BT-Drucksache 16/4417

Den Erfolg des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durch die konsequente Befolgung seiner Urteile sichern

Vom 28. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4417
16. Wahlperiode 28. 02. 2007

Antrag
der Abgeordneten Holger Haibach, Erika Steinbach, Eduard Lintner, Carl-Eduard
von Bismarck, Michael Brand, Hartwig Fischer (Göttingen), Axel E. Fischer
(Karlsruhe-Land), Ute Granold, Hermann Gröhe, Hubert Hüppe, Alois Karl,
Hartmut Koschyk, Dr. Norbert Röttgen, Arnold Vaatz, Peter Weiß (Emmendingen),
Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Christoph Strässer, Doris Barnett, Kurt Bodewig,
Klaus Brandner, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Detlef Dzembritzki, Angelika Graf
(Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Gerd Höfer, Johannes Jung (Karlsruhe),
Walter Kolbow, Ernst Kranz, Johannes Pflug, Steffen Reiche (Cottbus),
Christel Riemann-Hanewinckel, Walter Riester, Sönke Rix, Marlene Rupprecht
(Tuchenbach), Dr. Hermann Scheer, Olaf Scholz, Rolf Stöckel, Dr. Wolfgang
Wodarg, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Den Erfolg des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte durch die
konsequente Befolgung seiner Urteile sichern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist eines der erfolg-
reichsten Gremien für die Wahrung des individuellen Menschenrechtsschutzes
in Europa.

Allerdings droht der Gerichtshof Opfer seines eigenen Erfolges zu werden. So
ist die Zahl der Beschwerden von ca. 30 000 im Jahr 2000 auf ca. 46 000 im
Jahr 2006 gestiegen; derzeit hat das Gericht einen Rückstau von ca. 90 000 Fäl-
len.

Der Europarat mit seinen mittlerweile 46 Mitgliedstaaten hat versucht, dieser
Entwicklung durch Reformen, u. a. der Gerichtsstruktur, Rechnung zu tragen,
zuletzt durch das 14. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonven-
tion (EMRK). Wegen der ausstehenden Ratifizierung durch Russland ist das
Zusatzprotokoll jedoch noch nicht in Kraft getreten. Über die bisherigen
Reformansätze hinaus werden noch weitere Anstrengungen auch seitens der
Mitgliedstaaten notwendig sein, um die Arbeitsfähigkeit des Europäischen Ge-

richtshofes zu verbessern. Zu diesem Ergebnis kommt auch die vom Minister-
komitee des Europarates eingesetzte Kommission der Weisen, die vor kurzem
ihren Bericht vorgelegt hat. Von entscheidender Bedeutung für die Lösung der
Probleme wird die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Aufbringung zusätz-
licher finanzieller Mittel sein.

Erfolg und Glaubwürdigkeit des EGMR hängen nicht nur von Existenz und
Funktionieren nationaler Menschenrechtsschutzsysteme, sondern daneben

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wesentlich von zwei Faktoren ab: Neben der schon erwähnten Arbeitsfähigkeit
ist dies die konsequente und zeitnahe Befolgung seiner Urteile in den Mitglied-
staaten. Die Überwachung der Urteilsbefolgung obliegt dem Ministerkomitee
des Europarates. Dieses ist verpflichtet, die Urteile zur Kenntnis zu nehmen,
die Mitgliedstaaten zur zügigen Befolgung anzuhalten und – falls dies nicht er-
folgt – entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, wofür allerdings politische
Mehrheiten erforderlich sind.

Für den am Verfahren beteiligten Mitgliedstaat des Europarates ist das Urteil
des EGMR bindend; allen anderen Mitgliedstaaten kann es als Orientierung bei
der Auslegung und Anwendung innerstaatlichen Rechts dienen. Bedauerlich
ist, dass in einigen Mitgliedstaaten die Befolgung der Urteile entweder ver-
zögert oder gar nicht erfolgt. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die die
Bundesrepublik Deutschland betreffenden Urteile zügig befolgt wurden.

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat sich im Oktober 2006
mit der Befolgung der Urteile des EGMR beschäftigt und sowohl ihre eigene
Verantwortung bei der Überwachung der Befolgung als auch die der nationalen
Parlamente der Mitgliedstaaten bekräftigt (Entschließung 1516 (2006) und
Empfehlung 1764 (2006)). In ihrer Empfehlung fordert die Parlamentarische
Versammlung die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten auf, eigene Mecha-
nismen zur Überwachung der Befolgung der Urteile des EGMR einzurichten.

Einige Parlamente haben bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen:

● In Italien schuf das Azzolini-Gesetz aus dem Jahr 2006 eine Rechtsgrundlage
für ein spezielles Verfahren zur Überwachung der Befolgung der Urteile
durch die Regierungen und Parlamente;

● in der Ukraine schuf ein Gesetz aus dem Jahr 2006 einen koordinierten An-
satz unter der Aufsicht des Regierungsagenten beim Gerichtshof zur Gewähr-
leistung der Befolgung der Urteile des Gerichtshofes;

● im Vereinigten Königreich Großbritannien wurden im März 2006 Fort-
schrittsberichte über die Befolgung der Straßburger Urteile eingeführt, die
dem gemeinsamen Menschenrechtsausschuss des britischen Parlaments vor-
gelegt werden.

Der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, René van
der Linden, hat sich im November 2006 an die Präsidenten der Parlamente der
Mitgliedstaaten gewandt mit der Bitte, ihrerseits auf die Einrichtung nationaler
Mechanismen zur Überwachung der Befolgung der Urteile des EGMR hinzu-
wirken. Das belgische Parlament hat daraufhin eine entsprechende Initiative
angekündigt.

Der Deutsche Bundestag hat sich erfolgreich für die deutschsprachige Überset-
zung der Urteile des EGMR eingesetzt. Durch einen leichteren Zugang zu den
Urteilen können deutsche Gerichte die europäische Rechtsprechung verstärkt in
die innerstaatliche Rechtsprechung aufnehmen. Der Deutsche Bundestag ist
ebenfalls gewillt, durch die Einführung eines Monitoring zur Urteilsbefolgung
einen Beitrag zur Verbesserung des Menschenrechtsschutzes in Europa zu leis-
ten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● alle geeigneten und notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die erfolgrei-
che Arbeit des EGMR zu unterstützen und seine Arbeitsfähigkeit zu verbes-
sern;

● weiterhin für die zügige Befolgung der gegen die Bundesrepublik Deutsch-

land und ihre Behörden ergangenen Urteile zu sorgen, soweit dies in ihrer
Kompetenz steht;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4417

● in den zuständigen Ausschüssen des Deutschen Bundestages (Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Rechtsausschuss, Petitionsausschuss)
einmal jährlich in geeigneter Form über den Stand der Befolgung der Urteile
gegen Deutschland zu berichten;

● gemeinsam mit den Vertretern der anderen Mitgliedstaaten im Minister-
komitee dafür Sorge zu tragen, dass die zügige Befolgung der Urteile des
Gerichtshofes im gesamten Gebiet des Europarates höchste Priorität genießt.

III. Der Deutsche Bundestag bedauert den ablehnenden Beschluss der Duma
der Russischen Föderation und fordert diese auf, das 14. Zusatzprotokoll
zur EMRK rasch zu ratifizieren.

Berlin, den 28. Februar 2007

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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