gruppen von Berufsgeheimnisträgern gehören, einer
Schweigepflicht. Sie umfasst alle Tatsachen, die sich auf die
betreute Person und ihre Lebensverhältnisse beziehen, al-
lenfalls einem beschränkten Personenkreis bekannt sind, der
geheimhaltungspflichtigen Person anvertraut oder im Rah-
men ihrer Berufsausübung bekannt geworden sind und an
deren Geheimhaltung die verurteilte Person ein schutzwür-
diges Interesse hat. Die Schweigepflicht von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern der forensischen Ambulanz besteht
grundsätzlich auch gegenüber den übrigen an der Führungs-
aufsicht beteiligten Stellen.

Der Bundesrat hält die Schaffung einer gesetzlichen Ein-
schränkung der Schweigepflicht von Therapeutinnen und
Therapeuten, bei denen sich die verurteilte Person nach
§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StGB-E vorzustellen hat, für not-
wendig. Eine Schweigepflichtproblematik kann sich darü-
ber hinaus auch bei Erteilung einer (nicht strafbewehrten)
Therapie- oder Ambulanzweisung, § 68b Abs. 2 Satz 1 bis 3
StGB-E, ergeben.

Der Besserungs- und Sicherungszweck der Führungsauf-
sicht und der Weisungen nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 11,
Abs. 2 StGB-E verlangt einen – auf die Verfolgung dieses
rät. Die Gesamtdauer der Maßnahmen darf jedoch wie im
Falle der Verlängerung sechs Monate nicht überschreiten.

Zweckes begrenzten – Informationsaustausch zwischen allen
an der Führungsaufsicht beteiligten Stellen. Der Bedarf

Drucksache 16/4740 – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nach einer Informationsübermittlung kann sich in verschie-
denen Konstellationen ergeben:

● Informationsbedürfnisse seitens der Aufsichtsstelle und
des Gerichts erwachsen aus ihrer Aufgabe, die Ein-
haltung von Therapie- oder Vorstellungsweisungen zu
überwachen. Hier geht es nicht um die Mitteilung von
Behandlungsinhalten, sondern lediglich um die Informa-
tion, ob die verurteilte Person an der Behandlung teil-
nimmt und Behandlungs- oder Vorstellungstermine ein-
hält.

● Es besteht ein Bedürfnis für den Austausch von Informa-
tionen zwischen der forensischen Ambulanz oder exter-
nen Therapeutinnen oder Therapeuten und den übrigen
an der Führungsaufsicht beteiligten Stellen, damit eine
effektive Betreuung der verurteilten Person sicherge-
stellt werden kann (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs
Drucksache 16/1993, S. 18). Dies schließt sog. Helfer-
konferenzen ein, die insbesondere im Falle von Ambu-
lanzweisungen sinnvoll und notwendig sind. Hier sieht
der Gesetzentwurf bereits eine gegenseitige Informa-
tionspflicht der beteiligten Stellen vor (§ 68a Abs. 7
Satz 3 StGB-E).

● Schließlich kann die Offenbarung notwendig sein, um
im Rahmen der Führungsaufsicht Gefahrenabwehrmaß-
nahmen zu ermöglichen. Wenn das Verhalten oder der
Zustand der verurteilten Person solche Maßnahmen not-
wendig erscheinen lässt, sind entsprechende Mitteilun-
gen der Ärzte oder Therapeuten an die Aufsichtsstelle
oder das Gericht angezeigt. Auch hier kann die Offen-
barung im Einzelfall dazu dienen, die verurteilte Person
in ihrem eigenen Interesse vor Rückfällen zu bewahren.
Ebenfalls kann sie zum Schutz der Allgemeinheit vor
weiteren Straftaten erforderlich sein.

Damit einerseits alle beteiligten Stellen ihre Betreuung im
Interesse der verurteilten Person optimieren, andererseits
Führungsaufsichtsstelle und Gericht die Einhaltung von Be-
handlungs- und Vorstellungsweisungen kontrollieren und
auf gefährliche Entwicklungen, die insbesondere in der
Therapie erkannt werden, in geeigneter Weise reagieren
können, ist es erforderlich, dass die beteiligten Stellen die
entsprechenden Informationen soweit erforderlich austau-
schen dürfen. Daran sind sie gegenwärtig jedoch durch ihre
Schweigepflicht gehindert.

Bisher haben die Gerichte mancherorts einige Aspekte die-
ses Dilemmas auf die Weise gelöst, dass sie den verurteilten
Probanden die – genauer umrissene – Weisung erteilt haben,
ihre jeweiligen Therapeutinnen oder Therapeuten von der
Schweigepflicht zu entbinden. Das Bundesverfassungsge-
richt hat diese Praxis indes in seinem Beschluss vom 6. Juni
2006 (2 BvR 1349/05) beanstandet und eine entsprechende
Weisung als Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeits-
recht aus Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG ge-
sehen. Eingriffe in dieses Recht müssten zwar im über-
wiegenden Allgemeininteresse hingenommen werden, be-
dürften aber einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die
Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung klar
und für den Bürger erkennbar ergäben. Bislang fehle es an
einer solchen gesetzlichen Grundlage für die Weisung,

Nicht zuletzt im Hinblick auf diese Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts sieht der Ausschuss gesetzgebe-
rischen Handlungsbedarf für gesetzliche Regelungen von
Mitteilungspflichten zwischen den an der Vollstreckung der
Führungsaufsicht beteiligten Stellen.

Bei der Schaffung solcher Regelungen sind allerdings grund-
rechtliche Schranken zu beachten. Insbesondere eine Offen-
barungspflicht für Ärzte und Berufspsychologen stellt einen
schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlich-
keitsrecht aus Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG
dar. Wer sich in ärztliche oder psychotherapeutische Be-
handlung begibt, muss und darf erwarten, dass alles, was die
behandelnde Person im Rahmen ihrer Berufsausübung über
seine gesundheitlichen Verhältnisse erfährt, geheim bleibt
und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt. Nur so kann
zwischen Patienten und Therapeuten jenes Vertrauen ent-
stehen, das zu den Grundvoraussetzungen der Behandlung
zählt, weil es die Chancen der Heilung vergrößert. Die
Schweigepflicht von Ärzten oder Therapeuten darf daher nur
soweit eingeschränkt werden, wie überwiegende Gemein-
wohlbelange dies zwingend gebieten (vgl. BVerfGE 32, 373
[380]).

Der Ausschuss schlägt deshalb eine differenzierte Regelung
der Informationspflichten zwischen forensischer Ambulanz
und den übrigen an der Vollstreckung der Führungsaufsicht
Beteiligten vor, die diese Grundsätze berücksichtigt:

● Nach § 68a Abs. 8 – neu – Satz 1 StGB-E bestehen zwi-
schen der forensischen Ambulanz und den übrigen an
der Führungsaufsicht beteiligten Stellen – aus ihrer
Pflicht zur Zusammenarbeit folgende – Informations-
pflichten, die dem Ziel dienen, eine möglichst effektive
Betreuung der verurteilten Person sicherzustellen (vgl.
Begründung des Gesetzentwurfs, Drucksache 16/1993,
S. 18). Da die Offenbarung notwendig ist, um dem Ver-
urteilten zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden,
erscheint eine Einschränkung der Schweigepflicht ver-
fassungsrechtlich zulässig.

● Nach § 68a Abs. 8 – neu – Satz 2 Nr. 1 StGB-E muss die
forensische Ambulanz die notwendigen Mitteilungen
machen, damit Aufsichtsstelle und Gericht die Einhal-
tung von Therapie- oder Vorstellungsweisungen überwa-
chen können. Sie muss also melden, ob die verurteilte
Person Termine regelmäßig wahrnimmt oder die Thera-
pie abgebrochen hat oder die Therapie aufgrund einer
Entscheidung der Ambulanz nicht fortgesetzt werden
soll, damit Aufsichtsstelle und Gericht die erforderlichen
Maßnahmen (z. B. Gespräch mit der verurteilten Person,
Änderung von Weisungen, Erlass eines Vorführungsbe-
fehls, ggf. Strafantrag nach § 145a StGB) ergreifen kön-
nen. Da es nicht um die Mitteilung von Behandlungs-
inhalten, sondern lediglich um die Überwachung der
äußeren Einhaltung von Therapie- oder Vorstellungswei-
sungen geht, ist eine Einschränkung der Schweigepflicht
unter Wahrung der Grundrechte der verurteilten Person
verfassungsrechtlich unbedenklich.

● Nach § 68a Abs. 8 – neu – Satz 2 Nr. 2 StGB-E muss die
forensische Ambulanz die Aufsichtsstelle und das Ge-
richt informieren, wenn das Verhalten oder der Zustand
der verurteilten Person eine Maßnahme nach § 67g oder
Therapeutinnen oder Therapeuten von ihrer Schweige-
pflicht zu entbinden.

§ 67h StGB oder eine unbefristete Verlängerung der
Führungsaufsicht (§ 68c Abs. 2 oder Abs. 3 StGB) erfor-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/4740

derlich erscheinen lässt. Inhalte aus Gesprächen mit der
behandelten Person oder von persönlichen Beobachtun-
gen im Rahmen der Behandlung dürfen und müssen also
z. B. weitergegeben werden, wenn bei einer aus dem
psychiatrischen Maßregelvollzug zur Bewährung entlas-
senen Person eine akute Verschlechterung ihres psychi-
schen Zustands eingetreten ist und Rückfallgefahr be-
steht. Hier dient die Offenbarung einerseits dazu, die
verurteilte Person in ihrem eigenen Interesse vor Rück-
fällen zu bewahren. Andererseits dient sie dem Schutz
der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten und damit
überwiegenden Gemeinwohlbelangen. Die Formulie-
rung „erforderlich erscheinen lässt“ verdeutlicht dabei,
dass die Offenbarungspflicht keinesfalls bei jeder Verän-
derung oder Besonderheit im Verhalten oder im Zustand
der behandelten Person greift, sondern erst dann, wenn
die Umstände ein solches Gewicht erlangen, dass sie ein
Einschreiten mittels der o. g. Maßnahmen konkret nahe-
legen. Die Mitteilung wird sich in erster Linie an die
koordinierende Führungsaufsichtsstelle und nur bei
unmittelbarer Gefahr im Verzuge direkt an das Gericht
zu richten haben.

● Schließlich muss sie die Aufsichtsstelle und das Gericht
informieren, soweit dies zur Abwehr von erheblichen
Gefahren für Leib, Leben, Freiheit oder sexuelle Selbst-
bestimmung Dritter erforderlich ist. Erfährt sie also z. B.
bei der Behandlung eines entlassenen Sexualstraftäters
davon, dass er erneut den Kontakt zu Kindern sucht und
damit Kontaktverbotsweisungen missachtet oder gar be-
reits erneut Kinder missbraucht, so erfordert dies die
Weitergabe dieser Information an die Führungsaufsichts-
stelle oder das Gericht, damit diese geeignete Maß-
nahmen ergreifen können. Als Gefahrenabwehrmaßnah-
men kommen auch hier – soweit sie möglich sind – sol-
che nach § 67g oder § 67h StGB und z. B. die Initiierung
polizeilicher Kontrollmaßnahmen, die Verstärkung der
ambulanten Überwachung, die Änderung von Weisun-
gen oder die unbefristete Verlängerung der Führungsauf-
sicht unter den Voraussetzungen des § 68c Abs. 3 Nr. 2
StGB-E in Betracht.

Aus grundrechtlicher Sicht muss dabei aber grundsätzlich
sichergestellt sein, dass die von Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern der forensischen Ambulanz offenbarten Tatsachen
unmittelbar nur zum Zweck der Hilfe für die verurteilte Per-
son oder von Gefahrenabwehrmaßnahmen genutzt werden
und nicht etwa zu Beweiszwecken im Rahmen der Strafver-
folgung. Dies gilt für die Fälle der Sätze 1 und 2 Nr. 2 und
3. Im Falle des Satzes 2 Nr. 1 soll die Weitergabe von Infor-
mationen gerade der Durchsetzung der betreffenden Wei-
sungen dienen und zwar – wenn nötig – auch mit dem Mit-
tel des von der Führungsaufsichtsstelle zu stellenden Straf-
antrags und der Strafverfolgung nach § 145a StGB. Da
keine vertraulichen Informationen über Behandlungsinhalte
oder den Zustand der behandelten Person übermittelt wer-
den, gilt die Zweckbindung nach Satz 3 für die nach Satz 2
Nr. 1 offenbarten Informationen nicht.

Zu § 68b Abs. 1 Nr. 8 StGB

Hinsichtlich der Ersetzung des Begriffes „Wohnort“ durch

desregierung (Drucksache 16/1993, S. 26, siehe Nummer 2)
verwiesen.

Zu § 68b Abs. 2 StGB

Die Änderung soll – eine Anregung aus der Sachverstän-
digenanhörung aufgreifend – verdeutlichen, dass eine ent-
sprechende Weisung nicht nur im Rahmen der Nachsorge
nach Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug er-
teilt werden kann, sondern vor allem auch in den Fällen der
primären Aussetzung einer psychiatrischen Maßregel zur
Bewährung (§ 67b StGB).

Zu § 68b Abs. 5 – neu – StGB

In § 68b Abs. 5 erstrecken sich die in § 68a Abs. 8 – neu –
normierten Offenbarungspflichten auch auf Ärzte und The-
rapeuten, die die verurteilte Person im Rahmen von Füh-
rungsaufsichtsweisungen sehen oder behandeln und nicht in
einer forensischen Ambulanz arbeiten.

Zu § 68c Abs. 2 StGB

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung zu der
Änderung zu § 68b Abs. 2 StGB.

Zu § 68c Abs. 3 Nr. 1 StGB

Insoweit werden eine Anpassung an den allgemeinen
Sprachgebrauch des StGB und eine Änderung aus rechts-
förmlichen Gründen vorgenommen.

Zu § 68c Abs. 3 Nr. 2 StGB

Die Änderungen greifen zwei Anregungen aus der Sachver-
ständigenanhörung auf: Zum einen wird die unbefristete
Verlängerung der Führungsaufsicht gegenüber Sexualstraf-
tätern auch in den Fällen ermöglicht, in denen wegen einer
in § 181b StGB genannten Straftat wegen Schuldunfähig-
keit des Täters eine isolierte Unterbringung in der Entzie-
hungsanstalt erfolgte. Zum anderen wird noch deutlicher als
im Gesetzentwurf der Bundesregierung herausgestellt, dass
sich konkrete Anhaltspunkte für die Gefährlichkeit des
Täters nicht nur aus Weisungsverstößen, sondern auch auf-
grund anderer bestimmter Tatsachen ergeben können.

Außerdem soll auch hier – wie bei § 68f Abs. 1 (siehe
Nummer 11) – klargestellt werden, dass es für die Eröff-
nung der Verlängerungsmöglichkeit notwendig ist, dass die
Gesamtstrafe in der erforderlichen Höhe oder ein entspre-
chend hoher Teil der Gesamtstrafe aufgrund von Straftaten
der in § 181b StGB genannten Art verhängt wurde.

Zu Nummer 11

Zu § 68e Abs. 1 Nr. 2 StGB

Auch diese Änderung greift eine Anregung aus der Sachver-
ständigenanhörung auf. Nach der im Gesetzentwurf vorge-
sehenen Regelung bliebe die (befristete) Führungsaufsicht
nämlich, wenn auch ruhend, bestehen, wenn und solange
z. B. der Vorwegvollzug eines Teils der Begleitstrafe vor der
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in einem
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist und die Strafe
den Begriff „Wohnung“ wird auf die Begründung der Stel-
lungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bun-

noch vollstreckt wird. Dies erscheint nicht erforderlich.
Denn in allen praxisrelevanten Fällen der Aussetzung der

Drucksache 16/4740 – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Maßregel zur Bewährung oder ihrer Erledigterklärung tritt
(neuerlich) Führungsaufsicht ein.

Zu § 68f Abs. 1 StGB

Die Änderung soll klarstellen, dass es für den gesetzlichen
Eintritt der Führungsaufsicht nach § 68f Abs. 1 StGB not-
wendig ist, dass die Gesamtstrafe in der erforderlichen
Höhe oder ein entsprechend hoher Teil der Gesamtstrafe
aufgrund von vorsätzlichen Straftaten bzw. Straftaten der in
§ 181b StGB genannten Art verhängt wurde. Es reicht also
nicht aus, wenn z. B. einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei
Jahren nur eine vorsätzliche Tat und im Übrigen Fahrlässig-
keitstaten oder nur ein Sexualdelikt und im Übrigen Eigen-
tums- oder Vermögensdelikte zugrunde liegen.

Zu Artikel 2 Nr. 3 Buchstabe b (§ 463a Abs. 3 StPO)

Es wird auf die Begründung der Stellungnahme des Bun-
desrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Druck-
sache 16/1993, S. 27, siehe Nummer 5) verwiesen.

Zu Artikel 3 – neu – (§ 106 Abs. 5 Satz 2 JGG)

Die vorgesehene Ergänzung von § 106 Abs. 5 JGG bietet
eine entsprechende Lösung für die zu Nummer 1 dargelegte
Altfallproblematik, die in vergleichbarer Weise auch bei
Heranwachsenden auftreten kann, die nach allgemeinem
Strafrecht verurteilt wurden. Für diese Gruppe wurde die
Möglichkeit, die Sicherungsverwahrung nach § 106 Abs. 3
Satz 2 JGG bereits mit dem Urteil vorzubehalten, erst durch
das Gesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) ge-
schaffen. Nach Artikel 6 dieses Gesetzes (Artikel 1a Abs. 3
EGStGB) erforderte der Vorbehalt, dass eine der maßgeb-
lichen Anlasstaten nach dem 1. April 2004 begangen wor-
den war. Bei einschlägigen Straftaten vor diesem Datum
kann und konnte die Sicherungsverwahrung also trotz even-
tuell bereits anfänglich erkennbarer hoher künftiger Gefähr-
lichkeit weder unmittelbar mit dem Urteil angeordnet noch
vorbehalten werden.

Die hier empfohlene Ergänzung betrifft Fälle, in denen nach
heute geltendem Recht die Sicherungsverwahrung hätte
vorbehalten werden können, die rechtliche Grundlage dafür
zum Zeitpunkt der Verurteilung aber noch nicht bestand. Sie
stellt sicher, dass in derartigen Fällen für die Entscheidung
über eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwah-
rung auch bereits anfänglich erkennbare für die Gefährlich-
keitsprognose relevante Tatsachen herangezogen werden
können und nicht zwingend erhebliche neue Tatsachen vor-
liegen müssen.

Zu Artikel 4 – neu – (Artikel 315 Abs. 1 EGStGB)

Artikel 315 EGStGB, der durch den Einigungsvertrag vom
31. August 1990 (BGBl. 1990 II S. 889) (Anlage I Kapitel III
Sachgebiet C – Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht –
Abschnitt II) neu gefasst wurde, regelt die Geltung des
Strafrechts für in der Deutschen Demokratischen Republik
begangene Taten. Er regelt in Absatz 1 Satz 2, dass neben
der Freiheitsstrafe die Unterbringung in der Sicherungs-
verwahrung und die Führungsaufsicht nach § 68 Abs. 1

wegen Taten aus, die vor Wirksamwerden des Beitritts in
der DDR begangen wurden.

Mit der Änderung werden die Vorschriften des Strafgesetz-
buches über die primäre Sicherungsverwahrung (§ 66
StGB) und die Führungsaufsicht auf solche noch in der
DDR begangene Taten erstreckt. Die Strafrechtspraxis der
vergangenen Jahre hat gezeigt, dass das Instrument der
Sicherungsverwahrung als Ultima Ratio zur Sicherung ge-
fährlicher Straftäter und zum Schutz der Bevölkerung vor
schweren Wiederholungstaten unverzichtbar ist. Gleiches
gilt für das Instrument der Führungsaufsicht, das eine nach-
sorgende Betreuung von Täterinnen und Tätern gewährleis-
tet, deren gesellschaftliche Wiedereingliederung nach ihrer
Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug aus unter-
schiedlichen Gründen gefährdet erscheint und die daher im
Besserungs- und im Sicherungsinteresse in besonderem
Maße kontrollierender Begleitung und Unterstützung bedür-
fen (vgl. Gesetzentwurf Drucksache 16/1993, S. 1).

Artikel 315 Abs. 1 Satz 2 EGStGB und seine Streichung
können allenfalls noch in dem Ausnahmefall relevant wer-
den, in dem eine in der DDR begangene Tat noch zur Ab-
urteilung ansteht. Für die Streichung des Satzes 3 besteht
demgegenüber ein konkreteres praktisches Bedürfnis. Das
Instrumentarium der Führungsaufsicht muss auch zur nach-
sorgenden Kontrolle und Betreuung von Straftätern zur Ver-
fügung stehen, die ihre Straftaten noch vor dem Beitritt auf
dem Gebiet der DDR begangen haben und künftig aus dem
Strafvollzug oder dem Vollzug einer freiheitsentziehenden
Maßregel entlassen werden. Dieses Bedürfnis ergibt sich
insbesondere auch im Hinblick darauf, dass für bereits ab-
geurteilte Straftaten, die noch in der DDR begangen wur-
den, die Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden
konnte.

Die Neuregelung verletzt nicht das strafrechtliche Rück-
wirkungsverbot (Artikel 103 Abs. 2 GG), das nur für Krimi-
nalstrafen, Sanktionen für Ordnungswidrigkeiten sowie für
Disziplinar- und Standesgerichtsstrafen, nicht jedoch für
Maßregeln der Sicherung und Besserung nach § 61 ff. StGB
gilt (BVerfGE 109, 133 [167 ff.]; E 109, 190 [217]). Die
Sicherungsverwahrung und die Führungsaufsicht stellen
demgegenüber präventive Maßnahmen dar, deren Zweck es
nicht ist, begangenes Unrecht zu sühnen, sondern die Allge-
meinheit vor dem Täter zu schützen.

Die verfassungsrechtliche Grenze des allgemeinen Rück-
wirkungsverbots aus Artikel 20 Abs. 3 GG ist gewahrt. Es
handelt sich um einen Fall der unechten Rückwirkung. Im
Falle der Streichung des Artikels 315 Abs. 1 Satz 2
EGStGB sind Taten betroffen, die noch nicht abgeurteilt
sind. Satz 3 betrifft die in der Begründung des Gesetzent-
wurfs (Allgemeiner Teil Nummer 1. Ausgangslage Nr. 1
Buchstabe a und Nr. 2, Drucksache 16/1993, S. 11) sowie in
§ 67d Abs. 4 StGB-E genannten Fälle, in denen mit Ent-
lassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug die Führungs-
aufsicht kraft Gesetzes eintritt. Die Neuregelung entfaltet
daher Wirkung nur in den Fällen nicht rechtskräftig abge-
schlossener Erkenntnisverfahren bzw. des noch nicht abge-
schlossenen Straf- oder Maßregelvollzugs. Die Zulässigkeit
einer tatbestandlichen Rückanknüpfung (unechte Rückwir-
kung), bei der die Rechtsfolge an einen vor der Verkündung
StGB nicht angeordnet werden können. Sein Absatz 1 Satz 3
schließt den (gesetzlichen) Eintritt von Führungsaufsicht

der Norm liegenden Sachverhalt anknüpft, ist von der Ab-
wägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauens-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/4740

schutzbelange und der Bedeutung des mit der Rückanknüp-
fung verfolgten gesetzgeberischen Anliegens für das Ge-
meinwohl abhängig (vgl. BVerfGE 109, 133 [180 ff.]
m. w. N.). Die Anwendbarkeit der Regeln über die primäre
Sicherungsverwahrung soll dem Ziel eines effektiven
Schutzes der Allgemeinheit vor gefährlichen Hangtätern
dienen, von denen weitere erhebliche Straftaten zu erwarten
sind. Der Schutz vor solchen Verurteilten stellt ein über-
ragendes Gemeinwohlinteresse dar.

Auch hinsichtlich der Anwendbarkeit der Führungsaufsicht
fällt die erforderliche Abwägung zu Gunsten des Sicher-
heitsinteresses der Allgemeinheit aus. Insbesondere ange-
sichts der Tatsache, dass die Führungsaufsicht der betroffe-
nen Person auch in ihrem eigenen Interesse wiedereinglie-
dernde Hilfe bietet, ist deren Erwartung, im Anschluss an
die Verbüßung der Strafe die Freiheit ohne die Einschrän-
kungen der Führungsaufsicht wieder zu erlangen, geringer
zu bewerten.

Zu Artikel 5 – neu –

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Berlin, den 20. März 2007

Siegfried Kauder
(Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Sevim Dag˘delen
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.