BT-Drucksache 16/3810

Anstrengungen für einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Welthandelsrunde mit höchster Priorität fortsetzen

Vom 13. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3810
16. Wahlperiode 13. 12. 2006

Antrag
der Abgeordneten Laurenz Meyer (Hamm), Erich G. Fritz, Veronika Bellmann,
Alexander Dobrindt, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. Michael Fuchs,
Dr. Reinhard Göhner, Ernst Hinsken, Robert Hochbaum, Klaus Hofbauer,
Hartmut Koschyk, Dr. Martina Krogmann, Andreas G. Lämmel, Wolfgang
Meckelburg, Hans Michelbach, Franz Obermeier, Rita Pawelski, Ulrich Petzold,
Dr. Joachim Pfeiffer, Ronald Pofalla, Eckhardt Rehberg, Dr. Heinz Riesenhuber,
Dr. Norbert Röttgen, Albert Rupprecht, Christian Freiherr von Stetten, Lena
Strothmann, Andrea Astrid Voßhoff, Kai Wegner, Volker Kauder, Dr. Peter
Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Ditmar Staffelt, Ludwig Stiegler, Dr. Rainer Wend,
Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Klaus Barthel, Dr. Axel Berg, Ute Berg,
Petra Bierwirth, Lothar Binding (Heidelberg), Willi Brase, Edelgard Bulmahn,
Ulla Burchardt, Martin Dörmann, Garrelt Duin, Rolf Hempelmann, Iris Hoffmann
(Wismar), Ulrich Kelber, Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf, Christian Lange (Backnang),
Dirk Manzewski, Lothar Mark, Marko Mühlstein, Dr. Sascha Raabe, Walter Riester,
Dr. Hermann Scheer, Olaf Scholz, Reinhard Schultz (Everswinkel), Dr. Martin
Schwanholz, Dr. Rainer Tabillion, Jörg Tauss, Hans-Jürgen Uhl, Dr. Margit Wetzel,
Andrea Wicklein, Engelbert Wistuba, Manfred Zöllmer, Dr. Peter Struck und der
Fraktion der SPD

Anstrengungen für einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Welthandelsrunde
mit höchster Priorität fortsetzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Für Deutschland als führende Exportnation ist ein erfolgreicher Abschluss der
Doha-Welthandelsrunde von vitalem Interesse. Jeder fünfte Arbeitsplatz und
jeder dritte Industriearbeitsplatz hängt von der Exportwirtschaft ab. Die deut-
sche Wirtschaft ist international hervorragend aufgestellt und würde von einem
erleichterten Zugang zu internationalen Märkten profitieren. Dies gilt insbeson-
dere auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Ein verbesserter Markt-

zugang sichert hierzulande Wachstumschancen und Arbeitsplätze.

Ebenso ist für die EU der Außenhandel eine wesentliche Voraussetzung für wirt-
schaftlichen Wohlstand, soziale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung in
den Mitgliedsländern. Als weltweit führende Wirtschaftsregion mit einem An-
teil am gesamten Welthandel von über 20 Prozent hat die EU ein besonders star-
kes Interesse an Bedingungen, die den Welthandel fördern.

Drucksache 16/3810 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass nach Suspendierung der Doha-Runde
nunmehr die ersten Schritte zur Wiederaufnahme der Verhandlungen gemacht
worden sind. Der Deutsche Bundestag sieht damit eine Chance, dass die Doha-
Runde zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden kann.

Das eröffnet auch die Möglichkeit, die bereits in Hongkong vereinbarten Fort-
schritte und Verhandlungsergebnisse, wie der zoll- und quotenfreie Zugang für
die am wenigsten entwickelten Länder zu den Märkten der Industrie- und
Schwellenländer, die Vereinbarung, Exportsubventionen der Industrieländer für
landwirtschaftliche Produkte bis 2013 vollständig abzubauen, die Einigung bei
TRIPS über erleichterten Zugang der Entwicklungsländer zu Präparaten gegen
Massenepidemien oder eine stärker handelsbezogene Entwicklungshilfe („aid
for trade“) zu sichern (siehe Bundestagsdrucksache 16/556). Die Ergebnisse der
Ministerkonferenz sind eine belastbare Grundlage für weitere Verhandlungen.
Die EU hat gerade im für Entwicklungsländer sensiblen Agrarbereich ein Ange-
bot vorgelegt, das sich nochmals den Forderungen der G20 annähert. Die USA
müssen in diesem Bereich weitergehende Angebote machen. Im Gegenzug er-
warten wir, dass die großen Schwellenländer ihrerseits ihre Märkte für Industrie-
produkte öffnen und verbesserte Dienstleistungsangebote vorlegen.

In Gesprächen von EU-Handelskommissar Mandelson mit der amerikanischen
Seite wurde erfreulicherweise deutlich, dass das Weiße Haus und die US-Han-
delsbeauftragte an einem erfolgreichen Abschluss der Doha-Runde innerhalb
der Amtszeit von Präsident George W. Bush interessiert sind. Das Zeitfenster für
eine Einigung ist jedoch sehr eng bemessen. Bereits im Frühjahr 2007 nimmt der
US-Kongress die Beratungen für eine neue Farm-Bill auf. Im Mai 2007 wählt
Frankreich einen neuen Präsidenten. Ende Juli 2007 läuft zudem die Handels-
vollmacht des US-Präsidenten aus. Im Jahr 2008 ist in den USA Präsident-
schaftswahlkampf. Damit ergibt sich ein Zeitfenster von Dezember 2006 bis
März 2007. Um ein Verhandlungsergebnis zu ermöglichen, müssen die Verhand-
lungen schnellstmöglich wieder aufgenommen werden.

Deutschland muss bei der Wiederbelebung der Doha-Runde eine aktive Rolle
übernehmen. Die EU-Ratspräsidentschaft und G8-Präsidentschaft im ersten
Halbjahr 2007 bieten Deutschland die besondere Chance, für die Erhaltung und
Stärkung des multilateralen Systems einzutreten.

Deutschland und die EU halten aus guten Gründen am multilateralen Handels-
system fest. Es bleibt dabei: Ein multilaterales Handelsregime ermöglicht allen
Beteiligten die größten Wohlfahrtsgewinne und ist bis heute die beste Platt-
form für die Regelung von Streitigkeiten. Im Falle weiterer Verzögerungen
oder gar des Scheiterns der Doha-Runde sollte die EU – wie sie es in der Kom-
missions-Mitteilung „Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt“
formuliert – bilaterale Abkommen anstreben. Dabei sollten sich alle Beteilig-
ten im Klaren darüber sein, dass bilaterale Abkommen immer nur zweitbeste
Lösungen darstellen. Solche Abkommen sollten allerdings mit dem Anspruch
verbunden werden, über den aktuellen Stand der WTO-Vereinbarungen hinaus-
zugehen und zum Beispiel zur Verabschiedung von Investitionsregeln führen,
die bisher nicht multilateral verhandelbar sind.

Alle WTO-Beteiligten müssen sich nun einen Ruck geben, die Verhandlungen
zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Dies ist auch im Interesse der Ent-
wicklungsländer. Der Zugang zu internationalen Märkten für Produkte aus Ent-
wicklungsländern ist effektive Entwicklungspolitik. Wirtschaftliche und soziale
Entwicklungschancen und Marktzugang dürfen keine gegensätzlichen Positio-
nen sein. Daher sollte auch die „Everything But Arms“-Initiative der EU ausge-
baut und, wie von der EU vorgeschlagen, von anderen Industrieländern und auch
größeren Schwellenländern übernommen werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3810

Bis heute differenziert die WTO ihre Mitgliedstaaten nicht im ausreichenden
Umfang entsprechend ihres Entwicklungsniveaus. Dazu böte sich etwa eine
Kategorisierung der Mitglieder gemäß der Empfehlungen des UN-Wirtschafts-
und Sozialrates an. Gegenüber Entwicklungsländern ist darauf zu achten, dass
der jeweilige Entwicklungsstand berücksichtigt und ärmere Entwicklungsländer
angemessene Schutzmöglichkeiten für ihre Ernährungssicherheit und im Auf-
bau befindliche Dienstleistungs- und Industriezweige erhalten. Dem Vorbild der
„Everything But Arms“-Initiative der EU folgend, könnten sich entwickelnde
Staaten sukzessive stärker in die WTO eingebunden und in angemessenen
Schritten an den internationalen Wettbewerb herangeführt werden.

In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern arbeiten Menschen unter unzu-
mutbaren und unwürdigen Bedingungen. Betroffen hiervon sind viele Frauen
und immer noch Kinder. Teilweise sind diese Arbeitsplätze zwar ein relativer
Fortschritt für die Menschen im Vergleich zu ihren sonstigen Arbeitsmöglich-
keiten. Dennoch lehnen wir diese unmenschlichen Produktionsweisen, die klar
gegen die elementaren Kernarbeitsnormen der ILO verstoßen, ab. Zudem nutzen
einige Mitgliedstaaten derartige Produktionsmethoden, um sich auf diesem Weg
Kosten- und damit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. China hat beispiels-
weise bisher nur vier von acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Wir wollen
einen fairen Wettbewerb unter gleichen Wettbewerbsbedingungen mit den ande-
ren Mitgliedstaaten, der nicht auf Kosten der Arbeitnehmer stattfindet.

Die EU und Deutschland streben einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Ent-
wicklungsrunde, eine faire Liberalisierung des Welthandels und eine Stärkung
der WTO an. Sie stellt einen wichtigen Pfeiler der multilateralen Weltordnung
dar. Diese zu fördern und zu erweitern, liegt in Deutschlands Interesse. Es ist
entscheidend, Schwellenländer wie China effektiv in regelsetzende Regime, die
für alle Mitglieder Gültigkeit besitzen, einzubinden. Dazu gehört auch die Ver-
pflichtung zur Einhaltung von geistigen Eigentumsrechten. Nach wie vor wer-
den weltweit geistige Eigentumsrechte missachtet. Obwohl das TRIPS-Überein-
kommen alle WTO-Mitgliedstaaten zur Einhaltung von Eigentumsrechten aus
Patenten, Urheberrechten und Warenzeichen verpflichtet, gibt es vielfach inter-
nationalen Missbrauch. Diese Produktpiraterie führt bei der deutschen Industrie-
und Dienstleistungswirtschaft zu Milliardenverlusten.

Viele Staaten, die über gesetzliche Regelungen verfügen, verfolgen Verletzun-
gen der geistigen Eigentumsrechte im eigenen Land nicht konsequent bzw. wer-
den nicht ausreichend präventiv tätig. Die WTO ist ein wichtiger Schritt zu einer
allgemeingültigen Kodifizierung des internationalen Handels. Sie stellt damit
auch ein gelungenes Beispiel für eine gemeinsame Regelung einer internationa-
len Herausforderung dar, die nicht effizient im Rahmen jeweils nationaler Poli-
tik gelöst werden könnte. Damit ist die WTO ein Vorreiter im Bereich von Glo-
bal Governance. Insbesondere der Streitbeilegungsmechanismus der WTO stellt
eine wichtige Errungenschaft dar und muss noch wirkungsvoller ausgestaltet
werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– ihren Einfluss geltend zu machen, die Doha-Runde als Entwicklungsrunde
mit dem Ziel wieder zu beleben, zu einem abschließenden Abkommen zu ge-
langen, das die bisher erreichten Ergebnisse von Hongkong sichert und die
Umsetzung der Vereinbarungen von Doha anstrebt. Die EU muss zu diesem
Zweck ihre Gespräche mit den Schlüsselpartnern USA, China, Indien, Brasi-
lien, Mexiko und Südafrika intensivieren. In den Gesprächen mit der ameri-
kanischen Regierung ist insbesondere auf den Abbau interner Agrarsubven-
tionen zu drängen. Im Zuge der Gespräche mit der brasilianischen und

indischen Regierung gilt es, im Bereich des Marktzugangs für Industriegüter
auf einen Kompromiss hinzuwirken. Die Verhandlungsspielräume beim

Drucksache 16/3810 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Marktzugang und bei Exporthemmnissen sind gemäß den Luxemburger Be-
schlüssen vom Sommer 2003 auszuschöpfen;

– die EU-Ratspräsidentschaft und G8-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2007
zu nutzen, um den Abschluss der Doha-Welthandelsrunde zu forcieren und
die Stärke des WTO-Streitbeilegungsmechanismus zu garantieren;

– EU-Handelskommissar Peter Mandelson bei seinen Konsultationen mit den
anderen wichtigen Mitgliedstaaten der WTO zu unterstützen und die Ver-
handlungen schnellstmöglich wieder in Gang zu bringen;

– die EU-Kommission zu bestärken, im Falle fehlenden Fortschritts bei der
Doha-Runde, auf der Grundlage der Kommissions-Mitteilung „Ein wettbe-
werbsfähiges Europa in einer globalen Welt“, Verhandlungen über bilaterale
Handelsabkommen parallel zu den multilateralen WTO-Verhandlungen auf-
zunehmen;

– die EU-Kommission in ihren Bestrebungen zu unterstützen, insbesondere
auch WTO-Mitgliedsländer wie China und Thailand stärker als bisher zur
Einhaltung der geistigen Eigentumsrechte zu drängen und – wenn nicht an-
ders möglich – ein WTO-Streitbeilegungsverfahren einzuleiten;

– stärker auf die vereinbarte Etablierung des „Standing Forum“ zu Arbeits- und
Sozialstandards zwischen WTO, IAO, UNCTAD, Weltbank, IWF und ande-
ren internationalen Organisationen zu drängen sowie bei der Fortentwicklung
der multilateralen Welthandelsregeln internationale Arbeits- und Sozialstan-
dards, wie die ILO-Kernarbeitsnormen, angemessen zu berücksichtigen und
Schritt für Schritt die Behandlung von Umweltstandards innerhalb der WTO-
Regularien anzustreben;

– die EU-Kommission in ihrem Ansinnen zu unterstützen, differenzierte und
am Entwicklungsstand orientierte Regelungen für Entwicklungsländer zu
vereinbaren;

– bei den weiteren Verhandlungen deutlich zu machen, dass nur ein multilate-
rales Handelsabkommen, das die Interessen der Entwicklungsländer berück-
sichtigt, zu nachhaltigen Wohlfahrtsgewinnen für Entwicklungs- und Indus-
trieländer beiträgt.

Berlin, den 13. Dezember 2006

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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